Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.06.2002
Aktenzeichen: 15 A 1958/01
Rechtsgebiete: GO NRW, GG, Verf NRW, VwGO


Vorschriften:

GO NRW § 45
GO NRW § 46
GO NRW § 48 Abs. 1
GO NRW § 50 Abs. 3
GO NRW § 50 Abs. 5
GO NRW § 56
GO NRW § 58 Abs. 1
GO NRW § 58 Abs. 5
GO NRW § 117
GO NRW § 119
GG Art. 21
GG Art. 28 Abs. 2
Verf NRW Art. 78
VwGO § 114 Satz 2
Die Gewährung von Zuwendungen aus Haushaltsmitteln der Gemeinden für die Aufwendungen der Geschäftsführung an Gruppen des Rates ohne Fraktionsstatus ist zulässig.
Tatbestand:

Der Rat der Klägerin beschloss auf gemeinsamen Antrag der Fraktionen nach der Kommunalwahl 1999, den neu hinzugekommenen Ratsgruppen ohne Fraktionsstatus in Anlehnung an die den Fraktionen gewährten Zuwendungen ebenfalls Haushaltsmittel für die Durchführung der Ratsarbeit zukommen zu lassen. Hierbei waren ein jährlicher Betrag in Höhe von 50 v.H. des für die kleinste Fraktion gezahlten Sockelbetrages, ein Betrag von 50 v.H. des für die Fraktionen geltenden Steigerungsbetrages je Ratsmitglied und je Mitglied in einer Bezirksvertretung, eine Personalkosten- und Mietpauschale sowie ein einmaliger Betrag für eine Büroausstattung vorgesehen. Nach Beanstandung durch den Oberbürgermeister und Bestätigung des Beschlusses durch den Rat hob die beklagte Bezirksregierung den Ratsbeschluss auf. Zur Begründung führte sie aus: Die Gemeindeordnung regele ausschließlich die Pflicht der Gemeinde, den im Rat vertretenen Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung zu gewähren. Diese Regelung sei auch nach dem Wegfall der 5 % - Klausel im Kommunalwahlrecht als abschließend zu betrachten. Der Gesetzgeber habe bewusst eine Privilegierung der Fraktionen getroffen. Für eine Ausdehnung der Regelung auf Gruppen ohne Fraktionsstatus bleibe daher kein Raum. Ansprüche fraktionsloser Mitglieder des Rates ergäben sich ausschließlich aus den Entschädigungsvorschriften der Gemeindeordnung und der Entschädigungsverordnung. Eine gesetzlich nicht gedeckte Zuwendung verstoße gegen das Prinzip sparsamer Haushaltsführung sowie gegen das Verbot verdeckter Parteienfinanzierung. Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln sollten nach dem Willen des Gesetzgebers nur für solche Aufwendungen gewährt werden, die mit der Vorbereitung der Arbeit des Rates und seiner Ausschüsse in Zusammenhang stünden und typischerweise bei den Fraktionen anfielen.

Die Klage führte zur Aufhebung der kommunalaufsichtlichen Verfügung durch das VG. Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Der Beschluss des Rates findet eine Rechtsgrundlage in der kommunalen Finanz- und Organisationshoheit. Hierunter werden das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens (Finanzhoheit) sowie das ihnen zustehende Recht verstanden, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in organisatorisch - verfahrensrechtlicher Hinsicht selbst zu regeln (Organisationshoheit). Hierzu zählt namentlich das Recht zu einer eigenständigen Organisation der Verwaltungsgliederung einschließlich der Regelung der Rechtsverhältnisse innerhalb der Gemeindevertretung. Beide Rechte leiten sich aus der institutionellen Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78 Abs. 1 und 2 Verf NRW ab.

