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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: 15 A 2328/06
Rechtsgebiete: VwVfG NRW, GemHVO, VOB/A, GWB, VwGO


Vorschriften:

VwVfG NRW § 49 Abs. 3 Nr. 2
VwVfG NRW § 49a Abs. 1
GemHVO § 31
GemHVO § 31 Abs. 1 a.F.
GemHVO § 31 Abs. 2
VOB/A § 3 Nr. 2
VOB/A § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe c
VOB/A § 17
VOB/A § 18 Nr. 1 Satz 1
VOB/A § 30 Nr. 1
GWB § 97 Abs. 6
VwGO § 114 Satz 1
Zum Widerruf der einem Kreis bewilligten Zuwendung für eine Altlastensanierung, weil die falsche Vergabeart gewählt und deshalb gegen die Auflage verstoßen worden sei, die Vergabegrundsätze zu beachten.
Tatbestand:

Die beklagte Bezirksregierung bewilligte dem klagenden Kreis 1995 und 1997 zwei Zuwendungen, mit denen Maßnahmen zur Sanierung einer Deponie gefördert wurden, auf der Fässer mit chlorkohlenwasserstoffhaltigen Schlämmen abgelagert waren. Die Förderung erfasste das Niederbringen von Grundwassermessstellen und Brunnen und war mit der Auflage versehen, die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten. Der Kläger vergab entsprechende Aufträge nach beschränkter Ausschreibung. Fünf Jahre später prüfte das Staatliche Rechnungsprüfungsamt den Fördervorgang und bemängelte, dass die Vergabe nicht im Wege öffentlicher Ausschreibung erfolgt sei. Die Beklagte widerrief darauf einen Teil der Bewilligung und forderte den entsprechenden Betrag zurück. Die dagegen erhobene Klage war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Der Bescheid kann sich im angefochtenen Umfang nicht auf §§ 49 Abs. 3 Nr. 2, 49a Abs. 1 VwVfG NRW stützen. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Soweit ein solcher Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wurde, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Dabei ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf liegen nicht vor, weil der Kläger nicht gegen eine solche Auflage verstoßen hat. Allerdings gab es in Form der Nr. 3 der dem Bescheid vom 6.9.1994 beigefügten und im 5. Änderungsbescheid vom 25.9.1997 in Bezug genommenen ANBest-G eine Auflage, bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten.

Vgl. dazu, dass es sich bei einem solchen Bestandteil eines Subventionsbescheides um eine Auflage handelt, OVG NRW, Urteil vom 12.6.2007 - 15 A 1243/05 , NWVBl. 2008, 66.

Diese Vergabegrundsätze waren im hier relevanten Zeitraum von 1995 bis 1997 die nach § 31 der Gemeindehaushaltsverordnung vom 9.12.1972 (GV. NRW. S. 418) bzw. vom 14.5.1995 (GV. NRW. S. 516) - GemHVO a.F.- maßgeblichen Vergabegrundsätze. Nach § 31 Abs. 1 GemHVO a.F. musste der Vergabe von Aufträgen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine beschränkte Ausschreibung oder freihändige Vergabe rechtfertigten. Nach Abs. 2 der Vorschrift waren bei der Vergabe von Aufträgen die Vergabegrundsätze anzuwenden, die das Innenministerium bekannt gab. Diese Vergabegrundsätze waren u.a. in der - nachfolgend näher bezeichneten - Verdingungsordnung, auf die Nr. 2 Buchstabe a des Runderlasses des Innenministeriums vom 15.6.1993 (MBl. NRW. S. 1187) verwies, enthalten. Die im Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 15.3.1993 bekannt gemachte Fassung der Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil A, (MBl. NRW. S. 1128) - VOB/A - regelte in § 3 die Art der Vergabe: § 3 Nr. 2 VOB/A schrieb vor, dass eine öffentliche Ausschreibung stattfinden müsse, wenn nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigten. Nach § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe c war eine beschränkte Ausschreibung zulässig, wenn die öffentliche Ausschreibung aus anderen als den unter Buchstaben a und b genannten Gründen (unverhältnismäßiger Aufwand, kein annehmbares Ergebnis) unzweckmäßig war, etwa wegen Dringlichkeit oder Geheimhaltung.

