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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 15 A 1537/00
Rechtsgebiete: KrO NRW, GemHVO, SchVG NRW


Vorschriften:

KrO NRW § 6
KrO NRW § 56 Abs. 4
GemHVO § 17
SchVG NRW § 10
1. Zur ausschließlichen Belastung kreisangehöriger Gemeinden im Wege der Kreisumlage für die Kosten einer Kreisgesamtschule.

2. Eine Einrichtung des Kreises kommt einzelnen Kreisteilen im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW "ausschließlich zustatten", wenn der durch die Kreiseinrichtung vermittelte Vorteil lediglich diesen zugute kommt, während andere Kreisteile hieran nicht partizipieren. Als einzelne Kreisteile kommen dabei eine oder mehrere kreisangehörige Gemeinden in Betracht.

3. Das Verbot, bei der Umlageerhebung die durch die Wahrnehmung der Aufgabe verursachten Kosten zu überschreiten (Aufwandsüberschreitungsverbot), gilt auch bei der Ermittlung der ausschließlichen Belastung einzelner Kreisteile nach § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW (Anschluss an Senatsurteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 -).


Tatbestand:

Die klagenden Gemeinden wandten sich mit der Klage gegen eine ausschließliche Belastung im Wege der Kreisumlage für die Kosten einer Kreisgesamtschule. Das VG hob die an die Klägerinnen gerichteten Kreisumlagebescheide auf. Die Berufung des beklagten Landrates gegen das Urteil blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist begründet.

Die Heranziehung der Klägerinnen zu einer ausschließlichen Belastung für die Kosten der Kreisgesamtschule im Haushaltsjahr 1997 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren (Selbstverwaltungs-)Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dies folgt jedoch nicht schon daraus, dass der Beklagte an einer Heranziehung der Klägerinnen zu den Kosten der Kreisgesamtschule im Haushaltsjahr 1997 im Wege der ausschließlichen Belastung bestimmter Kreisteile generell gehindert wäre. Denn gemäß § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW muss der Kreistag eine ausschließliche Belastung oder eine nach dem Umfang näher zu bestimmende Mehr- oder Minderbelastung bestimmter Kreisteile beschließen, wenn eine Einrichtung des Kreises diesen ausschließlich, in besonders großem oder in besonders geringem Maße zustatten kommt. Es bestehen hiernach keine rechtlichen Bedenken dagegen, die Kosten der Kreisgesamtschule des Beklagten entsprechend der Kopfzahl der Schüler auf deren Wohnsitzgemeinden zu verteilen:

Die Kreisgesamtschule stellt eine Einrichtung des Kreises im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW dar. Zum Begriff der Einrichtung gehört die Vereinigung persönlicher und sachlicher Mittel in der Hand des Kreises zur dauernden Wahrnehmung öffentlicher Zwecke, wobei die öffentliche Sache, die benutzt oder mit der eine Verwaltungsleistung erbracht wird, im Vordergrund steht. Der Begriff ist damit mit dem in § 6 KrO NRW verwendeten Einrichtungsbegriff überwiegend identisch, gleichzeitig aber - soweit er Einrichtungen im Verwaltungsgebrauch mit umfasst - weiter. Eine vom Kreis betriebene und im Rahmen ihres Widmungszwecks allen Einwohnern zur Verfügung stehende Schule erfüllt - ohne dass dies besonderer Vertiefung bedürfte - diese begrifflichen Voraussetzungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.3.1996 - 15 A 1190/93 -, NWVBl. 1996, 376 (377), vom 28.11.1994 - 22 A 2478/93 -, NWVBl. 1995, 313, vom 28.2.1992 - 15 A 1440/88 -, NWVBl. 1993, 217 (218); Kirchhof, in: Held/Becker/Decker/ Kirchhof/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Stand: Dezember 2001, § 56 Erl. 5.2 m.w.N.

Die Einrichtung kommt den Klägerinnen auch in der von § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW geforderten Weise zustatten. Hierfür reicht es aus, dass die in den betroffenen Gemeinden beheimateten Schüler die Kreisgesamtschule tatsächlich besuchen. Der Begriff des "Zustattenkommens" ist weit gefasst und setzt keinen für die Gemeinde haushaltstechnisch spürbaren Vorteil voraus. Die Klägerinnen können deshalb nicht darauf verweisen, der Besuch nur einiger weniger Schüler der Kreisgesamtschule habe nicht die Einsparung einzelner Klassen in den in eigener Trägerschaft betriebenen Schulen zur Folge und sei für sie - da mit einer ausschließlichen Belastung verbunden - sogar nachteilig. § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW liegt vielmehr der Gedanke zu Grunde, dass besondere Vorteile für einzelne Kreisteile auch besonders finanziert werden müssen, und zwar unabhängig davon, ob die kreisangehörigen Gemeinden bei Untätigbleiben des Kreises die Einrichtung selbst betrieben hätten oder nicht.