Vgl. zur Finanzhoheit: OVG NRW, Urteil vom 13.12.1974 - II A 1093/73 -, StT 1975, 483; Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 1997, S. 50; Rosenschon, Gemeindefinanzsystem und Selbstverwaltungsgarantie, 1980, Seite 29; Waechter, Kommunalrecht, 2. Auflage 1995, Rdnr. 96; zur Organisationshoheit: OVG NRW, Urteil vom 17.2.1984 - 15 A 2626/81 -, OVGE 37, 94 (96 ff.); VerfGH NRW, Urteil vom 9.2.1979 - VerfGH 7/78 -, NJW 1979, 1201; Wansleben, in: Held/ Becker/Decker/Kirchhof/Kämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht, Stand: Mai 2002, § 1 GO, Erl. 2.1; Schmidt-Jortzig, Kommunale Organisationshoheit, 1979, Seite 287; ferner: BVerfG, Urteil vom 10.12.1974 - 2 BvK 1/73; 2 BvR 902/73 -, BVerfGE 38, 258 (278 f.).

Dem angefochtenen Urteil ist darin zu folgen, dass der Gesetzgeber nicht nur Vorhandensein und Bildung der einzelnen Gemeindeorgane, sondern auch ihre Zuständigkeiten sowie die Voraussetzungen und Umstände ihrer internen Willensbildung regeln und entsprechende Verfahrensbestimmungen treffen kann. Raum für eine eigenständige Regelung durch die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bleibt dann nur, solange und soweit der Gesetzgeber von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Insbesondere ist den Gemeinden außerhalb eines unantastbaren Kernbereichs die Befugnis zur Gestaltung ihrer Eigenverwaltung genommen, wenn der Regelungsgehalt der Gemeindeordnung den Gegenstand des kommunalen Selbstverwaltungsrechts abdeckt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.2.1984 - 15 A 2626/81 -, a.a.O., S. 99.

Eine Einschränkung der kommunalen Finanz- und Organisationshoheit setzt eine hinreichend eindeutige gesetzliche Regelung voraus. Diese ist der Gemeindeordnung in Bezug auf die Finanzausstattung von Ratsgruppen nicht zu entnehmen.

Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 56 Abs. 3 GO NRW. Hiernach gewährt die Gemeinde den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung. Die Zuwendungen an Fraktionen sind in einer besonderen Anlage zum Haushaltsplan darzustellen. Über die Verwendung der Zuwendungen ist ein Nachweis in einfacher Form zu führen, der unmittelbar dem Bürgermeister zuzuleiten ist. Ihrem Wortlaut nach lässt die Vorschrift damit offen, ob Zuwendungen aus Haushaltsmitteln nur an Ratsgruppierungen mit Fraktionsstatus gewährt werden oder auch andere Gruppen zulässigerweise solche Zuwendungen erhalten dürfen. Es ist lediglich ausgesagt, dass nur Fraktionen, also freiwillige Vereinigungen von Mitgliedern des Rates oder einer Bezirksvertretung, welche die Mindeststärke gemäß § 56 Abs. 1 GO NRW erreichen, Zuwendungen erhalten müssen. Denn die Formulierung lässt den Schluss auf einen Anspruch der Fraktionen auf die Bezuschussung ihrer Geschäftsführung zu.

Vgl. Rehn/Cronauge, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, Stand: März 2001, § 56 GO, Erl. IV.1.

Sie trifft aber keine Aussage zu der hier entscheidungserheblichen Frage, ob Zuwendungen zwingend auf diesen Empfängerkreis zu begrenzen sind.

Entsprechendes ergibt sich nicht aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Noch die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.8.1969 (GV. NRW. S. 656) traf keinerlei Aussage zu Fraktionen und anderen Ratsgruppierungen, ihrer Zusammensetzung und ihrer Finanzierung. Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber befand sich insoweit in Übereinstimmung mit zahlreichen anderen Landesgesetzgebern, die - wenn überhaupt - Bestimmungen über die Fraktionen erst sehr spät in die Gemeindeordnungen aufgenommen haben.

Vgl. Rothe, Die Fraktion in den kommunalen Vertretungskörperschaften, 1989, Rdnr. 5.

Dementsprechend fehlten auch Regelungen über andere Ratsgruppierungen. Erstmals § 30 Abs. 7 GO NRW i.d.F. vom 29.10.1974 (GV. NRW. S. 1050) bestimmte, dass sich Ratsmitglieder zu einer Fraktion zusammenschließen konnten. Gleichzeitig wurde geregelt, dass eine Fraktion aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen müsse, womit sich die Frage nach der unterschiedlichen rechtlichen Behandlung von Fraktionen und anderen Ratsgruppen praktisch nicht stellte. Regelungen über finanzielle Zuwendungen traf auch diese Bestimmung nicht, obgleich Zahlungen an Fraktionen aus Haushaltsmitteln auch seinerzeit bereits zur gängigen kommunalen Praxis zählten.