Nach diesen Grundsätzen war die beschränkte Ausschreibung 1995 zulässig. Für die vergaberechtliche Zulässigkeit kommt es nicht darauf an, wie die Verdingungsordnung in der behördlichen Praxis gehandhabt wird. Zwar ist die VOB durch den vorerwähnten Runderlass des Innenministeriums eingeführt worden und hat somit den Charakter einer Verwaltungsvorschrift. Bei einem aus dem Gleichheitsgebot begründeten Anspruch auf Einhaltung von Verwaltungsvorschriften sind diese nicht wie Normen auszulegen, sondern es ist die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften maßgebend.

Vgl. Möstl, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., § 18 Rn. 4, § 19 Rn. 21.

Darum geht es hier jedoch nicht. Vielmehr ist die durch den vorerwähnten Runderlass eingeführte und im Ministerialblatt NRW für die Gemeinden hinreichend zugängliche Verdingungsordnung kraft § 31 Abs. 2 GemHVO als für die Gemeinden verbindlich erklärt worden. Sie nimmt damit kraft dieser Verweisung an der Rechtsnormqualität der Gemeindehaushaltsverordnung teil und unterliegt den Auslegungsregeln für Normen.

Vgl. zur Rechtsverbindlichkeit der so eingeführten Verdingungsordnungen Steup/Schneider/ Lienen, Gemeindehaushaltsrecht Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl., § 31 GemHVO Rn. 6.

Die Methode ähnelt somit der Verbindlichmachung der Verdingungsordnungen in dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegenden Vergabeverfahren mit Auftragswerten über den EU-relevanten Schwellenwerten: § 97 Abs. 6 GWB ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass einer Vergabeverordnung. Die auf dieser Grundlage ergangene Vergabeverordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.2.2003 (BGBl. I S. 169), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 23.10.2006 (BGBl. I S. 2334), erklärt in ihren §§ 4 bis 6 im Bundesanzeiger bekanntgemachte Verdingungsordnungen als verbindlich.

Zu dieser Verweisungstechnik und deren verfassungsrechtlicher Zulässigkeit vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97 Rn. 164, 168 f.; zu den Voraussetzungen für die Erhebung privaten Regelwerks zu gemeindlichem Satzungsrecht vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.5.2006 - 15 A 4247/03 -, NWVBl. 2006, 461.

Grundsätzlich bestand nach § 31 Abs. 1 GemHVO a.F. und § 3 Nr. 2 VOB/A eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung. Andere Vergabearten bedurften der Rechtfertigung. Hier war die beschränkte Ausschreibung gerechtfertigt, weil die öffentliche Ausschreibung unzweckmäßig war (§ 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe c VOB/A). Deshalb durfte sich der Kläger für eine beschränkte Ausschreibung entscheiden.

Das Merkmal der Unzweckmäßigkeit verweist zwar inhaltlich auf Gesichtspunkte kontextabhängiger Sachrichtigkeit, wie sie typischerweise Ermessenserwägungen zu Grunde liegen.

Vgl. Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., § 10 Rn. 1, 58.

Dennoch ist der Begriff der Unzweckmäßigkeit hier ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegt, weil er die tatbestandliche Voraussetzung dafür ist, dass die Wahl der beschränkten Ausschreibung eröffnet wird.

Das Merkmal der Unzweckmäßigkeit der öffentlichen Ausschreibung ist nicht schon dann erfüllt, wenn überhaupt Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte gegen eine öffentliche und für eine beschränkte Ausschreibung sprechen. Die beschränkte Ausschreibung ist nicht schon dann zulässig, wenn sie zweckmäßig ist, sondern nur dann, wenn die öffentliche Ausschreibung unzweckmäßig ist. Deshalb müssen die Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte für die beschränkte Ausschreibung so gewichtig sein, dass sie die für eine öffentliche Ausschreibung eindeutig überwiegen. Das ist der Fall, wenn das Beschaffungsziel mit der öffentlichen Ausschreibung nicht effektiv erreicht werden kann.

