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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 20.08.2009
Aktenzeichen: 13 B 922/09
Rechtsgebiete: AEG, EIBV


Vorschriften:

AEG § 14e
AEG § 14f
EIBV § 21 Abs. 6 Satz 2
Die ex-post-Kontrolle der Regulierungsbehörde nach § 14f AEG steht neben ihrer Befugnis zur Vorabprüfung nach § 14e AEG.

Nach § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV ist bei Vorliegen von infrastrukturbedingten Mängeln eine Minderung ohne ein Minderungsverlangen zu gewähren.

Die in § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV vorgesehene allgemeine Minderungspflicht bei infrastrukturbezogenen Leistungsstörungen knüpft nicht an ein Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens an. Gleichfalls ist dort kein Ausschluss der Entgeltminderung bei einer Leistungsstörung aufgrund höherer Gewalt vorgesehen.

Das Interesse des Eisenbahninfrastrukturunternehmens an der Anwendung seiner Nutzungsbedingungen bewertet der Senat in Verfahren der eisenbahnrechtlichen Vorabprüfung und der ex-post-Kontrolle pauschalierend mit 100.000,-- Euro (vgl. § 52 Abs. 1 GKG).


Tatbestand:

Die Antragstellerin ist ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Als Betreiberin von Schienenwegen ist sie nach § 4 Abs. 1 der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV) verpflichtet, Benutzungsbedingungen für die Erbringung von sogenannten Pflichtleistungen zu erstellen. Mit Bescheid vom 6.4.2009 beanstandete die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) nachträglich die Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB) der Antragstellerin, soweit diese die Regelungen über die Minderung von Trassenentgelten betreffen. Die BNetzA nahm die Überprüfung der streitigen SNB vor, nachdem die Nord-West-Bahn im Juni 2008 mitgeteilt hatte, dass die Antragstellerin trotz infrastruktureller Mängel keine Minderung der Trassenentgelte gewähre. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die BNetzA der Antragstellerin unter anderem auf, die Regelungen zur Minderung von Trassenentgelten unter Berücksichtigung ihrer Rechtsauffassung zu ändern (Ziff. 1), die nach Einholung von Stellungnahmen der Zugangsberechtigten geänderten Regelungen zu veröffentlichen (Ziff. 2) sowie gewährte Minderungen zu dokumentieren und hierüber zu berichten (Ziff. 3 und 4 des Bescheidtenors). Ferner drohte die BNetzA für den Fall der gänzlichen oder teilweisen Nichterfüllung der unter Ziff. 1 und 2 angeordneten Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 250.000,-- Euro und hinsichtlich der Ziff. 3 und 4 angeordneten Verpflichtungen in Höhe von jeweils 20.000,-- Euro an (Ziff. 5). Die Antragstellerin erhob gegen den Bescheid der BNetzA Widerspruch. Ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hatte vor dem VG teilweise Erfolg. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin änderte das OVG den Beschluss des VG, soweit er dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stattgab und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab.

Gründe:

Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 27.4.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6.4.2009 sind insgesamt nicht gegeben, da die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur abschließenden Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer möglichst schnellen Durchsetzung der Verfügung zum Nachteil der Antragstellerin ausfällt. Der angefochtene Bescheid unterliegt bei der in der vorliegenden Verfahrensart nur möglichen Prüfungsdichte keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zu Recht hat daher das VG den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt, soweit sich dieser auf Ziff. 1 a) und Ziff. c), und diese sich auf infrastrukturbezogene Minderleistungen bezieht, sowie auf Ziff. 1 d) und e) und Ziff. 2 bis 5 des Bescheidtenors in dem die Ziff. 1 betreffenden und umsetzenden Umfang bezieht. Demgegenüber liegen die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht vor, soweit sich der Widerspruch gegen Ziff. 1 b) und c) des Bescheidtenors hinsichtlich nicht infrastrukturbezogener Minderleistungen und gegen Ziff. 2 bis 5 in dem die Ziff. 1 b) und Ziff. 1 c) umsetzenden Umfang richtet.

