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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 19.09.2008
Aktenzeichen: 13 B 1070/08
Rechtsgebiete: VwGO, HeilBerG NRW, BO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
HeilBerG NRW § 6 Abs. 1 Nr. 6
BO § 21 Abs. 1 Satz 4
1. Berufswidrige Werbung durch einen privat organisierten zahnärztlichen Notdienst;

2. Berufsrechtliche Ordnungsverfügung einer Zahnärztekammer gegen einen Zahnarzt, der mit dem privatärztlichen Notdienst zusammenwirkt.


Tatbestand:

Die Antragsgegnerin, eine Zahnärztekammer, verpflichtete durch für sofort vollziehbar erklärten Bescheid den Antragsteller, einer Vermittlung von Patientenanrufen zu seiner Zahnarztpraxis durch einen privat organisierten zahnärztlichen Notdienst entgegen zu wirken, solange für die Vermittlung in allgemein zugänglichen Verzeichnissen (Telefonbuch, "Google") ohne die Klarstellung geworben wird, dass es sich um einen privat organisierten Notdienst handelt. Die Werbung der privaten Organisation sei wegen einer Verwechslungsgefahr mit dem durch die Zahnärztekammer organisierten Notdienst berufswidrig. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hatte in zwei Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO fällt auch aus der Sicht des Senats zum Nachteil des Antragstellers aus. Der Senat schließt sich der Wertung des VG an, dass bei der diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eigenen summarischen Prüfung keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin bestehen.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 HeilBerG NRW kann die Heilberufskammer zur Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände Verwaltungsakte erlassen. Nach § 21 Abs. 1 Satz 4 BO der Antragsgegnerin vom 19. 11. 2005 (MBl. NRW. 2006 S. 42; MBl. NRW. 2008 S. 82) darf der Zahnarzt eine berufswidrige Werbung durch Dritte weder veranlassen noch dulden und hat dem entgegen zu wirken. Als berufswidrig ist insbesondere eine anpreisende, irreführende, herabsetzende oder vergleichende Werbung anzusehen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 BO). Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, bleibt demgegenüber im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum.

Die in Telefonbüchern, in den Gelben Seiten und im Internet erfolgende Werbung des A., auf die - weil der Antragsteller selbst nicht unmittelbar als Werbender in Erscheinung tritt - im Rahmen des § 21 Abs. 1 Satz 4 BO als hinter dem Antragsteller stehende Organisation abzustellen ist, ist irreführend und daher berufswidrig in dem vorgenannten Sinne. Sie begründet nämlich eine Verwechslungsgefahr mit dem zahnärztlichen Notfalldienst, der gesetzlich der Antragsgegnerin als Aufgabe zugeschrieben ist (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 HeilBerG). Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Werbe-Formulierungen des A., die der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin zu Grunde liegen als auch hinsichtlich der Werbe-Anzeigen die der A. im Verlauf des Verfahrens zur Diskussion gestellt hat und die wegen möglicher Änderung der Beurteilungsgrundlage der angefochtenen Verfügung bei der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen sind.