Vgl. Müller-Wrede, in: Ingenstau/Korbion, VOB, Teile A und B, 16. Aufl., § 3 VOB/A Rn. 38.

Erst dieses restriktive Verständnis wahrt den Ausnahmecharakter der beschränkten Ausschreibung gegenüber dem Regelfall öffentlicher Ausschreibung. In die so anzustellende Abwägung der Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte ist einerseits alles einzustellen, was für eine öffentliche Ausschreibung spricht, und andererseits alles, was für eine beschränkte Ausschreibung spricht, wobei Maßstab der mit der jeweiligen Ausschreibungsart nach den Vergabegrundsätzen verfolgte Zweck ist.

Zur Abwägung bei der Wahl der Vergabeart vgl. Ax/Schneider/Nette, Handbuch Vergaberecht, Kap. 7 Rn. 23.

Erforderlich ist allerdings nicht, dass alleine die Entscheidung für eine beschränkte Ausschreibung rechtmäßig ist, dass also eine Entscheidung für die öffentliche Ausschreibung so unzweckmäßig ist, dass sie gar nicht gewählt werden dürfte. Auch wenn nämlich eine öffentliche Ausschreibung gegenüber einer beschränkten Ausschreibung unzweckmäßig ist, darf grundsätzlich rechtmäßig auch eine öffentliche Ausschreibung stattfinden.

Vgl. Dippel, in: Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß, Vergaberecht, 2. Aufl., § 3 VOB/A Rn. 22.

Daraus ergibt sich, dass alleine der Umstand, dass innerhalb des zur Verfügung stehenden Zeitraums eine öffentliche Ausschreibung noch möglich gewesen wäre, wie die Beklagte geltend macht, noch keinen Vergabeverstoß begründet: Wenn die öffentliche Ausschreibung wegen Zeitmangels nicht durchgeführt werden kann, ist diese Ausschreibungsart nicht bloß unzweckmäßig, sondern sogar unmöglich. Nur wenn von vornherein absehbar ist, dass im Laufe des Verfahrens eintretende Verzögerungen zu einem so späten Zuschlagszeitpunkt führen, dass bis zu ihm auch ebenso eine öffentliche Ausschreibung möglich ist, kann diese nicht als unzweckmäßig angesehen werden, sodass eine beschränkte Ausschreibung nicht zulässig ist.

Weiter kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber zutreffend das eindeutige Überwiegen der Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte für eine beschränkte Ausschreibung festgestellt hat. Eine beschränkte Ausschreibung ist nicht erst dann zulässig, wenn der Auftraggeber die öffentliche Ausschreibung zu Recht für unzweckmäßig hält, sondern - wie es in § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchstabe c VOB/A formuliert ist - wenn sie "unzweckmäßig ist". Dieses Merkmal muss alleine objektiv vorliegen.

Vgl. dazu, dass das zur freihändigen Vergabe ermächtigende Tatbestandsmerkmal, dass "die Leistung besonders dringlich ist", objektiv vorliegen muss, OVG NRW, Beschluss vom 11.4.2000 - 4 A 277/99 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks.

Daraus ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, dass der Kläger seine seiner Zeit angestellten Überlegungen zur Vergabeart nicht in einem Vergabevermerk nach § 30 Nr. 1 VOB/A niedergelegt hat. Allerdings führt dieser formelle Vergaberechtsverstoß dazu, dass eine dadurch bedingte Unmöglichkeit, den relevanten Sachverhalt aufzuklären, zu Lasten des Auftraggebers geht.

Hier sind die ausschreibungsrelevanten Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte wie folgt gegenüberzustellen: Es spricht grundsätzlich für eine öffentliche Ausschreibung, dass damit unter Ausnutzung eines Leistungswettbewerbs und aller Chancen am Markt das günstigste Angebot erzielt werden kann. Außerdem wird durch diese Ausschreibungsart am wirkungsvollsten der Korruptions- und Manipulationsgefahr begegnet.

Vgl. Runderlass des Innenministers "Vergabegrundsätze nach § 31 GemHVO" vom 15.6.1993, MBl.NRW. S. 1187.

