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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 13 A 5238/04
Rechtsgebiete: PsychThG


Vorschriften:

PsychThG § 6
Anerkennung einer Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit vertiefter Ausbildung in Gesprächspsychotherapie.
Tatbestand:

Die Klägerin beantragte beim Beklagten die Anerkennung als Ausbildungsstätte nach § 6 PsychThG , beschränkt auf die Grundentscheidung für das Vertiefungsgebiet Gesprächspsychotherapie. Die Beklagte lehnte den Antrag ab mit der Begründung, eine Einrichtung könne als Ausbildungsstätte nur anerkannt werden, wenn in ihnen Patienten nach wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren behandelt würden. Die Feststellung und Anerkennung eines wissenschaftlichen Psychotherapieverfahrens obliege dem Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie - WBP -. Dieser habe im November 2001 die Gesprächspsychotherapie nicht als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren anerkannt. Nachdem der WBP im September 2002 mehrheitlich die Gesprächspsychotherapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren bei Erwachsenen festgestellt und die Beklagte daraufhin den früheren Ablehnungsbescheid aufgehoben hatte, erklärten die Beteiligten das zuvor durch Untätigkeitsklage eingeleitete Verfahren in Bezug auf die Anerkennung der Ausbildungsstätte der Klägerin für die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten für erledigt.

Das Begehren der Klägerin auf Anerkennung der Gesprächspsychotherapie als Verfahren der vertieften Ausbildung für die Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten lehnte das VG ab. Auf die Berufung der Klägerin verpflichtete das OVG die Beklagte, den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Revision wurde zugelassen.

Gründe:

Nach der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage, ob eine Einrichtung mit einer beabsichtigten vertieften Ausbildung in Gesprächspsychotherapie als Ausbildungsstätte für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach § 6 PsychThG anerkannt werden kann.

Die Berufung der Klägerin ist insoweit begründet.

Der Begriff der "vertieften Ausbildung" ist in dem die Anerkennung von Ausbildungsstätten betreffenden § 6 PsychThG ebenso wenig enthalten wie konkretisierende Regelungen zu der in diesem Verfahren relevanten Frage, ob und welche vertiefte Ausbildung in einem bestimmten psychotherapeutischen Verfahren eine Anerkennung als Ausbildungsstätte rechtfertigt. Der Begriff findet sich hingegen in § 8 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 PsychThG sowie jeweils in § 1 Abs. 1 PsychTh-APrV bzw. KJPsychTh-APrV (BGBl. I 1998, S. 3749, 3761). Er steht dort im Zusammenhang mit dem Begriff der "wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren". Dieser Begriff findet sich auch in der in § 1 Abs. 3 PsychThG enthaltenen Legaldefinition dessen, was Psychotherapie ist, sowie in § 8 Abs. 3 Nr. 1 PsychThG und in § 11 PsychThG, der die Beteiligung des WBP betrifft.

Der somit zentrale Begriff der "wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren" wird im Psychotherapeutengesetz nicht definiert. Ebenso wenig enthält das Gesetz konkretisierende und der Präzisierung dieses Begriffs dienende Elemente bezüglich der Anforderungen für die wissenschaftliche Anerkennung psychotherapeutischer Verfahren. Der Begriff bedarf deshalb der Auslegung. Dabei liegen Schwierigkeit und zugleich Dilemma darin, dass bestimmte Abläufe und Ergebnisse in der Wissenschaft kontrovers bewertet und beurteilt werden mit der Folge, dass sich wegen dieser Unsicherheit häufig kein einheitliches Bild und keine übereinstimmende Bewertung für eine wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens oder einer Methode ergibt. Dies gilt in besonderem Maße gerade auch für die Psychotherapie, bei der dementsprechend der Konsens unter den Psychotherapeuten über die Wertung und Anerkennung psychotherapeutischer Methoden nur sehr gering ist.

Vgl. Francke, Wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Verfahren nach § 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG, MedR. 2000, 447; Jerouschek, PsychThG, 1. Aufl., § 1 Rdnrn. 30 ff.; Behnsen/ Bernhardt, Psychotherapeutengesetz, 1. Aufl., S. 67 f.

