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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 14 A 1937/99
Rechtsgebiete: Eignungsprüfungsgesetz, EuRAG, FHSV, Freizügigkeitabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, ihren Mitgliedsstaaten und der Schweiz


Vorschriften:

Eignungsprüfungsgesetz § 1 Abs. 1
EuRAG § 16 Abs. 1
Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (FHSV) Art. VII Abs. 4
Freizügigkeitabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft, ihren Mitgliedsstaaten und der Schweiz Art. 1
1. Meistbegünstigungsklauseln in bilateralen völkerrechtlichen Verträgen erstrecken sich regelmäßig nicht auf Positionen, die ein Vertragspartner Angehörigen eines Drittstaates im Hinblick auf rechtliche Gegebenheiten zubilligt, die im Rahmen des Zusammenschlusses mit anderen Staaten zu supranationalen Gemeinschaften unter teilweiser Aufgabe eigener Regelungskompetenz begründet wurden.

2. Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 2.9.2001 (BGBl. II S. 810) betrifft nicht das bilaterale Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz.

3. Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika kommen nicht als Folge der Meistbegünstigungsklausel im Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. II S. 487) in den Genuss der Vergünstigungen, die gemäß § 1 Abs. 1 Eignungsprüfungsgesetz früher Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft und gemäß § 16 Abs. 1 EuRAG heute Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz eingeräumt sind.

4. Es besteht weder eine Praxis zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland mit dem Inhalt, Rechtsanwälte der jeweils anderen Staatsangehörigkeit, gegebenenfalls nach Ablegung einer Zulassungsprüfung, zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen, noch eine einheitliche Praxis der Zulassung deutscher Staatsangehöriger zur Rechtsanwaltschaft in den Einzelstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika.


Tatbestand:

Der Kläger ist amerikanischer Staatsbürger. Er erwarb im Jahr 1981 ein Diplom Juris Docteur an der Universität von Virginia und wurde zur Rechtsanwaltschaft in Kalifornien zugelassen. Nach mehrjähriger beruflicher Tätigkeit u.a. in Frankreich erteilte ihm der Präsident des AG D. die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten als Rechtskundiger auf dem Gebiet des US-amerikanischen Rechts und des französischen Rechts mit dem Geschäftssitz in D. Im Jahr 1995 wurde er in die Rechtsanwaltskammer D. aufgenommen. Einen Antrag auf Zulassung zur Prüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft lehnte das beklagte Prüfungsamt mit Bescheid vom 17.5.1996 mit der Begründung ab, der Kläger sei weder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EG noch eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes. Die hiergegen gerichtete Klage wies das VG ab. Zur Begründung seiner Berufung hat sich der Kläger im Wesentlichen darauf berufen, infolge der Meistbegünstigungsklausel gemäß Art. 7 Abs. 4 FHSV zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA sei er mit EG/EU-Staatsangehörigen gleich zu behandeln. Seine Rechtsauffassung werde durch eine Stellungnahme des Außenministeriums der USA vom 18.2.2000, die sich auch zur Zulassung europäischer Staatsangehöriger zur Anwaltschaft in den USA verhalte, bestätigt.

Die Berufung blieb vor dem OVG erfolglos.

Gründe:

Das VG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zur Eignungsprüfung weder gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Eignungsprüfungsgesetz noch gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Berufsrechts der Rechtsanwälte (EuRAG), der dem Eignungsprüfungsgesetz nachfolgenden Regelung, zusteht.

Denn der Kläger ist Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika, nicht aber der EG/EU oder eines Vertragsstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes, und erfüllt daher die Voraussetzungen im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit nicht.

