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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.01.2002
Aktenzeichen: 15 A 2128/00
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
1. Vergleichsgegenstände für die Frage der straßenbaubeitragsrechtlichen Verbesserung sind der durch den abzurechnenden Ausbau herbeigeführte Zustand der Anlage in verkehrstechnischer Hinsicht gegenüber dem durch den vormaligen Ausbau geschaffenen Zustand.

2. Bei einer als gemeinschaftlicher Einrichtung betriebenen Entwässerungsanlage (Entwässerung der Straße und der Grundstücke) reicht es zur Annahme einer Verbesserung der Straßenentwässerungseinrichtung nicht aus, eine vorteilhafte Veränderung des Zustands dieser Anlage in ihrer Gesamtentwässerungsleistung festzustellen. Vielmehr bedarf es der Feststellung, dass sie gerade in ihrer Straßenentwässerungsleistung vorteilhaft verändert wurde, und zwar im Verhältnis zur Straßenentwässerungsleistung der Anlage im Zeitpunkt des vormaligen Ausbaus.

3. Zur üblichen Nutzungszeit bei der Erneuerung eines Kanals.


Tatbestand:

Die Stadt erstellte einen Mischwasserkanal, der der Entwässerung der anliegenden Grundstücke und der Straßenentwässerung diente, mit vergrößertem Querschnitt neu. Grund für den Ausbau war der Umstand, dass wegen einer unvorhergesehen starken Versiegelung der anliegenden Grundstücke und eines dadurch hervorgerufenen erhöhten Grundstücksoberflächenwasseranfalls eine hydraulische Überlastung des Kanals eingetreten war. Mit dem angefochtenen Bescheid zog die Stadt die Eigentümerin eines Anliegergrundstücks zu einem Straßenbaubeitrag wegen Verbesserung der Straßenentwässerungseinrichtung heran. In der Berufungsinstanz wurde der Klage gegen den Beitragsbescheid stattgegeben.

Gründe:

Der Beitragsbescheid findet keine Rechtsgrundlage in § 8 KAG NRW in Verbindung mit der Straßenbaubeitragssatzung (SBS).

Nach § 1 SBS erhebt die Stadt u.a. zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung und Verbesserung von Anlagen im Bereich öffentlicher Straßen und für die dadurch den Eigentümern und Erbbauberechtigten der erschlossenen Grundstücke erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile Beiträge. Die hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme, nämlich der Austausch eines Mischwasserkanals, der sowohl der Grundstücksentwässerung als auch der Straßenentwässerung dient, gegen einen Mischwasserkanal größeren Querschnitts und die Folgearbeiten an den nur der Straßenentwässerung dienenden Anlageteilen, stellt keine beitragsfähige Verbesserung dar. Eine Verbesserung der Straße durch den Ausbau der Straßenentwässerungsanlage liegt dann vor, wenn durch die Maßnahme ein schnelleres oder sonst besseres Abfließen des Wassers bewirkt wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.2.2000 - 15 A 4176/96 -, NWVBl. 2000, 348.

Dies kann durch eine Vergrößerung des Querschnittes bewirkt werden.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5.6.1985 - 2 A 1403/83 -, S. 13 des amtl. Umdrucks; Urteil vom 22.4.1985 - 2 A 2655/82 -, S. 7 des amtl. Umdrucks; Urteil vom 17.9.1980 - 2 A 1388/79 -, S. 11 des amtl. Umdrucks.

Vergleichsgegenstände für die Frage der Verbesserung sind dabei der durch den abzurechnenden Ausbau herbeigeführte Zustand der Anlage in verkehrstechnischer Hinsicht gegenüber dem durch den vormaligen Ausbau geschaffenen Zustand.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.3.1991 - 2 A 2125/88 -, NWVBl. 1991, 346 (347); Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 32 Rn. 29.

Eine solche vorteilhafte Veränderung des Zustandes der Straßenentwässerungsanlage hat durch den in Rede stehenden Ausbau nicht stattgefunden. Dies ergibt sich aus Folgendem: Durch den vormaligen Ausbau wurde ein schnelles und sicheres Abfließen des auf der Oberfläche der Straße befindlichen Wassers gewährleistet. Im Laufe der Zeit hat sich diese Abflussleistung verschlechtert, weil durch den Kanal neben der Straße auch die anliegenden Grundstücke entwässert wurden (gemeinschaftliche Einrichtung) und hier im Laufe der Zeit eine deutliche, im Zeitpunkt der Verlegung des Kanals 1958 nicht vorhergesehene, möglicherweise auch nicht vorhersehbare Vergrößerung der anfallenden Abwassermenge durch stärkere Versiegelung der Grundstücke eingetreten ist. Durch den hier abgerechneten Ausbau wurde allein bewirkt, dass dieser erhöhte Grundstücksentwässerungsbedarf befriedigt werden kann.

