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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: 13 B 2254/06
Rechtsgebiete: LFGB, VO (EG) Nr. 853/2004, GG


Vorschriften:

LFGB § 11 Abs. 1
LFGB § 39
VO (EG) Nr. 853/2004 Anhang I Nr. 1.14
GG Art. 3
Auch nach "schonenden" Techniken gewonnenes "Fleisch" kann als "Separatorenfleisch" kennzeichnungspflichtig sein.
Tatbestand:

Die Antragstellerin betreibt ein Fleischwerk. Ihr wurde unter Anordnung des sofortigen Vollziehung aufgebeben, bestimmte Teile des von ihr hergestellten Fleisches als "Separatorenfleisch" zu kennzeichnen. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Das Beschwerdegericht konnte in der Sache entscheiden. Das Verfahren musste nicht in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO ausgesetzt werden, um dem EuGH die von der Antragstellerin aufgeworfene Frage vorzulegen. Eine Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG besteht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht. Von einer fakultativen Vorlage nach Art. 234 Abs. 2 EG hat das Gericht abgesehen, da die für eine Entscheidung maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hinreichend klar sind und es hier um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geht.

Vgl. zur fehlenden Vorlagepflicht EuGH, Urteil vom 27.10.1982 - Rs. 35 und 36/82 -, Slg. 1982, 3723 (Morson); BVerfG (3. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 29.11.1991 - 2 BvR 1642/91 -, NVwZ 1992, 360; BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 19.12.2006 - 2 BvR 2023/06 -, EuR 2006, 814.

Die Beschwerde, über die das Gericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO nur im Rahmen der fristgerechten Darlegungen der Antragstellerin befindet, ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss ist in diesem vorgegebenen Prüfungsrahmen nicht zu beanstanden.

Zu Recht hat das VG angenommen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell nicht zu beanstanden ist. Vor dem Erlass einer Vollziehungsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist eine Anhörung des Betroffenen nicht geboten.

Siehe dazu OVG NRW, Beschluss vom 1.7.1994 - 11 B 620/94 -, BauR 1995, S. 69; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.10.1994 - 10 S 1767/94 -, NVwZ-RR 1995, S. 174; Nds. OVG, Beschluss vom 28.4.1989 - 1 B 114/88 -, DVBl 1989, S. 887; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 2.9.1992 - 3 M 34/92 -, NVwZ-RR 1993, S. 587.

Daher kann dahinstehen, ob der Antragsgegner die Antragstellerin in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung gesondert angehört hat. Auch die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nicht zu beanstanden. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung aus, die - sei sie sprachlich oder gedanklich auch noch so unvollkommen - zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll die Behörde nur dazu zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs besonders sorgfältig zu prüfen.

Vgl. OVG NRW; Beschlüsse vom 13.1.2004 - 13 B 2246/04 - , vom 16.6.2003 - 13 B 951/03 -, vom 10.9.2003 - 13 B 1313/03 -, vom 21.12.1995 - 13 B 3118/95 - und vom 05.7.1994 - 18 B 1171/94 -, NWVBl. 1994, 424.

Diesen Voraussetzungen entspricht die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Widerspruchsbescheid. Dort begründet der Antragsgegner eingehend und auf den Einzelfall bezogen, dass und warum die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Ob diese Begründung inhaltlich "überzeugend" oder "richtig" ist, ist unerheblich.

Der angefochtene Beschluss ist auch nicht zu beanstanden, soweit in ihm die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bejaht wird. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Abwägungsentscheidung hat das VG angenommen, dass hier das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem privaten Interesse der Antragstellerin überwiege, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig sei. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die offensichtliche Rechtmäßigkeit einer Verfügung führt regelmäßig dazu, dass der gegen sie gerichtete Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg haben kann.

BVerwG, Beschluss vom 29.4.1974 - IV C 21.74 -, DÖV 1974, S. 422; OVG NRW, Beschlüsse vom 28.7.1993 - 1 B 1582/93 -, NWVBl. 1993, 456, und vom 8.9.1988 - 17 B 2366/88 -, NWVBl. 1989, 61; Schmidt, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2006, § 80 Rdnr. 74 m.w.N.

Dieser Abwägungsmaßstab ist hier nicht deshalb zu modifizieren, da nach § 39 Abs. 6 LFGB bestimmte Verfügungen von Gesetzes wegen vollziehbar sind, während andere Verfügungen - wie die hier streitgegenständliche nach Ansicht des VG nach § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB - dies nicht sind. § 39 Abs. 6 LFGB lässt sich nur entnehmen, dass die dort genannten Verfügungen von Gesetzes wegen vollziehbar sind. Dass dadurch die für andere Verfügungen geltenden Abwägungsmaßstäbe des § 80 Abs. 5 VwGO modifiziert werden sollen, ist nicht ersichtlich.

