Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 13 B 345/08
Rechtsgebiete: VO (EG) 726/2004, Richtlinie 2001/83/EG, AMG, VwGO
Vorschriften:
VO (EG) 726/2004 Art. 14 Abs. 11 | |
Richtlinie 2001/83/EG Art. 10 | |
Richtlinie 2004/27/EG | |
AMG § 24b | |
AMG § 25 Abs. 9 | |
VwGO § 80a |
Begründete Zweifel, ob für das Referenzarzneimittel eine gemeinschaftskonforme Zulassung erteilt wurde, gehen zu Lasten des bezugnehmenden Antragstellers. Für ihn tritt anstelle des Nachweises der Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels, der ihm obliegende Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Bezugnahme vorliegen.
Ein im Bundesgebiet fiktiv zugelassenes Arzneimittel ist kein geeignetes Referenzarzneimittel für eine generische Arzneimittelzulassung.
Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Beginn der Schutzfrist bei einer einheitlichen umfassenden Zulassung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG an die Erteilung einer gemeinschaftskonformen Erstgenehmigung anknüpft.
Tatbestand:
Die Antragstellerin wendete sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen Widerspruchsbescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte. Dieses hatte auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. und 2. die der Antragstellerin erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassungen für zwei generische Arzneimittel aufgehoben und den Widerspruchsbescheid für sofort vollziehbar erklärt.
Die Beigeladenen zu 1. und 2. hatten sich zur Begründung ihres Drittwiderspruchs auf Unterlagenschutz berufen, der ihnen wegen einer zentralen europäischen Zulassung für das von der Antragstellerin benannte Referenzarzneimittel zustehe. Die Antragstellerin hatte hingegen die Ansicht vertreten, der Unterlagenschutz sei wegen zuvor bestehender nationaler Zulassungen in Deutschland, Luxemburg und Portugal bereits abgelaufen.
Das VG lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von ihr gegen den Widerspruchsbescheid erhobenen Anfechtungsklage und den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der der Antragstellerin erteilten Zulassungsbescheide ab.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos.
Gründe:
Das VG hat die Anträge der Antragstellerin,
1. die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 18 K 5637/07 gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007 wiederherzustellen,
und
2. die sofortige Vollziehung der ihr erteilten Arzneimittelzulassungen für M.-n. 10 mg Filmtabletten (Zulassungsnr. 6..... . ) und M.-n. 10 mg/ml Lösung zum Einnehmen (Zulassungsnr. 6..... . ) vom 2.5.2007 anzuordnen,
zu Recht abgelehnt.
Die Anträge sind zwar zulässig, in der Sache aber unbegründet.
Der Antrag zu 1. ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Die Antragstellerin hat in zulässiger Weise isoliert gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.12.2007, mit dem die Antragsgegnerin auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. und 2. hin die mit Bescheid vom 2.5.2007 erteilten Zulassungen aufgehoben hat, Anfechtungsklage erhoben. Die Erhebung einer Verpflichtungsklage und damit eine Antragstellung nach § 123 Abs. 1 VwGO kamen nicht in Betracht (§ 123 Abs. 5 VwGO). Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Klage in zutreffender Weise allein gegen den Widerspruchsbescheid, weil sie der Ansicht ist, dass die im Widerspruchsbescheid angenommene Verletzung eigener Rechte der Beigeladenen zu 1. und 2. nicht vorliegt. Damit richtet sich ihre Klage im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gegen eine für sie erstmalig im Widerspruchsbescheid enthaltene Beschwer.
Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.9.2000 - 5 S 1843/00 -, NVwZ RR 2001, 543; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 79 Rdnr. 28; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 79 Rdnr. 7.
Der Anfechtungsklage kommt wegen der von der Antragsgegnerin unter dem 20.12.2007 angeordneten sofortigen Vollziehung entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu.
Hinsichtlich des unter 2. formulierten Antrages handelt es sich um ein Begehren im Sinne des § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO. Mit einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Anfechtungsklage würden dessen Wirkungen suspendiert. Als Folge hiervon wirkte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beigeladenen zu 1. und 2. gegen die der Antragsgegnerin erteilten Zulassungen fort. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hat sich, wie sich aus der Regelung des § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt, der sowohl für den Adressatenwiderspruch als auch für den Drittwiderspruch Geltung beansprucht, nicht bereits mit dem Erlass des sie begünstigenden Widerspruchsbescheides vom 13.2.2007 erledigt.