Bei einer als gemeinschaftlicher Einrichtung betriebenen Entwässerungsanlage reicht es zur Bejahung des straßenbaubeitragsrechtlichen Tatbestandsmerkmals "Verbesserung" nicht aus, eine vorteilhafte Veränderung des Zustands dieser Anlage in ihrer Gesamtentwässerungsleistung festzustellen. Vielmehr bedarf es der Feststellung, dass sie gerade in ihrer Straßenentwässerungsleistung vorteilhaft verändert wurde, und zwar im Verhältnis zur Straßenentwässerungsleistung der Anlage im Zeitpunkt des vormaligen Ausbaus. Das ist nicht der Fall, wenn - wie hier - der Ausbau lediglich der Abdeckung eines erhöhten Grundstücksentwässerungsbedarfs dient. Denn dann wird die gemeinschaftliche Einrichtung nur hinsichtlich ihrer der Grundstücksentwässerung dienenden Leistung verbessert. Hinsichtlich ihrer der Straßenentwässerung dienenden Leistung verbleibt es bei dem Zustand, der im Zeitpunkt des vormaligen Ausbaus bestand und der sich allein durch den zwischenzeitlich erhöhten Grundstücksentwässerungsbedarf, also nicht wegen eines der Straßenentwässerung zuzurechnenden erhöhten Bedarfs, verschlechtert hat. Die gemeinschaftliche Einrichtung wird demnach in ihrer der Straßenoberflächenentwässerung dienenden Leistung nicht verbessert, sodass die Ausbaukosten nicht (teilweise) straßenbaubeitragsrechtlich, sondern allenfalls insgesamt entwässerungsgebührenrechtlich relevant sind.

Die Ausbaumaßnahme ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt nachmaliger Herstellung (Erneuerung) der Straßenentwässerungsanlage beitragsfähig. Die nachmalige Herstellung einer Teileinrichtung der Straße liegt vor, wenn die Teileinrichtung, die in Folge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit trotz ordnungsgemäßer Unterhaltung und Instandsetzung verschlissen ist, erneuert wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.10.1999 - 15 A 3305/96 -, NWVBl. 2000, 144.

Es erscheint hier fraglich, ob die übliche Nutzungszeit des 1958 verlegten Kanals im Zeitpunkt seiner Auswechslung 1991 bereits abgelaufen war. In der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts zur Kalkulation der Kanalbenutzungsgebühren wird der Ansatz einer mutmaßlichen Nutzungsdauer von 50 Jahren in der Gebührenkalkulation nicht beanstandet.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.9.1999 - 9 A 3342/98 -, S. 40 des amtl. Umdrucks.

In der Literatur werden dazu - abhängig vom verwendeten Material - Zeiten zwischen 30 und 100 Jahren genannt.

Vgl. Dudey, Abhängigkeit der kalkulatorischen Kosten von der Nutzungsdauer eines Kanalnetzes, Gemhlt. 1994, 1.

Der erkennende Senat hat für einen deutlich über 80 Jahre alten Regenwasserkanal angenommen, dass die übliche Nutzungszeit längst abgelaufen sei.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.11.1999 - 15 A 4406/99 -, S. 3 des amtl. Umdrucks.

Der Beklagte selbst geht nicht vom Ablauf der üblichen Nutzungszeit aus, die er mit etwa 80 Jahren veranschlagt. Die Frage, ob die übliche Nutzungszeit hier schon abgelaufen ist, kann jedoch dahinstehen. Wenn dies anzunehmen ist, ist sie jedenfalls erst kurz vor dem Ausbau abgelaufen. Für die Annahme einer beitragsfähigen Erneuerung ist nicht nur der Ablauf der üblichen Nutzungszeit, sondern auch die Abgenutztheit (Erneuerungsbedürftigkeit) der (Teil-)Einrichtung Voraussetzung. Der üblichen Nutzungszeit kommt nur insofern für die Frage der Erneuerungsbedürftigkeit eine Bedeutung zu, als deren Nachweis umso weniger detailliert sein muss, je länger die übliche Nutzungszeit abgelaufen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6.4.2000 - 15 A 1419/00 -, S. 2 f. des amtl. Umdrucks.

Hier bedurfte es daher zur Bejahung des Beitragstatbestandsmerkmals einer Erneuerung des konkreten Nachweises der Verschlissenheit der Entwässerungsanlage. Eine solche ist weder vom Beklagten behauptet worden, noch konnte sie vom Gericht festgestellt werden.

Ende der Entscheidung

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