Der Kläger vermag sich auch nicht auf die Meistbegünstigungsklausel des Art. VII Abs. 4 FHSV berufen, wonach den Staatsangehörigen und Gesellschaften jedes Vertragsteils sowie den von ihnen kontrollierten Unternehmen für die in diesem Artikel behandelten Angelegenheiten mindestens Meistbegünstigung gewährt wird. Gemäß Art. XXV Abs. 4 FHSV bedeutet der Ausdruck "Meistbegünstigung" die innerhalb des Gebiets eines Vertragsteils gewährte Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die dort unter gleichartigen Voraussetzungen den Staatsangehörigen, Gesellschaften, Erzeugnissen, Schiffen und sonstigen Objekten jeglicher Art irgendeines dritten Landes gewährt wird.

Der Senat lässt offen, ob der Rechtsauffassung des beklagten Amtes unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Bundesministeriums der Justiz vom 28.8.2003 und vom 23.4.2004 insoweit zuzustimmen ist, als der FHSV insoweit lediglich einen allgemeinen Programmsatz im Sinne einer politischen Absichtserklärung beinhalte und im Übrigen einzelnen Personen keine Rechtsansprüche gewähre. (So wohl aber BGH, Urteil vom 29.1.2003 - VIII ZR 155/02 -, BGHZ 153, 353 = WM 2003, 699 = NJW 2003, 1607 = MDR 2003, 647)

Diese Frage bedarf hier deswegen keiner Entscheidung, weil sich der bilaterale FHSV zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf die Regelungen des Eignungsprüfungsgesetzes und des EuRAG als EU-Recht erstreckt. Ist, wie hier, eine Meistbegünstigung vereinbart, so gilt diese nicht schrankenlos. In der Regel bedürfen zwar Vorbehalte, um gegenüber einem aus der Meistbegünstigungsklausel berechtigten Vertragspartner wirksam zu sein, grundsätzlich einer ausdrücklichen Vereinbarung. Einzelne Ausnahmen sind jedoch so regelmäßig in allen Verträgen enthalten, dass sie einen stillschweigenden Vorbehalt begründen. Hierzu zählen beispielsweise die sog. Zollunionsvorbehalte, was entsprechend auf die Bildung von Freihandelszonen, wie ursprünglich die EWG, und damit auch auf die EU und die EG auszuweiten ist. (Vgl. Strupp/Schlochhauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, S. 501; Verdross/Siema, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., S 763; von Münch, Völkerrecht in programmierter Form, S. 357)

Auch wenn dies in Art. VII Abs. 4 FHSV keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden hat, so kann Anknüpfungspunkt für Meistbegünstigung nicht eine Position sein, die die Bundesrepublik Deutschland dem Angehörigen eines Drittstaates im Hinblick auf rechtliche Gegebenheiten zubilligt, die im Rahmen eines Zusammenschlusses mit anderen Staaten zu supranationalen Gemeinschaften unter teilweiser Aufgabe eigener Regelungskompetenz begründet wurden. Für eine durch völkerrechtliche Vereinbarung zugesicherte Einräumung gleicher Vergünstigungen, wie sie anderen Ausländern seitens der Vertragsstaaten zugebilligt wird, kann als Bezugspunkt im Grundsatz nur eine ebenfalls im bilateralen Verhältnis zu einem anderen Staat begründete Behandlung herangezogen werden, nicht aber ein Rechtszustand, wie er sich als Folge der Integration eines Vertragsstaates in eine supranationale völkerrechtliche Gemeinschaft darstellt. Eine derartige Schranke ist Klauseln wie der hier umstrittenen Meistbegünstigungsklausel immanent (so schon Hess. VGH, Beschluss vom 5.2.2004 - 9 TG 2664/03 -, InfAuslR 2004, 185 m.w.N.; ebenso im Ergebnis: BVerwG, Urteil vom 29.4.1971 - I C 7.69 -, Buchholz, 402.24, § 2 AuslG Nr. 2,), ohne dass es zur rechtlichen Beurteilung dieser Frage noch eines Rückgriffs auf die Regelungen des GATS bedarf.

