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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 31.05.2005
Aktenzeichen: 15 A 1690/03
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
1. Ein in das Ermessen der Gemeinde gestelltes Anschlussrecht hindert grundsätzlich das Entstehen der Anschlussbeitragspflicht unabhängig davon, wie wahrscheinlich die Ablehnung eines begehrten Anschlusses ist.

2. Eine bauplanungsrechtlich vorgesehene verkehrliche Erschließung eines Baugebietes durch eine Privatstraße, die noch nicht vorhanden ist, hindert das Entstehen der Anschlussbeitragspflicht für die im Baugebiet gelegenen Grundstücke auch dann, wenn der Grundstückseigentümer zugleich Eigentümer der Verkehrsfläche ist.


Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer mehrerer Grundstücke, die nach dem Bebauungsplan über vom B.-Weg abzweigende Stichwege verkehrlich erschlossen werden sollen, zu deren Lasten Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu bestellen sind Die Grundstücke liegen nicht unmittelbar am B.-Weg, die ausgewiesenen Wegeflächen stehen ebenfalls im Eigentum des Klägers. Die Stichwege sind nicht hergestellt, die nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Rechte sind nicht bestellt, die Grundstücke sind unbebaut. Nach Verlegung eines Abwasserkanals und einer Wasserversorgungsleitung im B.-Weg forderte der beklagte Bürgermeister vom Kläger für die Grundstücke Kanalanschlussbeiträge. Die Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Die Beitragspflicht ist nicht entstanden, weil das Grundstück nicht der Beitragspflicht unterliegt. In Übereinstimmung mit § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW unterliegen nach § 2 Abs. 1 der Kanalanschlussbeitragssatzung (KABS) Grundstücke der Beitragspflicht, die an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen werden können. Dies erfordert ein entwässerungsrechtliches Anschlussrecht. Nach § 2 Abs. 1 der Entwässerungssatzung (EWS) ist jeder Eigentümer eines im Gebiet der Stadt liegenden Grundstücks vorbehaltlich der Einschränkungen in § 3 berechtigt, von der Stadt zu verlangen, dass sein Grundstück an die bestehende öffentliche Abwasseranlage angeschlossen wird (Anschlussrecht). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EWS erstreckt sich das Anschlussrecht nur auf solche Grundstücke, die durch eine Straße (Weg, Platz) erschlossen sind, in der eine betriebsfertige Abwasseranlage vorhanden ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann die Stadt bei anderen Grundstücken den Anschluss zulassen. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Herstellung neuer oder die Erweiterung oder Änderung bestehender Leitungen nicht verlangt werden.

§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW erfordert für die Beitragspflicht die gesicherte Möglichkeit der vorteilsrelevanten Inanspruchnahme, hier also des Kanalanschlusses. Ein bloß bedingtes, in das Ermessen der Gemeinde gestelltes Anschlussrecht begründet eine solche Möglichkeit nicht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.5.2005 - 15 A 949/05 -, S. 2 f. des amtl. Umdrucks, Urteil vom 2.3.2004 - 15 A 1151/02 -, NVwZ-RR 2004, 679 f.

Hier liegt ein lediglich bedingtes Anschlussrecht vor. Das Grundstück des Klägers wird nämlich nicht durch eine Straße erschlossen, in der eine betriebsfertige Abwasserleitung vorhanden ist. Das Grundstück liegt nicht am B.-Weg, in dem alleine eine solche Leitung liegt, sondern an einer nach dem Bebauungsplan u.a. mit einem Leitungsrecht zu belastenden Fläche. Erkennbar soll die Wasserversorgungs- und Entwässerungserschließung über diese auch der verkehrlichen Erschließung dienende Fläche erfolgen. Unerheblich ist dabei, ob die im Bebauungsplan ausgewiesene Fläche den Charakter einer selbstständigen Erschließungsanlage aufweist.

Vgl. zur Selbstständigkeit einer befahrbaren Privatstraße Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 5 Rn. 6 ff.