Das VG hat angenommen, dass die Ordnungsverfügung offensichtlich rechtmäßig sei. Sie finde ihre Grundlage in § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB und habe deswegen ergehen können, da die Antragstellerin "Fleisch" unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung, Angabe, Aufmachung, Darstellung oder sonstigen Aussage über Eigenschaften in den Verkehr bringe (§ 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB). Diese Täuschung ergebe sich daraus, dass die Antragstellerin das von ihr so genannte Fleisch mit den Produktbezeichnungen "SA-Fleisch II Baader", "SA-Fleisch II B" und "SW-Fleisch I SB" versehe, obschon es sich tatsächlich um "Separatorenfleisch" im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handele. Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, nach dem es sich bei dem von ihr in Verkehr gebrachten Fleisch nicht um "Separatorenfleisch" im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 handele, bleibt ohne Erfolg.

Nach Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ist "Separatorenfleisch" ein Erzeugnis, das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird. Dabei stellt Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 allein darauf ab, ob sich die Muskelfasern - und nicht etwa auch die Zellstrukturen der Muskeln - infolge der maschinellen Gewinnung auflösen oder verändern. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ebenfalls ohne Belang, ob die Veränderung der Muskelfasern - etwa infolge "schonender" maschineller Verarbeitungsprozesse - geringfügig ist oder nicht. Vielmehr spricht der Erwägungsgrund 20 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 davon, dass die Definition von Separatorenfleisch so allgemein gefasst sein soll, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens - also auch "schonende" - abdeckt. Aus Erwägungsgrund 20 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 folgt nichts anderes. Dort geht es nur um die Frage, welchen technischen Anforderungen die Herstellung von Separatorenfleisch unter Risikogesichtspunkten genügen muss. Auch wäre eine Abgrenzung zwischen einer "geringfügigen" und einer "nicht-geringfügigen" Veränderung der Muskelfaser kaum praktikabel.

Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10.8.2006 - 11 ME 74/05 - , LRE 53, 410.

Dieses Verständnis des Begriffes der "Veränderung" der Muskelfasern führt nicht dazu, dass jegliches maschinell von Knochen bzw. Geflügelschlachtkörpern abgelöste Fleisch vom Begriff des "Separatorenfleisches" erfasst würde. Richtig ist allerdings, dass jedes maschinelle Abtrennen die Struktur von Muskelfasern zwangsläufig verändert. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll aber ein maschinelles Abtrennen dann nicht erfasst werden, wenn die Struktur der Muskelfasern bezogen auf das gesamte Stück Fleisch nur punktuell verändert wird und so derart große und zusammenhänge Fleischstücke hergestellt werden, dass diese für sich genommen faktisch verkehrsfähig sind (z.B. Hähnchenbrust).

Im Übrigen spricht einiges dafür, dass ein einheitlich zu beurteilendes "maschinelles Ablösen" im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 auch dann vorliegt, wenn unterschiedliche, aber auf einen einheitlichen Herstellungsvorgang bezogene Maschinen benutzt werden. Erwägungsgrund 20 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 spricht - wie bereits gesagt - davon, dass die Definition von Separatorenfleisch so allgemein gefasst sein soll, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens abdeckt. Demnach könnte unerheblich sein, ob Separatorenfleisch "einstufig" oder "zweistufig" erzeugt wird, wenn und soweit die einzelnen Stufen der Erzeugung in einem inneren Zusammenhang stehen.

Für die Auslegung von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 ist insoweit unerheblich, ob bestimmtes "Fleisch" vor Inkrafttreten und vor Anwendbarkeit der Verordnung "traditionell" nicht als Separatorenfleisch angesehen wurde. Zwar wird in Erwägungsgrund 19 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 betont, dass Flexibilität angezeigt sei, damit traditionelle Methoden weiterhin angewendet werden könnten. Gleichwohl wird im Erwägungsgrund 19 Satz 2 hervorgehoben, dass die Flexibilität nicht die Ziele der Lebensmittelhygiene in Frage stellen solle. Auch finden sich in der Verordnung gerade zum "Separatorenfleisch"-Begriff substantielle Änderungen, einbezogen wird nunmehr auch Geflügelseparatorenfleisch. Im Übrigen machen schon der Erwägungsgrund 29 der Verordnung und Art. 15 der Verordnung deutlich, dass mit der Verordnung substantielle Änderungen angestrebt wurden. Für diese Änderungen wurden nämlich den betoffenen Wirtschaftszweigen lange Anpassungsfristen eingeräumt.

