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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 14 A 608/05
Rechtsgebiete: KAG NRW, AO


Vorschriften:

KAG NRW § 3
AO § 162
Die Erhebung der Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte nach dem Einspielergebnis ist mit Art. 105 Abs. 2a GG vereinbar und verstößt auch nicht wegen Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer gegen Artikel 33 RL EWG 77/388.

Die Vergnügungssteuer kann rückwirkend nach dem Einspielergebnis erhoben werden, wenn an der Gültigkeit des früheren Maßstabes nach der Stückzahl der Geldspielgeräte erhebliche Zweifel bestanden.

Lassen sich die Einspielergebnisse für die Vergangenheit nicht zuverlässig ermitteln, kann eine Schätzung erfolgen.


Tatbestand:

Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 18.8. 2003 zog der Beklagte die Klägerin für Geräte mit Gewinnmöglichkeit und Spielautomaten ohne Gewinnmöglichkeit zu einer Vergnügungssteuer von monatlich insgesamt 2.200,00 Euro heran. Die Steuererhebung erfolgte aufgrund der Vergnügungssteuersatzung vom 10.12.2002, die für Apparate mit Gewinnmöglichkeit bei einer Aufstellung in Spielhallen einen Steuersatz von 240,00 Euro monatlich und für Apparate ohne Gewinnmöglichkeit von 40,00 Euro monatlich festlegte. Im Dezember 2005 und im Jahr 2006 wurde die Vergnügungssteuersatzung geändert. Nach der jetzt maßgebenden Satzung vom 13.6.2006 beträgt die Vergnügungssteuer für das Halten von Spielapparaten mit Gewinnmöglichkeit pro Apparat und Monat 13 v.H. des Einspielergebnisses, höchstens 240,00 Euro. Dieser Höchstbetrag gilt für Steuererhebungen bis Dezember 2005. Nach § 8 Abs. 2 der Satzung ist das Einspielergebnis der Betrag der elektronisch gezählten Bruttokasse. Dieser errechnet sich aus der elektronisch gezählten Kasse zuzüglich Röhrenentnahme (sogenannter Fehlbetrag), abzüglich Röhrenauffüllung, Falschgeld, Prüftestgeld und Fehlgeld. Diese Satzung trat rückwirkend zum 1.1.2003 in Kraft.

Nach Zurückweisung des gegen den Vergnügungssteuerbescheid erhobenen Widerspruchs erhob die Klägerin Klage und machte geltend, die Pauschalbesteuerung nach dem Maßstab der Stückzahl verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Der Steuer komme Erdrosselungswirkung zu und eine kalkulatorische Abwälzbarkeit sei nicht möglich. Das VG wies die Klage ab und ließ die Berufung im Hinblick auf obergerichtliche Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der pauschalen Besteuerung zu. Die Berufung hatte keine Erfolg.

Gründe:

Die Vergnügungssteuerbescheide haben ihre Rechtsgrundlage in § 8 der Vergnügungssteuersatzung vom 10.12.2002 in der Fassung jeweils von Art. 1 der Änderungssatzungen vom 14.12.2005, 31.3.2006 und 13.6.2006. Danach beträgt die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte bei einer Aufstellung in Spielhallen 13 v.H. des Einspielergebnisses, höchstens 240,00 Euro, und bei Apparaten ohne Gewinnmöglichkeit 40,00 Euro.

Diese Regelungen der Vergnügungssteuersatzung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Sie sind mit Art. 105 Abs. 2a GG vereinbar. Danach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Diese Befugnis hat das Land Nordrhein-Westfalen gemäß § 3 KAG auf die Kommunen übertragen. Das in Art. 105 Abs. 2a GG enthaltene Verbot der Gleichartigkeit der Steuern wird seit jeher dahin ausgelegt, dass es sich nicht auf die herkömmlichen Verbrauchs- und Aufwandsteuern erstreckt, zu denen die Vergnügungssteuer zählt.

Vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 26.2.1985 - 2 BvL 14/84 -, BVerfGE 69, 174, 183 und vom 3.5.2001 - 1 BvR 624/00 -, NVwZ 2001, 1264.

Der Umstand, dass die Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte nicht mehr nach dem Stückzahlmaßstab erhoben wird, bedeutet nicht, dass sie nun keine der traditionellen Steuern in dem oben genannten Sinne wäre mit der Folge, dass ein Verstoß gegen das Gleichartigkeitsverbot in Betracht zu ziehen ist. Die Vergnügungssteuer für Spielautomaten wurde früher (zulässigerweise) nur deshalb nach dem Stückzahlmaßstab erhoben, weil eine praktikable Möglichkeit zu einer wirklichkeitsnahen Besteuerung nicht gegeben war.

Vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 10.5.1962 - 1 BvL 31/58 -, BVerfGE 14, 76, 102.

In dieser Entscheidung wurde bereits zum Ausdruck gebracht, dass im Grunde die wirklichen Einnahmen besteuert werden müssten. Die nun erfolgte Änderung des Steuermaßstabes ändert damit nichts an dem Befund, dass die Vergnügungssteuer auch für die hier in Rede stehenden Geldspielgeräte eine herkömmliche Gemeindesteuer bleibt, die nicht gleichartig mit bundesgesetzlich geregelten Steuern ist.

Die Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte nach dem Einspielergebnis verstößt auch nicht gegen Art. 33 der 6. Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer. Nach Art. 33 der 6. Richtlinie hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchssteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 7.1.1998 - 8 B 228/97 -, NVwZ-RR 1998, 672, unter Zitierung weiterer Rechtsprechung ausgeführt, dass ein solcher Verstoß bereits mehrfach sowohl durch das BVerwG als auch durch das BVerfG verneint worden ist. Dieser Auffassung schließt sich der Senat auch für die Erhebung der Steuer für Geldspielgeräte nach dem Maßstab des Einspielergebnisses an. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH belässt Art. 33 der 6. Richtlinie den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, die den Charakter von Umsatzsteuern haben. Es soll verhindert werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise belasten. Als solche Maßnahmen sind Steuern, Abgaben und Gebühren anzusehen, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, selbst wenn sie ihr nicht in allen Einzelheiten gleichen. Diese Merkmale sind folgende: Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; sie ist proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen; sie wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben; und sie bezieht sich schließlich auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen.

Vgl. EuGH, etwa Urteile vom 9.3.2000 - C-437/97 -, Slg. 2000, I - 1189 (I - 1200) und vom 26.6.997 - C-370/95 u. a. -, Slg. 1997, I 3721 (I 3742 f).

Es ist nicht erkennbar und von der Klägerin auch nicht mit Gründen von substanziellem Gewicht behauptet worden, dass die in Rede stehende Vergnügungssteuer die Funktion des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems belasten könnte. Bei Betrachtung der einzelnen Merkmale der Mehrwertsteuer fehlt das Kriterium, dass die Steuer allgemein sich auf alle auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte bezieht. Die Steuer wird nur für Spielgeräte, örtlich unterschiedlich und nicht flächendeckend im gesamten Bundesgebiet erhoben. Die Vergnügungssteuer wird ferner nicht auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebes erhoben. Besteuert wird vielmehr nur die Benutzung durch den jeweiligen Spieler. Zudem bezieht sich die Vergnügungssteuer nicht auf den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen. Die Steuer wird nicht nur zufällig, sondern von ihrem Konzept her nur einmal erhoben. Ein Vorsteuerabzug findet nicht statt.

Gegen den in § 8 Abs. 1 und 2 der Vergnügungssteuersatzung gewählten Steuermaßstab bestehen keine Bedenken. Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 13.4.2005 - 10 C 5/04 -, NVwZ 2005, 1316, 1319, zum Ausdruck gebracht, dass ein an den Einspielergebnissen der Geldspielgeräte anknüpfender Steuermaßstab den zu besteuernden Vergnügungsaufwand der Spieler ungleich wirklichkeitsnäher als der pauschale Stückzahlmaßstab erfasst. Bedenken hiergegen werden auch nicht geltend gemacht. Soweit nach dem hier verwendeten Maßstab die Umsatzsteuer nicht abgezogen wird, steht dies mit höherrangigem Recht in Einklang. Es gibt keinen Grundsatz, dass von Bruttoeinnahmen nicht zwei Steuern nebeneinander erhoben werden dürfen. So wurde auch nach dem Vergnügungssteuergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des Bruttoprinzips die Vergnügungssteuer nach den Roheinnahmen bemessen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 31.1.2007 - 14 A 2042/05 -.

Die Höhe der Steuer für Geldspielgeräte von 13 v.H. des Einspielergebnisses verstößt auch nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Steuer dann einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, wenn sie dazu führt, dass die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage wären, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Soweit der BFH in seinem Urteil vom 6.12.2000 - II R 36/98 - andere Kriterien für die Annahme einer Erdrosselungswirkung angenommen hat, hat er hieran in seinem Urteil vom 29.3.2006 - II R 59/04 -, BFH/NV 2006, 1354, ausdrücklich nicht festgehalten. Der Senat hat keinen Anhalt, dass die hier erhobene Vergnügungssteuer für die Spielhallenbetreiber zu einer erdrosselnden Wirkung in dem oben beschriebenen Sinne führt. Gegen eine solche Annahme spricht, dass sich in den letzten Jahren die Zahl der Spielhallen und der darin aufgestellten Geldspielgeräte in E. nicht wesentlich verändert hat.