Ob eine Werbung irreführend ist, ist aus der Sicht der durch sie angesprochenen Verkehrskreise und eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers/Patienten zu bewerten. Ebenso wie das VG geht der Senat davon aus, dass dem durchschnittlich informierten Patienten bekannt ist, dass für Notfälle außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten ein ärztlicher und zahnärztlicher Notdienst zur Verfügung steht und dass für dessen Organisation regelmäßig die jeweilige Heilberufskammer zuständig ist. Dies zeigen in gewisser Weise insbesondere die Fälle, in denen der Notdienst nach Ansicht der einen solchen Dienst in Anspruch nehmenden Patienten nicht ordentlich durchgeführt wurde und entsprechende Beschwerden bei der jeweiligen (Zahn-)Ärztekammer geltend gemacht werden. Darin kommt die im Bewusstsein der meisten Patienten vorhandene Vorstellung eines "öffentlichen" (zahn-)ärztlichen Notdienstes zum Ausdruck ("klassischer Notdienst", so OLG Hamm, Urteil vom 9.8.2005 - 4 U 51/05 -, GRUR-RR 2006, 105), auch wenn es einem Patienten, der wegen starker Zahnschmerzen oder aus sonstigen Gründen den zahnärztlichen Notdienst in Anspruch nehmen muss, vordergründig gleichgültig sein wird, welcher Organisation der Notdienst-Zahnarzt angehört. Diesem "öffentlichen" Notdienst bringt die Masse der Patienten im Grundsatz ein besonderes Vertrauen entgegen, auch wenn in Einzelfällen Mängel bei der Durchführung des Notdienstes auftreten können. Der verständige Durchschnittspatient verbindet mit der Vorstellung eines "öffentlichen", von den Ärzte- oder Zahnärztekammern organisierten Notdienstes zudem nicht nur die Überlegung, dass dieser außerhalb der üblichen Sprechzeiten vorgehalten wird und somit "rund um die Uhr" eine zahnärztliche Versorgung gewährleistet ist, sondern auch die Erwartung, dass für den Fall der Notwendigkeit der Inanspruchnahme des Notdienstes dieser schnell und unter einem bekannten und gebräuchlichen Begriff in den einschlägigen Medien (Tageszeitung, Telefonbücher, Internet usw.) ausfindig gemacht werden kann. Er wird deshalb vorrangig unter dem weithin bekannten und langjährig eingeführten Stichwort "Zahnärztlicher Notdienst" oder "Ärztlicher Notdienst" suchen, so dass in gewisser Weise diesen Begriffen aus der Sicht des Patienten auch ein - wenn auch nicht formalisierter - Vertrauensschutz zugesprochen werden kann. Diese auch den "Zahnärztlichen Notdienst" als Begriff umfassende Vorstellung des durchschnittlich informierten Patienten mindert dementsprechend auch die Notwendigkeit für die Antragsgegnerin, sich durch eine andersartige Begriffsbildung von anderen auf dem selben Markt tätigen, privat organisierten Notdiensten abzugrenzen. Eine den klassischen Notdienst-Begriffen ähnlich klingende Begriffsangabe, die hier seitens des A. mit den o. a. Hinweisen auf den von ihm betriebenen Notdienst gegeben ist, birgt aber für Patienten, die den zahnärztlichen Notdienst aufsuchen müssen, die Gefahr einer leichten Verwechslung mit dem "öffentlichen" (klassischen) Notdienst der Zahnärztekammer in sich. Das liegt nicht im Interesse des auf ein schnelles Auffinden einer Notdienst-Praxis angewiesenen Notfallpatienten. Dies gilt erst recht bei Berücksichtigung des Umstands, dass der vom A. angebotene Notdienst - anders als der von der Zahnärztekammer organisierte Notdienst für die sprechstundenfreien Zeiten - nur bis 22.00 Uhr eines Tages erreichbar ist, diese zeitliche Begrenzung aus den Anzeigen in den verschiedenen Medien nicht erkennbar ist und deshalb ein Patient, wenn er einen zahnärztlichen Notdienst in den späten Abendstunden oder in den Nachtstunden in Anspruch nehmen will/muss, erst durch Anwahl einer weiteren Notdienst-Nummer sein Ziel, schnell eine Notdienst-Praxis zu finden, erreichen kann. Angesichts der Vielzahl möglicher Angaben, bei denen die Gefahr einer Verwechslung mit den Notdiensten der Zahnärztekammern weniger groß ist, erwecken die vom A. verwendeten Begriffe auch den Eindruck einer bewussten - und demnach vermeidbaren - Anlehnung an die eingeführten Begriffe für den öffentlich-rechtlichen zahnärztlichen Notdienst, zumal der Verantwortliche für den A., Herr Dr. M. S. bei der Antragsgegnerin den Entwurf einer Satzung für einen Z. also mit einer anderen Bezeichnung als jetzt, zur Prüfung vorgelegt hat, offenbar seinerzeit also auch keine Vorbehalte des Vereins gegen die Bezeichnung "Privat" bestanden, während die Verwendung dieses Begriffs jetzt vom A. abgelehnt wird. Das in diesem Zusammenhang stehende Vorbringen des Antragstellers, ein später in einen Markt eintretender privater Wettbewerber dürfe nicht von der Benutzung eines vorhandenen Begriffs ausgeschlossen und auf andere (Fantasie-)Bezeichnungen verwiesen werden, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. In dem insoweit vom Antragsteller genannten Urteil des BGH vom 5. 6. 2008 (- 1 ZR 108/05 -, WRP 2008,1206, zum formalen Schutz für die Bezeichnung "POST") wird nämlich ebenfalls ausgeführt, dass neu eintretende Wettbewerber sich durch Zusätze von einer geschützten Wortmarke abgrenzen müssen und nicht durch Anlehnung an weitere Kennzeichen die Verwechslungsgefahr erhöhen dürfen. Diese Erwägung gilt auch in Bezug auf eine im Wesentlichen durch eine bestimmte Bezeichnung bedingte Verwechslungsgefahr.