OVG NRW, Urteil vom 28.2.1992 - 15 A 1440/88 -, a.a.O.

Die ausschließliche Belastung bestimmter Kreisteile knüpft an einen tatsächlichen Vorteil, nicht aber an das Haushaltsgebaren der von der Umlageerhebung betroffenen Gemeinden an.

Vgl. Bodenstaff, Die Mehr- oder Minderbelastung kreisangehöriger Gemeinden, 1962, S. 22; Kirchhof, a.a.O., § 56 KrO Erl. 5.3; abw.: Gode, Differenzierte Kreisumlage, StuGR 1982, 263 (266); Günther, Probleme des Kreisfinanzsystems, 1980, S. 118.

Hiervon geht ersichtlich auch die angegriffene Entscheidung aus. Nicht mit den Bestimmungen der Kreisordnung NRW über die Erhebung der ausschließlichen Belastung vereinbar ist jedoch die Auffassung des VG, die Umlage könne von den Klägerinnen nicht erhoben werden, weil die Kreisgesamtschule ihnen nicht in besonders großem Maße zustatten komme. Denn die Frage der Rechtmäßigkeit der Erhebung bestimmt sich vorliegend nach der ersten Variante des § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW. Hiernach muss eine ausschließliche Belastung einzelner Kreisteile erfolgen, wenn die Kreiseinrichtung diesen ausschließlich zustatten kommt. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Ausweislich der Angaben des Beklagten, die auch von den Klägerinnen nicht in Abrede gestellt werden, besuchten zum Stichtag 1.10.1996 133 Schüler die Kreisgesamtschule, die ausschließlich aus dem Kreisgebiet stammten, wobei sieben Gemeinden keine Schüler stellten. Diese Sachlage reicht zur Annahme eines ausschließlichen Zustattenkommens aus.

Aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift ergibt sich, dass ein ausschließliches Zustattenkommen dann vorliegt, wenn der durch die Kreiseinrichtung vermittelte Vorteil (lediglich) einzelnen Kreisteilen zugute kommt, während andere hieran nicht partizipieren. Für eine Abstufung des Vorteils im Sinne eines Zustattenkommens in "besonders großem Maße" oder "besonders geringem Maße", wie sie der angegriffenen Entscheidung zu Grunde liegt, bleibt damit auf der Ebene der Frage nach dem ausschließlichen Zustattenkommen kein Raum.

Dieser Befund wird durch die Geschichte der Vorschrift bestätigt. § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW steht in der Kontinuität der bereits durch § 10 Abs. 1 des preußischen Kreis- und Provinzialabgabengesetzes vom 23.4.1906 (GS 1906 S. 159) - KruPAG - sowie die entsprechende Bestimmung des § 21 Satz 1 des Lippischen Gemeindeabgabengesetzes, vgl. hierzu: Bodenstaff, Die Mehr- oder Minderbelastung kreisangehöriger Gemeinden, 1962, Seiten XVIII/XIX, geschaffenen Möglichkeit der Mehr- oder Minderbelastung bestimmter Kreisteile. Diese konnte der Kreistag für Veranstaltungen beschließen, welche ausschließlich oder in besonders hervorragendem oder geringem Maße einzelnen Kreisteilen zustatten kamen. Diese Formulierung blieb durch die spätere Änderung in eine Soll-Vorschrift unberührt und wurde sinngemäß auch in § 45 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW in der bis 1994 geltenden Fassung übernommen, ohne dass erkennbar wäre, dass mit der Ersetzung der Konjunktion "oder" durch ein Komma eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war. Vielmehr blieb stets sprachlich deutlich erkennbar, dass die Vorschrift auf der Tatbestandsseite drei Varianten aufwies, denen auf der Rechtsfolgenseite drei entsprechende Varianten, nämlich die der ausschließlichen Belastung sowie diejenigen der nach dem Umfang näher zu bestimmenden Mehr- oder Minderbelastung, zugeordnet waren.