Für den hier anstehenden Problemkreis wird dies beispielsweise besonders deutlich durch den Umstand, dass einerseits der WBP die Gesprächspsychotherapie bisher als psychotherapeutisches Verfahren jedenfalls für den Erwachsenenbereich, hingegen nicht für den Kinder- und Jugendlichenbereich anerkannt hat, während andererseits der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern im November 2006 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass "die Wirksamkeit und der Nutzen der Gesprächspsychotherapie für die Behandlung der wichtigsten psychischen Erkrankungen - mit Ausnahme der Depression - nicht wissenschaftlich belegt ist". Auch die - mit entsprechenden Recherchen im Internet abrufbaren - unterschiedlichen und teils kritischen Reaktionen beteiligter Fachkreise und die Masse an Veröffentlichungen, die die Beschlüsse bewirkt haben, verdeutlichen die uneinheitliche Bewertung dieser Frage unter Wissenschaftlern.

Der Senat orientiert sich bei der Auslegung und Konkretisierung des im Psychotherapeutengesetz enthaltenen Begriffs "wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Verfahren" vorrangig am intendierten und vom Gesetzgeber vorgegebenen Sinn und Zweck des Psychotherapeutengesetzes insgesamt bzw. an den diesen Begriff enthaltenden konkreten berufs- und ausbildungsrechtlichen Bestimmungen sowie am Maßstab tangierter grundrechtlicher Schutzbereiche, und nicht an einer entsprechenden Auslegung des Begriffs in normativen Bestimmungen in anderen Rechtsbereichen. Dies führt dazu, dass eine rein sozialrechtliche Sicht, wie dies beispielsweise bezüglich der zur Krankenbehandlung geeigneten psychotherapeutischen Verfahren im sog. "Richtlinienverfahren" der Fall ist, ebenso wenig als maßstabsbildend und entscheidend zur Bestimmung des Begriffs erscheint wie andererseits eine Beurteilung ausschließlich unter Zugrundelegung beamtenrechtlicher Beihilfebestimmungen (so VG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2006 - 26 K 9121/03 -, juris).

Vgl. auch - den Beteiligten bekannt - VG München - M 16 K 02.712 -, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.2.2005.

In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 13/8305; 13/9212) wird zu den hier relevanten Bestimmungen folgendes ausgeführt:

"Der Gesetzentwurf definiert, was Ausübung von Psychotherapie im Sinne des Gesetzes sein soll. ... Die Beschränkung der Berechtigung auf "wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Verfahren" soll verhindern, dass die Befugnis zur Ausübung von Psychotherapie zu Scharlatanerie missbraucht wird" (BT-Drucks. 12/5890, S. 13 f).

"Der Gesetzentwurf enthält keine Aufzählung der zulässigen psychotherapeutischen Verfahren. Weiterentwicklungen in diesem Bereich sollen nicht ausgeschlossen werden. Gerade im Rahmen der beruflichen Definition psychotherapeutischer Tätigkeiten ist es nicht angezeigt, Verfahren auszugrenzen. Ihre wissenschaftliche Anerkennung bleibt indes Voraussetzung für die anerkannte Ausübung von Psychotherapie, um zu verhindern, daß die Befugnis zur Ausübung der Psychotherapie missbraucht wird.

Der Gesetzgeber regelt die Grundlage für die wissenschaftliche Anerkennung von psychotherapeutischen Verfahren. Die Entscheidung trifft die zuständige Landesbehörde, die in Zweifelsfällen auf Gutachten der Vertretung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie der Bundesärztekammer ... zurückgreift (BT-Drucks. 13/8035, S. 14).

§ 1 Absatz 3 definiert, was Ausübung von Psychotherapie im Sinne des Gesetzes ist. Es muss sich dabei um die Anwendung "wissenschaftlich anerkannter Verfahren" handeln. Die Beschränkung auf wissenschaftlich anerkannte Verfahren soll Missbrauch verhindern" (BT-Drucks. 13/8035, S. 17).

"§ 11 regelt das Verfahren für die wissenschaftliche Anerkennung von psychotherapeutischen Verfahren. Die zuständigen Behörden haben die Möglichkeit, zur Bewertung der Verfahren eine gutachterliche Stellungnahme der auf Bundesebene zuständigen Vertretung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie der Bundesärztekammer ... einzuholen. Hierdurch wird eine einheitliche Anerkennungspraxis durch die zuständigen Behörden ermöglicht" (BT-Drucks. 13/8035, S. 19).

