Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 13 E 50/08
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 63 Abs. 3 Satz 2
GKG § 68 Abs. 1 Satz 3
Der Lauf der Frist für eine Streitwertbeschwerde nach Abschluss eines vom Gericht vorgeschlagenen gerichtlichen Vergleichs beginnt grundsätzlich mit dem Eingang des letzten, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag annehmenden Schriftsatzes bei Gericht (§ 106 Satz 2 VwGO).

Ein Rechtsanwalt darf die Berechnung der Frist der §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht seinem Büropersonal überlassen, weil diese Frist keine übliche Frist ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie an den nicht ohne Weiteres feststellbaren Zeitpunkt einer "anderweitigen Erledigung des Verfahrens" anknüpft.


Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Nach §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG ist die Beschwerde gegen eine Streitwertfestsetzung nur zulässig, wenn sie innerhalb einer Frist von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird. Diese Frist hat die Klägerin mit ihrer am 25.7.2007 bei Gericht eingegangenen Streitwertbeschwerde nicht eingehalten. Der Lauf der nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 186 ff. BGB zu berechnenden Frist für eine Streitwertbeschwerde nach Abschluss eines vom Gericht vorgeschlagenen gerichtlichen Vergleichs beginnt grundsätzlich mit dem Eingang des letzten, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag annehmenden Schriftsatzes bei Gericht (§ 106 Satz 2 VwGO), hier folglich am 16.1.2007. Sie endete damit bereits vor der Mandatsübernahme der neuen Prozessbevollmächtigten am 16.7.2007. Der am 22.1.2007 erfolgten Streitwertfestsetzung kommt demgegenüber keine fristauslösende Bedeutung zu. Dies folgt ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, auf den § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG verweist, und der ausdrücklich die Entscheidung in der Hauptsache in Bezug nimmt.

Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 16.6.2006 - 13 E 786/04 -, NVwZ-RR 2006, 649, zum Fristbeginn bei übereinstimmender Erledigungserklärung.

Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen das Gericht den Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der Frist der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG festsetzt. In einem solchen Fall kann die Streitwertbeschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden (§ 68 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz GKG). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.

Der Klägerin kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 GKG gewährt werden, weil sie die Beschwerdefrist nicht unverschuldet versäumt hat. Die Klägerin muss sich das Verschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

Ein anwaltliches Verschulden ist zu bejahen, weil der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin die ihm obliegende Sorgfalt bei der Überwachung der Beschwerdefrist versäumt hat. Wenn ein Rechtsanwalt die Prozessvertretung übernimmt, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine seiner Aufgaben, der er besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Diese besondere Sorgfaltspflicht macht es erforderlich, dass er die Wahrung der Frist eigenverantwortlich überwacht. Allerdings darf er die Berechnung der üblichen Fristen in Rechtsmittelsachen, die in seiner Praxis häufig vorkommen und deren Berechnung keine rechtlichen Schwierigkeiten macht, gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal überlassen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.3.1995 - 9 C 390.94 -, NJW 1995, 2122; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 60 Rdnr. 71 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 60 Rdnr. 21.

Ein Verschulden einer gut ausgebildeten, sorgfältig überwachten und im Übrigen zuverlässigen Bürokraft entlastet den bevollmächtigten Rechtsanwalt aber nur dann von eigenem Verschulden, wenn die Hilfsperson das Alleinverschulden trifft. Bleibt unklar, welche Gründe zur Versäumung der Frist geführt haben, so ist es dem Verfahrensbevollmächtigten nicht gelungen, sich vom Vorwurf des Verschuldens an der Verspätung zu entlasten.