Vgl. OVG NRW, Urteil 16.6.1989 - 15 A 2407/85 -, NWVBl. 1989, 439.

Diese Gestaltung der Norm ist auch durch die Umwandlung in eine "Muss-Vorschrift" in der geltenden Kreisordnung NRW unangetastet geblieben.

Ob eine Einrichtung einem Kreisteil ausschließlich zustatten kommt, ist durch einen Vergleich dieses Kreisteils mit den übrigen Kreisteilen zu beurteilen, wobei als Anknüpfungspunkt einzelne oder mehrere kreisangehörige Gemeinden in den Blick zu nehmen sind, denn nur diesen gegenüber ist eine Umlagefestsetzung möglich. Ergibt sich hiernach, dass die Einrichtung nur bestimmten Kreisteilen zugute kommt und damit andere von dem durch die Kreiseinrichtung vermittelten Vorteil ausgeschlossen sind, muss zu Lasten dieser Kreisteile die Mehrbelastung festgesetzt werden. Raum für eine Abstufung nach dem Umfang des durch die Einrichtung vermittelten Vorteils gibt es dann nicht mehr bei der Frage, ob überhaupt eine ausschließliche Belastung festgesetzt wird, sondern nur noch bei der Bemessung ihrer Höhe im Vergleich zu den anderen bevorteilten Gemeinden. Die so verstandene Differenzierung zwischen den bevorteilten Gemeinden dient der Vermeidung ungerechter Überbelastungen, wenn die Einrichtung den einzelnen Gemeinden ungleichgewichtig zustatten kommt, schließt aber dem Grunde nach nicht aus, nur bestimmte Kreisteile zur Umlage heranzuziehen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 16.6.1989 - 15 A 2407/85 -, a.a.O., vom 27.3.1979 - XV A 340/78 -, GemHlt. 1979, 207 (210); Kirchhof, a.a.O., § 56 KrO Erl. 5.4.

Diese Auslegung der Vorschrift trägt dem Sinn der Umlagemehrbelastung Rechnung. Die Festsetzung einer ausschließlichen Belastung stellt gegenüber derjenigen der allgemeinen Kreisumlage den Ausnahmefall dar. Letztere wird von den Gemeinden als Fehlbetragsdeckungsabgabe erhoben, ohne dass sie Gegenleistung für eine Leistung des Kreises wäre und ist insofern steuerähnlich. Die allgemeine Kreisumlage ist Ausdruck der Ausgleichsfunktion des Kreises zwischen kreisangehörigen Gemeinden unterschiedlicher Leistungsfähigkeit.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seite 12 des amtlichen Entscheidungsabdrucks); vom 5.3.1996 - 15 A 1190/93 -, a.a.O.; vom 28.2.1992 - 15 A 1440/88 -, a.a.O., vom 20.12.1979 - XV A 1645/76 -, DVBl. 1980, 765, vom 27.3.1979 - XV A 340/78 -, GemHlt 1979, 207; zur Rechtsnatur der Kreisumlage vgl.: Fürst, Die Kreisumlage, Seiten 34 ff.; Hacker, Der Kreis, Band II, Seiten 366 ff.

Demgegenüber dient die ausschließliche Belastung einzelner Kreisteile der Abgeltung eines Vorteils und durchbricht das allgemeine umlageabhängige Kreisfinanzsystem zu Gunsten des Äquivalenzprinzips.

Vgl. Ehlers, Die Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben der Kreise und ihre Finanzierung, DVBl. 1997, 225 (231).