Anders noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 80b VwGO am 1.1.1997: OVG NRW, Beschluss vom 20.2.1987 - 13 B 194/87 -, NVwZ- RR 1988, 126.
Um die Vollziehbarkeit der ihr mit Bescheid vom 2.5.2007 erteilten Zulassungen herzustellen, bedarf es daher der von der Antragstellerin begehrten Vollziehungsanordnung nach § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 VwGO.
Die Anträge sind jedoch unbegründet.
Die Voraussetzungen für die mit dem Antrag zu 1. begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Anfechtungsklage liegen nicht vor. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 20.12.2007 eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO noch genügende Begründung enthält.
Vgl. zu den Anforderungen an die Begründung der Vollziehungsanordnung OVG NRW, Beschluss vom 9.11.2007 - 13 B 1192/07 -, MedR 2008, 229.
Die im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus, weil ihre Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung erweist sich der angefochtene Widerspruchsbescheid als rechtmäßig, weil die der Antragstellerin mit Bescheid vom 2.5.2007 erteilten Zulassungen subjektive Rechte der Beigeladenen zu 1. als Widerspruchsführerin verletzen. Nur eine solche Verletzung subjektiver Rechte der Beigeladenen berechtigte die Widerspruchsbehörde, hier die Antragsgegnerin, dem Drittwiderspruch stattzugeben. Fehlt es an einer subjektiven Rechtsverletzung, kommt im Falle einer objektiven Rechtswidrigkeit allein eine Rücknahme nach § 48 VwVfG in Betracht, die hier nicht erfolgt ist und worauf die Beigeladenen zu 1. und 2. auch keinen Anspruch haben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.7.1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40.
Die der Antragstellerin erteilten Zulassungen verletzten subjektive Rechte der Beigeladenen zu 1.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass § 24b AMG drittschützende Wirkung zukommt.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.5.2006 - 13 B 2057/05 -, PharmaR 2006, 274; ebenso: Anker, in: Deutsch/Lippert, Kommentar zum Arzneimittelgesetz (AMG), 2007, § 24a Rdnr. 1.
Entsprechendes gilt für den unmittelbar geltenden und den Interessen des Erstanmelders Rechnung tragenden Unterlagenschutz nach Art. 14 Abs. 11 der Verordnung (EG) 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 S. 1).
Auf diesen Drittschutz kann sich die Beigeladene zu 1. als Zulassungsinhaberin für das Arzneimittel A. berufen. Eine subjektive Betroffenheit der Beigeladenen zu 2. lässt sich indes nicht feststellen. Die Antragstellerin hat in ihrem Zulassungsantrag nicht auf das Arzneimittel E. und die in diesem Zulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. Allein der Umstand, dass im zentralen Zulassungsverfahren für A. und E. identische Unterlagen vorgelegt wurden, rechtfertigt angesichts der rechtlichen Selbstständigkeit der erteilten Zulassungen die Annahme einer eigenen subjektiven Betroffenheit der Beigeladenen zu 2. nicht. Eine subjektive Betroffenheit lässt sich auch dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. und 2. im Schriftsatz vom 16.6.2008 nicht entnehmen. Danach war die Beigeladene zu 2. lediglich zur Verwertung der Unterlagen der Beigeladenen zu 1. berechtigt, die durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsposition sollte jedoch offensichtlich allein bei der Beigeladenen zu 1. verbleiben. Eine subjektive Betroffenheit beider Beigeladener könnte sich allenfalls für den Fall einer Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel E. ergeben. Eine solche Bezugnahme ist indes nicht erfolgt.
Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Klage ist die fehlende subjektive Betroffenheit der Beigeladenen zu 2. ohne rechtliche Relevanz. Die der Antragstellerin erteilten Zulassungen für die streitgegenständlichen Arzneimittel waren jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Antragstellerin die Unterlagen der Beigeladenen zu 1. für die zentrale Zulassung von A. unberechtigt verwertet hat. Die Antragsgegnerin hat diese daher auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 1. hin zu Recht aufgehoben.