Nichts Gegenteiliges lässt sich der diplomatischen Note des United States Department of State vom 18.2.2000 unter völkergewohnheitsrechtlichen Gesichtspunkten herleiten. Das Bundesministerium der Justiz hat unter dem 28.2.2003 mitgeteilt, die Bundesregierung habe sich gegenüber dem Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika auf die diplomatische Note vom 18.2.2000 an die Deutsche Botschaft in Washington nicht geäußert. Anhaltspunkte, dass eine dem Inhalt der Note entsprechende Praxis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten besteht, Rechtsanwälte mit der jeweils anderen Staatsangehörigkeit, ggfs. nach Ablegung einer Zulassungsprüfung, zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Beispielsfälle sind weder der amerikanischen Note zu entnehmen noch vom Kläger in anderer Weise dargelegt worden. Es lässt sich im Gegenteil der vom Kläger vorgelegten Abhandlung "Innocents Abroad: Opportunities and Challenges for the International Legal Adviser" von Wayne J. Carroll aus dem Vanderbilt Journal of Transnational Law, Bd. 34, S. 1097, 1107 ff., entnehmen, dass es eine äußerst unterschiedliche Praxis in den Einzelstaaten der Vereinigten Staaten gibt.

Eine Verpflichtung, dem Kläger entsprechend den Regelungen des Eignungsprüfungsgesetzes bzw. des EuRAG den vollständigen Zugang zum Beruf eines Rechtsanwalts zu ermöglichen, ergibt sich letztlich auch nicht aus der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII Abs. 4 FHSV in Ansehung des Abkommens vom 21.6.1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit. Denn auch dieses Abkommen betrifft nicht das bilaterale Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft, auf die sich der Kläger über die Meistbegünstigungsklausel berufen könnte, sondern beruht auf dem Zusammenschluss der Europäischen Staaten zu einer supranationalen Gemeinschaft in der EG und regelt deren Beziehungen zu der Schweizer Eidgenossenschaft. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass als Vertragsparteien nicht nur die Europäische Gemeinschaft, sondern auch deren Mitgliedsstaaten in diesem Abkommen genannt sind. Die Aufführung der einzelnen Mitgliedsstaaten beruht vielmehr darauf, dass der Europäischen Gemeinschaft als solcher bislang noch keine ausschließliche Befugnis zukommt, die Mitgliedsstaaten auch in den hier interessierenden Bereichen völkerrechtlicher Verträge zu vertreten. Bilaterale Regelungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EG und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf Grund dieses Abkommens entstehen zudem nicht und sind auch nach dessen Sinn und Zweck ausgeschlossen. Gemäß Art. 25 Abs. 1 Satz 1 bedurfte das Abkommen zwar der Ratifikation oder Genehmigung durch die Vertragsparteien gemäß ihren eigenen Verfahren. Nach Satz 2 trat es jedoch erst am ersten Tag des zweiten Monats in Kraft, der auf die letzte Notifikation der Hinterlegung der Ratifikations- oder Genehmigungsurkunden weiterer sieben Abkommen folgte. Zu seiner Wirksamkeit bedurfte das Abkommen somit der Zustimmung aller Mitglieder der EG, so dass es bilaterale Beziehungen nicht begründen konnte. Ebenso ist ausgeschlossen, dass einzelne Mitgliedsstaaten aus dem Abkommen ausscheren mit der Folge, dass lediglich bilaterale Beziehungen übrig bleiben. Gemäß Art. 25 Abs. 2 Satz 1 verlängert sich das Abkommen für unbestimmte Zeit, sofern die Gemeinschaft oder die Schweiz, nicht aber ein Mitgliedsstaat, der anderen Vertragspartei vor Ablauf der anfänglichen Geltungsdauer von sieben Jahren nichts Gegenteiliges notifiziert. Auch das Kündigungsrecht nach Art. 25 Abs. 3 Satz 1 steht nur der Europäischen Gemeinschaft oder der Schweiz, nicht jedoch den einzelnen Mitgliedsstaaten zu.



Ende der Entscheidung

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