Diese gesetzgeberische Intention beim Erlass des Psychotherapeutengesetzes und insbesondere der Verzicht auf eine Festlegung der zulässigen psychotherapeutischen Verfahren im Gesetz, die Ausfluss eines bestehenden weiten Entscheidungsspielraums des Normgebers sind, veranlassen eine Auslegung des Begriffs "wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Verfahren", die für psychotherapeutische Behandlungsmethoden nicht zu enge Grenzen setzt. Anderenfalls wäre das gewollte breite Behandlungsspektrum mit unterschiedlichen Verfahren nicht realisierbar und würde die Gesetzesintention, Weiterentwicklungen in diesem Bereich nicht zu verhindern und kein psychotherapeutisches Verfahren auszuschließen, unterlaufen. Vor dem dargelegten Gesetzeshintergrund erscheint es dem Senat deshalb nicht geboten, die Anerkennung eines psychotherapeutischen Verfahrens (ausschließlich) von einem durch Studien belegten und nachgewiesenen Wirksamkeitsnachweis abhängig zu machen. Ein entsprechender Wirksamkeitsnachweis ist zwar ein nicht unerhebliches Indiz für die Anerkennung und Anerkanntheit eines Verfahrens, kann angesichts der Gesetzesintention, dass einerseits die Qualität der Ausbildung als Psychotherapeut gesichert werden soll und andererseits bei der Ausübung von Psychotherapie die Missbrauchsgrenze relevant ist, aber nicht als allein entscheidendes Kriterium angesehen werden. Dementsprechend wird die Wissenschaftlichkeitsklausel für psychotherapeutische Verfahren überwiegend im Sinne einer einfachen Anerkennung der Verfahren in der Wissenschaft verstanden. Der Begriff des "wissenschaftlich anerkannten Verfahrens" reicht dabei einerseits nach allgemeiner Ansicht weiter als der des "allgemein anerkannten Stands der medizinischen Erkenntnisse" (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V), der bestimmend ist für die Festlegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, und findet andererseits vor dem Hintergrund der entsprechenden Gesetzesintention seine Grenze, wenn bei der Psychotherapieausübung Missbrauch und/oder Scharlatanerie zu besorgen sind. An anderer Stelle ist die Rede davon, dass das in Frage stehende Verfahren nachvollziehbar und wissenschaftlich plausibel begründbar sein muss, d. h. nach allgemeinen Kriterien wissenschaftlich vertretbar sein soll, womit u. U. auch Außenseiterverfahren herangezogen werden können. In Anlehnung an den ärztlichen Bereich, in dem einem Arzt im Rahmen der Therapiefreiheit nicht von vornherein der Einsatz wissenschaftlich nicht anerkannter Behandlungsmethoden untersagt ist, kann demnach ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren i. S. d. § 1 Abs. 3 PsychThG dann angenommen werden, wenn es wissenschaftlich begründete Argumente in der Profession der Psychotherapeuten für sich findet, wobei dies auch eine Mindermeinung zulässt, oder wenn das psychotherapeutische Verfahren in der Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und in der beruflichen Praxis von einer erheblichen Zahl von Therapeuten angewandt wird.

Vgl. Pulverich, Psychotherapeutengesetz, 3. Aufl., S. 53; Jerouschek, a. a. O., § 1 Rdnrn. 30 ff.; Behnsen/Bernhardt, a. a. O., S. 53, 67 f.; Francke, a. a. O.; Spellbrink, Der wissenschaftliche Beirat nach § 11 PsychThG, P.u.R 2001, 112; VG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2006 - 26 K 9121/03 -, juris; VG München - M 16 K 02.712 -, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.2.2005; VG Leipzig - 4 K 376/02 -, Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.4.2005.

An diese Auslegungsprämisse sind nach der Gesetzeslage sowohl die für die Anerkennung einer Ausbildungsstätte zuständige Landesbehörde als auch der WBP nach § 11 PsychThG gebunden. Ein - einer gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum - kann ihnen dabei nicht zuerkannt werden. Es handelt sich bei dem Wissenschaftlichkeitsmerkmal des § 1 Abs. 3 PsychThG und in den anderen genannten Bestimmungen vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem Auslegung und Subsumtion der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Ein Beurteilungsspielraum mit der Folge eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfbarkeit kommt einer Gesetzesbestimmung dann zu, wenn der zu treffenden Entscheidung in hohem Maße wertende Elemente anhaften und das Gesetz deshalb für sie ein besonderes Verwaltungsorgan für zuständig erklärt, das weisungsfrei, mit besonderer fachlicher Qualifikation und in einem besonderen Verfahren entscheidet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.5.2007 - 3 C 8.06 -, NJW 2007, 2790.