Die Verwertung der im zentralen Zulassungsverfahren von der Beigeladenen zu 1. vorgelegten Unterlagen ist unberechtigt, weil die Frist für den Unterlagenschutz noch nicht abgelaufen ist. Eine Berechtigung der Antragstellerin, die Unterlagen der Beigeladenen zu 1. in ihrem Zulassungsantrag zu verwerten, folgt weder aus Art. 14 Abs. 11 der Verordnung (EG) 726/2004 noch aus § 24b Abs. 1 AMG. Die Antragstellerin kann sich zu ihren Gunsten auch nicht auf das Vorliegen einer Globalzulassung im Sinne der § 25 Abs. 9 AMG oder Art. 6 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 S. 67) berufen.
Die Beigeladene zu 1. hat für das Arzneimittel A. eine zentrale europäische Zulassung nach Maßgabe des Art. 3 der Verordnung (EWG) 2309/93 des Rates vom 22.7.1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214 S. 1) erhalten. A. kann, obwohl es in einem zentralen europäischen Zulassungsverfahren genehmigt wurde, Referenzarzneimittel in dem nationalen Zulassungsverfahren der Antragstellerin sein (vgl. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) 726/2004 und § 24b Abs. 1 Satz 3 AMG).
Die Schutzvorschriften für zentral genehmigte Arzneimittel ergeben sich aus Art. 14 Abs. 11 der VO (EG) 726/2004. Die Verordnung enthält spezielle Verfahrensregelungen über das Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung von Human- und Tierarzneimitteln. Nach Art. 14 Abs. 11 VO (EG) 726/2004 unterliegen Humanarzneimittel unbeschadet des Rechts über den Schutz gewerblichen und kommerziellen Eigentums einem Datenschutz von acht Jahren und einem Vermarktungsschutz von zehn Jahren, wobei letzterer auf höchstens elf Jahre verlängert wird, wenn der Inhaber der Genehmigung für das Inverkehrbringen innerhalb der ersten acht Jahre dieser zehn Jahre die Genehmigung eines oder mehrerer neuer Anwendungsgebiete erwirkt, die bei der wissenschaftlichen Bewertung vor ihrer Genehmigung als von bedeutendem klinischen Nutzen im Vergleich zu den bestehenden Therapien erachtet wird. Allerdings gelten die in Art. 14 Abs. 11 VO (EG) 726/2004 benannten Schutzzeiträume nach Art. 89 der VO (EG) 726/2004 nicht für Referenzarzneimittel, deren Genehmigungen vor dem in Art. 90 Abs. 2 VO (EG) 726/2004 benannten Datum, dem 20.11.2005, beantragt wurden. Für diese kommt weiterhin die Schutzfrist der nach Art. 88 der VO 726/2004 aufgehobenen Vorgängerverordnung (EWG) 2309/93 zur Anwendung. Nach deren Art. 13 Abs. 4 gilt für Arzneimittel, die von der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der VO (EWG) 2309/93 genehmigt worden sind, ein Schutzzeitraum von zehn Jahren nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG. Die zehnjährige Schutzfrist für A. ist danach nicht abgelaufen, weil die zentrale europäische Genehmigung erst am 17.5.2002 erteilt wurde.
Eine zehnjährige Unterlagenschutzfrist würde sich auch ergeben, wenn die Frist für den Unterlagenschutz mit einer nationalen Zulassung für A., einem nach Angaben der Antragstellerin mit A. identischem Arzneimittel, zu laufen begonnen hätte. Indes haben die nationalen Zulassungen für A., die in Luxemburg und Portugal sowie in Deutschland als fiktive Zulassung bestanden haben, keinen Unterlagenschutz ausgelöst.
§ 24b AMG enthält spezielle Regelungen für bezugnehmende Zulassungen für Generika in Umsetzung des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. L 136 S. 34).