1. Die Anordnung der BNetzA in Ziff. 1 a des Bescheidtenors, dass die Minderung von Trassenentgelten grundsätzlich für jede nicht nur unwesentliche Abweichung vom Leistungssoll vorzusehen ist, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Rechtsgrundlage für diese Maßnahme ist § 14f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Nach dieser Vorschrift kann die Regulierungsbehörde mit Wirkung für die Zukunft das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Änderung der Bedingungen nach Satz 1 Nr. 1 oder der Entgeltregelungen nach Satz 1 Nr. 2 nach ihren Maßgaben verpflichten, soweit diese nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entsprechen. Zu Recht hat das VG die Auffassung vertreten, dass diese Art der ex-post-Kontrolle neben der Befugnis der Regulierungsbehörde zur Vorabprüfung nach § 14e AEG steht.

Ein Verstoß gegen Vorschriften des Eisenbahnrechts steht insoweit in Rede, als Entgeltgrundsätze für Schienenwege nach § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV in den SNB der Antragstellerin nicht beachtet sind. Danach sind die Entgelte bei nicht vertragsgemäßem Zustand des Schienenwegs, der zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme sowie der zugehörigen Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom zu mindern. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV folgt die Minderung der Entgelte für den dort beschriebenen nicht vertragsgemäßem Zustand von eisenbahnrechtlichen Infrastrukturen. Nicht infrastrukturbezogene Leistungsstörungen können daher, wenn überhaupt, nach § 14 Abs. 1 AEG sowie § 21 Abs. 6 Satz 1 EIBV unter dem Gesichtspunkt eines diskriminierungsfreien und offenen Schienenverkehrs berücksichtigt werden. Hierzu wird auf Abschnitt 5 dieses Beschlusses verwiesen.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin genügt Ziff. 1 a) des Bescheidtenors dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 37 Abs. 1 VwVfG. Nimmt man Ziff. 1 a des Bescheidtenors allein in den Blick, so stellt sich diese Regelung als unmittelbarer Ausdruck von § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV dar. Sie wiederholt im Wege einer Einzelfallregelung sinngemäß die untergesetzliche Bestimmung und hebt auf das Leistungssoll ab, mithin auf den vertragsgemäßen Zustand, der in der konkreten Vereinbarung oder in den SNB festgelegt werden kann (vgl. BR-Drucks. 249/05, S. 56), und verpflichtet die Antragstellerin bei einer nicht nur unwesentlichen Leistungsstörung zur Minderung. Hinsichtlich dieses Grundsatzes kann die Antragstellerin erkennen, was von ihr gefordert wird und was in der sie betreffenden Angelegenheit geregelt worden ist.

Vgl. etwa U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 37 Rn. 31.

Auch die Antragstellerin selbst sieht dies in ihren SNB nicht anders. In Ziff. 8.1.8.2 heißt es etwa, dass eine Minderung nicht erfolgt, wenn die vertraglich vereinbarten Infrastrukturmerkmale in einem Maße vorhanden sind, dass der vertragsgemäße Gebrauch der Infrastruktur ohne Einschränkung möglich ist. Zutreffend hat das VG auch auf Ziff. 6.2.3.7 der SNB, also auf Ziff. 1 d) des Bescheidtenors und gewissermaßen auf einen Unterfall der Ziff. 1 a) abgestellt. Danach ist die in der Liste der Entgelte normierte "Minderungstafel" zu streichen oder so zu modifizieren, dass für alle nicht nur unwesentlichen Abweichungen vom Leistungssoll eine adäquate Minderungshöhe festgelegt wird. Wie in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt ist, hat diese Regelung zur Folge, dass jede Abweichung vom Leistungssoll unter 10 % sanktionslos bleiben soll. Hierauf wird unter Ziff. 2 der Beschlussgründe einzugehen sein.

Soweit die Antragstellerin bezogen auf das Leistungssoll dessen unzureichende Festlegung geltend macht, hängt dieser Einwand nicht unmittelbar mit der Bestimmtheit des Bescheidtenors zusammen, sondern mit den Regelungen in den SNB der Antragstellerin, bei deren Anwendung von Fall zu Fall das Leistungssoll und der vertragsgemäße Zustand zu bestimmen sind.

