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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.11.2004
Aktenzeichen: 14 A 1938/04
Rechtsgebiete: JAG NRW 1993, GG
Vorschriften:
JAG NRW 1993 § 18a Abs. 1 | |
JAG NRW 1993 § 8 Abs. 1 Nr. 1 | |
GG Art. 3 Abs. 1 |
2. Der Umstand, dass es eine Hochschule ermöglicht, ein umfassendes rechtswissenschaftliches Studium mit den entsprechenden Leistungsnachweisen faktisch zu absolvieren, ohne im Studiengang "Rechtswissenschaft" eingeschrieben zu sein, rechtfertigt es nicht, bei Studenten, die diese Möglichkeit nicht genutzt haben, außerhalb des rechtswissenschaftlichen Studiums verbrachte Studienzeiten nach § 18a Abs. 1 JAG NRW 1993 anzurechnen.
Tatbestand:
Die Klägerin begann im Wintersemester 2000 ein Magisterstudium der Skandinavistik mit zwei Nebenfachstudien, darunter an der rechtswissenschaftlichen Fakultät das Nebenfachstudium des rechtswissenschaftlichen Fachs "Öffentliches Recht". Im Sommersemester 2001 nahm sie das Studium der Rechtswissenschaft auf. Die Erteilung der für die Ausbildungsförderung benötigten Bescheinigung, dass das einsemestrige Nebenfachstudium nicht nach § 18a Abs. 1 JAG NRW 1993 auf die für den Freiversuch maßgebliche Semesterzahl angerechnet werde, lehnte das beklagte Justizprüfungsamt ab. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Auf die Berufung der Klägerin verpflichtete das OVG das Amt zur Erteilung der Bescheinigung.
Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf die begehrte Bescheinigung.
In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil geht der Senat davon aus, dass die vom Vertreter des beklagten Amtes vor dem VG geschilderte Praxis, auch ohne eine dies vorsehende gesetzliche Bestimmung regelmäßig solche Bescheinigungen zu Zwecken der Ausbildungsförderung zu erteilen, wenn Studiensemester nicht nach § 18a JAG NRW a.F. angerechnet würden, einen aus Art. 3 Abs. 1 GG resultierenden Anspruch des Studenten begründet, bei Vorliegen der Voraussetzungen ebenfalls eine solche Bescheinigung zu erhalten.
Abweichend von der Rechtsauffassung des VG und des beklagten Amtes sind die Voraussetzungen für eine Nichtanrechnung des Magisterstudiums der Klägerin im WS 2000/2001 als Fachsemester nach § 18a Abs. 1 JAG NRW a.F. gegeben, der auf die Klägerin gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 JAG NRW in der seit dem 1.7.2003 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden ist. Für diese Beurteilung kann der Streit der Beteiligten dahinstehen, ob unter dem Begriff "Fachsemester" im Sinne des § 18a Abs. 1 Satz 1 JAG NRW a.F. nur solche eines rechtswissenschaftlichen Studiums im Hauptfach oder auch solche im Nebenfach zu fassen sind. Darauf kommt es nicht an, weil auch dann, wenn die Frage im Sinne des beklagten Amtes zu beantworten wäre, hier die Klägerin im WS 2002/2001 nicht das "Fach", auf das § 18a Abs. 1 Satz 1 JAG NRW a.F. abstellt, nämlich Rechtswissenschaft, studiert hat. Vielmehr bezog sich ihr Magisterstudium im Nebenfach an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität B. auf einen ganz schmalen Sektor der Rechtswissenschaft, nämlich auf einen begrenzten Ausschnitt des öffentlichen Rechts. Schon die Bezeichnung des maßgeblichen Studienplans als "Nebenfachstudium rechtswissenschaftlicher Fächer" - und nicht "der Rechtswissenschaft" - macht dies deutlich. Der Inhalt des Studienplanes bestätigt dies. Danach sind für das Nebenfachstudium nur acht bestimmte Fächer zugelassen, zwischen denen der Studierende zu wählen hat, nämlich nach § 3 des Studienplans drei Fächer des Zivilrechts, drei Fächer des Öffentlichen Rechts, ferner Strafrecht/Kriminologie und Rechtsvergleichung im Privatrecht. Das Nebenfachstudium betrifft somit jeweils eine enge Einzelmaterie aus dem Bereich der rechts- und staatswissenschaftlichen Fächer. Es handelt sich deshalb nicht um ein Fachstudium "Rechtswissenschaft", sondern um ein Fachstudium einer rechtswissenschaftlichen Einzelmaterie. Die Freiversuchsregelung des § 18a JAG NRW stellt dagegen mit dem Begriff "Fachsemester" auf das Studium ab, um das es bei der Juristenausbildung geht, nämlich um das "rechtswissenschaftliche Studium" (vgl. § 1 Satz 1 JAG NRW a.F.). Semester, in denen der Student in einem Studiengang eingeschrieben ist, der nur rechtliche Einzelmaterien erfasst, wie es gerade auch für viele berufsspezifische Rechtsmaterien der Fall ist (z.B. die zum Dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung gehörenden "Speziellen Rechtsgebiete für Apotheker" - vgl. Anlage 15 zur Approbationsordnung für Apotheker -), sind keine "Fachsemester eines rechtswissenschaftlichen Studiums".
