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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 14 A 3559/02
Rechtsgebiete: VwVfG NRW, 3. Gesetz zur Änderung des VwVfG NRW, BGB


Vorschriften:

VwVfG NRW § 49a Abs. 3
3. Gesetz zur Änderung des VwVfG NRW Art. 1 Nr. 7
3. Gesetz zur Änderung des VwVfG NRW Art. 10 Abs. 2 1. HS
BGB § 197
BGB § 198 Satz 1 a. F.
Zur Höhe des Zinssatzes bei Rückforderung von Wohnraumfördermitteln und zum Beginn der Verjährungsfrist für derartige Zinsansprüche
Tatbestand:

Im Jahr 1989 bewilligte der Beklagte dem Kläger Fördermittel zur Modernisierung von Wohnraum nach den Modernisierungsrichtlinien 1986. Unter C Nr. 18 des Bewilligungsbescheides wurde bestimmt, dass die Zuwendung unverzüglich zu erstatten sei, soweit der Bewilligungsbescheid nach Verwaltungsverfahrensrecht, nach Haushaltsrecht oder anderen Rechtsvorschriften unwirksam oder mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen werde. Laut C Nr. 19 war der Erstattungsanspruch mit 6 v.H. für das Jahr zu verzinsen. Nach Verkauf des Objekts im Jahr 1993 widerrief der Beklagte den Bewilligungsbescheid. Mit Bescheid vom 8.2.1996 setzte der Beklagte Zinsen fest, wobei er eine Zinshöhe von 6 v.H. zugrunde legte. Der hiergegen gerichteten Klage gab das VG statt. Die Berufung nahm der Beklagte zum Teil zurück. Im Übrigen hatte die Berufung Erfolg.

Gründe:

Rechtsgrundlage für die umstrittene Zinsforderung ist § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW i. d. F., die er durch Artikel 1 Nr. 7 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und zur Änderung anderer verwaltungsrechtlicher Vorschriften vom 24.11.1992, GVBl. NW 1992, 446 (Änderungsgesetz) erhalten hat. Danach ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an mit drei vom Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen.

Artikel 1 Nr. 7 findet gemäß Artikel 10 Abs. 2 1. HS. des Änderungsgesetzes auch auf Bescheide über Zuwendungen (§ 23 LHO NRW) Anwendung, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen worden sind, somit auch auf den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 13.10.1989. Dementsprechend hat sich auch der Beklagte zur Begründung der Zinsforderung nicht auf die Bestimmungen des Bewilligungsbescheides vom 13.10.1989 sowie die damalige Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 4 des Haushaltsgesetzes 1989 berufen, wonach der Rückzahlungsanspruch mit seiner Entstehung fällig ist und von diesem Zeitpunkt an mit 6 vom Hundert für das Jahr zu verzinsen ist.

Soweit es den der Zinsberechnung zugrunde liegenden Zinssatz betrifft, ist der Beklagte zu Unrecht von einem Zinssatz von 6 v.H. ausgegangen. Denn die insoweit maßgebliche Regelung des § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW a. F. legt einen Zinssatz von 3 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank fest. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass im Bewilligungsbescheid vom 13.10.1989 unter C Nr. 19 festgelegt war, der Erstattungsanspruch sei mit 6 v.H. für das Jahr zu verzinsen. Mit dieser Regelung hat sich der Beklagte jedoch erkennbar an den Vorgaben des damaligen Haushaltsgesetzes 1989 orientiert, die durch die Einführung des § 49 a VwVfG NRW a. F. auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt worden sind. Anhaltspunkte, dass der Beklagte bei der Bewilligung des Zuschusses für den Fall der Verzinsung eines Rückforderungsanspruches einen anderen Zinssatz als den der jeweils geltenden gesetzlichen Rechtsgrundlage zum Zeitpunkt der Rückforderung regeln wollte, den Zinssatz von 6 v.H. also quasi "festzementieren" wollte, bestehen nicht. Dass hinsichtlich des Zinsanspruches auf die jeweils geltende Rechtslage abzustellen ist, hat der Beklagte selbst auch dadurch zu erkennen gegeben, dass er sich als Rechtsgrundlage nicht auf die Regelungen im Bewilligungsbescheid, sondern ausdrücklich auf § 49 a VwVfG a. F. gestützt hat. Aus welchen Gründen dann einerseits die Zinsforderung dem Grunde nach auf § 49 a Abs. 3 VwVfG a. F. beruhen, andererseits der Höhe nach § 49 a Abs. 3 Satz 1 VwVfG a. F. nicht einschlägig sein soll, ist nicht nachvollziehbar.

Entgegen der Auffassung des VG ist dieser Zinsanspruch auch nicht verjährt.

Zwar ist das VG zutreffend davon ausgegangen, dass öffentlich-rechtliche Zinsansprüche in entsprechender Anwendung des § 197 BGB nach vier Jahren verjähren. Es hat jedoch zu Unrecht den Verjährungsbeginn auf den 31.12.1994 und damit das Ende der Verjährungsfrist auf den 31.12.1998 datiert. Gemäß § 198 Satz 1 BGB a. F. beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruches. Ein Anspruch ist erst dann als "entstanden" i. S. v. § 198 Satz 1 BGB a. F. anzusehen, wenn er geltend gemacht, das heißt wenn die zu beanspruchende Leistung gefordert werden kann. Was speziell den Zinsanspruch angeht, so kann er nicht geltend gemacht werden, solange noch kein Hauptanspruch besteht, der zu verzinsen ist. Das bedeutet, dass im Falle der Gewährung einer Leistung durch Verwaltungsakt der Erstattungsanspruch erst mit der Aufhebung dieses Verwaltungsaktes i. S. v. § 198 Satz 1 BGB a. F. "entsteht".

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.7.1986 - 3 B 66.85 -, Buchholz, 451.90, EWG-Recht, Nr. 65.

Damit stellt der Begriff "Entstehen" i. S. v. § 198 Satz 1 BGB a. F. auf den Zeitpunkt der "Fälligkeit" des Anspruches ab, vgl. BVerwG, Urteil vom 17.8.1995 - 3 C 17.94 -, BVerwGE 99, S. 109, nicht jedoch auf ein "Entstehen" im haushaltsrechtlichen Sinne, das etwa bei rechtsgrundloser Gewährung einer Leistung oder bei nachträglichem Wegfall des Rechtsgrundes rückwirkend auf den Zeitpunkt der Leistungsgewährung erfolgen kann (vgl. z.B. § 8 Abs. 5 Satz 4 Haushaltsgesetz 1989, § 44 a Abs. 3 Satz 1 BHO a.F.).

Im Übrigen würde es dem offenkundigen Gesetzeszweck der Verjährungsregelungen zuwider laufen, den Beginn des Ablaufes der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Gewährung zurück zu datieren. Denn dies hätte zur Folge, dass derjenige, der im Ergebnis zu Unrecht Leistungen bezogen hat, umso eher in den Genuss der Verjährungsregelung kommen würde, je länger er Nutzen aus diesen Leistungen gezogen hat. Dies könnte bei einer lang zurückliegenden Leistungsgewährung sogar bedeuten, dass der Zinsanspruch, wenn nicht sogar der Rückzahlungsanspruch, bereits mit Aufhebung des Leistungsbescheides der Verjährung unterfiele.

Ende der Entscheidung

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