Zu Unrecht hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Interesse potentieller Auftragnehmer an gleichmäßigem Zugang zu öffentlichen Aufträgen von besonderem vergaberechtlichem Gewicht sei. Das mag in dem GWB unterfallenden Vergabeverfahren so sein, da diese verschiedene EU-Vergaberichtlinien zur Grundlage haben, die im Interesse des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs eine Öffnung der nationalen Märkte für den internationalen Wettbewerb verfolgen.

Vgl. Kulartz, in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum Vergaberecht, Einleitung Rn. 2 ff.

Demgegenüber geht es hier um ein nicht vom GWB erfasstes Vergabeverfahren, bei dem die Bindung an das Vergaberecht kraft einer das Gemeindehaushaltsrecht in Bezug nehmenden Auflage bewirkt wird. Das Vergaberecht verfolgt hier also haushaltsrechtliche, nicht wettbewerbsrechtliche Zwecke.

Vgl. zu diesem Unterschied der Vergabeverfahren im unterschwelligen und im überschwelligen Bereich Ax/Schneider/Nette, a. a. O., Kap. 1 Rn. 27 f.; Antweiler, Subventionskontrolle und Auftragsvergabekontrolle durch Bewilligungsbehörden und Rechnungshöfe, NVwZ 2005, 168 (169).

Dem oben genannten gewichtigen haushaltsrechtlichen Zweck stehen hier jedoch durchgreifende gegenläufige Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte entgegen.

Die mit der zu vergebenden Leistung verfolgte Verwaltungsaufgabe war dringlich, sodass die Verzögerung, die mit einer öffentlichen Ausschreibung gegenüber einer beschränkten verbunden ist, von beachtlichem Gewicht war. Die gegenüber sonstiger Verwaltungstätigkeit hervorgehobene Dringlichkeit der hier verfolgten Aufgabe ergibt sich aus ihrem Gefahrenabwehrcharakter: Schon seit langem war die latente Gefährlichkeit der abgelagerten Fässer mit CKW-haltigen Schlämmen bekannt, weswegen auch schon lange Grundwassermessstellen niedergebracht worden waren. 1994 konkretisierte sich diese latente Gefährlichkeit, wie sich aus den steigenden CKW-Konzentrationen ergab, wobei die Nähe des Naturschutzgebietes eine rasche Sanierung besonders eilbedürftig machte. Da aber für die Sanierung erst weitere Untersuchungen angestellt werden mussten, in deren Rahmen der hier Rede stehende Auftrag fiel, lag 1994/95 ohnehin noch ein langer Weg bis zur endgültigen Sanierung vor dem Kläger. Daher sprachen gewichtige Gründe dafür, die einzelnen Sanierungsschritte möglichst rasch anzupacken und damit eine Vergabeart zu wählen, die rascher zum Ziele kam als eine öffentliche Ausschreibung. Einer vor dem Hintergrund des langen Sanierungszeitraums nur geringfügigen Beschleunigung bei einzelnen Sanierungsschritten kam deshalb ein besonderes Gewicht zu, weil jederzeit mit einem massenhaften Fässerdurchbruch gerechnet werden musste. Die Minimierung des Risikos durch auch nur geringfügige Beschleunigung hatte angesichts des drohenden Schadens beachtliche Bedeutung. Eine solche Beschleunigung wurde durch die beschränkte Ausschreibung erzielt.

Hier betrug der Zeitraum von der am 3.3.1995 abgesandten Aufforderung vom 2.3.1995 an die ausgesuchten Unternehmen, Angebote abzugeben, bis zum Submissionstermin am 24.3.1995 22 Tage. Mit Schreiben vom 7.4.1995 wurde das Angebot der Firma A. angenommen. Eine öffentliche Ausschreibung hätte demgegenüber zuerst eine Vergabebekanntmachung nach § 17 VOB/A erfordert, für deren Vorbereitung und Durchführung selbst zusätzliche Zeit hätte aufgewandt werden müssen. Für die Angebotsfrist (§ 18 VOB/A) hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Bewerber zur Abgabe des Angebots zuerst nach Kenntnisnahme von der Vergabebekanntmachung die Verdingungsunterlagen hätten anfordern und der Kläger diese hätte versenden müssen. Dabei kann nicht einfach von der Mindestangebotsfrist von 10 Tagen nach § 18 Nr. 1 Satz 1 VOB/A ausgegangen werden, da dies lediglich die absolute Untergrenze darstellt. Es muss eine "ausreichende" Angebotsfrist gewährt werden. Daher ist jedenfalls von keiner kürzeren Angebotsfrist als der hier im Rahmen der beschränkten Ausschreibung gewährten auszugehen.