Der Hinweis der Klägerin, bei einer wirtschaftlichen Betrachtung der Spielhallen müsse die Sonderstellung der Hallen der H.-Gruppe berücksichtigt werden, rechtfertigt nicht das Ergehen einer für die Klägerin günstigen Entscheidung. Das Steuerrecht gebietet nicht, etwaige Wettbewerbsvor- oder -nachteile auszugleichen und deshalb bei der Prüfung einer Erdrosselungswirkung unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen.

Angesichts der oben beschriebenen Entwicklung der Spielhallen in E. ist auch nicht anzunehmen, dass die Vergnügungssteuer nicht als Aufwandsteuer auf den Spieler abgewälzt werden kann. Insoweit genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen kann. Die rechtliche Gewähr, dass er den von ihm entrichteten Betrag immer von demjenigen erhält, der nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen soll, muss dem Steuerschuldner nicht geboten werden. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn eine Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 20.4.2004 - 1 BvR 1748/99, 1 BvR 905/00 -, DVBl. 2004, 705, 708.

Bei der Kalkulation seiner Selbstkosten sind einem Spielhallenbetreiber zwar durch die Vorgaben in der Spielverordnung Grenzen gesetzt. Dies bedeutet aber nicht, dass ihm keine anderen Maßnahmen bleiben, um die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens aufrecht zu erhalten. Für eine kalkulatorische Überwälzung ist dabei nicht die absolute Höhe der Steuer ausschlaggebend sondern die Möglichkeit, die Steuer in die Kosten einzubeziehen. Es handelt sich hierbei um einen wirtschaftlichen Vorgang, wobei das Gesetz es dem Steuerschuldner überlässt, die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens auch unter Berücksichtigung des Steuerbetrages zu wahren.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.5.2001 - 1 BvR 624/00 -, a. a. O.

Die Steuersatzung durfte auch rückwirkend zum 1.1.2003 geändert werden. Hier ist eine Steuersatzung, an deren Gültigkeit bezüglich des Stückzahlmaßstabes für Geldspielgeräte zumindest ganz erhebliche Zweifel bestanden, durch eine neue Satzungsregelung ersetzt worden. Ein überwiegendes Vertrauen der Klägerin, dass die ungültige Norm beibehalten würde, ist nicht schutzwürdig. Ihr war bekannt, dass die Stadt E. auch nach Aufhebung des Vergnügungssteuergesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen Vergnügungssteuern erheben wollte, und sie musste sich auf diesen Steuertatbestand einrichten. Ihr Vorbringen, sie könne die Einspielergebnisse für die Jahre 2003 und 2004 nicht mehr zuverlässig ermitteln, rechtfertigt es nicht, von einer Steuererhebung abzusehen. Gemäß § 12 Abs. 4b KAG i. V. m. § 162 AO sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn sie nicht ermittelt oder berechnet werden können. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 1.2.2007 auf eine interne Schätzung verwiesen, wonach von einem durchschnittlichen Einspielergebnis in Höhe von 2.000,00 Euro pro Gerät und Monat auszugehen ist. Der sich danach ergebende Steuerbetrag ist höher als der maximal zulässige Betrag von 240,00 Euro gemäß § 8 Abs. 1 der Vergnügungssteuersatzung in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung. Da die Klägerin keine anderweitigen Angaben gemacht hat, die den Beklagten zu einer abweichenden Schätzung hätten veranlassen können, ist eine Steuererhebung in Höhe des bis zum Jahr 2005 möglichen maximalen Betrages zulässig.

Bezüglich der Steuererhebung für Geräte ohne Gewinnmöglichkeit in Höhe von pauschal 40,00 Euro je Monat und Gerät werden keine substanziierten Bedenken geltend gemacht. Solche sind auch nicht ersichtlich. Für diesen Typ von Spielautomaten ist eine Erhebung der Vergnügungssteuer nach dem Stückzahlmaßstab weiterhin zulässig, so lange nicht feststeht, dass in dem betreffenden Gemeindegebiet nur Apparate mit manipulationssicherem Zählwerk aufgestellt sind.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.12.2005 - 10 CN 1.05 -, KStZ 2006, 72.

Es ist nicht angegeben worden, dass diese Sachlage für den hier strittigen Erhebungszeitraum gegeben sein könnte.

Ende der Entscheidung

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