Anknüpfungspunkt der Umlage ist nicht mehr die Finanzkraft der Gemeinde, sondern der durch die Einrichtung des Kreises vermittelte Vorteil. Nehmen diesen nur bestimmte Kreisteile, also bestimmte kreisangehörige Gemeinden und deren Bewohner, in Anspruch, während andere die Einrichtung nicht nutzen, rechtfertigt dies, letztere nicht im Wege der allgemeinen Kreisumlage an den Kosten der Einrichtung zu beteiligen. Eine solche Kostenbeteiligung ist dann auf die bevorteilten Gemeinden beschränkt. Dies hat nicht zur Folge, dass - wie das VG meint - die übrigen Varianten des § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW weitgehend leer liefen. Für eine Differenzierung im Wege einer Mehr- oder Minderbelastung bleibt stets dann Raum, wenn alle Kreisteile eine Einrichtung des Kreises nutzen, hierbei aber einzelne Gemeinden in besonders großem oder besonders geringem Maße hervortreten. In diesem Fall besteht schon nach der tatbestandlichen Konzeption der Vorschrift Anlass dafür, Abweichungen, die nicht besonders groß oder besonders gering sind, für unbeachtlich zu halten. Liegt aber ein ausschließliches Zustattenkommen zu Gunsten einzelner Kreisteile vor, ist für die Annahme einer "Streubreite", unterhalb derer eine Heranziehung zu einer ausschließlichen Belastung nicht mehr in Betracht kommt, kein Raum. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes: Ausschließliches Zustattenkommen für einzelne Kreisteile heißt, dass die Einrichtung den übrigen überhaupt nicht zustatten kommt. Ausschließlich bedeutet eben nicht "ein wenig".

Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem vom VG herangezogenen Urteil des OVG NRW vom 16.6.1989 - 15 A 2407/85 -, a.a.O.

Die Entscheidung befasst sich mit der Ermittlung des Umlagesatzes anhand des durch die Einrichtung - dort ein kreiseigenes Gymnasium - vermittelten Vorteils. Anhaltspunkte für eine prozentuale Bestimmung einer etwaigen "Streubreite" oder für eine Bagatellgrenze, unterhalb derer eine Umlagefestsetzung zu unterbleiben hätte, sind ihr nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Senat auch in diesem Urteil die Notwendigkeit einer Differenzierung nach der Intensität des Zustattenkommens sowie den Sonderstatus der dort streitbefangenen Kreisumlage-Mehrbelastung betont und ausgeführt, dass Kostenanteile, die sich nicht proportional zu einem Vorteil verhalten, nicht nach der Ausnahmeregelung, sondern nach der allgemeinen Regelung zu finanzieren sind, die, soweit nicht sonstige Einnahmen zur Verfügung stehen, alle kreisangehörigen Gemeinden zur gemeinsamen Deckung des Kreisfinanzbedarfs verpflichtet.

Die Kreisgesamtschule kommt auch nicht deshalb allen kreisangehörigen Gemeinden zustatten, weil ihre Errichtung zu einer Entlastung der beiden weiteren Gesamtschulen im Kreis führt. Durch die zusätzliche Einrichtung einer Schule ausgelöste Wanderungsbewegungen, die auch über Kreisgrenzen hinweg denkbar sind, stellen mittelbare Vorteile dar, die keine Umlage der Kosten der Kreiseinrichtung auf weitere kreisangehörige Gemeinden rechtfertigen. § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW hebt vielmehr auf den unmittelbaren durch die Einrichtung vermittelten Vorteil ab. Von der Kreisgemeinschaft sind nur diejenigen Kosten zu tragen, die nicht mit diesem unmittelbaren Vorteil korrespondieren und nicht anderweitig gedeckt sind. Einen unmittelbaren Vorteil haben nur diejenigen Gemeinden, die Schüler in die Kreisgesamtschule entsenden.

Urteil des Senats vom 16.6.1989 - 15 A 2407/85 -, a.a.O.

Gegen die Festsetzung einer ausschließlichen Belastung spricht nicht, dass in der weiteren zeitlichen Entwicklung die Möglichkeit besteht, dass auch Schüler aus anderen kreisangehörigen Gemeinden die Gesamtschule in L. besuchen. Gemäß § 56 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 KrO NRW wird die ausschließliche Belastung wie die allgemeine Kreisumlage für jedes Haushaltsjahr neu festgesetzt. Maßstab hierfür ist das jeweils aktuelle Zustattenkommen der Einrichtung. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass in späterer Zeit andere Gemeinden herangezogen werden oder Gemeinden nicht mehr umlagepflichtig sind, weil sie keine Schüler mehr in die Kreisgesamtschule entsenden.