Das Leistungssoll, das für die Minderung bei nicht vertragsgemäßem Zustand Bezugspunkt ist, folgt, soweit es - wie hier - nicht in konkreten Vereinbarungen festgelegt worden ist, im Wesentlichen aus den SNB der Antragstellerin. Das Leistungssoll bestimmt sich danach aus einer Vielzahl einzelner Regelungen in den SNB und, da es sich um Handlungen von Vertragsparteien im Rahmen der Privatautonomie handelt, nach allgemeinen Vertragsgrundsätzen.

Soweit in Ziff. 1 a) des Bescheidtenors außerdem von einer unwesentlichen Abweichung vom Leistungssoll die Rede ist, ist diese Maßgabe dem Grundsatz von Treu und Glauben geschuldet.

Vgl. auch BGH, Urteil vom 30.6.2004 - 12 ZR 251/02 -, NJW-RR 2004, 1450.

Wo diese Bagatellgrenze verläuft, kann indes im vorliegenden Eilverfahren nicht geklärt werden und ist, falls es auf eine allgemeine Festlegung ankommen sollte, der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Im Übrigen wird die Bejahung einer unwesentlichen Abweichung vom Leistungssoll im jeweiligen Einzelfall erfolgen. Auch kann die Frage, wie das Leistungssoll zu charakterisieren ist, ob etwa zum Leistungssoll auch eine Pünktlichkeitsgarantie gehört, nur in einem Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden. Der Senat kann hier nur darauf hinweisen, dass das unter 6.2 in den SNB beschriebene Trassenpreissystem an zahlreichen Stellen die Relevanz von fahrbaren Geschwindigkeiten auf bestimmten Strecken aufzeigt und damit die Möglichkeit einer pünktlichen Verbindung in einem Taktsystem (vgl. 6.2.1 zur nutzungsabhängigen Komponente). Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten erörterte Pünktlichkeitsgarantie dürfte allerdings auch zu berücksichtigen sein, dass die Verkehrsleistungen von dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, jedenfalls soweit es dessen Sphäre betrifft, in eigener Verantwortung erbracht werden.

Vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 9.4.2009 - 19 U 21/08 -.

Der Senat folgt der Antragstellerin nicht, soweit sie die rechtliche Selbstständigkeit des Anreizsystems auf der einen und der Entgeltminderungspflicht auf der anderen Seite in Frage stellt. Die Bezugnahme auf Ziff. 8.1.8.5 der SNB, wo es heißt, dass eine Entgeltreduzierung nach dem Anreizsystem zur Verringerung von Störungen nach Ziff. 6.2 der SNB auf eine Minderung des Nutzungsentgelts gemäß Ziff. 8.1.8.2 angerechnet wird, sollten die Minderung und die Entgeltreduzierung auf derselben Ursache beruhen, führt hier nicht weiter, da das Anreizsystem und das Minderungsregime grundsätzlich nebeneinander stehen und nicht voneinander abhängig sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.3.2007 - 13 B 2592/06 -, N&R 2007, 124.

Falls bei einer beanstandeten Ursache ein Anreiz zur Störungsbeseitigung oder Netzleistungssteigerung durch die zwingende Entgeltminderung ausgelöst wird, stellt sich allerdings die Frage, ob es eines weiteren Anreizes zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bedarf. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Anreizsystem zurückzutreten hat, um eine doppelte Sanktion zu vermeiden, oder ob es vielmehr geboten sein könnte, den Minderungsanspruch unangetastet zu lassen und gegebenenfalls eine Anrechnungsmöglichkeit im Rahmen der Leistungen nach dem Anreizsystem vorzusehen, wie das VG angedeutet hat, kann hier nicht weiter erörtert werden und muss der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

