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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.04.2005
Aktenzeichen: 13 A 654/05.A
Rechtsgebiete: AsylVfG 93, AsylVfG 2005, AufenthG, ZuwanderungsG
Vorschriften:
AsylVfG 93 § 73 | |
AsylVfG 93 § 77 | |
AsylVfG 2005 § 73 Abs. 2a | |
AufenthG § 26 | |
AufenthG § 60 | |
ZuwanderungsG Art. 3 Nr. 46 |
Tatbestand:
Die Beklagte stellte auf Grund entsprechender Verpflichtung durch Urteil des VG T. vom 29.4.1999 zu Gunsten des aus dem Kosovo stammenden, albanisch-ethnischen Klägers durch Bescheid vom 7.7.1999 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG fest. Mit Bescheid vom 15.1.2004 widerrief sie jenen Bescheid gemäß § 73 AsylVfG in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung. Das VG hob durch Urteil vom 14.1.2005 den Widerrufsbescheid auf, weil ausgehend von der Sach- und Rechtslage zur Zeit der mündlichen Verhandlung die gemäß § 73 Abs. 2a AsylVfG in der ab 1.1.2005 in Kraft getretenen Fassung für eine Widerrufs-/Rücknahmeentscheidung nach 3 Jahren nach Zuerkennung erforderliche Ermessensausübung nicht erfolgt sei. Auf die Berufung der Beklagten wies das OVG die Klage ab.
Gründe:
Der Widerruf der dem Kläger durch Bundesamtsbescheid vom 7.7.1999 in Verbindung mit dem Urteil des VG T. vom 29.4.1999 zuerkannten Rechtsposition aus § 51 Abs. 1 des am 1.1.2005 außer Kraft getretenen AuslG beurteilt sich nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. Entgegen der Ansicht des VG findet § 73 AsylVfG in der ab 1.1.2005 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 46 ZuwanderungsG auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Das folgt aus dem Zweck der neuen Regelung, ihrem Wortlaut und der Gesetzessystematik. Dem steht § 77 Abs. 1 AsylVfG nicht entgegen. Denn die Anwendung des zur Zeit der mündlichen Verhandlung geltenden Rechts setzt voraus, dass die zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften den Sachverhalt des anstehenden Streitfalls überhaupt erfassen. Letzteres ist hier mit Blick auf § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 nicht der Fall.
Vgl. auch VG Braunschweig, Urteil vom 17.2.2005 - 6 A 524/04 -.
Mit Einführung einer obligatorischen Überprüfungspflicht spätestens nach Ablauf von drei Jahren im Hinblick auf Widerruf oder Rücknahme einer anerkennenden Entscheidung sollte § 73 Absätze 1 u. 2 AsylVfG, die in der Praxis weitgehend leer gelaufen waren, mehr Bedeutung verleihen werden; nach künftiger genereller Überprüfung eines Herkunftslandes sollte das Ergebnis dessen bei der Entscheidung der Ausländerbehörde über eine Niederlassungserlaubnis Beachtung finden.
Vgl hierzu die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/420, S. 107 u. 112.
Dieser Gesetzeszweck kann bei Anwendung der neuen Regelung auf bis Ende 2004 ergangene Widerrufs-/Rücknahmeentscheidungen mit der Folge ihrer Aufhebung wie im vorliegenden Fall nicht erreicht werden. Im Gegenteil droht sogar eine künftige Nichtkorrigierbarkeit von Anerkennungen, selbst wenn die generelle Überprüfung des Herkunftslandes ergibt, dass deren Voraussetzungen weggefallen sind.