Insgesamt musste realistischerweise damit gerechnet werden, dass schon die mit der Vergabebekanntmachung bei einer öffentlichen Ausschreibung bewirkte Verzögerung mindestens eine Woche betragen würde. Die Wertung der Angebote nach Eröffnung bis zum Zuschlag hätte sich ebenfalls verzögert, da voraussichtlich mehr Angebote und insbesondere auch solche unbekannter Anbieter eingegangen wären, deren Zuverlässigkeit im Gegensatz zur beschränkten Ausschreibung hätte geprüft werden müssen. Eine solche Zuverlässigkeitsprüfung war hier schon deshalb besonders angezeigt, weil nicht ein einfaches Niederbringen von Bohrlöchern in Rede stand, sondern die Erstellung von Grundwassermessstellen und Sanierungsbrunnen in einer altlastenkontaminierten Deponie. Eine solche Verzögerung wäre auch eingetreten, wenn schon in der Vergabebekanntmachung auf Nachweise für die Beurteilung der Eignung des Bieters hingewiesen worden wäre (§ 17 Nr. 1 Abs. 1 Buchstabe s VOB/A), zumal dann die Angebotsfrist hätte verlängert werden müssen. Der Wertungszeitraum hätte sich somit voraussichtlich um mindestens eine Woche verzögert, so dass sich die Gesamtverlängerung auf etwa zwei bis drei Wochen belaufen hätte, wie auch der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat.

Unabhängig von der somit sicher eintretenden Verzögerung bei einer öffentlichen Ausschreibung gegenüber der beschränkten war der tatsächliche Umfang der Verzögerung nicht absehbar und hätte auch weitaus größer ausfallen können. Dies liegt in der Natur der öffentlichen Ausschreibung, bei der die Zahl und Qualität der Teilnehmer im vorhinein nicht bekannt ist. Auch diese Unsicherheit sprach angesichts des drohenden Schadens für die zeitlich straffer beherrschbare beschränkte Ausschreibung.

Dem Kläger kann auch nicht vorgehalten werden, er habe das Vergabeverfahren selbst unnötig verzögert. Dabei kommt es von vorneherein nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Subventionsbescheides vom 6.9.1994 an, denn dieser hatte nicht die unmittelbare Vergabe der hier in Rede stehenden bohrtechnischen Maßnahmen, sondern zunächst die Bestellung eines Gutachters zum Gegenstand. Erst im Rahmen von dessen Auftrag sollten die bohrtechnischen Arbeiten vergeben werden. Damit kann dem Kläger jedenfalls keine Verzögerung vorgehalten werden, solange der Gutachtensentwurf für die Ausschreibung noch nicht vorlag. Da noch Ende Januar 1995 im Rahmen der Abstimmung der Behörden das Staatliche Umweltamt Änderungen am Gutachtensentwurf des Leistungsverzeichnisses für die Ausschreibung anregte, kann die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten durch den Kläger mit Schreiben vom 2.3.1995 nicht als verzögerlich angesehen werden.

Somit steht dem gewichtigen haushaltsrechtlichen Interesse an einer öffentlichen Ausschreibung eine ebenfalls gewichtiges, für eine beschränkte Ausschreibung streitendes Beschleunigungsinteresse gegenüber.