Vgl. Bick, Die Ratsfraktion, 1989, S. 98 ff. mit statistischen Angaben zur Höhe der gewährten Leistungen.

Erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, der Kreisordnung und anderer kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 15.5.1979 (GV. NRW. S. 408) wurde in § 30 Abs. 7 Satz 6 GO NRW bestimmt, dass die Gemeinde den Fraktionen aus Haushaltsmitteln Zuwendungen zu den Aufwendungen der Geschäftsführung gewähren kann. Gruppen des Rates fanden in § 35 Abs. 3 Satz 3 wie heute nur in Zusammenhang mit der Wahl der Ausschussmitglieder Erwähnung. Allerdings kam dem keine praktische Bedeutung zu, weil die Bildung einer Fraktion unverändert mit zwei Ratsmitgliedern möglich war.

Vgl. Bick, a.a.O., S. 22 (Fußn. 1): "Redaktionsversehen".

Der mit dem Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 (GV. NRW. S. 270) eingefügte und dem heutigen § 56 GO NRW entsprechende § 30 c GO NRW enthielt schließlich eine gesetzliche Definition des Begriffs der Fraktion und eine nunmehr geänderte Festlegung der Mindeststärken der Fraktionen. Durch die bindende Festlegung der Fraktionsstärken von mindestens drei Personen bei einem Rat mit mehr als 57 Mitgliedern und von mindestens vier Personen bei einem Rat mit mehr als 81 Mitgliedern war es nunmehr praktisch denkbar, dass sich Personen zu Gruppierungen zusammenfanden, die nicht die erforderliche Fraktionsstärke erreichten. Die finanziellen Zuwendungen an die Ratsfraktionen waren jetzt in § 30 c Abs. 3 entsprechend der heutigen Regelung als Rechtsanspruch der Fraktionen ausgestaltet. Die Erwähnung sonstiger Ratsgruppierungen blieb weiterhin auf die Regelung der Abstimmungen über die Besetzung der Ratsausschüsse beschränkt. Aus dem Wortlaut der bestehenden Regelung und aus der Gesetzgebungsgeschichte sind damit klare Aussagen zur Stellung von Ratsgruppierungen ohne Fraktionsstatus in Bezug auf finanzielle Zuwendungen nicht abzuleiten. Erkennbar ist lediglich das Bestreben des Gesetzgebers, die Ratsfraktionen zu institutionalisieren und ihrer Arbeit durch die Einräumung eines entsprechenden Rechtsanspruchs ein gesichertes finanzielles Fundament zu geben.

Aus der Gemeindeordnung folgt damit kein in sich geschlossenes gesetzliches System im Hinblick auf Fraktionen, das Zuwendungen für die Geschäftsführung anderer Ratsgruppierungen generell ausschließt. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass die Stellung der Ratsfraktionen im geltenden Gemeindeverfassungsrecht erheblich gestärkt worden ist. So setzt die Gemeindeordnung die Existenz politischer Zusammenschlüsse im Rat nicht mehr nur stillschweigend voraus, sondern weist den Fraktionen in der Ratsarbeit ausdrücklich eigene Befugnisse zu. § 56 Abs. 2 Satz 1 GO NRW bestimmt allgemein, dass die Fraktionen bei der Willensbildung und Entscheidung in der Vertretung mitwirken und ihre Auffassung insoweit öffentlich darstellen können. Außerdem stehen den Fraktionen eigene Geschäftsordnungsrechte (§ 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW) zu und sind sie maßgeblich an der personellen Besetzung der Ausschüsse (§ 58 Abs. 1 und 5 GO NRW) beteiligt. Zudem haben die Fraktionen durch das zwingend erforderliche Statut zur Regelung ihrer inneren Ordnung (§ 56 Abs. 2 Satz 3 GO NRW) eine organisatiorische Verfestigung erhalten, die sie deutlich von losen Zusammenschlüssen von Ratsmitgliedern, wie sie etwa in Zusammenhang mit konkreten zur Entscheidung anstehenden Sachfragen denkbar sind, unterscheidet. Schließlich zeigt der Umstand, dass Fraktionen befugt sind, hauptberuflich tätige Mitarbeiter zu beschäftigen, die auch Ratsmitglieder sein können, einen Trend zur Professionalisierung der Ratsarbeit, der sich vom überkommenen Leitbild ehrenamtlicher Ratsarbeit unterscheidet, und eine gewisse Annäherung an die Stellung der Fraktionen des Parlamentsrechts.