2. Der Senat folgt dem VG auch in der Bewertung von Ziff. 1 d) des Bescheidtenors, der die in der Liste der Entgelte "normierte Minderungstafel" betrifft. Aufgrund der Verknüpfung von Ziff. 1 d) mit der Ziff. 1 a) kann zunächst auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden. Im Übrigen kann der Senat keinen Anhaltspunkt für eine rechtliche Beanstandung von Ziff. 1 d) finden, die sich auf die Bestimmung der Antragstellerin bezieht, nach der eine Minderung erst bei einer Abweichung von 10 % vom Vertragssoll eintritt und der Minderungsumfang stets auf volle 10 %-Stufen abgerundet wird. Diese Regelungen in Ziff. 6.2.3.7 der SNB betreffen keine unwesentlichen Beeinträchtigungen des Leistungssolls. Das VG hat die Bestimmungen in der Weise verstanden, dass bei einer Abweichung vom Leistungssoll bis zu 10 % keine Minderung erfolgt und erst bei einer Abweichung um bis zu 20 % eine 10-prozentige Minderung gewährt wird. Auch bei größeren Abweichungen vom Leistungssoll bleibt danach stets ein 10-prozentiger Abschlag, so dass im Falle eines Totalausfalls der Leistung lediglich eine 90-prozentige Minderung zu gewähren wäre. Bei dieser Lesart wird mit dem VG ein Verstoß gegen § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV anzunehmen sein. Allerdings beruft sich die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung darauf, dass diese Auffassung auf einem Denkfehler beruhe. Zu Unrecht habe das VG eine Abweichung vom vertraglich vorgesehenen Leistungssoll um 100 % als Totalausfall der Leistung gewertet. Nach der Minderungstafel sei eine Abweichung vom Leistungssoll um 100 % nämlich nicht ein Totalausfall der Transportleistung, sondern es bestehe vielmehr eine Verdoppelung der vertraglich vereinbarten Fahrzeit. Diese Sichtweise lässt sich allerdings aus den Einzelbestimmungen von 6.2.3.7 der SNB nicht ohne Weiteres ableiten. Indessen hat die BNetzA diesen Vortrag der Antragstellerin als neu und klärend verstanden. Eine sinnhafte Verständigung der Beteiligten kann daher gegebenenfalls im Widerspruchsverfahren erfolgen und die BNetzA kann im Zuge einer Abänderung des Bescheids dem Anliegen der Antragstellerin nachkommen. Ob zudem, wie die Antragsgegnerin meint, ein Verstoß gegen ein eisenbahnrechtliches Transparenzgebot besteht, muss der Senat daher nicht prüfen.

3. Der Senat hat anders als das VG keine durchgreifenden Bedenken gegen Ziff. 1 b) des Tenors im Bescheid vom 6.4.2009. Nach dieser Bestimmung ist die Minderung von Trassenentgelten bei nicht vertragsgemäßem Zustand des Schienenwegs, der zugehörigen Steuerungs- und Sicherungssysteme sowie der zugehörigen Anlagen zur streckenbezogenen Versorgung mit Fahrstrom unabhängig von einem möglichen Minderungsverlangen der Zugangsberechtigten zu gewähren, sofern die zur Minderung führenden Umstände der Antragstellerin bekannt sind. Bei summarischer Prüfung dieser Bestimmung und aufgrund der Auslegung des § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV spricht nach Auffassung des Senats mehr dafür, dass bei Vorliegen von infrastrukturbedingten Mängeln eine Minderung ohne ein Minderungsverlangen zu gewähren ist. Raum für die Ausgestaltung eines Minderungsverfahrens durch die Antragstellerin dürfte mit Rücksicht auf § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV nicht bestehen. Diese Vorschrift ordnet die Minderung bei nicht vertragsgemäßem Zustand der eisenbahnrechtlichen Infrastruktur ohne Weiteres an. Die knappe Formulierung dieser Bestimmung, die zwingendes Recht ist (vgl. BR-Drucks. 249/05, S. 56), weist darauf hin, dass keineswegs positiv verlangt ist, zur Durchsetzung des Minderungsbegehrens ein Minderungsverlangen geltend zu machen. Aufgrund der Bezüge des zwischen den Beteiligten abgeschlossenen typengemischten Vertrags zum Mietrecht lässt sich auch die Vorschrift des § 536 BGB über die Mietminderung oder Befreiung von der Mietzahlungspflicht fruchtbar machen. Die in § 536 BGB vorgesehene Rechtsfolge tritt nämlich ein, ohne dass sich der Mieter darauf berufen muss.

Vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1986 - VIII ZR 144/85 -, NJW 1987, 432.

Entsprechendes dürfte hier gelten. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang die Vorschrift des § 536c BGB anführt, nach der es bei während der Mietzeit auftretenden Mängeln einer Anzeige bedarf, um den Verlust des Minderungsrechts zu vermeiden, geht ihre Argumentation bereits deshalb ins Leere, weil das materielle Eisenbahnregulierungsrecht keine dem § 536c BGB entsprechende Vorschrift enthält.

4. Der Senat folgt dem VG in der Beurteilung von Ziff. 1 c) des Bescheidtenors, soweit sich die Ausführungen auf die Anordnung infrastrukturbezogener Minderleistungen beziehen. Diese Anordnung kann aufgrund eines Verstoßes gegen § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV ergehen. Die dort vorgesehene allgemeine Minderungspflicht bei infrastrukturbezogenen Leistungsstörungen knüpft nicht an ein Verschulden des Eisenbahninfrastrukturunternehmens an. Gleichfalls ist dort kein Ausschluss bei einer Leistungsstörung aufgrund höherer Gewalt oder ähnlicher Ursachen vorgesehen. Insoweit stimmt § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV mit der Minderungsvorschrift des § 536 BGB überein. Ausreichend ist eine Beeinträchtigung des vertragsgemäß vorausgesetzten Gebrauchs der Sache. Ein Verschulden des Vermieters der Trasse ist nicht erforderlich. Dies gilt auch bei einer Leistungsstörung durch höhere Gewalt. Das Risiko der Minderung des Leistungsentgelts ist Ausdruck der gesetzlichen Wertung durch das Äquivalenzprinzip. Die Minderung hat die Aufgabe, die Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen sicherzustellen.

Vgl. BGH, Urteil vom 23.4.2008 - XII ZR 62/06 -, NJW 2008, 2497, 2498.

5. Soweit das VG die Anordnung in Ziff. 1 c) des Bescheidtenors in der Weise versteht, dass die Anordnung auch nicht infrastrukturbezogene Minderleistungen zum Gegenstand hat, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Zwar ist in dem Bescheidtenor, wie das VG zutreffend ausgeführt hat, allein von einem zur Minderung von Trassenentgelten führenden Mangel die Rede und nicht von einem Infrastrukturmangel. Nimmt man allerdings die Bescheidgründe hinzu, besteht nach Auffassung des Senats kein Zweifel daran, dass allein der Infrastrukturmangel gemeint ist. Dort heißt es im mit Ziff. 1 c) des Bescheidtenors sonst identischen Text nämlich "Infrastrukturmangel" statt "Mangel". Auch die weitere Begründung hebt allein auf die Vorschrift des § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV und somit auf die Infrastruktur ab.

Soweit in dem Beschluss des VG bezogen auf nicht infrastrukturbezogene Mängel die Frage erörtert wird, auf welcher rechtlichen Grundlage eine Minderung bei einer Leistungsstörung erfolgen könne, weist der Senat darauf hin, dass ein Anspruch auf Minderung bei nicht infrastrukturbezogenen Mängeln nach Maßgabe des Diskriminierungsverbots in Betracht kommt. Dies erklärt sich damit, dass eine Diskriminierung auch bei ungerechtfertigter Gleichbehandlung vorliegen kann. Das Diskriminierungsverbot findet im nationalen Eisenbahnrecht unter anderem seine Grundlage in § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG sowie - bezogen auf die Entgeltgrundsätze für Schienenwege - in § 21 Abs. 6 Satz 1 EIBV.

Zu eisenbahnrechtlichen Diskriminierungsverbot vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 22.7.2009 - 13 B 830/09 -, m. w. N.