Voraussetzung für eine bezugnehmende Zulassung ist danach, dass das Referenzarzneimittel seit mindestens acht Jahren zugelassen ist oder vor mindestens acht Jahren zugelassen wurde; dies gilt auch für eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (§ 24b Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AMG). Ein Generikum, das gemäß dieser Bestimmungen zugelassen wurde, darf frühestens nach Ablauf von zehn Jahren nach Erteilung der ersten Genehmigung für das Referenzarzneimittel in den Verkehr gebracht werden (§ 24b Abs. 1 Satz 2 AMG). Nach § 141 Abs. 5 AMG gelten die Zeiträume für den Unterlagenschutz nach § 24b Abs. 1 AMG allerdings nicht für Referenzarzneimittel, deren Zulassung, wie hier, vor dem 30.10.2005 beantragt wurde. Für diese gelten die Schutzfristen nach § 24a AMG in der bis zum Ablauf des 5.9.2005 geltenden Fassung. Nach § 24a AMG in der bis zum Ablauf des 5.9.2005 geltenden Fassung bedarf es der Zustimmung des Vorantragstellers nicht, wenn der Antragsteller nachweist, dass die erstmalige Zulassung des Arzneimittels in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft länger als zehn Jahre zurückliegt. Einen Tatbestandsverweis enthält § 141 Abs. 5 AMG nicht.
Vgl. Sander, Kommentar zum AMG, Stand August 2007, § 141 Am. 8.
Die der Regelung des § 24b AMG zugrunde liegende Richtlinie 2004/27/EG zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG sollte eine Harmonisierung der Zeiträume, in dem die Daten über vorklinische und klinische Versuche geschützt sind, herbeiführen (Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/27). Art. 2 der Richtlinie 2004/27/EG sieht insoweit vor, dass die Schutzfristen des Art. 1 Nr. 8 zur Änderung von Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG nicht für Referenzarzneimittel gelten, deren Genehmigung vor dem in Art. 3 Abs. 1 genannten Datum, dem 30.10.2005, beantragt wurde. Dass der nationale Gesetzgeber eine hiervon abweichende Regelung beabsichtigte, ist der Gesetzesbegründung zu § 141 Abs.5 AMG nicht zu entnehmen.
Vgl. BT-Drucks. 15/5316, S. 46.
Der Beginn der Schutzfrist nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG knüpft an die Zulassung eines Referenzarzneimittels im Sinne des Art. 10 Abs. 2a) der Richtlinie 2001/83/EG an. Entsprechendes gilt für die die Richtlinie umsetzende nationale Regelung des § 24b AMG. Referenzarzneimittel im Sinne des § 24b AMG ist danach nicht jedes zugelassene Arzneimittel, sondern nur ein gemäß Art. 6 in Übereinstimmung mit Art. 8 der Richtlinie 2001/83/EG geprüftes und genehmigtes Arzneimittel. Genehmigung im Sinne des Satz 1 des Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG ist aber nur eine Genehmigung nach Maßgabe dieser Richtlinie oder nach der VO (EG) 726/2004.
Dass es einer Vollprüfung des Referenzarzneimittels nach Maßgabe gemeinschaftsrechtlicher Regelungen bedarf, folgt auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Das abgekürzte Verfahren soll keine Abschwächung der Anforderungen bewirken, denen die Arzneispezialität in Bezug auf die Sicherheit und Wirksamkeit genügen muss; es soll lediglich die für einen Genehmigungsantrag erforderliche Vorbereitungszeit dadurch verkürzen, dass der Antragsteller von der Verpflichtung zur Durchführung der in Art. 8 Abs. 3 i) der Richtlinie 2001/83/EG genannten pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen oder klinischen Versuche entbunden wird, die dem Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit einer Arzneispezialität dienen. Daher ist eine Bezugnahme nur gerechtfertigt, wenn jedenfalls für das Referenzarzneimittel eine entsprechende Prüfung tatsächlich erfolgt ist. Bestehen begründete Zweifel, ob für das Referenzarzneimittel eine solche Prüfung stattgefunden hat, ist eine Bezugnahme nicht gerechtfertigt. Dies geht, wie bereits der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 2001/83/EG zeigt, wonach der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Bezugnahme nachzuweisen hat, zu Lasten des bezugnehmenden Antragstellers. Für ihn tritt anstelle des Nachweises der Sicherheit und Wirksamkeit, der ihm obliegende Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Bezugnahme vorliegen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 3.12.1998 - C 368/96 -, Generics UK, PharmaR 1999, 45.