Endlich kann der Begriff des "Separatorenfleisches" auch nicht dahingehend teleologisch reduziert werden, dass nach "schonenden" Techniken gewonnenes Fleisch nicht erfasst wird. Insbesondere ist unerheblich, ob eine "schonende" Technik zu einer höheren Qualität des Separatorenfleisches führt oder nicht. Die unterschiedliche Qualität von Separatorenfleisch führt nur zu Veränderungen der Hygienebedingungen und der Verwendungsmöglichkeiten dieses Fleisches (vgl. Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3 Buchstabe d), Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 3, Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 4 und Anhang III Abschnitt V Kapitel II Nr. 1. bis 3. der Verordnung (EG) Nr. 853/2004).

Nds. OVG, Beschluss vom 10.8.2006 - 11 ME 74/05 -, a.a.O.; Schreiben der Europäischen Kommission vom 20.10.2006 - Az.: SANCO/E2/RD/ca D (2006) S 21067 -.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem von der Antragstellerin in Verkehr gebrachten "Fleisch" um Separatorenfleisch im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Das so genannte Fleisch wird nämlich - wie der Antragsgegner vorträgt und letztlich auch die Antragstellerin einräumt - auf maschinelle Weise so gewonnen, dass bereits durch das maschinelle Abtrennen vom Knochen (und nicht erst durch das anschließende Baadern) die Struktur der Muskelfasern verändert wird. Das Zusammenpressen von Knochen, das dazu führt, dass sich infolge der Reibung der Knochen untereinander vorhandene Fleischreste lösen, die dann über Siebeinsätze bzw. Lochscheiben der Maschine entweichen, führt zwangsläufig zu einer Veränderung der vorherigen Struktur der Muskelfasern des Fleisches. Große und zusammenhänge Fleischstücke, die für sich genommen faktisch verkehrsfähig sind, werden nicht gewonnen.

Vgl. zu alldem die Stellungnahme Nr. 038/2006 des Bundesinstitutes für Risikobewertung vom 16.6.2006; zum Herstellungsvorgang siehe Nitsch/Eber, in: Fleischwirtschaft 2006, S. 88 ff.

Ob diese Veränderung der Muskelfasern aufgrund des Verarbeitungsprozesses "schonender" ist oder nicht, ist unerheblich. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass hier ein "besonders schonender Verarbeitungsprozess" gewählt wurde: Die gezogenen Proben wiesen nach den Feststellungen des Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamts Ostwestfalen Lippe einen signifikant erhöhten Knochenanteil und einen deutlich erhöhten Calciumwert auf.

Im übrigen wird auch mit dem hier sich anschließenden Baadern die Struktur der Muskelfasern des Fleisches erheblich verändert. Auch besteht zwischen dem Abtrennen von Knochen und dem anschließenden Baadern ein sachlicher Zusammenhang; ohne das Baadern wäre das Fleisch faktisch nicht verkehrsfähig.

Die damit angesprochene Frage, ob "allein durch die Baaderung Separatorenfleisch" entsteht, kann angesichts des bereits auf anderer Grundlage gefundenen Ergebnisses offen bleiben.

Dieser Auslegung des Begriffes des Separatorenfleisches nach Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 und den daraus resultierenden Folgen für die Antragstellerin stehen weder Art. 3 GG noch der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob eine unterschiedliche Auslegung bzw. Handhabung des Begriffes des Separatorenfleisches überhaupt im Rahmen der Definition dieses Begriffes von Bedeutung sein kann (oder ob Gleichheitsgesichtspunkten nur an anderer Stelle Rechnung getragen werden kann). Jedenfalls liegt eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung bei Auslegung bzw. Handhabung des Begriffes des Separatorenfleisches nicht vor.

Zwar mag bezogen auf die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine unterschiedliche Auslegung bzw. Handhabung des Separatorenfleischbegriffes bzw. der daraus resultierenden kennzeichnungsrechtlichen Folgen - die hier nicht gesondert angegriffen werden - zu verzeichnen sein. Folge mag sein, dass die Antragstellerin gegenüber Herstellern aus dem Land Niedersachsen möglicherweise benachteiligt wird. Indes gilt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nur im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung. Die unterschiedliche Auslegung bzw. Anwendung von Bundesrecht durch verschiedene Bundesländer begründet daher keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wenn und soweit die Pflicht zu einem im wesentlichen einheitlichen Vollzug - der nur erhebliche Vollzugsunterschiede ausschließt - nicht verletzt wird.

BVerfG, Beschlüsse vom 15.3.1960 - 2 BvG 1/57 -, BVerfGE 11, 6 (18), und vom 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. -, BVerfGE 76, 1 (76); BFH, Urteil vom 23.7.1985 - VIII R 197/94 -, BFHE 144, 9.

Selbst wenn man diese Grundsätze auf die Handhabung von Gemeinschaftsverordnungen übertrüge, kann hier von einem erheblichen Vollzugsunterschied hinsichtlich der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 nicht die Rede sein, zumal das Land Niedersachsen - bei Licht besehen - in seinem Schreiben vom 11.7.2006 an das (damalige) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz letztlich nicht in Frage stellt, dass das in Rede stehende "Fleisch" Separatorenfleisch ist. Zum Ausdruck wird wohl nur gebracht, dass Separatorenfleisch nicht als solches zu kennzeichnen sei.

