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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 14 A 5273/05
Rechtsgebiete: GG, BÄO, ÄAppO


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
BÄO § 4
ÄAppO § 14 Abs. 3
Beim Antwort-Wahl-Verfahren (Multiple-Choice-Prüfung) in der Ärztlichen Vorprüfung sind außerhalb des Antwortbelegs vermerkte (Lösungs-) Notizen nicht zu berücksichtigen.
Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Bewertung ihrer im Antwort-Wahl-Verfahren (sog. Multiple-Choice-Prüfung) erbrachten Prüfungsleistung in der Ärztlichen Vorprüfung im Frühjahr 2005. Das für die Entwicklung der Fragen und die bundesweite rechnergestützte Auswertung dieser Antwortbelege aufgrund eines Staatsvertrages errichtete Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) wertete nur die im Antwortbeleg von der Klägerin markierten Antworten. Die übrigen, lediglich in dem mit abgegebenen Aufgabenheft notierten Antworten blieben unberücksichtigt. Die Klägerin hatte bei der Abgabe darum gebeten, die notierten Antworten zu berücksichtigen, da sie aus Zeitmangel nicht mehr die Markierungen auf dem Antwortbeleg habe vornehmen können. Auch die für die Prüfungsentscheidung zuständige Bezirksregierung lehnte die Berücksichtigung dieser Antworten ab. Das VG wies die Klage ab, der Antrag auf Zulassung der Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin wendet sich u.a. gegen die Rechtsgrundlagen des Prüfungsverfahrens und trägt vor: Sie habe die Anforderungen des § 14 Abs. 1 ÄAppO, wonach der Prüfling die richtige Antwort schriftlich auszuwählen habe, erfüllt, indem sie die Antworten in ihrem Aufgabenheft eindeutig notiert habe. Für eine Berücksichtigung nur der auf den Antwortbelegen markierten Antworten stelle § 14 Abs. 3 ÄAppO keine Ermächtigungsgrundlage dar. ...

Damit sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, nicht dargetan. Das VG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Überprüfung des medizinischen Wissens in einem standardisierten Antwort-Wahl-Verfahren nicht gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG verstößt.

Das Antwort-Wahl-Verfahren findet seine Rechtsgrundlage in § 4 BÄO i.V.m. § 14 Abs. 3 ÄAppO.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, NVwZ 1989, 850 (851) = BVerfGE 80, 1 ff.; vorgehend u.a. BVerwG, Urteil vom 18.5.1982 - 7 C 24.81 -, DVBl. 1982, 894 (895 f.); siehe zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung (1969): BT Drucks. V/3838, Begründung zu 1., S. 5 sowie zu Art. 1 Nr. 5, S. 7.

Auch begegnet diese bloße Wissensprüfung als Prüfungsform für Ärzte inhaltlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.3.1989 - 1 BvR 1033/82 u.a. -, a.a.O. (851 f.).

Damit geht der (weitere) Einwand der Klägerin, der Staatsvertrag der Länder über die Errichtung und Finanzierung des Instituts für medizinische Prüfungsfragen vom 11.1.1972 (GVBl. NRW S. 10) in seiner aktuellen Fassung stelle keine Regelung im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar, ins Leere. Dieser ist keine "kompetenzwidrige" landesrechtliche Regelung des Prüfungswesens, sondern lediglich die erforderliche verfahrensmäßige, insbesondere organisatorische Umsetzung der bundesrechtlichen Vorgaben nach § 14 Abs. 3 ÄAppO.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 19.5.2005 - 6 C 14.04 -, DVBl. 2006, 250 f. = BVerwGE 123, 362 ff.

Hiervon geht auch der Senat in seinem Beschluss vom 20.4.2005 - 14 B 651/05 -, NWVBl. 2005, 386 (387) (betreffend den Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dieser Angelegenheit), aus.

Im Übrigen scheint die Klägerin mit ihrem schriftsätzlichen Vorbringen von dem Einwand einer fehlenden Rechtsgrundlage für die angegriffene Prüfungsentscheidung abzurücken. Darin führt sie aus, es gehe "nicht darum, das festgelegte System der bundeseinheitlichen zentralen Auswertung der schriftlichen Prüfungen durch das IMPP in Frage zu stellen oder zu unterlaufen", sondern um die Anwendung allgemeinen Prüfungsrechts bei der Entscheidung der Beklagten über das (Nicht-) Bestehen der Prüfung.

Auch insoweit lassen sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht ausmachen. Das VG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung über die Ergebnisfeststellung allein die von der Klägerin auf den Antwortbelegen markierten Antworten zu berücksichtigen hatte. Dies gebietet der Grundsatz der Chancengleichheit. Die Anwendung allgemeinen Prüfungsrechts führt nicht zur Berücksichtigung der von der Klägerin im Aufgabenheft niedergelegten handschriftlichen Aufzeichnungen.