Hiervon geht auch der nationale Gesetzgeber aus. So heißt es in der amtlichen Begründung zu § 24b AMG, Referenzarzneimittel sei ein Arzneimittel, dessen Zulassung auf der Basis vorklinischer oder klinischer Prüfungen erwirkt wurde.
Eine Prüfung, ob für das Referenzarzneimittel zu Recht eine Zulassung erteilt wurde, ist mit einem solchen vom Antragsteller zu führenden Nachweis nicht verbunden.
Für den Beginn der Schutzfrist ist damit auf die erste Zulassung in einem EG-Mitgliedstaat abzustellen, die nach Gemeinschaftsvorschriften ausgesprochen wurde. Wegen der Bezugnahmeregelung des Art. 128 der Richtlinie 2001/83/EG genügt eine Genehmigung, die in Umsetzung der aufgehobenen Vorgängerrichtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. Nr. 369, S. 65), mit der im Arzneimittelrecht das Prinzip der Präventivkontrolle eingeführt wurde, erteilt wurde.
Ausgehend hiervon liegen die Voraussetzungen für eine bezugnehmende Zulassung nicht vor. Nach summarischer Überprüfung ist nicht festzustellen, dass für A. eine Zulassung nach Maßgabe der Gemeinschaftsvorschriften vorlag.
Soweit zu Gunsten der Beigeladenen zu 1. für A. im Bundesgebiet eine fiktive Zulassung nach § 105 AMG bestand, begründet diese eine Bezugnahme schon deshalb nicht, weil der fiktiven Zulassung keine inhaltliche Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen vorauszugehen hatte.
Es bestehen weiter erhebliche Zweifel, ob die in Luxemburg und Portugal erteilten Zulassungen, wie in Art. 10 Abs. 2a) der Richtlinie 2001/83/EG vorgesehen, gemäß Art. 6 und 8 der Richtlinie 2001/83/EG bzw. der Vorgängerrichtlinie 65/65/EWG genehmigt wurden.
Diese Zweifel folgen daraus, dass die luxemburgische Gesundheitsbehörde unter dem 7.9.2007 mitgeteilt hat, dass die Zulassung im Sinne einer Anerkennung im Hinblick auf die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Zulassung erteilt worden sei und anlässlich der Antragstellung nur minimale administrative Unterlagen vorgelegt worden seien. Entsprechend heißt es auch in dem Schreiben des luxemburgischen Gesundheitsministers vom 14.11.2007, die Marktzulassung in Luxemburg sei im Sinne einer gegenseitigen Anerkennung erfolgt. Das Produkt A. habe sich zu diesem Zeitpunkt im rechtmäßigen Verkehr in Deutschland befunden und den dort bekannten Rechtszustand geteilt. Eine wissenschaftliche Auswertung im Sinne einer kompletten europäischen Erstzulassungsprüfung sei nicht erfolgt. Die Aussagekraft dieser Erklärungen wird durch die Vernichtung von Unterlagen wegen des Asbestproblems nicht in Frage gestellt. Letztlich bestätigt auch der Umstand, dass A. in Luxemburg mit der Original-Packungsbeilage vertrieben wurde, dass maßgeblich allein auf das Vorhandensein einer - wenn auch nur fiktiven - deutschen Zulassung abgestellt wurde.
In Portugal wurde die Zulassung für A., das sich dort zu keinem Zeitpunkt im Verkehr befand, am 2.10.1986 beantragt. Der ehemalige Generaldirektor für pharmazeutische Angelegenheiten, der die portugiesischen Zulassungsunterlagen eingesehen hatte, bestätigt mit Schreiben vom 1.8.2007 sowie in einem weiteren Schreiben vom 14.4.2008, dass die seinerzeit vom antragstellenden Unternehmen eingereichten Unterlagen beschränkt gewesen seien und den Anforderungen des Arzneimittelgesetzes aus dem Jahr 1957, das bis zum Ablauf der zur Umsetzung der Richtlinie 65/65/EWG eingeräumten Umsetzungsfrist bis 1991 gegolten habe, entsprochen habe. Auf dieser Basis habe die portugiesische Behörde die Zulassung erteilt. Eine den europäischen Vorgaben entsprechende Zulassungsverlängerung sei zwar 1995 beantragt, aber nicht nie erteilt worden. Diese Einschätzung wird ebenfalls durch das von der Beigeladenen zu 1. vorgelegte Schreiben der portugiesischen Behörden vom 6.3.2008 bestätigt.