Bereits der Umstand, dass § 73 Absätze 1 u. 2 AsylVfG 2005, an die § 73 Abs. 2a anknüpft, u. a. den Fall der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG anspricht, der erst ab 1.1.2005 in Kraft ist, deutet darauf hin, dass die neue Widerrufs-/Rücknahmeregelung nur Entscheidungen auf der Grundlage des ab 1.1.2005 geltenden neuen Rechts erfassen kann. Das wird bestätigt durch § 73 Abs. 2a Satz 4 AsylVfG 2005, der erstmals ab 1.1.2005 eine Einbürgerungsregelung für Widerrufs-/Rücknahmefälle trifft und im inneren Zusammenhang mit den zuvor in den Sätzen 1 bis 3 getroffenen Regelungen steht. Die Regelungswirkung des § 73 Abs. 2a Satz 4 für Behörden und Gerichte bezieht sich daher auf die erst ab 1.1.2005 denkbaren fristunterworfenen Widerrufs-/Rücknahmefälle, woraus eine Anwendbarkeit des Satzes 4 eben nur bei Behördenentscheidungen auf der ab 1.1.2005 geltenden Rechtsgrundlage folgt. Es spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber die Anwendbarkeit mehrerer Regelungen (Sätze) ein und derselben Vorschrift in gleicher Weise gestalten wollte, das heißt hier, dass auch die Regelungen des § 73 Abs. 2a Sätze 1 bis 3 AsylVfG 2005 nur auf nach dem ab 1.1.2005 geltenden Recht getroffene Entscheidungen des Bundesamts Anwendung finden.
Schließlich beinhaltet die Formulierung in § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG 2005 "die Prüfung ... hat ... zu erfolgen" einen bindenden Auftrag an die Behörde. Dieser kann erst mit Inkrafttreten der einen solchen Auftrag konkretisierenden Bestimmung eintreten und daher nur für Fälle gelten, die ab diesem Zeitpunkt zum Widerruf oder zur Rücknahme anstehen. Diesem zukunftsgerichteten Auftrag kann nicht, wie es das VG im Ergebnis tut, auch eine Verpflichtung mit Rückwirkung zugesprochen werden. Die gesamte Gesetzesautomatik des § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 - das Bundesamt "hat" spätestens nach drei Jahren nach unanfechtbarer Entscheidung der Behörde die Widerrufs-/Rücknahmevoraussetzungen zu prüfen; bei vorliegenden Voraussetzungen "ist" gemäß Abs. 1 bzw. 2 zu widerrufen bzw. zurückzunehmen; der Ausländerbehörde "ist" Mitteilung zu machen; erfolgt der Widerruf bzw. die Rücknahme nach spätestens drei Jahren nicht, kann nur noch eine diesbezügliche Ermessensentscheidung getroffen werden - ist ersichtlich erst vorgesehen ab 1.1.2005, nicht für sog. Widerrufs- bzw. Rücknahme-"Altfälle" vor diesem Zeitpunkt. Hieraus folgt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Neufassung des Gesetzes nicht auf Entscheidungen des Bundesamts anwendbar sein sollte, so lange sie noch nicht rechtswirksam zur Verfügung stand. Es wäre geradezu treuwidrig, einer Behörde die Nichtbeachtung einer Vorschrift vorzuhalten, die im Zeitpunkt ihrer (früheren) Entscheidung noch nicht galt und die sie nicht beachten konnte und ihr eine Rechtswidrigkeit anzulasten, die sie nicht einmal heilen könnte. Ein solches Ergebnis kann nicht den Vorstellungen des Gesetzgebers entsprochen haben.
Schließlich steht die Neuregelung in § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 in erkennbarem Zusammenhang mit der Regelung des § 26 Abs. 1 und 3 AufenthG, wonach eine Aufenthaltserlaubnis längstens für drei Jahre zu erteilen und hernach eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen ist, wenn eine Positivmeldung nach § 73 Abs. 2a Satz 2 AsylVfG 2005 vorliegt. Diese Regelung des § 26 AufenthG kann nur für ab dem 1.1.2005 zu erteilende Aufenthaltstitel gelten, woraus folgt, dass auch § 73 Abs. 2a AsylVfG 2005 nur auf Widerrufs- bzw. Rücknahmeentscheidungen Anwendung findet, die nach dem ab 1.1.2005 geltenden Recht zu treffen sind.
Der angefochtene Widerrufsbescheid beurteilt sich demnach nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung, dessen Voraussetzungen vorliegend gegeben sind. (Wird ausgeführt).
Ende der Entscheidung
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