Die verfassungsgemäße Entscheidung des § 14 Abs. 3 ÄAppO für ein Antwort-Wahl-Verfahren bestimmt zugleich die in diesem Verfahren zu erbringende Prüfungsleistung. Diese besteht in dem Markieren bzw. Ankreuzen der vom Prüfling für richtig erachteten Antwortalternative auf dem Antwortbeleg in der dafür vorgegebenen Zeit.

Vgl. Sächs. OVG, Beschluss vom 10.10.2002 - 4 BS 328/02 -, DÖV 2003, 728 (729); OVG NRW, Beschluss vom 20.4.2005 - 14 B 651/05 -, a.a.O. (387).

Hiernach stellt sich die Ermittlung des Prüfungsergebnisses als im wesentlichen nur noch "mechanischer" Auswertungsvorgang dar.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1.8.1994 - 22 B 976/94 -, DVBl. 1994, 1371 (1372); siehe auch zu den prüfungsrechtlichen Besonderheiten des Antwort-Wahl-Verfahrens BVerfG, Beschluss vom 17.4.1991 - 1 BvR 1529/84 u.a. -, DVBl. 1991, 805 (806); Sächs. OVG, Beschluss vom 10.10.2002 - 4 BS 328/02 -, a.a.O. (729); Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rdnrn. 595 ff. (insb. 596).

Soweit die Klägerin darauf verweist, abweichend vom angegriffenen Urteil habe ein Prüfling nach Rechtsprechung und Literatur ein Recht auf Berücksichtigung von Notizen, Skizzen und sonstigen Aufzeichnungen, betrifft dies allein das grundlegend abweichend gestaltete Prüfungsverfahren mit Klausurbearbeitungen und sich daran anschließendem Bewertungsverfahren.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.7.1992 - 6 B 43.92 -, DVBl. 1993, 49 (50); VGH BW, Urteil vom 8.10.1996 - 9 S 2437/95 -, VBlBW 1997, 70 (71 f.); Sächs. OVG, Beschluss vom 11.9.2001 - 4 BS 156/01 -, juris; OVG Bremen, Beschluss vom 13.11.2001 - 1 S 355/01 -, juris; siehe auch Niehues, a.a.O. Rdnr. 537.

Die im Antwort-Wahl-Verfahren geforderte Prüfungsleistung der Markierung von Antwortmöglichkeiten auf dem Antwortbeleg hindert eine Übertragung dieser Erwägungen. Denn zum einen lässt sich nicht ausschließen, dass der Prüfling bei der Markierung der Antwort auf dem Antwortbogen bewusst von einer im Aufgabenheft gemachten Notiz abweicht, weil ihm diese im Zeitpunkt der Markierung nicht mehr zutreffend erscheint. Notizen im Aufgabenheft lassen häufig nicht erkennen, ob sie das endgültige Resultat der Überlegung des Prüflings oder nur ein Zwischenergebnis darstellen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.7.1985 - 7 CB 80.84 -, DVBl. 1986, 50.

Zum anderen erfordert die in diesem Verfahren zu erbringende Prüfungsleistung (und damit der Grundsatz der Chancengleichheit) die Antwortmarkierung in dem vorgegebenen Zeitrahmen, wie die Klägerin selbst bemerkt. Dies hat sie nicht geleistet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.4.2005 - 14 B 651/05 -, a.a.O.

Unerheblich ist ihre diesbezügliche subjektive Einschätzung, sie habe lediglich noch 1,5 Minuten für die restlichen Markierungen benötigt. Der konkrete Zeitbedarf für noch nicht in den Antwortbelegen erfolgte Markierungen lässt sich unter Berücksichtigung nicht auszuschließender Verzögerungen infolge nochmaligen Überdenkens vor einer endgültigen Markierung gerade nicht ermitteln. Vor diesem Hintergrund ist auch der unsubstanziierte Hinweis, ein "Verantwortlicher des IMPP" habe auf telefonische Nachfrage "sinngemäß erklärt, er gehe davon aus, dass das Landesprüfungsamt die Antworten im Aufgabenheft manuell auswerten werde", ohne Belang.

Sofern die Klägerin angibt, sie habe wegen des Straßen- und Baulärms Ohrstöpsel getragen und deswegen die verschiedenen Zeithinweise des Aufsichtspersonals nicht gehört, ist sie mit dieser erstmals im Widerspruchsschreiben und damit nicht rechtzeitig erhobenen Rüge ausgeschlossen. Unabhängig davon ist die Zeiteinteilung allein eine Obliegenheit des Prüflings und Teil der Prüfungsleistung.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.12.1981 - 9 S 2431/81 -.

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