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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 14.05.2002
Aktenzeichen: 15 A 2351/00
Rechtsgebiete: LAufG 1994, VwGO, VwGO NRW, BGB


Vorschriften:

LAufG 1994 § 9 Abs. 2
LAufG 1994 § 9 Abs. 3
LAufG 1994 § 4 Abs. 3
VwGO § 75
VwGO § 78 Abs. 1
VwGO NRW § 5 Abs. 2 AG
BGB § 291
§ 9 Abs. 3 LAufG 1994 begründet keine gesetzliche Frist, binnen der die Erstattung der mit der Unterhaltung der Übergangsheime verbundenen Aufwendungen von den Gemeinden bei den zuständigen Bezirksregierungen zu beantragen ist (Anschluss an Senatsurteil vom 26.2.2002 - 15 A 527/00 -).
Tatbestand:

Die klagende Gemeinde beantragte die Erstattung der Aufwendungen für die Unterhaltung von Übergangsheimen nach dem Landesaufnahmegesetz (LAufG 1994) bei der beklagten Bezirksregierung einen Tag nach dem in § 9 Abs. 3 Satz 1 LAufG 1994 bestimmten Meldezeitpunkt. Die Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten war in beiden Instanzen erfolgreich.

Gründe:

Die Klage richtet sich auch insofern zutreffend gegen die Beklagte, als die Klägerin Prozesszinsen geltend macht. Dem steht nicht entgegen, dass eine Leistungsklage grundsätzlich gegen den Rechtsträger zu richten und nur im Fall von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen Klage gegen die Behörde zu erheben ist (§ 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 AG VwGO NRW). Denn dies gilt nicht, wenn der Leistungsanspruch - wie vorliegend - als unselbstständiger Nebenanspruch zu einem Verpflichtungsbegehren verfolgt wird.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 - (Seite 11 des amtlichen Entscheidungsabdrucks) = NWVBl. 1998, 443 (insoweit dort nicht abgedruckt).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der mit der Unterhaltung von Übergangsheimen verbundenen Aufwendungen im 3. Quartal 1997 gemäß § 9 Abs. 2 LAufG 1994. Hiernach erhalten die Gemeinden für die Wahrnehmung der Aufgabe vom Land eine Vierteljahrespauschale in Höhe von 390,-- DM für jeden in einem Übergangsheim untergebrachten Berechtigten. Die Zuweisung der Mittel erfolgt zum 1.3., 1.6., 1.9. und 1.12. eines jeden Jahres. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 LAufG 1994 ist für die Berechnung der Vierteljahresbeträge der Bestand der an den Stichtagen 31.12., 31.3., 30.6. und 30.9. in Übergangsheimen untergebrachten Berechtigten maßgebend, der von den Gemeinden der Landesstelle bis zum 15.1., 15.4., 15.7. und 15.10. eines jeden Jahres gemeldet wurde. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Klägerin im hier streitbefangenen Quartal 16 Berechtigte in Übergangsheimen untergebracht hatte. Der hiernach bestehende Anspruch auf eine Erstattungsleistung in Höhe von 6.240,-- DM ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Antrag der Klägerin auf Leistung einer Erstattung erst am 16.7.1997 und damit einen Tag nach dem in § 9 Abs. 3 Satz 1 LAufG 1994 bestimmten Meldezeitpunkt bei der Landesstelle eingegangen ist. Der Vorschrift ist keine gesetzliche Frist zu entnehmen, binnen der die Landeserstattung von den Gemeinden zu beantragen ist.