Der Senat teilt weiter nicht die Auffassung, die nationalen Einzelzulassungen für A. seien nach § 25 Abs. 9 Satz 3 AMG im Zusammenhang mit der zentralen Zulassung für A1. im Sinne einer Globalzulassung zu verstehen, mit der Folge, dass eine Schutzfrist nicht neu mit der Erteilung der zentralen Genehmigungen für A1. entstanden, sondern in Anknüpfung an die nationale Erstzulassung für A. bereits abgelaufen sei.
Dahinstehen können in diesem Zusammenhang die von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen, ob A1. eine echte Innovation ist oder memantin-haltige Arzneimittel bereits seit den 80er Jahren für die Indikation moderate bis schwere Alzheimer-Demenz - wenn auch unter anderer Bezeichnung - eingesetzt wurden.
Nach der Übergangsregelung des § 141 Abs. 9 AMG kann die Antragstellerin sich schon deshalb nicht auf eine Globalzulassung im Sinne des § 25 Abs. 9 AMG, der Art. 6 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG umsetzt, berufen, weil dieser entsprechend der durch Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/27/EG eingeräumten Umsetzungsfrist nicht für Arzneimittel gilt, deren Zulassung, wie hier, vor dem 6.9.2005 beantragt wurde.
Nach summarischer Prüfung ist überdies davon auszugehen, dass das Konzept einer einheitlichen umfassenden Zulassung nach Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2001/83/EG nur an Schutzfristen auslösende Erstgenehmigungen anknüpft. Unterlagenschutzfristen lösen indes nur gemeinschaftskonform erteilte Zulassungen aus, die für A. nicht vorliegen.
Gemeinschaftskonform erteilte Zulassungen können nach dem Wortlaut des Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG zwar grundsätzlich auch zentrale Zulassungen sein, die mit einer nationalen Erstgenehmigung in einem Genehmigungszusammenhang stehen, weshalb jedes Arzneimittel der Produktlinie als mögliches Referenzarzneimittel gelten könnte. Ob dem entgegensteht, dass Art. 14 Abs. 11 der VO (EG) 726/2004 teilweise spezielle Regelungen enthält (etwa fehlt eine Angleichung an Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie 2001/83/EG) und auch nicht auf Art. 6 der Richtlinie 2001/83/EG verweist, kann letztlich aber dahinstehen, da in jedem Fall eine richtlinienkonforme Erstzulassung für den Beginn der Schutzfrist erforderlich ist. Dies folgt aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG und auch aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG, auf den Satz 3 Bezug nimmt, wonach eine Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Unterabsatz 1 des Art. 6 der Richtlinie erforderlich ist. Letztlich besteht auch keine Rechtfertigung, im Falle einer Globalzulassung den Beginn der Schutzfrist nicht in Abhängigkeit vom Zeitpunkt einer gemeinschaftskonform erteilten Zulassung zu bestimmen. Erst mit einer solchen Zulassung hat der Antragsteller diejenigen Unterlagen vorgelegt, deren Schutz Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG bezweckt. Aus der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 3.12.1998 - C-368/96 - "Generics", a. a. O., vom 9.12.2004 - C-36/03 -, Slg. 2004, I-11583, und vom 29.4.2004 - C-106/01 -, Slg. 2004, I-04403) folgt nichts anderes. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass der EuGH auf eine die Schutzfrist auslösende richtlinienkonforme Erstzulassung in den Fällen verzichten wollte, in welchen vom pharmazeutischen Unternehmer jedenfalls in weiteren Genehmigungsverfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2001/83/EG richtlinienkonforme Unterlagen vorzulegen waren. Zu einer solchen Erörterung bestand für den EuGH kein Anlass.