Vgl. Bick, a.a.O, S. 61 - 65.

Im Gegensatz hierzu sind sonstige Gruppierungen von Ratsmitgliedern nur in § 50 Abs. 3 Sätze 3 und 5 GO NRW erwähnt, ohne dass eine organisatorische Verfestigung des Zusammenschlusses vom Gesetz vorausgesetzt oder gefordert wird. Allerdings räumt Satz 3 a.a.O. den Gruppen die Befugnis zu eigenen Wahlvorschlägen bei der Besetzung der Ausschüsse ein. Nach Satz 5 a.a.O. wird der Nachfolger für ein vorzeitig aus dem Ausschuss ausgeschiedenes Mitglied auf Vorschlag der Fraktion oder Gruppe gewählt, welcher das ausgeschiedene Mitglied bei seiner Wahl angehörte. Das Gesetz geht damit von einer institutionalisierten Existenz auch von Ratsgruppen aus, wenngleich Vorschriften über deren Zusammensetzung und innere Organisation fehlen. Die Rechtslage ist damit insoweit mit derjenigen der Fraktionen vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung vom 29.10.1974 (GV. NRW. S. 1050) vergleichbar.

Anhaltspunkte für ein aus § 56 Abs. 3 GO NRW folgendes Verbot, auch Ratsgruppierungen ohne Fraktionsstärke Zuwendungen zu gewähren, sind hieraus nicht abzuleiten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie vorliegend - bei den im Rat vertretenen Gruppierungen um organisatorisch verfestigte und in der Geschäftsordnung mit eigenen Rechten ausgestattete Zusammenschlüsse handelt.

Anders Wansleben, a.a.O., § 56 GO, Erl. 1.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem durch die Gesetzgebungsmaterialien belegten Sinn der Vorschrift. Bereits die Vorgängerregelung des § 30 Abs. 7 GO NRW i.d.F. vom 15.5. 1979 (GV. NRW. S. 408) wurde damit begründet, dass nach der Rechtsprechung Fraktionen als ständigen Gliederungen des kommunalen Vertretungsorgans Zuschüsse zur Bestreitung ihres persönlichen und sächlichen Aufwandes gewährt werden könnten, der ihnen im Rahmen ihrer Arbeit im und für den Rat erwachse. Dies solle mit der gesetzlichen Formulierung klargestellt werden.

Vgl. LT-Drs. 8/3152, S. 61 f.

Die Neuregelung schloss damit offenkundig an die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts an. Hiernach war es in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in das Ermessen des Rates einer Gemeinde gestellt, ob er seinen Fraktionen aus Haushaltsmitteln einen Auslagenersatz bewilligte.

OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975 - III A 551/73 -, Kottenberg-Steffens, Rspr. Slg. § 30 GO Nr. 4.

Die gesetzliche Neuregelung nahm damit eine ohnehin in den Kommunen bestehende und auch zulässige Praxis auf und war im Hinblick auf die den Gemeinden zukommende Finanz- und Organisationshoheit eher deklaratorischer Natur.

Vgl. Meyer, Kommunales Parteien- und Fraktionenrecht, 1990, S. 397.

Auch soweit das vorstehende Urteil eine Beschränkung der Zuwendung in einer Hauptsatzung auf Fraktionen mit einer Mindeststärke von fünf Ratsmitgliedern für rechtmäßig erachtete und auf das Ziel einer Effektivierung der Ratsarbeit verwies, das mit der Unterstützung kleinerer Ratsgruppierungen nicht erreicht werde, OVG NRW, Urteil vom 14.1.1975 - III A 551/73 -, a.a.O. S. 29, ergibt sich nichts für die Rechtsauffassung der Beklagten. Denn hiermit war noch nichts über die Rechtmäßigkeit einer weitergehenden Zuwendungspraxis ausgesagt. Zudem hat der Gesetzgeber mit der späteren Einführung von niedrigeren Mindeststärken der Fraktionen selbst die Zuwendungswürdigkeit kleinster Fraktionen anerkannt. So gewährt die Gemeinde gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 GO NRW Zuwendungen auch Fraktionen, die aus nur zwei Personen bestehen, soweit der Rat nicht mehr als 57 Mitglieder umfasst.

