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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 31.10.2008
Aktenzeichen: 14 A 1420/07
Rechtsgebiete: GrStG


Vorschriften:

GrStG § 33 Abs. 1
1. Voraussetzung für einen Grundsteuererlass wegen einer wesentlichen Ertragsminderung ist weiterhin das Vorliegen atypischer Umstände oder eines strukturell bedingten Leerstandes.

2. Auch ein längerer Leerstand bei einem gewerblichen Objekt mit spezieller Ausstattung und besonderem Verwendungsprofil begründet noch keine atypischen Umstände.

3. Eine Ertragsminderung kann auch dann zu vertreten sein, wenn sie auf einer gegebenenfalls nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung beruht, ein Gesamtobjekt zu einem nur geringen Mietzins zu vermieten.


Tatbestand:

Die Klägerin, die früher unter dem Namen " C. Grundstücksvermietungsgesellschaft mbH & Co. P. KG" firmierte, war Eigentümerin und Vermieterin des Grundstückes mit der postalischen Bezeichnung E. Straße in P. (Steuerobjekt). Das Grundstück ist 98.337 qm groß und mit ca. 80 Büro-, Produktions- und Lagergebäuden bebaut (865.099 cbm umbauter Raum), die sich teilweise in sanierungsbedürftigem und nicht vermietbarem Zustand befinden. Es war seit 1990/1994 an die Firma "C. Immobilienmanagement GmbH" (im Folgenden: C.1 ) verleast. Diese Firma vermietete die Gebäude auf dem Grundstück an verschiedene C.-Unternehmen weiter. Über das Vermögen der C.1 wurde am 1.9.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem durch die Insolvenz des C.-Konzerns die Mieteinnahmen aus diesen Untervermietungen entfielen. Nach Eröffnung des Verfahrens kündigte die Mieterin das Leasingverhältnis mit der Klägerin zum 31.3.2003. Für die Zeit vom 1.9.2002 bis zum 31.3.2003 einigte sich die Klägerin mit dem Insolvenzverwalter der C.1 auf eine verminderte Leasingzahlung, um das Risiko einer Befriedigung nur mit einer geringeren Insolvenzquote zu vermeiden. Zum 1.4.2003 schlossen die Klägerin und der Insolvenzverwalter der C.1 einen auf fünf Jahre befristeten Mietvertrag. Bei der Festlegung des Mietzinses wurde berücksichtigt, dass die Mieterin keine eigenen finanziellen Mittel aufbringen könne und die Mieterin sämtliche Instandhaltungen und -setzungen vorzunehmen habe, so dass die Miete aus den Überschüssen der Untervermietung bestehe. Anträge der Klägerin auf einen Teilerlass der Grundsteuer für die Jahre 2003 und 2004 lehnte der Beklagte ab. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Gründe:

Anspruchsgrundlage für den begehrten Erlass ist § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG, wonach die Grundsteuer in Höhe des Prozentsatzes erlassen wird, der vier Fünfteln des Prozentsatzes der Minderung entspricht, soweit bei Betrieben der Land- und Forstwirtschaft und bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 20 vom Hundert gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten hat.

Es lässt sich nicht feststellen, dass die geltend gemachte Ertragsminderung auf atypische Umstände oder einen strukturell bedingten Leerstand zurückzuführen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG, vgl. u.a. Urteil vom 3.5.1991 - 8 C 13.89 -, BStBl. II 1992, 580, der sich der Senat in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat, OVG NRW, Urteil vom 26.8.2008 - 14 A 2509/07 -,

können die Voraussetzungen eines Grundsteuererlasses wegen Minderung des normalen Rohertrages (grundsätzlich) nur erfüllt sein, wenn der (geringe) Ertrag eines Grundstückes auf vorübergehend vorliegende Umstände zurückgeht, die im Vergleich zu den vom Gesetz erfassten Regelfällen atypisch sind. Dieser Grundsatz ist auch nicht dadurch in Zweifel zu ziehen, dass sich das BVerwG, Beschluss vom 24.4.2007 - GmS-OGB 1/07 -, ZKF 2007, 211, auf die Kritik des BFH, Beschluss vom 13.9.2006 - II R 5/05 -, BStBl. II 2006, 921, dessen Rechtsprechung angeschlossen hat und nunmehr auch strukturell bedingte Ertragsminderungen als Erlassgrund anerkennt.