Das für die beschränkte Ausschreibung sprechende Interesse überwiegt hier eindeutig das haushaltsrechtliche Interesse an einer öffentlichen Ausschreibung, weil letzteres durch zwei Umstände deutlich gemindert ist: Der Wert des zu vergebenden Auftrags war relativ gering. Das zum Zuge gekommene Angebot belief sich auf knapp 240.000 DM. Damit ist auch der denkbare Haushaltsvorteil, der durch ein günstigeres Angebot bei öffentlicher Ausschreibung möglicherweise zu erzielen gewesen wäre, recht gering. Diese Überlegung wird durch Nr. 7.1 der Vergabegrundsätze bestätigt, die durch Runderlass des Innenministeriums vom 22.3.2006 eingeführt wurden (MBl. NRW. S. 222). Danach soll eine beschränkte Ausschreibung bei der Vergabe von Bauleistungen im Tiefbau ohne weitere Einzelbegründung bis zu einem Auftragswert von höchstens 300.000 Euro zulässig sein, also mehr als dem Doppelten des hier in Rede stehenden Auftragswertes. Diese zutreffende Überlegung, dass der haushaltsrechtliche Ertrag einer öffentlichen gegenüber einer beschränkten Ausschreibung bei Auftragswerten unter der genannten Schwelle kaum noch ins Gewicht fällt, hat auch Geltung für die Frage der Unzweckmäßigkeit einer öffentlichen Ausschreibung im hier in Rede stehenden Zeitpunkt.

Zum zweiten sind die Nachteile des Verzichts auf eine öffentliche Ausschreibung hier dadurch gemildert, dass der Wettbewerb nicht vollständig ausgeschaltet wurde, wie es etwa bei einer freihändigen Vergabe der Fall gewesen wäre. Ein Wettbewerb hat hier zwischen sieben ausgesuchten und leistungsfähigen Unternehmen stattgefunden. Hinzu kommt, dass auch die Auswahl dieser Unternehmen in einem relativ offenen Prozess unter Beteiligung eines externen Gutachters und der Beklagten stattgefunden hat. Diese beiden Umstände vermindern das haushaltsrechtliche Risiko eines relativ ungünstigen Angebotes soweit, dass der Beschleunigungseffekt einer beschränkten Ausschreibung eine öffentliche Ausschreibung als unzweckmäßig im Sinne des § 3 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. c VOB/A erscheinen lässt.

Die vorstehenden Überlegungen gelten verstärkt für die Vergabe des Baus zweier Grundwassermessstellen und eines Brunnens im Jahre 1997. Hier war wegen des plötzlichen starken Anstiegs der LHKW-Belastung an der Messstelle 2 die Vergabe besonders dringlich und der zu vergebende Auftragswert mit knapp 120.000 DM besonders niedrig. Auch hier kann von einer verzögerlichen Bearbeitung des Vergabevorgangs nicht gesprochen werden, da die Zuwendung mit Bescheid vom 25.9.1997 gewährt wurde und die Submission schon Ende Oktober 1997 erfolgte. Allerdings ist das Angebot erst Anfang Januar 1998 nach einem fehlgeschlagenen Versuch der Zustellung des Angebotsschreibens vom 17.12.1997 angenommen worden, wobei die Verwaltung bereits unter dem 5.11.1997 die Annahme des Angebots der Firma A. empfahl und der Kreisausschuss am 4.12.1997 über die Annahme entschied. Auch hier kann trotz des großen Zeitabstands nicht von einer verzögerlichen Behandlung der Vergabe gesprochen werden, die zur Unzulässigkeit der gewählten Vergabeart geführt hätte. Maßgebend dafür, welche Vergabeart gewählt werden darf, sind die Umstände im Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens, hier also der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten mit Schreiben vom 10.10.1997. Angesichts der vom Kläger überreichten Terminplanung von Umweltschutzausschuss und Kreisausschuss hätte eine durch öffentliche Ausschreibung bewirkte etwa dreiwöchige Verzögerung die Beratung der Vergabeentscheidung am 27.11.1997 im Umweltschutzausschuss und die endgültige Vergabeentscheidung im Kreisausschuss am 4.12.1997 in Frage gestellt.

Soweit im Widerspruchsbescheid erstmals auch die Auswahl der zum Angebot aufgeforderten Unternehmer bemängelt wird, kann dies nicht als selbständig tragender Widerrufsgrund verstanden werden. Vielmehr soll lediglich ein weiterer Mangel der nach Auffassung der Beklagten schon dem Grunde nach unzulässigen beschränkten Ausschreibung geltend gemacht werden.