Die Begründung des Landesregierung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.5.1994 enthält keine Aussagen zu der hier entscheidungserheblichen Frage. Sie hebt lediglich das mit der Einführung gestaffelter Mindeststärken der Fraktionen verfolgte Ziel hervor, einer Aufsplitterung politischer Gruppierungen während der Wahlperiode vorzubeugen und führt aus, dass die Gewährung von Haushaltsmitteln nunmehr sowohl für sachliche als auch für personelle Aufwendungen zulässig sei.

LT-Drs. 11/4983, Seiten 2 und 13.

Der Gesetzgeber sah damit eine Gewährung von Zuwendungen aus Haushaltsmitteln für die Geschäftsführung der Ratsfraktionen seit dem Zweiten Änderungsgesetz vom 15.5.1979 als sachgerecht und sinnvoll an. Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG zu Fraktionen in staatlichen Parlamenten, die Fraktionen als notwendige Elemente der organisierten Staatlichkeit ansieht, vgl. BVerfG, Urteil vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188; Urteil vom 19.6.1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, wurden Fraktionen auch auf kommunaler Ebene - soweit sie, wie meist, Zusammenschlüsse von Mitgliedern einer Partei sind - als Einrichtungen des Verfassungslebens anerkannt. Sie stellten und stellen eine Einwirkungsmöglichkeit der Parteien auf die Vertretungskörperschaften dar und dienen einer effektiven Ratsarbeit, indem sie die unterschiedlichen Meinungen der in der Fraktion zusammengeschlossenen Mitglieder auf mehrheitlich für richtig befundene Standpunkte zusammenführen.

Vgl. Banken, Die Ratsfraktion und die Finanzierung ihrer Arbeit, StGR 1994, 317 (318); Fehn, Kommunale Zuwendungen an Fraktionen, StGR 1988, 129 (130); Meyer, a.a.O., 1990, S. 391 ff.

Diese Funktion der Ratsfraktionen gebietet es nicht zwingend, finanzielle Zuwendungen aus Haushaltsmitteln generell auf Fraktionen im Sinne der Definition des § 56 Abs. 1 GO NRW zu beschränken und andere Gruppierungen des Rates auszuschließen. Denn eine die Ratsarbeit ordnende Funktion kann auch durch Gruppierungen ausgeübt werden, welche die erforderliche Fraktionsstärke nicht erreichen. Insbesondere nach dem Wegfall der 5 %-Sperrklausel aufgrund des Urteils des VerfGH NRW vom 6.7.1999 durch Art. I des Gesetzes zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften, vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 6.7.1999 - VerfGH 14 und 15/98, NVwZ 2000, 666, und Gesetz vom 14.7.1999 (GV. NRW. S. 412), die nicht mit einer Änderung der Fraktions-Mindeststärken einherging, ist es in zahlreichen kommunalen Vertretungskörperschaften in Nordrhein-Westfalen zu Gruppierungen ohne Fraktionsstärke gekommen. Die hiermit erforderliche Einbindung der Gruppen in die Ratsarbeit wird vorliegend durch die Änderung der Geschäftsordnung des Rates deutlich. Die Ratsgruppen werden hierdurch in einer den Fraktionen angenäherten Weise an der Arbeit im Rat, den Ausschüssen und in den Bezirksvertretungen beteiligt, obgleich eine gemeindeverfassungsrechtliche Absicherung dieser Position fehlt. Vor diesem Hintergrund ist ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Gruppierungen ohne Fraktionsstatus nicht zu einer effektiven Ratsarbeit beizutragen vermögen und damit öffentliche Mittel zu deren Finanzierung nicht eingesetzt werden dürfen, nicht ersichtlich.