Auch mag in der Europäischen Union eine unterschiedliche Auslegung bzw. Handhabung des Separatorenfleischbegriffes praktiziert werden, weshalb die Antragstellerin möglicherweise auch im Vergleich zu Herstellern aus anderen Ländern der Europäischen Union benachteiligt wird. Am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG kann dies indes schon deshalb nicht gemessen werden, da Art. 3 Abs. 1 GG nur Ungleich- bzw. Gleichbehandlungen innerhalb der deutschen Kompetenzordnung erfasst. Aber auch der gemeinschaftsrechtliche Gleichheitssatz steht einer unterschiedlichen Auslegung bzw. Handhabung des Separatorenfleischbegriffes in den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob es gerade der gemein-schaftsrechtliche Gleichheitssatz ist, der eine einheitliche Auslegung und Handhabung von Gemeinschaftsrecht fordert. Jedenfalls folgt aus diesem Gleichheitssatz keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.

EuGH, Urteile vom 9.10.1984 - Rs. 188/83 -, Slg. 1984, 3465 (Witte) und vom 31.3.1993 - Rs. C-89/85 -, Slg. 1993 I, 1307, Rn. 197 (Ahlström Osakeyhtiö).

Um eine solche geht es hier, da eine von dem oben Gesagten abweichende Auslegung bzw. Handhabung des Begriffes des Separatorenfleisches falsch ist. Auch würde die Berücksichtigung des Umstandes, dass andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union den Begriff des Separatorenfleisches fehlerhaft auslegen bzw. handhaben, im Ergebnis dazu führen, dass sich ein Mitgliedsstaat zur Begründung für sein gemeinschaftswidriges Verhalten darauf berufen kann, dass sich auch andere Mitgliedsstaaten gemeinschaftswidrig verhalten. Das ist aber unzulässig.

EuGH, Urteil vom 26.2.1976 - Rs. 52/75 - Slg. 1976, 277 (Kommission/Italien).

Nach alldem ist die Annahme des VG, die angegriffene Verfügung sei bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig, nicht zu beanstanden. Gründe dafür, ungeachtet dieser Annahme bei der im Rahmen nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung die aufschiebende Wirkung gleichwohl wiederherzustellen, sind nicht ersichtlich. Über den Zeitraum einer Hauptsacheentscheidung hinaus schafft die auferlegte Kennzeichnungspflicht keine irreparablen Folgen. Sollte die angegriffene Verfügung im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden, kann die Antragstellerin ihr Fleisch in der Folgezeit wie bisher kennzeichnen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin bis zum Zeitpunkt einer Hauptsacheentscheidung derart unzumutbare Nachteile entstehen, dass diese - ungeachtet der bei summarischen Prüfung festzustellenden offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Verfügung - die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen. Der Antragstellerin wird nur eine Kennzeichnungspflicht auferlegt. Selbst wenn man Nachteile in die Abwägung einbezieht, die ihr mittelbar aufgrund der Kennzeichnung entstehen - Beachtung besonderer hygienischer Vorschriften, ggf. Rückgang der Verkäufe für das gekennzeichnete Fleisch - sind unzumutbare Nachteile nicht erkennbar. Denn es ist weder ersichtlich noch geltend gemacht, dass eine Beachtung der hygienischen Vorschriften und ein Rückgang der Verkäufe für das gekennzeichnete Fleisch für die Antragstellerin existenzbedrohlich wären. Nachteile, die den Abnehmern der streitgegenständlichen Produkte der Antragstellerin entstehen, sind im Rahmen der anzustellenden Abwägung nicht zu berücksichtigen.

Vergl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80, Rdnr. 152.

Die Antragstellerin kann sich schließlich auch nicht auf "Vertrauensschutz" dahingehend berufen, dass sie die von ihr hergestellten Produkte "seit Jahren" auf den Markt bringe und dass sie die angegriffene Verfügung sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung "überraschend" getroffen habe. Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gab ihr eine hinreichende Anpassungsfrist. Der Umstand, dass sich das (damalige) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit Mitteilung vom 7.9.2006 mit der Bitte an die Kommission gewandt hat, den Begriff des Separatorenfleisches im Hinblick auf "3mm-Fleisch" zu präzisieren, gibt für ein Wiederherstellungsinteresse schon deshalb nichts her, da die Kommission mittlerweile klargestellt hat, dass auch dieses Fleisch "Separatorenfleisch" im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 darstellt.

Schreiben der Europäischen Kommission vom 20.10.2006 - Az.: SANCO/E2/RD/ca D (2006) S 21067 -.

Ende der Entscheidung

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