Schließlich bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen eine Verteilung der auf die Kreisgesamtschule entfallenden Kosten entsprechend der Schülerzahl der Wohnsitzgemeinden. Bereits in dem Urteil vom 16.6.1989 - 15 A 2407/85 -, a.a.O. hat der Senat hervorgehoben, dass sich die Höhe der Mehrbelastung an dem durch die Einrichtung vermittelten Vorteil zu orientieren hat und genau ermittelt werden muss, um eine dem Finanzausgleich zwischen den kreisangehörigen Gemeinden abträgliche zusätzliche Belastung insbesondere finanzschwacher Gemeinden auf einen verhältnismäßigen Umfang zu begrenzen. Hieran ist auch nach der Umwandlung des § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW in eine "Muss-Vorschrift" festzuhalten. Maßgebend für die Berechnung ist hierbei das Maß des konkreten Zustattenkommens der Einrichtung. Zur Verteilung der Mehrbelastung ist zunächst ein wirklichkeitsorientierter Maßstab zu suchen, der dem Maß des durch die Einrichtung vermittelten Vorteils entspricht. Dies ist jedenfalls dann geboten, wenn sich der unmittelbare Vorteil und das Maß des unterschiedlichen Zustattenkommens innerhalb der Gemeinschaft der bevorteilten Gemeinden ohne weiteren Aufwand exakt berechnen lässt. Erst wenn eine genaue Ermittlung aus technischen, finanziellen, praktischen oder anderen Gründen nicht möglich, nicht zumutbar oder besonders schwierig ist, darf der Vorteilsermittlung ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu Grunde gelegt werden.

OVG NRW, Urteil vom 28.2.1992 - 15 A 1440/88 -, a.a.O.; vgl. Kirchhof, a.a.O., § 56 KrO Erl. 5.4.

Der unmittelbare Vorteil der Einrichtung drückt sich vorliegend in der Zahl derjenigen Einwohner einer Gemeinde aus, welche die Gesamtschule des Kreises besuchen. Dies vorausgesetzt, stellt die Umlegung der Kosten anhand der Kopfzahl der Schüler zu einem dem Haushaltsjahr unmittelbar vorausgehenden Stichtag ein praktikables und haushaltsrechtlich nicht zu beanstandendes Kriterium dar.

Die angefochtenen Umlagebescheide sind jedoch rechtswidrig, weil die in § 5 lit. d) der Haushaltssatzung des Kreises L. vom 24.2.1997 bestimmten Umlagesätze zur Deckung der Kosten der Kreisgesamtschule nichtig sind. Denn die Berechnung des den Umlagesätzen zu Grunde liegenden Aufwandes hält einer Überprüfung anhand kommunaler Haushaltsgrundsätze nicht stand.

Der Überprüfung des geltend gemachten Aufwandes durch das Gericht steht nicht entgegen, dass die Festsetzung des Umlagesatzes in Ausübung der Rechtsetzungsautonomie des Kreises erfolgte. Der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt insoweit das vom Kreistag in der Haushaltssatzung gefundene Entscheidungsergebnis, nicht aber der vorausgegangene Entscheidungsvorgang als solcher. Der Umfang der vom Kreistag beschlossenen ausschließlichen Belastung ist damit insofern überprüfbar, als das Gesetz den Bezug der umlagefähigen Aufwendungen zu den Aufwendungen der Kreiseinrichtung vorgibt. Enthält die Berechnung des Umlagesatzes Aufwendungen, die nicht umlagefähig und durch die den Vorteil vermittelnde Kreiseinrichtung bedingt sind, verstößt sie gegen § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW. Eine Beschränkung des Prüfungsumfangs ist zu Gunsten der Gestaltungsfreiheit des Kreises insofern nicht vorgegeben.

Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seite 16 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) zur Jugendamtsumlage; Urteil vom 28.2.1992 - 15 A 1440/88 -, a.a.O. (zur differenzierten Kreisumlage für einen Verkehrsbetrieb); Günther, a.a.O., S. 87 - 92.

Die Festlegung der Umlagesätze ist rechtsfehlerhaft, weil in die Berechnung des umlagefähigen Aufwandes für die Kreisgesamtschule im Haushaltsjahr 1997 in erheblichem Umfang bereits im Jahre 1996 angefallene Kosten eingeflossen sind. Ausweislich der vom Beklagten hierzu überreichten Aufstellung wurden Personalkosten in Höhe von gerundet 118.000,-- DM (im gerichtlichen Verfahren korrigiert auf 120.811,33 DM) angerechnet, obwohl diese bereits im vorausgegangenen Haushaltsjahr 1996 kassenwirksam geworden waren. Dies ist mit haushaltssystematischen Grundsätzen unvereinbar. Denn die Festsetzung der ausschließlichen Belastung steht in engem sachlichen Zusammenhang mit derjenigen der allgemeinen Kreisumlage. Gemäß § 56 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 KrO NRW erfolgt ihre Festsetzung ebenfalls für jedes Haushaltsjahr neu. Als zeitlicher Bezugspunkt für die Feststellung des umlagefähigen Aufwandes kommt damit nur das jeweilige Haushaltsjahr des Kreises in Betracht. Die Höhe des Umlagesatzes bestimmt sich daher nach den im betreffenden Haushaltsjahr voraussichtlich kassenwirksamen Aufwendungen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seiten 9 und 10 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) zur ausschließlichen Belastung für das Jugendamt.