Zum Erfordernis des öffentlichen Interesses beim Einsatz von Haushaltsmitteln vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1973 - VII C 33.72 -, NJW 1974, 514 und OVG NRW, Urteil vom 14.01.1975 - III A 551/73 -, a.a.O., S. 26 f.

Die Finanzierung der Arbeit von Ratsgruppen ohne Fraktionsstatus aus öffentlichen Mitteln findet allerdings ihre Grenze in dem Grundsatz ehrenamtlicher Ratstätigkeit und in dem Verbot verdeckter Parteienfinanzierung. Dies bedeutet, dass einzelne Ratsmitglieder zur Deckung des mit der Ausübung des Mandats verbundenen Aufwandes auf die Entschädigungsregelungen der §§ 45 und 46 GO NRW verwiesen sind. Auch sind finanzielle Zuwendungen an Ratsgruppen auf Zuschüsse zu den Aufwendungen der Geschäftsführung begrenzt. Keinesfalls dürfen diese zu einer Finanzierung der Arbeit der hinter einer Ratsgruppe stehenden Partei oder Wählergruppe führen.

Vgl. Urteil des Senats vom 19.8.1988 - 15 A 924/86 -, NWVBl. 1989, 16 (Kommunale Öffentlichkeitsarbeit).

Für eine Verletzung dieser durch das Kommunalverfassungsrecht gezogenen Grenzen der Zuwendungspraxis bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Soweit die Beklagte auf die allgemeine Gefahr des Missbrauchs verweist, ist diese nicht durch die Unterscheidung von Fraktionen und Gruppen bedingt. Ein Formenmissbrauch ist auch im Fall der Fraktionenbildung nicht gänzlich ausgeschlossen, zumal die Anforderungen an Zusammensetzung und innere Struktur der Fraktion durch die Gemeindeordnung gesetzlich nur in groben Zügen geregelt sind. Einem Missbrauch vorzubeugen ist damit Sache der Ausgestaltung der Zuwendungspraxis selbst, insbesondere der Prüfung der erforderlichen und auch in der Zuwendungspraxis der Klägerin vorgesehenen Verwendungsnachweise.

Ob Zuwendungen an Ratsgruppen mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz sogar verfassungsrechtlich geboten sind, so BayVGH, Urteil vom 16.2.2000 - 4 N 98.1341 -, NVwZ-RR 2000, 811 (812), für das bayerische Kommunalrecht, das eine gesetzliche Festlegung des Status der Fraktionen nicht kennt; vgl. ferner BVerfG, Urteil vom 16.6.1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304 (322 ff.) zu den in der Geschäftsordnung des Bundestages ausdrücklich angesprochenen Gruppen fraktionsloser Abgeordneter, mag angesichts des unterschiedlichen Rechtsstatus von Gruppen und Fraktionen zweifelhaft sein, kann hier aber offen bleiben.

Soweit die Beklagte nunmehr darauf verweist, dass die Stadt O. nicht über einen ausgeglichenen Haushalt verfüge und deshalb alles zu unterlassen habe, was einen Haushaltsausgleich gefährden könne, und zudem Bedenken gegen die der Mittelberechnung zugrundeliegende Bedarfsanalyse geltend macht, kann sie hiermit nicht durchdringen, weil sie die ihr gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 GO NRW obliegende Ermessensentscheidung über die Aufhebung des Ratsbeschlusses nicht auf diese Erwägungen gestützt hat. Eine Ergänzung notwendiger Ermessenserwägungen ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO zwar zulässig. Sie liegt aber dann nicht mehr vor, wenn das Ermessen erstmals ausgeübt oder die Gründe einer Ermessensausübung vollständig oder doch in ihrem Wesensgehalt ausgewechselt werden.

Vgl. BT-Drs. 13/3993, S. 13; BVerwG, Beschluss vom 14.1.1999 - 6 B 133/98 -, NJW 1999, 2912; BayVGH, Urteil vom 23.3.1999 - 10 B 98.2378 -, BayVBl. 1999, 627; Gerhardt, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Band II, Stand: Januar 2002, § 114 Rdnr. 12 e.

Letzteres ist der Fall, wenn - wie vorliegend - gänzlich andere Erwägungen zur Begründung der Ermessensentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden.

Ende der Entscheidung

Zurück