Der Senat hat in seinem rechtskräftigen Urteil vom 26.2.2002 - 15 A 527/00 - für das Erstattungsverfahren nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz in der Fassung des 4. Änderungsgesetzes vom 29.11.1994 (GV. NRW. S. 1087) - FlüAG 1994 - rechtsgrundsätzlich entschieden, dass die in § 4 Abs. 3 des Gesetzes genannten Meldetermine keine gesetzlichen Fristen zur Erlangung der Landeserstattung begründen, sondern der Ordnung des Melde- und Auszahlungsverfahrens dienen. Der Senat hat in der Entscheidung ausgeführt, dass weder dem Wortlaut der dort streitbefangenen Vorschrift noch ihrem durch die Entstehungsgeschichte belegten Sinn und Zweck eine gesetzliche Antragsfrist zu entnehmen ist. Die Beantragung der Landeserstattung ist hiernach auch nach Ablauf des für die Meldung der Anzahl der ausländischen Flüchtlinge bestimmten Termins möglich. Auf die Entscheidungsgründe des zitierten Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. An diesen Grundsätzen ist auch für das Erstattungsverfahren nach dem Landesaufnahmegesetz festzuhalten.

Die gegenüber § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 abweichende sprachliche Gestaltung des § 9 Abs. 3 LAufG 1994 rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Vorschrift verdeutlicht schon durch ihre Formulierung, dass der termingerecht der Landesstelle gemeldete Bestand lediglich eine Bezugsgröße für die Berechnung der jeweiligen Quartalszuweisung darstellt. Noch weniger als die verwandte Regelung des § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 bietet damit § 9 Abs. 3 LAufG 1994 Anhaltspunkte für eine gesetzliche Antragsfrist. Denn das Flüchtlingsaufnahmegesetz begründet zumindest eine Verpflichtung der Gemeinden zur Meldung der Zahl der ausländischen Flüchtlinge. Eine solche Verpflichtung ist dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 LAufG 1994 hingegen nicht ohne Weiteres zu entnehmen. Vielmehr setzt die Vorschrift für das Erstattungsverfahren nur voraus, dass eine Meldung erfolgt ist. Auch verknüpft § 9 Abs. 3 LAufG 1994 die Zuweisung der Landesmittel nicht mit einer Bestandsmeldung gegenüber der Bezirksregierung, sondern gegenüber der Landesstelle. Diese ist für die Entscheidung über die Mittelzuweisung jedoch nicht zuständig.

Eine andere Deutung der Vorschrift ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs. 3 Satz 2 LAufG 1994. Demnach wird, sofern eine Gemeinde zu einem Stichtag keinen Bestand meldet, davon ausgegangen, dass keine Berechtigten in einem Übergangsheim untergebracht sind. Das VG führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass diese Regelung eher gegen als für die Annahme einer gesetzlichen Antragsfrist spricht. Denn die Formulierung, es werde von etwas ausgegangen, lässt eine gesetzliche Vermutung erkennen, die zu widerlegen Sache der beantragenden Gemeinde ist. Besteht aber eine widerlegbare Vermutung, kann die Beantragung der Landesmittel nicht fristgebunden sein.

Wenn auch den Gesetzesmaterialien keine Aussage zu dem mit der gesetzlichen Vermutung verfolgten Zweck zu entnehmen ist, vgl. LT-Drs. 11/7319, S. 27 ff., liegt doch die Annahme nahe, dass sie auf dem Umstand beruht, dass einzelne Gemeinden tatsächlich keine Aussiedler und Spätaussiedler beheimaten, die in Übergangsheimen untergebracht sind und damit eine Erstattung nach § 9 Abs. 1 LAufG 1994 von vornherein nicht in Betracht kommt. Wie der Senat bereits ausgeführt hat, fände damit auch die Abweichung gegenüber § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 eine Erklärung, der eine Vermutungsregel nicht enthält. Denn die Annahme, in einer Gemeinde befänden sich keine ausländischen Flüchtlinge im Sinne des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, liegt schon im Hinblick auf deren gleichmäßige landesinterne Verteilung fern. § 9 Abs. 3 Satz 2 LAufG 1994 stellt damit nur klar, dass eine Fehlanzeige entbehrlich ist.