Danach sind die Entgelte, soweit sich aus dieser Verordnung nichts anderes ergibt, gegenüber jedem Zugangsberechtigten in gleicher Weise zu berechnen. Hieraus kann auch abzuleiten sein, dass bei Vorliegen eines Mangels der davon betroffene Zugangsberechtigte nicht wie der Zugangsberechtigte behandelt werden darf, der die Leistungen des Eisenbahninfrastrukturunternehmens ungestört in Anspruch nehmen kann. Ausgehend von dieser Überlegung wäre im Falle der Leistungsstörung das Trassenentgelt zu reduzieren, weil anderenfalls eine sachwidrige Gleichbehandlung unterschiedlicher Vergleichsgruppen und Sachverhalte vorläge. Auf die Frage, ob der Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit auch das sogenannte zivilrechtliche Äquivalenzprinzip umfasst, kommt es demnach möglicherweise nicht an.

6. Auch in Bezug auf die Anordnung in Ziff. 1 e) des Bescheidtenors teilt der Senat die Rechtsauffassung des VG. Nach dieser Regelung wird die in Ziff. 6.2.3.9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 der SNB die Antragstellerin enthaltene Regelung zur Kostentragung bei Busnotverkehren gestrichen oder so modifiziert, dass das erhobene Entgelt für eine aus infrastrukturseitigen Gründen nicht verfügbare Trasse das verringerte Interesse der Zugangsberechtigten an dieser Ersatzleistung angemessen berücksichtigt. Auch die von der BNetzA beanstandete SNB-Regelung ist mit § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV nicht vereinbar. In Ziff. 6.2.3.9 Abs. 3 Satz 1 SNB heißt es nämlich, dass die Nutzungsentgelte für die Trasse vollumfänglich zu entrichten sind, während die Einrichtung und Organisation von Bussen und Verkehr (ebenfalls) dem jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen obliegt. Es liegt auf der Hand, dass ein Busnotverkehr für Fahrgäste in der Regel weniger attraktiv ist als ein Zugverkehr. Der Busnotverkehr ist daher kein vollwertiger Ersatz für die vertraglich vorgesehene eisenbahnrechtliche Infrastrukturleistung. In diesem Fall ist ein vertragsgemäßer Zustand der Eisenbahninfrastruktur nicht gegeben. Liegt demnach ein Minderungsfall vor, verringert sich kraft Gesetzes das Entgelt, so dass die Antragstellerin zu Unrecht den vollständigen Trassenpreis beansprucht.

7. Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Regelungen in Ziff. 2 bis 4 des Bescheidtenors, die die Anordnungen in Ziff. 1 des Bescheidtenors weiter umsetzen. Die in Ziff. 2 bis 4 bestimmten Informations-, Dokumentations- und Auskunftspflichten finden ihre rechtliche Grundlage in § 14c Abs. 1 AEG. Soweit sich die Antragstellerin wiederholt darauf berufen hat, dass die Verpflichtung nach Ziff. 3 nicht erfüllbar sei, weil eine Aggregation der genannten Daten technisch nicht möglich sei und innerhalb der Umsetzungsfrist auch nicht implementiert werden könne, kann hieraus nicht die Rechtswidrigkeit der Anordnung folgen. Der Senat hält diesen pauschalen Einwand nicht für überzeugend. Im Übrigen sind bei summarischer Prüfung rechtlich durchgreifende Bedenken gegen Ziff. 2 bis 4 nicht gegeben.