Der von der Beklagten im Klageverfahren vorgebrachte weitere Mangel, dass entgegen § 30 Nr. 1 VOB/A kein Vergabevermerk über die Vergabe gefertigt worden sei, spielt für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides keine Rolle. Die Ermessensentscheidung, die Gewährung der Subvention zu widerrufen, stützt sich nach dem Bescheid nicht auf den Mangel eines fehlenden Vergabevermerks, sondern auf den Verstoß gegen eine Vorschrift über die zu wählende Vergabeart.

Aber selbst wenn man zu der Auffassung gelangte, bei der anzustellenden Prüfung, ob die beschränkte Ausschreibung wegen Unzweckmäßigkeit einer öffentlichen Ausschreibung gerechtfertigt ist, könnte eine solche Unzweckmäßigkeit nicht festgestellt werden, so dass tatsächlich vergaberechtswidrig beschränkt ausgeschrieben wäre, erwiese sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Die im Bescheid angestellten Ermessenserwägungen zur Entscheidung, ob widerrufen und zurückgefordert werden soll, litten dann nämlich unter einem Mangel im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, weil von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden wäre.

Die Beklagte hat sich - in Übereinstimmung mit dem Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16.12.1997, Az. I D 1 - 0044 - 3/8 - dahingehend in ihrem Ermessen gebunden, dass sie nicht jedweden Verstoß gegen Vergabebestimmungen zum Anlass eines Widerrufs nehmen, sondern dies grundsätzlich nur bei schweren Verstößen gegen die Verdingungsordnung tun wollte. In Übereinstimmung mit dem genannten Erlass kommen als schwere Verstöße solche gegen die Vergabeart in Betracht, denn die Wahl der falschen Vergabeart führt etwa im Gegensatz zu Verstößen mehr technischer und formeller Art regelmäßig zu substantiellen Beschränkungen in der Ermittlung des günstigsten Angebots. Obwohl die Zulässigkeit der beschränkten statt der öffentlichen Ausschreibung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung in Subsumtion des Sachverhalts unter die Vergabevorschriften ist, gibt es einerseits Fälle, bei denen ein rechtfertigender Grund für eine beschränkte Ausschreibung auch nicht entfernt vorliegt, und anderseits Fälle wie den vorliegenden, bei dem gute Gründe für die Rechtfertigung der beschränkten Ausschreibung vorliegen. Beide Fallgruppen können nicht gleichermaßen unter den selbst gewählten Ermessensgesichtspunkt des schweren Verstoßes gegen die Verdingungsordnung gefasst werden. Vielmehr hätte es sich bei Anlegung des von der Beklagten gewählten Ermessensmaßstabs der Schwere des Verstoßes gegen die Verdingungsordnung aufgedrängt, sich mit den oben ausgeführten, die öffentliche Ausschreibung als unzweckmäßig erscheinen lassenden Gesichtspunkten auseinander zu setzen. Daran fehlt es im angefochtenen Bescheid, der sich daher - bei unterstelltem Auflageverstoß - hinsichtlich dieser wesentlichen Umstände als defizitär erweist.

Vgl. zum Ermessensdefizit Wolff, in: Sodan/ Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 114 Rn. 178 ff.

Der Bescheid schließt nämlich undifferenziert von der vermeintlich fehlerhaften Wahl der Vergabeart auf einen schweren Vergabeverstoß.

Vgl. zu einem Ermessensfehler, der in der fehlerhaften Anwendung eines selbst gesetzten Ermessensmaßstabs liegt, BVerwG, Urteil vom 24.9.1992 - 3 C 64.89 -, BVerwGE 91, 77.

War somit der teilweise Widerruf des Subventionsbescheides vom 9.4.1995 in der Fassung des 5. Änderungsbescheides vom 25.9.1997 rechtswidrig, kann auch nichts gemäß § 49a Abs. 1 VwVfG NRW zurückgefordert werden.

Ende der Entscheidung

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