Das Vorbringen des Antragstellers unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 20. 5.1999 - I ZR 40/97 -, ein privatrechtlicher Notdienst sei zulässig und dürfe nicht anders behandelt werden als der öffentlich-rechtliche, bedingt - unabhängig davon, dass es in dem BGH-Verfahren anders als hier um einen Notfalldienst für Privatpatienten ging - keine andere Wertung. Insbesondere liegt in der bezeichneten Sichtweise keine Festschreibung eines vermeintlichen Monopols der Zahnärztekammern zur ausschließlichen Durchführung und Regelung des zahnärztlichen Notdienstes. Mit dem Erfordernis, sich auch in der Bezeichnung von dem von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft Zahnärztekammer angebotenen Notdienst zu unterscheiden und abzugrenzen, wird vielmehr lediglich einem Bedürfnis Rechnung getragen, das sich aus der Berücksichtigung der Interessen der angesprochenen Verkehrs-/Patienten-kreise ergibt. Es steht auch nicht eine Verhinderung eines privaten Notdienstes in Frage, sondern es geht lediglich um die Frage seiner Bezeichnung in Abgrenzung zu den eingeführten Begriffsangaben für den durch die Zahnärztekammern organisierten Notdienst. Wegen der in der Namenswahl liegenden Irreführung durch die Werbung des A. ist es auch unerheblich, ob der vom A. angebotene Notdienst ein deutliches Leistungsplus gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Notdienst der Zahnärztekammer beinhaltet, zumal derartige behauptete Kriterien für den Patienten bei dessen Suche nach einer Notdienst-Praxis nicht offenkundig sind und ihm die entsprechenden Einzelheiten bei dem Bemühen um Linderung bzw. Beseitigung seiner Zahnbeschwerden auch - ebenso wie das angesprochene Organisationskonzept des Notdienst-Zahnarztes - weitgehend gleichgültig sein werden. Der Hinweis des Antragstellers auf einen in den Werbe-Medien nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raum für Angaben zu Notdiensten, auf Grund dessen eine geforderte ausführlichere Beschreibung des A. nicht umsetzbar sei, ist nicht überzeugend und deshalb ebenfalls nicht geeignet, die Einschätzung des Werbeverhaltens des A. als berufswidrig in Frage zu stellen. Dass die bestehende Verwechslungsgefahr auch nicht durch den Zusatz "e.V." bei den Werbemaßnahmen des A. vermieden wird, hat bereits das VG zutreffend ausgeführt. Dem schließt sich der Senat mit der ergänzenden Erwägung an, dass sich angesichts der sonstigen Bezeichnung des Notdienstes und deren - optischer - Länge der auf eine privatrechtliche Vereinigung hindeutende - relativ kurze - Zusatz einem durchschnittlich informierten Patienten nicht zwingend die Erkenntnis eines privat organisierten Notdienstes aufdrängt.

In Bezug auf die angefochtene Verfügung der Antragsgegnerin vom ist auch ein besonderes Vollzugsinteresse zu bejahen. Die berufswidrige Werbung des A. mit der Vermittlung von Notfall-Patienten an den Antragsteller erfolgt(e) u. a., wenn nicht im Wesentlichen, in Telefonbüchern und in den Gelben Seiten. Von daher bestand zur Durchsetzung des Verbots berufswidriger Werbung, der ein Zahnarzt entgegenzuwirken hat, das Bedürfnis, entsprechende künftige Werbung durch die Veröffentlichung von Anzeigen in den Folgeauflagen dieser Medien zu verhindern, so dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung an ein zutreffendes Kriterium, nämlich das der Vermeidung weiterer Berufsverstöße anknüpft. Der zeitnahe Vollzug der fraglichen Verfügung ist - insbesondere vor dem Hintergrund der Darlegung, der A. habe sich um die Kooperation mit weiteren Zahnärzten bemüht bzw. bemühe sich entsprechend - auch geeignet, Dritte von einer Zusammenarbeit mit dem A. abzuhalten und eine weitere Irreführung von Patienten zu vermeiden. Diese generalpräventiven Ziele rechtfertigen ebenfalls die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. 6. 1999 - 13 B 96/99 -, NJW 2000, 891; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl., Rdn. 781.

Die Antragsgegnerin hat auch zeitgerecht mit der angefochtenen Verfügung und deren Anordnung der sofortigen Vollziehung reagiert. Das Vorbringen des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe seit längerer Zeit von dem A. und dessen Tätigkeit Kenntnis gehabt, und deshalb sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht (mehr) gerechtfertigt, verfängt demgegenüber nicht. Eine Verwirkung des Rechts zur Anordnung der sofortigen Vollziehung ist durch den Zeitraum bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung nicht eingetreten. Dem öffentlichen Interesse an der umgehenden Durchsetzung der Verfügung vorgehende private Interessen des Antragstellers sind nicht ersichtlich. Das hat bereits das VG im Hinblick auf etwaige finanzielle Einbußen als Folge der Vorgabe, Vermittlungen von Notdienst-Patienten durch den A. an ihn nicht nachkommen zu dürfen, festgestellt. Die Interessen des A, der nicht unmittelbarer Adressat derselben ist, werden von der Verfügung nur sekundär tangiert und können deshalb die öffentlichen Interessen an deren sofortiger Durchsetzung nicht beiseite drängen. Im Übrigen ist dem A. eine Änderung der Bezeichnung des von ihm betriebenen Notdienstes möglich und zumutbar, um dem Vorwurf berufswidriger Werbung zu begegnen.

Ende der Entscheidung

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