Diese Konstellation ist nach dem Psychotherapeutengesetz nicht gegeben. Vor dem dargelegten Hintergrund kommt deshalb auch den vorliegenden Stellungnahmen des WBP in Bezug auf die Gesprächspsychotherapie im Kinder- und Jugendlichenbereich keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu und kann die Ablehnung des Begehrens der Klägerin nicht darauf gestützt werden.

Dabei besteht anlässlich dieses Verfahrens keine Veranlassung, die Legitimation und die Rechtmäßigkeit der Zusammensetzung des WBP, die zum Teil in Frage gestellt werden, vgl. Spellbrink, a. a. O.; Jerouschek, a. a. O., § 11 Rdnr. 3 ff., einer Überprüfung zu unterziehen, auch nicht als Vorfrage in Bezug auf die Verwertbarkeit der vorliegenden Stellungnahmen und Empfehlungen. Diese Fragen sind in dem entsprechenden Verfahren zur Einrichtung und Besetzung dieses Gremiums zu klären und zu überprüfen, zumal insoweit auch § 11 PsychThG keine konkretisierenden Regelungen enthält. Die Verbindlichkeit der Stellungnahmen des WBP kann auch nicht mit dem Argument verneint werden, ein die Behörde zur Einholung eines Gutachtens des WBP berechtigender "Zweifelsfall" hätte nicht vorgelegen. Ein die Einschaltung des WBP rechtfertigender Zweifelsfall kann nämlich auch dann angenommen werden, wenn sich - wovon hier ausgegangen werden kann - die zur Entscheidung berufene Behörde wegen fehlender Sachkompetenz nicht zur Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung eines Verfahrens in der Lage sieht.

Vgl. Behnsen/Bernhardt, a. a. O., S. 68.

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 11 PsychThG, wonach über die wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens die zuständige Landesbehörde entscheidet und sie ihre Entscheidung in Zweifelsfällen auf der Grundlage eines Gutachtens des WBP treffen soll, steht allein der zuständigen Landesbehörde die Entscheidungskompetenz zu, während dem WBP mit der Aufgabe der Erstellung eines Gutachtens in Zweifelsfällen als Grundlage für die behördliche Entscheidung lediglich eine Beratungsfunktion, nicht aber eine Entscheidungsbefugnis zugewiesen wird.

Vgl. Pulverich, a. a. O., S. 90 f.; Behnsen/Bernhardt, a. a. O., S. 68; Jerouschek, a. a. O., § 11 Rdnr. 3 ff.; Spellbrink, a. a. O.; VG Düsseldorf, Urteil vom 7.4.2006 - 26 K 9121/03 -, juris.

Diese gesetzlich vorgesehene Zuteilung von Entscheidungs- und Beratungskompetenzen hat die Beklagte bei der den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Entscheidung verkannt, weil sie sich in den ausschließlich auf die Bewertung und Einschätzung des WBP zur Eignung der Gesprächspsychotherapie als Ausbildung für die psychotherapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen bezogen hat, ohne eine eigenständige Entscheidung zu treffen.

Den Stellungnahmen des WBP kommt auch im Übrigen keine Verbindlichkeit in dem Sinne zu, dass darauf die Ablehnung des klägerischen Begehrens gestützt werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob dies schon deshalb gilt, weil die Stellungnahmen zur Eignung der Gesprächspsychotherapie im Bereich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen an ein Wirksamkeitskriterium anknüpfen und dieses Anknüpfungsmerkmal bei dem - dargelegten - vom Gesetzgeber beabsichtigten relativ weiten Rahmen möglicher psychotherapeutischer Behandlungsmethoden als ungeeignet bzw. unzutreffend erscheint.

So Spellbrink, a. a. O.

Selbst wenn das Kriterium der Wirksamkeit als probates Mittel für die Einschätzung und Bewertung einer psychotherapeutischen Behandlungsmethode berücksichtigt würde, vgl. Francke, a. a. O., erscheint es nicht gerechtfertigt, die Gesprächspsychotherapie als Methode bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen auszuschließen und einer darauf abstellenden Ausbildungsstätte die Anerkennung zu versagen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der dargelegten mit dem Begriff der "wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren" verbundenen Gesetzesintention, bei der Psychotherapieausübung Missbrauch und Scharlatanerie zu verhindern. Dass diese Grenze beim Einsatz der Gesprächspsychotherapie im Kinder- und Jugendlichenbereich überschritten wird, wird auch vom WBP nicht behauptet und ist nicht erkennbar. Die Gesprächspsychotherapie als solche wird seit langem in der Wissenschaft als geeignete Therapiemethode angesehen.

