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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 14 E 38/07
Rechtsgebiete: SGB I


Vorschriften:

SGB I § 44
Ein Zinsanspruch nach § 44 SGB I kann gegeben sein, obwohl nach einer Verurteilung zur Wohngeldzahlung für spätere Bewilligungszeiträume zunächst keine vollständigen Leistungsanträge gestellt worden waren.
Tatbestand:

Das VG verpflichtete den Beklagten durch Urteil vom 17.12.2003, der Klägerin für den Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2000 Wohngeld zu zahlen. Nach dieser Verurteilung gewährte der Beklagte der Klägerin für die Jahre 2000 bis 2004 Wohngeld. Wegen der verspäteten Wohngeldzahlung hat er für das Jahr 2000 Zinsen gezahlt; für die Jahre 2001 bis 2004 lehnte er eine Verzinsung ab.

Nach erfolglosem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das VG versagte Prozesskostenhilfe. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Der Senat sieht anders als das VG nach derzeitiger Erkenntnislage die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe als gegeben an (vgl. § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Das VG hat den Zinsanspruch verneint, weil § 44 Abs. 2 SGB I nicht erfüllt sein dürfte. Danach beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. Nach Auffassung des VG sei maßgebend auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die zur Berechnung des Wohngeldanspruchs notwendigen Unterlagen, insbesondere die Einkommensbelege für die jeweiligen Jahre, vollständig vorgelegen hätten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei nicht ersichtlich, dass sie derartige Einkommensbelege vergeblich dem Beklagten vorzulegen versucht hätte. Einige der eingereichten Unterlagen seien erst im Laufe des Jahres 2004 erstellt worden, so dass bereits aus diesem Grund der Versuch einer früheren Einreichung ausscheiden müsse. Diese Ausführungen erscheinen nicht ausreichend, um hinreichend zuverlässig die Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu versagen. Durch die Regelung in § 44 Abs. 2 1. Halbsatz SGB I wird der Beginn der Verzinsung von der Erfüllung einer Mitwirkungspflicht des Leistungsberechtigten abhängig gemacht. Die Vollständigkeit ist dabei einerseits zwar unter dem Blickwinkel der Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I zu beurteilen, andererseits aber auch unter dem Gesichtspunkt der Amtsermittlungspflichten der Behörde. Bei der Grenzziehung sind die Grundsätze von Treu und Glauben heranzuziehen.

Vgl. Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - § 44 Rdnr. 23; Krahmer, Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil - Lehr- und Praxiskommentar - § 44 Rdnr. 11; Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - § 44 Rdnrn. 21 ff.

Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass im Wohngeldrecht das Erfordernis, für jeden Bewilligungszeitraum einen gesonderten Antrag stellen zu müssen, dann entfällt, wenn der durch einen gestellten Wohngeldantrag geltend gemachte Wohngeldanspruch Gegenstand eines Verwaltungsrechtsstreits ist, der sich zeitlich nicht nur auf den durch den gestellten Antrag bestimmten Bewilligungszeitraum, sondern darüber hinaus auf weitere sich anschließende Bewilligungszeiträume erstreckt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. 5. 1984 - 8 C 94.82 -, NVwZ 1985, 35.

Dieser Rechtslage entspricht Nummer 23.14 der Wohngeldverwaltungsvorschriften. Auf die Entbehrlichkeit einer neuen Antragstellung ist die Klägerin von dem Beklagten ausweislich seines Schriftsatzes vom 1. 2. 2007 auch hingewiesen worden. Für die Klägerin bestand demgemäß während des laufenden Verwaltungsstreitverfahrens kein Anlass, einen neuen Wohngeldantrag zu stellen und die für die Bearbeitung eines solchen Antrags erforderlichen Unterlagen vorsorglich bei dem Beklagten einzureichen. Es erscheint deshalb zweifelhaft, hinsichtlich des Zinsanspruches zum Nachteil der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie keine vollständigen Unterlagen eingereicht hatte, und ihr dies als eine unzureichende Mitwirkung anzulasten. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auf Nummer 23.14 Abs. 2 der Wohngeldverwaltungsvorschriften zu verweisen. Danach kann der Antragsteller bei einer zwischenzeitlichen Änderung der Sach- und Rechtslage von dem Zeitpunkt an Wohngeld verlangen, von dem an die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen, wenn sich ein Widerspruchsverfahren oder ein verwaltungsgerichtliches Verfahren über einen längeren Zeitraum erstreckt und auch die Entscheidung zur Versagung des Wohngeldes führt. Diese Regelung soll ersichtlich einer möglichen Benachteiligung entgegen wirken, die sich aus der Entbehrlichkeit einer neuen Antragstellung ergeben könnte.

Die Frage, ab wann jeweils die Verzinsungspflicht beginnt, ist im Klageverfahren und nicht in diesem Verfahrensstadium zu klären. So könnte möglicherweise daran gedacht werden, dass eine Verzinsung sechs Monate nach Beginn des Leistungszeitraums anfängt.

Ende der Entscheidung

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