Danach ist der Antragstellerin keine Bezugnahme auf Unterlagen der Beigeladenen zu 1. möglich, weil diese keine Verwertungszustimmung erteilt hat und eine solche auch nicht entbehrlich ist.
Ausgehend hiervon fällt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung ungeachtet des erheblichen öffentliches Interesse an einem (Preis-) Wettbewerb mit generischen Arzneimitteln zu Lasten der Antragstellerin aus.
Die Antragstellerin kann sich zu ihren Gunsten auch nicht darauf berufen, die Beigeladene zu 1. hätte ihr wirtschaftliches Interesse an der Verwertung des Arzneimittels seit Jahrzehnten, nämlich seit der Vermarktung von A. bereits hinreichend nutzen können. Zu einer solchen Nutzung war die Beigeladene zu 1. auf Grund der ihr erteilten nationalen Genehmigungen berechtigt, auch wenn die nationalen Zulassungen nicht den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprachen. Die Unterlagenschutzfrist, die auch durch § 22 Abs. 3 Nr. 1 AMG nicht ausgehebelt wird, knüpft, anders als die Antragstellerin offensichtlich meint, auch nicht an die Dauer der Vermarktungsmöglichkeiten an. Die Gewährung einer Unterlagenschutzfrist rechtfertigt sich vielmehr durch den Umstand, dass vor Erteilung der gemeinschaftskonformen Zulassung erstmals europäischen Anforderungen genügende umfangreiche und kostenintensive Studien zu erstellen und vorzulegen sind. Dieser Aufwand sowie das hieraus resultierende geistige Eigentum des Originalherstellers an diesen Studien rechtfertigen es, auch unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einem Zugang zu kostengünstigen generischen Arzneimitteln, einen angemessenen Eigentumsschutz trotz bereits genutzter Vermarktungsmöglichkeiten zu gewähren.
Die von der Beigeladenen zu 1. gewählte Gestaltung der Zulassungsverfahren erweist sich ferner nicht als rechtsmissbräuchlich. Der Möglichkeit, durch einen Verzicht auf nationale Zulassungen rechtsmissbräuchlich generischen Wettbewerb zu verhindern, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber bereits durch die Änderung des Art. 10 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2001/83/EG durch die Richtlinie 2004/ 27/EG Rechnung getragen. Danach ist nicht mehr erforderlich, dass das Arzneimittel noch zugelassen ist; vielmehr ist ausreichend, dass das Arzneimittel gemeinschaftskonform zugelassen war. Dies hat zur Folge, dass der Verzicht auf eine Zulassung, die Schutzfristen ausgelöst hat, nicht mehr geeignet ist, eine neue Schutzfrist bei Neuzulassung in Gang zu setzen. Insoweit trägt auch der Verweis der Antragstellerin auf den Beschluss des Senats vom 17.10.2000 - 13 B 1187/00 - nicht, weil dieser sich noch zur alten Rechtslage verhielt. Auch der Umstand, dass die Beigeladene zu 1. das zentrale Zulassungsverfahren mit der Möglichkeit einer umfassenden Vermarktungsmöglichkeit durchlaufen hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Verfahrensgestaltung, denn dem pharmazeutischen Unternehmer steht es frei, unter den in Betracht kommenden Zulassungsverfahren zu wählen.
Der Umstand, dass die Antragsgegnerin nach nochmaliger Überprüfung die Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1. und 2. teilt, und die der Antragstellerin erteilten Zulassungen für rechtswidrig hält, führt ebenfalls nicht dazu, die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen zu lassen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin möglicherweise im Vertrauen auf die Beratung bei der Antragsgegnerin erhebliche Kosten für das Zulassungsdossier und das Zulassungsverfahren auf sich genommen hat. Die Antragstellerin musste vielmehr mit einem Widerspruch der Beigeladenen und einer anschließenden erneuten Überprüfung der Zulassungsentscheidungen rechnen.
Der Antrag zu 2. der Antragstellerin hat ebenfalls keinen Erfolg. Ihr Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zulassungsbescheide überwiegt wegen der Rechtswidrigkeit der ihr erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassungen nicht das Interesse der Beigeladenen zu 1. an der weiteren Aussetzung der Vollziehung.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.