Vgl. Francke, a. a. O., Fn. 26, und Behnsen/ Bernhardt, a. a. O., S. 68, jeweils unter Bezugnahme auf das Forschungsgutachten von Prof. Meyer zu Fragen eines Psychotherapeutengesetzes, 1991.

Zwar ist die formelle Zweiteilung der psychotherapeutischen Berufe in den Psychologischen Psychotherapeuten und den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erst mit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes Anfang 1999 erfolgt. Obwohl die unterschiedlichen Behandlungsgruppen der Erwachsenen und der Kinder/ Jugendlichen bekannt waren, ist aber nicht erkennbar, dass die früheren und auf alle Altersstufen bezogenen Stellungnahmen zur grundsätzlichen Eignung der Gesprächspsychotherapie als Therapieverfahren deswegen ihre Bedeutung als Erkenntnisgrundlage verloren haben. Der WBP stützt insoweit seine Bewertung, die Gesprächspsychotherapie nicht als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren bei Kindern und Jugendlichen anzusehen, auf fehlende Wirksamkeitsstudien. Dieser mehr formale Ansatz ist vor dem Hintergrund des dargelegten Gesetzeszwecks der Verhinderung von Missbrauch und Scharlatanerie in der Psychotherapieausübung nicht entscheidend, insbesondere dann, wenn dem Wirksamkeitskriterium die Eignung als sachgerechtes Anknüpfungsmerkmal abgesprochen wird/werden muss. Die in den jeweiligen Anlagen 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen für Psychologische Psychotherapeuten bzw. für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten genannten Ausbildungsinhalte für die vertiefte Ausbildung sind bei gleicher Zeitdauer der Ausbildung weitgehend identisch, auch wenn in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten die Notwendigkeit eines verstärkten Eingehens auf Kinder und Jugendliche sowie die Beziehungspersonen hervorgehoben wird. Auch wenn entwicklungsbedingte und intellektuelle Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Patienten bestehen und diese sich auch in der Aufarbeitung psychotherapeutisch behandlungsbedürftiger Probleme auswirken können, vermag dies nicht die in der Fachdiskussion zum Ausdruck gekommene Auffassung, wonach sich die Gesprächspsychotherapie auch als Behandlungsmethode bei Kindern eignet, grundsätzlich in Frage zu stellen, zumal es möglich erscheint, bei der Anwendung der Gesprächspsychotherapie dem unterschiedlichen Alter der Patienten durch die Art der Gesprächsführung Rechnung zu tragen. Dies ist trotz der nicht vorrangig auf diese Patientengruppe bezogenen Ausbildung auch anzunehmen bei den Psychologischen Psychotherapeuten, die ebenfalls Kinder und Jugendliche behandeln dürfen.

Vgl. OVG Bremen, Urteil vom 12.2,2002 - 1 A 270/01 -, MedR 2003, 185; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 11.2.2004 - 4 K 970/01 -, durch Beschluss des OVG NRW vom 24.8.2004 - 8 A 1759/04 - für wirkungslos erklärt; Pulverich, a. a. O., S. 53; Behnsen/Bernhardt, a. a. O., S. 50; a. A.: Jerouschek, a. a. O., § 1 Rdnr. 24 ff.

Bei den Psychologischen Psychotherapeuten kann auf Grund ihrer Ausbildung davon ausgegangen werden, dass sie sich in der Gesprächsführung umfassend auf den Patientenkreis von Kindern und Jugendlichen mit den entsprechenden Behandlungsvorgaben (wie beispielsweise Einbeziehung von Beziehungspersonen) einstellen werden. Gegenteilige Anhaltspunkte auf der Grundlage empirischer Erfahrungswerte sind jedenfalls nicht vorhanden.

Da das Klagebegehren auf die Frage der grundsätzlichen Anerkennungsfähigkeit der Ausbildungsstätte der Klägerin mit dem Vertiefungsgebiet Gesprächspsychotherapie beschränkt wurde, besteht keine Veranlassung für eine gerichtliche Prüfung der in § 6 Abs. 2 PsychThG geforderten sonstigen Nachweise.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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