Soweit das beklagte Amt darauf abstellt, dass "Nebenfachsemester" bei der Mindeststudiendauer für die Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JAG NRW a.F. berücksichtigt würden, und daraus auf die Anrechnung nach § 18a Abs. 1 Satz 1 JAG NRW a.F. schließt, verkennt es ebenfalls, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 JAG NRW a.F. nur das Studium der "Rechtswissenschaft" betrifft. Studiengänge, bei denen die Vermittlung rechtswissenschaftlicher Kenntnisse auf rechtliche Einzelmaterien beschränkt ist, sind unabhängig davon, ob diese Materien im Studiengang als Hauptfach oder als Nebenfach vorgesehen sind, kein Studium der Rechtswissenschaft und können deshalb weder nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JAG NRW a.F. noch nach § 18 a Abs. 1 Satz 1 JAG NRW a.F. angerechnet werden.
Soweit das VG und das beklagte Amt darauf abgestellt haben, dass es an der Universität B. den an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät eingeschriebenen Studenten im "Nebenfachstudium rechtswissenschaftlicher Fächer" möglich sei, ganz unabhängig von den für ihre Ausbildung im Studiengang vorgesehenen spezifischen Veranstaltungen und Fächern an allen Veranstaltungen teilzunehmen, die für die Rechtswissenschaft im Hauptfach Studierenden vorgesehen sind, und dort auch Leistungsnachweise zu erwerben, ist dies für die hier anstehende Rechtsproblematik ohne Bedeutung. Ein Semester, das für ein Studium verwandt wird, das nicht Studium der Rechtswissenschaft ist, wird nicht dadurch zum rechtswissenschaftlichen Fachsemester, dass der Studierende außerhalb des Studienganges, für den er zugelassen und eingeschrieben ist, Veranstaltungen besucht, die nicht zu seinem Studium gehören, und in ihnen auch Leistungsnachweise erbringt.
§ 18a JAG NRW a.F. bezweckt u.a. die Überlastung des rechtswissenschaftlichen Studienganges zu vermeiden, indem er auf eine Verkürzung der Studiendauer hinwirkt. Dieses Ziel kann nicht dadurch erreicht werden, dass der Begriff des "Fachsemesters" in § 18a JAG NRW a.F. auch auf solche Semester ausgedehnt wird, in denen ein Studierender die faktische Möglichkeit hatte, sich außerhalb seines Studienganges rechtswissenschaftlich fortzubilden, sondern nur dadurch, dass die betroffene Universität die Veranstaltungen entlastet, indem sie nur Studierende zu ihnen zulässt, für die diese vorgesehen sind.
Soweit das beklagte Amt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf verwiesen hat, dass es für die Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung erforderliche Leistungsnachweise anerkenne, die außerhalb eines Studienganges erworben worden seien, vermag dies eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Dabei kann dahinstehen, ob in solchen Fällen Studienzeiten, die außerhalb eines Studienganges in einem faktischen rechtswissenschaftlichen Studium verbracht und zum Erwerb dieser Leistungsnachweise genutzt worden sind, nach § 18a Abs. 1 JAG NRW a.F. wie Fachsemester behandelt werden können. Darauf kommt es hier nicht an. Die Klägerin hat ein solches faktisches rechtswissenschaftliches Studium nicht absolviert und auch keine Leistungsnachweise zur Anerkennung vorgelegt, die außerhalb ihres auf eine einzelne rechtswissenschaftliche Materie beschränkten Nebenfachstudiums erworben wurden.
Der aus Art. 3 Abs. 1 GG fließende Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht, auf den das beklagte Amt verweist, nötigt zu keiner anderen Betrachtung. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen diesen Grundsatz vorliegt, wenn Studenten, ohne im Fach Rechtswissenschaft eingeschrieben zu sein, sich dadurch gegenüber den in Rechtswissenschaft eingeschriebenen Studenten einen Vorteil verschaffen können, dass vom beklagten Amt zwar die außerhalb eines Studienganges erworbenen Leistungsnachweise anerkannt, andererseits jedoch die Zeiten des faktischen rechtswissenschaftlichen Studiums nicht nach § 18a JAG NRW a.F. für den Freiversuch angerechnet würden. Selbst wenn dem so wäre, rechtfertigt dies nicht, bei Studenten, die - wie die Klägerin - ein solches faktisches rechtswissenschaft-liches Studium nicht absolviert haben und auch keine außerhalb ihres Studienganges erworbenen Leistungsnachweise für die Zulassung zur ersten juristischen Staatsprüfung anerkannt haben wollen, Semester als rechtswissenschaftliche Fachsemester für den Freiversuch anzurechnen, in denen sie keine Rechtswissenschaft studiert haben.
Ende der Entscheidung
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