OVG NRW, Urteil vom 26.2.2002 - 15 A 527/00 - (Seite 16 des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

Auch ist der Gesetzgebungsgeschichte des 2. Gesetzes zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes kein Hinweis darauf zu entnehmen, der Gesetzgeber habe mit der Einführung des termingebundenen Melde- und Auszahlungsverfahrens eine gesetzliche Antragsfrist zu Lasten der Gemeinden begründen wollen. Wie beim Flüchtlingsaufnahmegesetz lag der Neuregelung vielmehr zu Grunde, dass das bisherige Erstattungssystem als zu langwierig und verwaltungsaufwändig empfunden wurde. Die Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Landesaufnahmegesetzes hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass sich insbesondere die bisherige Regelung der Betriebskostenerstattung mit der gesetzlichen Verweisung auf die Zweite Berechnungsverordnung in der Praxis als schwer durchführbar erwiesen habe. Es sei zu einer teilweise um Jahre verzögerten Bearbeitung gekommen. Mit dem System quartalsweiser Pauschalleistungen solle sichergestellt werden, dass die Gemeinden die Landesmittel zeitnah erhalten, um nicht für ein ganzes Jahr in Vorlage treten zu müssen, wie es nach dem alten System der Fall gewesen sei.

Vgl. LT-Drs. 11/7319, S. 27. f.

Das VG hat hierzu zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zu § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 ausgeführt, dass sich hieraus keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gesetzgeber die Rechtsposition der Gemeinden bei der Kostenerstattung nach dem Landesaufnahmegesetz durch Einführung einer äußerst kurz bemessenen gesetzlichen Frist habe einschränken wollen. Angestrebt wurde vielmehr eine Verbesserung der Finanzausstattung der Gemeinden durch eine zeitnahe Kostenerstattung. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Insbesondere lässt die - zutreffende - Annahme, der Gesetzgeber habe mit dem 2. Gesetz zur Änderung des Landesaufnahmegesetz nicht "alles beim Alten" lassen wollen, keinen Schluss auf eine gesetzliche Antragsfrist zu. Vielmehr traten mit dem 1.1.1995 durchgreifende Änderungen des Erstattungsverfahrens in Kraft, ohne dass dies einen Rückschluss auf die Auslegung des § 9 Abs. 3 LAufG 1994 zuließe.

Weitere Umstände, die für eine gegenüber § 4 Abs. 3 FlüAG 1994 abweichende Auslegung der Erstattungsregelung des Landesaufnahmegesetzes sprechen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Der Zinsanspruch auf die eingeklagte Forderung ergibt sich aus § 291 BGB analog. Hiernach hat der Schuldner eine fällige Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist.

Die Vorschrift ist auch im Verhältnis öffentlicher Rechtsträger untereinander anwendbar, solange das einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.2.2001 - 5 C 34.00 -, BVerwGE 114, 61; Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 27.99 -, BVerwGE 111, 213 (219) m.w.N.

Sie ist auch im hier vorliegenden Fall der Verpflichtungsklage auf Erlass eines eine Geldleistung festsetzenden Verwaltungsakts anwendbar.

OVG NRW, Beschluss vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 - (Seite 13 des amtlichen Entscheidungsabdrucks); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 28.6.1995 - 11 C 22.94 -, NJW 1995, 3135; Urteil vom 18.5.1973 - VII C 21/72 -, NJW 1973, 1854 (1855).

Die Forderung der Klägerin war auch fällig. Hierbei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob die Beklagte zu einer Zuweisung der beantragten Landesmittel bis zum hierfür gesetzlich bestimmten Termin - hier der 1.9.1997 - auch dann noch verpflichtet ist, wenn die entsprechende Quartalsmeldung gegenüber der Landesstelle nicht termingerecht erfolgt ist. Denn unter den vorliegend gegebenen Voraussetzungen der Untätigkeitsklage war die Beklagte zum Erlass eines Erstattungsbescheides im Zeitpunkt der Klageerhebung verpflichtet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.1.1998 - 15 A 5800/95 - (Seiten 15 - 18 des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

Ende der Entscheidung

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