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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 13 A 910/04
Rechtsgebiete: TierSG
Vorschriften:
TierSG § 67 Abs. 4 Satz 2 |
Tatbestand:
Die Kreisordnungsbehörde ordnete die sofortige Tötung und unverzügliche unschädliche Beseitigung der in der Hälterungsanlage des Fischzuchtbetriebes der Klägerin befindlichen seuchenkranken Forellen an. Die Inhaberin der Tierkörperbeseitigungsanstalt stellte der Klägerin für die Entsorgung der Forellen einen Betrag in Höhe von 1.687,60 € in Rechnung. Die beklagte Tierseuchenkasse lehnte die von der Klägerin begehrte Erstattung der Entsorgungskosten ab. Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage gab das VG statt. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Die Klägerin kann von dem Beklagten die Erstattung der für die Entsorgung der Forellen entstandenen Kosten in Höhe von 1.687,60 € verlangen.
Bei der Beurteilung des tierseuchenrechtlichen Erstattungsanspruchs ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Tierverlusts abzustellen, vgl. BVerwG, Urteil vom 20.1.2005 - 3 C 15/04 -, NVwZ-RR 2005, 446, hier also auf das Tierseuchengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.4.2001 (BGBl. I S. 506).
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG. Hiernach zählen die bei der Verwertung oder Tötung des Tieres entstehenden Kosten nicht zu der nach § 67 Abs. 1 bis 3 TierSG zu gewährenden Entschädigung, sie sind zusätzlich erstatten. Die vorliegend streitgegenständlichen Entsorgungskosten sind (...) "bei der (...) Tötung" der Tiere entstandene und damit zu erstattende Kosten im Sinne dieser Vorschrift.
Dem Wortlaut des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG sind keine tragfähigen Hinweise darauf zu entnehmen, dass entsprechend der Auffassung des Beklagten nur die Kosten des Tötungsvorgangs erstattet werden. Der Wortlaut ist nicht eindeutig. Er lässt sowohl Raum für die dargelegte Auffassung des Beklagten als auch für die Auffassung der Klägerin, wonach neben den Kosten des Tötungsvorgangs die Kosten der Beseitigung der Tiere zu erstatten sind.
Aus der systematischen Einordnung des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG ergeben sich insoweit ebenfalls keine verlässlichen Hinweise. Insbesondere lässt die Verwendung des Begriffs der Tötung in § 24 TierSG zum einen und des Begriffs der Beseitigung in § 26 TierSG zum anderen nicht auf den Bedeutungsgehalt des Be-griffs der "bei der Tötung" entstehenden Kosten im Sinne des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG schließen. § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG beschränkt sich begriffsmäßig eben nicht auf die Kosten der Tötung, sondern stellt auf die "bei der (...) Tötung" entstehenden Kosten ab. Gerade die Verwendung des Wortes "bei" lässt aber mehrere Bedeutungsvarianten zu.
Da der mögliche Wortsinn und auch die systematischen Erwägungen Raum für verschiedene Auslegungen lassen, ist diejenige vorzuziehen, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und des von ihm verfolgten Zwecks am ehesten entspricht. Danach umfasst der im § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG verwendete Begriff der "bei der (...) Tötung" entstehenden Kosten nicht nur die Kosten des Tötungsvorgangs, sondern auch die Beseitigungskosten.
§ 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG ist zurückzuführen auf den wortgleichen § 67 Abs. 4 Satz 2 des Viehseuchengesetzes in der Fassung des Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes vom 28.3.1980 (BGBl. I S. 386). In den Gesetzesmaterialien, vgl. die Begründung des Entwurfs eines Elften Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes, BT-Drucks. 8/2646, S. 14, wird die Erweiterung der Kostenerstattungsregelung dergestalt, dass neben den bei der Verwertung des Tieres entstehenden Kosten auch die bei der Tötung entstehenden Kosten nicht zur Entschädigung zählen und zusätzlich zu erstatten sind, wie folgt begründet:
"Nach dem geltenden Recht werden dem Besitzer nur die Kosten, die bei der Verwertung auf Anordnung getöteter Tiere entstehen, angerechnet, nicht aber die Kosten, die bei der unschädlichen Beseitigung anfallen. Die ungleiche Behandlung der jeweils betroffenen Besitzer wird durch entsprechende Ergänzung des Absatzes 4 ausgeräumt (...)."