Dies schließt es aus, Aufwendungen in die Berechnung einzustellen, die bereits vor dem hier maßgeblichen Haushaltsjahr kassenwirksam geworden sind.

Auch die Berechnung des Schuldendienstes hinsichtlich der kreditfinanzierten Investitionen für die Kreisgesamtschule ist rechtsfehlerhaft. Denn die Feststellung der umlagefähigen Aufwendungen hat sich auch insofern auf diejenigen Aufwendungen zu beschränken, die durch die konkrete Einrichtung in dem maßgebenden Haushaltsjahr bedingt und nicht durch sonstige Einnahmen des Kreises gedeckt sind. Nach den vorliegenden Berechnungen, die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt worden sind, wurden zur Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes alle Investitionskosten der Kreisgesamtschule in den Jahren 1996 und 1997, soweit sie nicht durch zweckgebundene Landeszuweisungen gedeckt waren, einer Verzinsung und einem Tilgungssatz unterworfen und die hiernach ermittelte Summe insgesamt in die Umlageberechnung eingestellt. Die Berechnung setzt damit voraus, dass der gesamte Investitionsbedarf für die Kreisgesamtschule kreditfinanziert war. Für diese Annahme bieten weder das kommunale Haushaltsrecht noch die Haushaltspraxis des Kreises eine Grundlage. Der Senat hat in dem bereits angesprochenen Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seite 20 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) hervorgehoben, dass der Kreis zu einer Kreditaufnahme nur befugt ist, wenn eine anderweitige Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Eine Kreditaufnahme kommt mithin nur in Betracht, wenn andere Deckungsmöglichkeiten des Vermögenshaushalts ausgeschöpft sind. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob und inwieweit eine Maßnahme aus Zuführungen aus dem Verwaltungshaushalt, Entnahmen aus der Rücklage oder externen Zuwendungen an die Kreiskasse gedeckt werden kann. Es kann folglich nicht unterstellt werden, investive Ausgaben im Kreishaushalt seien vollständig kreditfinanziert. Zuflüsse aus Kreditaufnahmen können nur einen bezifferbaren Teilbetrag des Vermögenshaushalts als Ganzem erfassen. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Beklagten davon ausgeht, dass eine Kreditaufnahme in Höhe der Investitionskosten unterblieben wäre, wenn die Investition nicht getätigt worden wäre.

Allerdings ist es auf Grund des haushaltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips nicht möglich, bestimmte Kredite bestimmten investiven Ausgaben zuzuordnen.

Vgl. Scheel/Steup/Schneider/Lienen, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, 5. Auflage 1997, Einf., Rn. 9 - 14.

Die Ermittlung des umlagefähigen Aufwandes kann daher unter Zugrundelegung einer Fremdfinanzierungsquote erfolgen. Diese ergibt sich aus dem Verhältnis aller Gesamtausgaben für Investitionen des Vermögenshaushalts abzüglich haushaltsrechtlich wirksam zu Gunsten bestimmter Aufgaben zweckgebundener Zuwendungen und Zuschüsse (§ 17 GemHVO) zu der Summe der in dem betreffenden Haushaltsjahr aufgenommenen Kredite. Nur mit der sich hieraus ergebenden Quote ist der auf die Maßnahme entfallende Ausgabenbetrag - wiederum abzüglich haushaltsrechtlich zweckgebundener Zuwendungen und Zuschüsse - einer Tilgung und Verzinsung zu unterwerfen.

OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seiten 18 und 19 des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

Diese für die Berechnung der Mehrbelastung für das Kreisjugendamt nach § 45 Abs. 4 KrO NRW a.F. (= § 56 Abs. 5 KrO NRW) entwickelten Grundsätze sind auf die hier streitbefangene Berechnung der ausschließlichen Belastung einzelner Kreisteile nach § 56 Abs. 4 KrO NRW übertragbar. Sie beruhen auf der Überlegung, dass nur diejenigen Aufwendungen umlagefähig sind, die für die konkrete Aufgabe tatsächlich entstanden und im maßgeblichen Haushaltsjahr haushaltsrechtlich wirksam geworden sind. Diese Überlegung gilt für die Mehrbelastung für das Kreisjugendamt und für die ausschließliche Belastung bestimmter Kreisteile für eine Kreiseinrichtung gleichermaßen. Denn in beiden Fällen besteht eine sachliche Verknüpfung zwischen der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe durch den Kreis und der Umlagefähigkeit der hierfür entstandenen Kosten auf die bevorteilten kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kreis die Gesamtschule in Wahrnehmung seiner subsidiären Schulträgerschaft nach § 10 Abs. 2 Satz 3 SchVG NRW errichtet hat und die kreisangehörigen Gemeinden, hätten sie die Gesamtschule selbst errichtet, deren Kosten selbst zu tragen gehabt hätten. Denn auch im letztgenannten Fall wären Fremdfinanzierungskosten für die betroffenen Gemeinden - bezogen auf deren Gesamthaushalt und auf die konkrete Einrichtung - nur mit einem quotenmäßig bestimmbaren Ausgabenanteil haushaltsrechtlich wirksam geworden. Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand des Beklagten nicht durch, die infolge der Einrichtung der Schule bevorteilten Gemeinden dürften nicht durch die Bildung einer Fremdfinanzierungsquote an der durch die allgemeine Kreisumlage mitbestimmten Entwicklung des Gesamthaushalts des Kreises beteiligt werden. Denn Maßstab der Umlagefähigkeit sind die tatsächlich durch die Einrichtung bedingten Kosten. Anhaltspunkte für eine Differenzierung nach dem Grund der Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis bietet das Gesetz nicht.

Die dargestellten Fehler bei der Feststellung der umlagefähigen Kosten führen zur Nichtigkeit der in der Haushaltssatzung bestimmten Vomhundertsätze der Umlagegrundlagen und haben die Aufhebung der Umlagebescheide zur Folge, womit sich die angegriffene Entscheidung des VG im Ergebnis als zutreffend erweist. Denn alleiniger Maßstab für die Beurteilung einer Satzungsnorm ist deren Vereinbarkeit mit höherrangigen Recht. Wie im insoweit vergleichbaren Fall der Jugendamtsumlage ist § 56 Abs. 4 Satz 1 KrO NRW das Verbot zu entnehmen, durch die Umlageerhebung die durch die Wahrnehmung der Aufgabe - hier durch die Kreiseinrichtung - verursachten Kosten zu überschreiten (Aufwandsüberschreitungsverbot). Das Aufwandsüberschreitungsverbot ist verletzt, wenn in erheblichem Umfang nicht umlagefähiger Aufwand in die Berechnung der ausschließlichen Belastung bestimmter Kreisteile eingestellt wurde oder wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht.

Vgl. hierzu: OVG NRW, Urteil vom 20.11.2001 - 15 A 2905/97 - (Seiten 21 und 22 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) unter Hinweis auf den Beschluss vom 3.11.2000 - 15 A 2340/97 -, KStZ 2001, 134 und das Urteil vom 2.6.1995 - 15 A 3123/93 -, NWVBl. 1996, 9.

Die der Umlageerhebung zu Grunde liegende Aufwandsberechnung enthält - wie aufgezeigt - in erheblichen Umfang nicht umlagefähigen Aufwand und weist zudem methodische Fehler auf, weil die Kalkulation schon vom Ansatz her das haushaltsrechtliche Gesamtdeckungsprinzip nicht beachtet.

Angesichts dessen bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Umlageberechnung, wie von den Klägerinnen gerügt, weitere nicht umlagefähige Kostenanteile enthält. Allerdings bleibt in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gegen die Umlageerhebung nicht ohne Weiteres eingewendet werden kann, mit der Umlage werde ein unzulässiger Aufwand bestritten. Denn die zulässige Höhe der Umlage hängt nicht vom rechtlich korrekten Einnahme- und Ausgabeverhalten des Kreises, sondern allein vom tatsächlich entstandenen und nicht anderweitig gedeckten Aufwand im maßgeblichen Kreishaushalt ab.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.8.1996 - 15 A 4171/93 -, NWVBl. 1997, 75 (76) (Landschaftsumlage).

Ende der Entscheidung

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