Es ist nicht erkennbar, dass damit eine grundsätzliche Änderung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verbunden ist in dem Sinn, dass auf den Gesichtspunkt der "Atypizität" in jedem Fall zu verzichten sei und damit im Ergebnis jeder Leerstand als für einen Grundsteuererlass berücksichtigungsfähig in Betracht kommen könnte.

OVG NRW, Urteile vom 16.1.2008 - 14 A 461/07 -, DWW 2008, 108 und WuM 2008, 241, vom 11.6.2008 - 14 A 1185/07 - und vom 26.8.2008 - 14 A 2509/07 -, a.A. BFH, Urteil vom 24.10.2007 - II R 5/05 -, juris.

Hiergegen spricht bereits die Formulierung im o.a. Beschluss des BVerwG vom 24.4.2007, wonach nicht nur atypische Ertragsminderungen, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen in Betracht kommen.

Im Übrigen beruhte die frühere Rechtsprechung des BVerwG, soweit es den "strukturell bedingten Leerstand" betrifft, auf der Annahme, dass ein derartiger Leerstand bei der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen sei. Dem ist der BFH im o. a. Beschluss vom 13.9.2006 mit dem Argument entgegengetreten, dass der Gesetzgeber die Hauptfeststellung ausgesetzt habe. Daraus ist zu schließen, dass das BVerwG die Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung, die im o. a. Beschluss vom 24.4.2007 allerdings nicht begründet worden ist, gerade auf dieses Argument des BFH gestützt hat, das sich speziell auf die Frage des "strukturell bedingten Leerstandes" bezieht. Dass das BVerwG eine Änderung seiner Rechtsprechung auch hinsichtlich anderer Fallkonstellationen habe vornehmen wollen, kann daraus nicht gefolgert werden.

In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch die jüngere Rechtsprechung des BVerwG, Urteil vom 25.6.2008 - 9 C 8.07 -, juris, bestätigt. Im Rahmen der Entscheidungsgründe hat das BVerwG nochmals darauf hingewiesen, dass es sich der Rechtsprechung des BFH angeschlossen habe, wonach ein Grundsteuererlass "nicht nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht komme, sondern auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen könne." Dem entspricht auch der vom BVerwG zu dieser Entscheidung verfasste erste Leitsatz: "Ein Grundsteuererlass kommt nach den in § 33 Abs. 1 GrStG bestimmten Voraussetzungen auch in Fällen strukturellen Leerstandes in Betracht, in denen die Ertragsminderung des Grundstücks weder atypisch noch vorübergehend ist." Dem steht auch nicht entgegen, dass das BVerwG bei der Frage, ob der normale Rohertrag des klägerischen Grundstücks um mehr als 20 vom Hundert gemindert sei, ausgeführt hat: "Gefordert ist ein Vergleich mit "anderen". Ob der erzielte - geringe - Ertrag auf eine atypische Situation zurückzuführen ist und/oder länger anhält, ist unerheblich." Diese Ausführungen stehen ersichtlich ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage der Ermittlung einer Minderung des normalen Rohertrages bei Grundstücken, deren Bewertung im Sachwertverfahren erfolgt. Ihnen ist nicht zu entnehmen, dass das BVerwG nunmehr grundsätzlich jede Ertragsminderung unabhängig von ihren Ursachen als Erlassgrund anerkennen würde, sofern diese Ertragsminderung nicht zu vertreten ist.

Im vorliegenden Fall sind atypische Umstände des Einzelfalles für die Minderung der Ertragslage nicht zu erkennen.

Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass die Zahlungsunfähigkeit eines Mieters in der Regel einen atypischen Fall im Sinne der genannten Voraussetzungen für einen Grundsteuererlass darstellen dürfte.

Vgl. u.a. OVG Saarl., Beschluss vom 28.9.2001 - 1 Q 26/01 -, NVwZ-RR 2002, 885.

Dies gilt jedoch nicht für die Konstellation im vorliegenden Verfahren. Bei einem gewerblichen Objekt mit spezifischer Ausstattung und einem besonderen Verwendungsprofil, für dessen Anmietung von vornherein nur ein begrenzter Interessentenkreis in Frage kommt, begründet ein längerer Leerstand vor einer Neuvermietung keinen atypischen, einen Grundsteuererlass rechtfertigenden Umstand OVG NRW, vom 18.6.2008 - 14 A 1185/07 -, juris, m. w. N.

Das hier in Rede stehende Objekt umfasst 98.337 qm Grundstücksfläche und ist mit ca. 80 Büro-, Produktions- und Lagergebäuden uneinheitlich strukturiert bebaut. Angesichts dieser Daten konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass bei einem Ausfall des bisherigen Mieters das Objekt in seiner Gesamtheit auch mittelfristig neu vermietet werden konnte. Die eingetretene Verzögerung stellt sich vielmehr als Folge der Vermarktungsabsichten der Klägerin angesichts der besonderen und damit für das gesamte Objekt typischen Gegebenheiten dar. Dies bestätigt ihr eigenes Verhalten, nämlich das Mietverhältnis mit der insolventen C.1 als Mieterin des Gesamt-Objekts fortzuführen.

Der Leerstand ist auch nicht auf eine nachhaltige und länger andauernde Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen, die sich im allgemeinen Markt- und Preisniveau niedergeschlagen hat, und damit nicht als strukturell bedingter Leerstand anzusehen, vgl. zum Begriff des strukturellen Leerstandes: Martini, Der Grundsteuererlass nach § 33 GrStG bei auf Veränderungen der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse beruhenden Ertragsminderungen in der Rechtsprechung des BVerwG, BayVBl. 2006, 329, m. w. N. aus der Rechtsprechung; OVG NRW, Urteil vom 18.6.2008 - 14 A 1185/07 -.

Anhaltspunkte dafür, dass der Markt in P. vor der Insolvenz der C.1 ein entscheidungserheblich größeres Potential an möglichen Mietern für das Gesamtgrundstück des genannten Zuschnitts geboten hätte, sind nicht festzustellen. Im Übrigen hat die Klägerin, offensichtlich vor dem Hintergrund einer Untervermietung von einzelnen Teilen des Objekts, selbst eingeräumt, ein strukturell bedingter Leerstand habe nicht bestanden.

Schließlich hat die Klägerin die weitgehende Ertragsminderung ihres Grundstücks auch zu vertreten. Denn sie hat nicht alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Ertragsminderung zu verhindern. Sie hat sich darauf beschränkt, das Gesamtobjekt zu einem geringen Mietzins der insolventen C.1 zu überlassen. Das mag gegebenenfalls eine nachvollziehbare unternehmerische Entscheidung gewesen sein. Mit dieser Entscheidung hat die Klägerin jedoch von vornherein darauf verzichtet, selbst durch eigene Bemühungen Vermietungen zumindest von Teilbereichen des Objekts zu realisieren und daraus höhere Einnahmen zu erzielen. Die mit der C.1 vertraglich vorgesehenen variablen Mieteinnahmen aus den Überschüssen der Untervermietung durch die C.1 waren von vornherein nur theoretischer Natur. Den Vertragsbeteiligten und damit auch der Klägerin musste von vornherein klar sein, dass Mieteinnahmen der insolventen C.1 in erster Linie deren Konkursgläubigern zugute kommen würden. Um Alternativen zu einer Vermietung an die C.1 hat sich die Klägerin offensichtlich nicht bemüht. Jedenfalls hat sie keine Nachweise für derartige Bemühungen vorgelegt.

Ende der Entscheidung

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