8. Die BNetzA hat das ihr nach § 14f Abs. 1 Satz 2 AEG zustehende Ermessen erkannt und in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Die BNetzA hat von ihrem Ermessen in dem Bescheid vom 6.4.2009 erkennbar Gebrauch gemacht und ist von einem - zumindest im Wesentlichen - zutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Die BNetzA hat die nach Sinn und Zweck des allgemeinen Eisenbahngesetzes maßgeblichen und den Rechtsstreit bestimmenden Gesichtspunkte (vgl. § 1 Abs. 1 AEG) in die Abwägung eingestellt und sich mit den von der Antragstellerin dargelegten Gründen auseinandergesetzt. Auf den im Verfahren mehrfach angesprochenen Infrastrukturzustands- und Entwicklungsbericht 2007 der Deutschen Bahn AG kommt es nicht entscheidend an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die BNetzA zur Verfolgung des Gesetzesziels der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene der Entgeltminderung nach § 21 Abs. 6 Satz 2 EIBV erhebliche Bedeutung zumisst. Hierzu hat sie in dem angefochtenen Bescheid nachvollziehbar ausgeführt, dass die Minderungsrechte für Zugangsberechtigte von großer Wettbewerbsrelevanz seien. Aufgrund von Beschwerden von Zugangsberechtigten, dass die Antragstellerin die Instandhaltung gerade derjenigen Strecken vernachlässige, auf denen die Wettbewerber ihre Verkehrsleistungen erbrächten, hat die BNetzA im vorliegenden Verfahren die streitbefangene Prüfung durchgeführt. Rechtlich ist dies nicht zu beanstanden. Nachvollziehbare und sachliche Gründe für ein Absehen dieser von § 14f AEG vorgesehenen Prüfungsmöglichkeit sind nicht ersichtlich.

9. Rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der unter Ziff. 5 verfügten Zwangsgeldandrohung bestehen nicht und sind von der Antragstellerin auch nicht schlüssig dargetan worden.

10. Die weitere Abwägung von privatem und öffentlichem Interesse kann sich hier von vornherein auf solche Umstände konzentrieren, die die Antragstellerin vorgetragen hat und die Annahme rechtfertigen könnten, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 37 AEG ausnahmsweise abzuweichen ist. Dabei sind die Folgen, die sich für den Antragsteller mit der sofortigen Vollziehung verbinden, nur insoweit beachtlich, als sie nicht schon als regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs in der gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben.

Zur gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung vgl. insbesondere BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ 2004, 93, 94; OVG NRW, Beschluss vom 19.11.2008 - 15 B 1543/08 -, juris = N&R 2009, 68.

Solche in diesem Sinne qualifizierten Argumente hat die Antragstellerin nicht vorgebracht. Ihr Vortrag weist nicht auf besondere Umstände hin, auf Grund derer eine Abwägung zu Gunsten ihrer privaten Interessen ausfallen müsste. Soweit tiefgreifende Modifikationen und wirtschaftliche Nachteile in Rede stehen, vermag das insoweit pauschale Vorbringen der Antragstellerin die Abwägung im Aussetzungsverfahren nicht zu ihren Gunsten zu bestimmen.

Die Streitwertänderung und -festsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Das Interesse der Antragstellerin, das nach § 52 Abs. 1 GKG bestimmend ist für die Streitwertfestsetzung, geht dahin, dass die betreffenden Nutzungsbedingungen in vollem Umfang angewendet werden können. Dieses Interesse würde der Senat, wie er in Verfahren der eisenbahnrechtlichen Vorabprüfung entschieden hat, vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 19.11.2008 - 13 B 1543/08 -, a. a. O., in Verfahren der ex-post-Kontrolle ebenfalls pauschalierend mit 100.000,-- Euro bewerten. Der Ansatz des Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG kommt nicht in Betracht, weil dieser der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin ersichtlich nicht gerecht würde. Auch eine Orientierung der Streitwertfestsetzung an dem von der BNetzA angedrohten Zwangsgeld erscheint nicht sachgerecht, weil einer Zwangsgeldandrohung, sofern sie nicht allein Gegenstand eines Verfahrens und nicht unverhältnismäßig hoch ist, in der Regel streitwertmäßig keine selbstständige Bedeutung zukommt (vgl. auch Nr. 1.6.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327). Anderenfalls könnten unterschiedliche Streitwertfestsetzungen für gleiche gerichtliche Begehren erfolgen. Wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens ist der für ein Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert auf die Hälfte zu reduzieren, so dass sich der aus dem Tenor ersichtliche Wert ergibt.

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