Der Umstand, dass in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich von den "Kosten, die bei der unschädlichen Beseitigung anfallen", die Rede ist, spricht für die Annahme, dass nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG nicht nur die Kosten des Tötungsvorgangs, sondern auch die aus der anschließenden unschädlichen Beseitigung des Kadavers resultierenden Kosten zu erstatten sind. Hinweise, die eine Differenzierung zwischen Tierkörpern und Tierkörperteilen beziehungsweise zwischen verwertbaren und unverwertbaren Tierkörperteilen angezeigt erscheinen lassen, sind dieser Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen und auch anderweitig nicht ersichtlich. Überdies sind Anhaltspunkte dafür, dass der dort verwendete Begriff der Beseitigung nicht im Sinne des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen, vgl. Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Verarbeitung und Beseitigung von nicht für den menschlichen Verkehr bestimmten Nebenprodukten vom 25.1.2004 (BGBl. I S. 82), vorliegend aber noch zu Grunde zu legenden Tierkörperbeseitigungsgesetzes (vgl. § 1 Abs. 2 TierKBG) verstanden worden ist, nicht erkennbar.
Die Erstattungsfähigkeit der Beseitigungskosten wird schließlich untermauert durch die Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes. Der mit Wirkung vom 26.6.2004 in das Tierseuchengesetz eingefügte § 72d (BGBl. I S. 1260) soll sicher stellen, dass die für Entschädigungen geltenden Regelungen der §§ 70 bis 72c "auf die Kosten für die Tötung und unschädliche Beseitigung Anwendung finden, soweit eine entsprechende Geltung der genannten Vorschriften auf diese Kosten in Betracht kommt".
Vgl. BT-Drucks. 15/2943, S. 23.
Diese Formulierung belegt, dass der Gesetzgeber - nach wie vor - von einer Erstattungsfähigkeit nicht nur der Tötungskosten, sondern auch der Beseitigungskosten ausgeht.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG folglich keine - eng auszulegende - Ausnahmevorschrift. § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG regelt nicht, dass unter bestimmten Voraussetzungen von der Begrenzung der Entschädigung auf den gemeinen Wert abgewichen werden kann oder muss. Sie begründet vielmehr grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der bei der Verwertung oder Tötung des Tieres entstehenden Kosten und damit insbesondere auch der Beseitigungskosten.
Das vorstehende Auslegungsergebnis widerspricht weiterhin nicht den Vorgaben des Tierkörperbeseitigungsrechts. Es steht außer Frage, dass das zwischenzeitlich außer Kraft getretene, hier jedoch noch zu Grunde zu legende Tierkörperbeseitigungsgesetz auch und insbesondere die auf der Grundlage einer seuchenrechtlichen Vorschrift angeordnete unschädliche Beseitigung von Tierkörpern geregelt hat (vgl. insoweit insbesondere § 3 Abs. 1 Nr. 1 TierKBG). Allein dieses steht jedoch der nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG vorgesehenen Erstattungsfähigkeit von Beseitigungskosten nicht entgegen. Die in § 16 Abs. 1 TierKBG enthaltene Ermächtigung der Länder zur Regelung, inwieweit und in welchem Umfang für Tierkörper, Tierkörperteile und Erzeugnisse, die nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz an Beseitigungspflichtige abzugeben sind, ein Entgelt zu gewähren oder zu entrichten ist oder Kosten zu erheben sind, führt bereits deshalb zu keiner anderen Bewertung, weil der Anwendungsbereich dieser Vorschrift und der des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG nicht miteinander konkurrieren. Die Kostenerstattung nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG ist schon begrifflich der gegebenenfalls nach den landerechtlichen Vorschriften begründeten Kosten- bzw. Entgeltpflicht nachgelagert. Der Tierbesitzer zahlt an die Tierkörperbeseitigungsanstalt, kann diese (Beseitigungs-) Kosten aber später vom Beklagten erstattet verlangen.