Der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin durfte die Berechnung der Frist der §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht seinem Büropersonal überlassen, weil diese Frist keine übliche Frist ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - an den nicht ohne Weiteres feststellbaren Zeitpunkt einer "anderweitigen Erledigung des Verfahrens" anknüpft. Die Berechnung einer solchen Frist stellt - etwas anderes ist auch dem Vorbringen der jetzigen und damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht zu entnehmen - weder eine gängige Routineangelegenheit dar noch ist davon auszugehen, dass ihre Berechnung einfach und dem Büropersonal geläufig ist. Der Annahme, dass es sich um eine einfache Berechnung handelt, steht bereits entgegen, dass die Fristberechnung anders als dies sonst üblich ist, nicht an die Zustellung oder formlose Bekanntgabe einer gerichtlichen Entscheidung anknüpft, und offensichtlich auch die jetzige Prozessbevollmächtigte dem Streitwertbeschluss maßgebende Bedeutung beimisst. Die Berechnung der Frist erweist sich aber auch deshalb nicht als einfach, weil der Zeitpunkt des fristauslösenden Ereignisses im Falle einer "anderweitigen Erledigung des Verfahrens" durch Vergleich oder Hauptsacheerledigung für die Verfahrensbeteiligten nicht stets feststeht und deshalb eine weitere Sachverhaltsaufklärung geboten sein kann. So kam, wie dargelegt, der gerichtliche Vergleich nach § 106 Satz 2 VwGO bereits mit dem Eingang des letzten, den gerichtlichen Vergleichsvorschlag annehmenden Schriftsatzes bei Gericht zustande, ohne dass es einer weiteren konstitutiven gerichtlichen Verfahrenshandlung oder eines deklaratorischen Einstellungsbeschlusses bedurfte. Dies ist in rechtsstaatlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Wenn ein Rechtsschutzsuchender die ihm in jedem Fall zustehende Möglichkeit, den Festsetzungsbeschluss innerhalb der üblichen Rechtsmittelfrist von einem Monat nach dessen Zustellung oder formloser Mitteilung anzufechten, nicht nutzt, sondern die durch §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingeräumte zeitlich erheblich ausgedehnte Möglichkeit der Einlegung einer Streitwertbeschwerde vollends ausschöpfen will, kann verlangt werden, dass er die für den Fristbeginn erforderlichen Daten ermittelt, soweit hierüber keine verlässlichen Informationen vorhanden sind. Dies ist den Beteiligten auch zumutbar, weil die erforderlichen Informationen bei Gericht erfragbar oder durch Einsichtnahme in die Gerichtsakte ermittelbar sind.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.6.2006 - 13 E 786/04 -, a. a. O.

Vorliegend war dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bekannt, weil der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Fax am 16.1.2007 von der Annahme des Vergleichs in Kenntnis gesetzt hatte und die Vergleichsannahme auch der vom Gericht am 16.1.2007 übermittelten Begründung der Terminsaufhebung zu entnehmen war. Soweit der damalige Prozessbevollmächtigte diesen Daten keine Rechtserheblichkeit beigemessen haben sollte, kann ihn dies nicht entlasten, weil die Kenntnis des maßgebenden Rechts von ihm erwartet werden kann.

Angesichts dessen hätte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin erkennen können und müssen, dass der am 16.1.2007 erfolgte Vergleichsabschluss für eine mögliche spätere Streitwertbeschwerde fristauslösend war und dementsprechend eine Fristnotierung seinerseits geboten gewesen wäre. Eine Überprüfung der offensichtlich allein von Büroangestellten ermittelten Frist erfolgte aber ersichtlich weder bei Eingang des Streitwertbeschlusses noch bei einer Wiedervorlage am 11.7.2007, noch im Rahmen der an die Klägerin erfolgten Information über den Ablauf der Beschwerdefrist.

Abgesehen davon lassen die Erklärungen des damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin auch nicht erkennen, dass dessen Büroangestellte hinreichend über die Berechnung einer solchen Frist aufgeklärt wurden, da die Darlegungen allein auf allgemeine Weisungen zur Fristberechnung bei gerichtlichen Zustellungen Bezug nehmen, eine gerichtliche Zustellung vorliegend aber gerade nicht fristauslösend war. Dass für Fälle wie dem vorliegenden hinreichend Vorsorge getroffen wurde, etwa in der Form, dass bei unklarem Fristbeginn eine Vorlage an den bearbeitenden Prozessbevollmächtigten zu erfolgen hat, ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Auf die Frage, ob der Klägerin hilfsweise auch eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 68 Abs. 2 Satz 1 GKG zu gewähren ist, kommt es nach alledem nicht an.

Ende der Entscheidung

Zurück