Danach differenziert die Entwässerungssatzung nicht, vielmehr liegt ihr die Erwägung zu Grunde, dass nur den Grundstücken ein unbedingtes Anschlussrecht gewährt werden soll, bei denen im zur Erschließung bestimmten Straßenstück die Abwasserleitung vorbeiführt, an die das Grundstück über eine individuelle, nur für dieses Grundstück bestimmte Grundstücksanschlussleitung (§ 10 EWS) angeschlossen werden kann. Sieht der Bebauungsplan eine Entwässerung über einen mehrere Grundstücke erschließenden Stichweg vor, so soll danach ein unbedingtes Anschlussrecht nur gewährt werden, wenn in diesem Stichweg die Abwasserleitung verlegt ist, von der die Grundstücksanschlussleitungen ausgehen können. Da dies bislang nicht der Fall ist, besteht das für eine Beitragspflicht erforderliche unbedingte Anschlussrecht nicht.

Entgegen der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung kommt es für die Beitragspflicht nicht darauf an, mit welcher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden kann, dass der Beklagte von seinem Ermessen bezüglich des Anschlussrechts im Sinne einer Ablehnung des Anschlusses Gebrauch machen würde. Das Entstehen der Beitragspflicht mit seinen daran insbesondere festsetzungsverjährungsrechtlich geknüpften Folgen muss im Interesse der Rechtssicherheit auf klar erkennbaren Umständen beruhen. Daher hindert ein in das Ermessen gestelltes Anschlussrecht grundsätzlich das Entstehen der Beitragspflicht.

Unabhängig davon besteht die Beitragspflicht auch deshalb nicht, weil das klägerische Grundstück trotz der Festsetzung der baulichen Nutzung im Bebauungsplan noch nicht bebaut werden kann i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchst. a KABS. An diesem Merkmal des Bebaut-werden-könnens fehlt es, wenn eine vom Bebauungsplan zur Erschließung des Grundstücks vorgesehene Erschließungsanlage tatsächlich nicht vorhanden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.9.2001 - 15 A 3850/99 -, Gemhlt. 2004, 92 (94).

Das ist hier der Fall. Die im Bebauungsplan zur verkehrlichen Erschließung des klägerischen Grundstücks vorgesehene mit einem Geh- und Fahrrecht zu belastende Fläche existiert als Verkehrsfläche nicht.

Unerheblich ist, dass nach Auffassung des Beklagten keine öffentliche, sondern eine private Erschließungsanlage festgesetzt sei. Wenn eine private verkehrliche Erschließung für mehrere Grundstücke im Bebauungsplan festgesetzt ist, liegt das beitragsrechtliche Merkmal Bebaut-werden-können erst vor, wenn diese private Erschließungsanlage errichtet ist. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Beitrag nur verlangt werden kann als Gegenleistung für die durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen wirtschaftlichen Vorteile (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW). Das bedeutet, dass ein Anschlussbeitrag für ein unbebautes Grundstück nur verlangt werden kann, wenn die Realisierung der Inanspruchnahme nur noch von der Verwirklichung des Bauvorhabens abhängt. Diese Möglichkeit wird jedoch dem nicht gewährt, der vor der Realisierung des Bauvorhabens das Grundstück selbst erschließen muss. Auch wenn ihm dies rechtlich möglich sein sollte, ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme dennoch nicht nur von der bloßen Ausübung des Baurechts abhängig und entspricht damit nicht mehr dem beitragsrechtlichen Bild des durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme bevorteilten und wegen vorhandener Erschließung baureifen Grundstücks. Das gilt jedenfalls dann, wenn die private Erschließungsanlage nicht nur einem einzelnen Grundstück zu dienen bestimmt ist, wie es hier der Fall ist. Dann nämlich hängt die Realisierung des Baurechts für ein einzelnes Grundstück letztlich davon ab, dass zugleich die Binnenerschließung für ein ganzes Baugebiet durchgeführt wird.

Ende der Entscheidung

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