Wegen des Vorrangs des Bundesrechts (vgl. Art. 31 GG) kann der nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG gegebene Kostenerstattungsanspruch schließlich nicht durch landesrechtliche Vorschriften, etwa das Ausführungsgesetz zum Tierseuchengesetz, eingeschränkt werden. Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob mit Blick auf den seitens des Beklagten angeführten § 23 Abs. 1 Nr. 3 AGTierSG-NRW, wonach in den Fällen, in denen eine Entschädigung zu zahlen ist, das Land und die Tierseuchenkasse die Kosten der Tötung oder Schlachtung sowie die Kosten, die damit im unmittelbaren Zusammenhang stehen, tragen, überhaupt eine Normenkollision im Sinne des Art. 31 GG gegeben ist. Letzteres erscheint mit Blick auf den Regelungsbereich des § 23 AGTierSG-NRW, der allein die Kostentragung, mithin nur die (interne) Verteilung der finanziellen Lasten der mit der Ausführung des Tierseuchengesetzes verbundenen Aufgaben betrifft und damit die Verpflichtung zur Gewährung einer Kostenerstattung unberührt lässt, fernliegend. Ungeachtet dessen bestünde im Übrigen die Möglichkeit der bundesrechtskonformen Auslegung dieser landesrechtlichen Norm.
Der nach alledem dem Grunde nach gegebene Kostenerstattungsanspruch schließt (...) auch die Kosten der Beseitigung derjenigen Forellen ein, die vor ihrer Beseitigung nicht mehr getötet werden mussten, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits aufgrund der Seuche verendet waren. Ein Erfordernis, im gegenteiligen Sinne zu differenzieren, kann § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG nicht entnommen werden, zumal der Umfang des Erstattungsanspruchs ansonsten weitgehend vom Zufall abhinge. Auch die Entschädigung wird nicht nur für die getöteten, sondern auch für die durch den Seuchenbefall schon verendeten Tiere gezahlt.
Weil sich die Forellen zur Zeit des Todes im Gewahrsam der Klägerin befanden, ist sie entsprechend § 72 Abs. 1 TierSG Anspruchsberechtigte. Diese Vorschrift regelt ihrem Wortlaut nach zwar allein, an wen die Entschädigung zu zahlen ist. Sie ist jedoch entsprechend auf die nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG zu zahlende Kostenerstattung anzuwenden. Insoweit fügt sich, dass das Tierseuchengesetz, wie bereits dargelegt, mit Wirkung vom 26.6.2004 um die Vorschrift des § 72d ergänzt worden ist. Hiernach gilt nunmehr in den Fällen des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG u.a. § 72 TierSG entsprechend.
Der Beklagte ist nach § 71 TierSG i.V.m. § 10 Satz 1 bzw. § 11 Nr. 5 AGTierSG-NRW verpflichtet, die Kostenerstattung zu gewähren. Insoweit spricht vieles dafür, dass § 10 Satz 1 AGTierSG-NRW, der seinem Wortlaut nach nur die Festsetzung und Auszahlung von Entschädigungen regelt, auch bezüglich der Kostenerstattung nach § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG anzuwenden ist. Jedenfalls folgt dessen Verpflichtung aus § 11 Nr. 5 AGTierSG-NRW, wonach die Tierseuchenkasse Beihilfen und finanzielle Unterstützungen u.a. für die Tierkörperbeseitigung gewähren kann. Sollte dem Beklagten durch diese Vorschrift grundsätzlich ein Ermessen eingeräumt sein, wäre dieses durch die bundesrechtlichen Vorgaben des § 67 Abs. 4 Satz 2 TierSG dahingehend reduziert, dass allein die Erfüllung des streitgegenständlichen Anspruchs in Betracht kommt.
Der Anspruch besteht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte schließlich auch in dem von der Klägeerin geltend gemachten Umfang
Ende der Entscheidung
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