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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 09.11.2006
Aktenzeichen: 15 A 2407/05
Rechtsgebiete: GG, HRG, StKFG


Vorschriften:

GG Art. 75 Nr. 1a
HRG § 37 Abs. 3
StKFG § 5 Nr. 2
Bei der Erhebung von Studiengebühren darf die Gewährung eines Ausgleichs für Studienverzögerungen wegen der Mitwirkung in Organen der Hochschule, Studierendenschaft oder Studentenwerke auf maximal drei Bonussemester beschränkt werden.
Tatbestand:

Mit Bescheid vom 10.1.2004 forderte die Beklagte den Kläger für das Sommersemester (SS) 2004 zur Zahlung einer Studiengebühr in Höhe von 650 Euro auf und führte zur Begründung aus, der Kläger habe die 1,5 fache Regelstudienzeit seines Studiengangs überschritten. Ebenfalls unter dem 10.1.2004 erstellte die Beklagte für den Kläger einen Kontoauszug, der zum SS 2004 ein Studienguthaben von 0 Semesterwochenstunden (SWS) auswies.

Der Kläger legte gegen die Bescheide Widerspruch ein und stellte am 14.5.2004 einen Antrag auf Gewährung von Bonusguthaben gemäß § 5 StKFG. Daraufhin gewährte die Beklagte dem Kläger ein Bonusguthaben in Höhe von drei Regelabbuchungen und erteilte ihm mit Schreiben vom 19.5.2004 einen neuen Kontoauszug, der - auch unter Berücksichtigung des gewährten Bonusguthabens - zum SS 2004 wiederum kein Restguthaben auswies.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.5.2004 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Gebührenbescheid vom 10.1.2004 zurück. Der Kläger legte gegen den Kontoauszug vom 19.5.2004 Widerspruch ein, der unbeschieden geblieben ist. Seine Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Gründe:

Soweit sich die Klage auf die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung weiterer Bonussemester und die Ausstellung eines korrigierten Kontoauszugs richtet, ist sie als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft. Das auf Gewährung weiteren Bonusguthabens gerichtete Begehren des Klägers lässt sich nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Studiengebührenbescheid durchsetzen, sondern ist nach der Konzeption des § 5 Nr. 2 StKFG als der einschlägigen Rechtsgrundlage im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen. Gemäß § 5 Nr. 2 StKFG ist die Gewährung von Bonusguthaben nicht etwa lediglich rechtlich unselbstständiger Bestandteil der Gebührenfestsetzung im Gebührenbescheid. Vielmehr erfolgt die Gewährung von Bonusguthaben in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren, das auf Antrag eingeleitet wird und mit einer Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles und damit mit einem Verwaltungsakt endet. Im Wege der Verpflichtungsklage zu verfolgen ist auch die Verpflichtung der Beklagten zur Ausstellung eines die entsprechende Anzahl von Bonussemestern berücksichtigenden Kontoauszuges für das SS 2004. Dieser als Verwaltungsakt anzusehende Kontoauszug ist die vom Gesetz vorgesehene Grundlage für die Entscheidung über die Gebührenerhebung (wird ausgeführt).

Die fehlende Durchführung des Vorverfahrens hinsichtlich der beiden Verpflichtungsbegehren steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, weil angesichts des am 28.5.2004 erhobenen und bislang nicht beschiedenen Widerspruchs insoweit die Voraussetzungen der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vorliegen. Dieser Widerspruch richtet sich sinngemäß nicht allein gegen den Kontoauszug vom 19.5.2004, sondern auch gegen die darin dokumentierte Ablehnung der Anerkennung weiterer Bonussemester.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung weiteren Bonusguthabens. Dementsprechend ist weder der Kontoauszug vom 19.5.2004 für das SS 2004 noch der Gebührenbescheid der Beklagten vom 10.1.2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19.5.2004 zu beanstanden.

Der Gewährung eines weiteren Bonusguthabens steht § 5 Nr. 2 StKFG entgegen, wonach Bonusguthaben für die Mitwirkung als gewählter Vertreter in Organen der Hochschule, der Studierendenschaft oder der Studentenwerke höchstens dreimal in Höhe einer Regelabbuchung gewährt werden kann. Dem Kläger ist bereits ein Bonusguthaben in dieser Höhe gewährt worden, so dass er ein weiteres Bonusguthaben nicht beanspruchen kann.

Die Begrenzung des zu gewährenden Bonusguthabens durch § 5 Nr. 2 StKFG verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch - was hier allein in Betracht gezogen werden könnte - gegen § 37 Abs. 3 HRG (soweit es um die Anerkennung von Bonus-Semestern wegen Mitwirkung in Organen der Hochschule geht) bzw. gegen § 41 Abs. 3 HRG a.F. i.V.m. § 37 Abs. 3 HRG (soweit es um die Anerkennung von Bonus-Semestern wegen Mitwirkung in den Organen der Studierendenschaft geht).

Gemäß § 37 Abs. 3 HRG dürfen die Hochschulmitglieder wegen ihrer Tätigkeit in der Selbstverwaltung nicht benachteiligt werden. § 37 HRG regelt ausschließlich die allgemeinen Grundsätze der Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule (Hervorhebung durch den Senat). Dementsprechend betrifft auch § 37 Abs. 3 HRG das Benachteilungsverbot von Hochschulmitgliedern wegen ihrer Tätigkeit in der Selbstverwaltung der Hochschule, wozu nach nordrhein-westfälischem Landesrecht insbesondere die Rektorin oder der Rektor, das Rektorat und der Senat (§ 18 HG) zählen. Demgegenüber ist § 37 Abs. 3 HRG unmittelbar nicht einschlägig, soweit eine Tätigkeit in Organen der Studierendenschaft (Studierendenparlament und Allgemeiner Studentenausschuss, vgl. § 74 Abs. 1 HG) in Rede steht (dazu unten).

§ 37 Abs. 3 HRG scheidet als Maßstab für die Rechtmäßigkeitsprüfung des § 5 Nr. 2 StKFG von vornherein aus, soweit es um die Gewährung von Bonusguthaben für die Mitwirkung in Organen der Studentenwerke geht. Die Studentenwerke sind nach § 1 Abs. 1 StWG eigenständige rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts und damit keine Organe der Hochschule oder der Studierendenschaft.

Das in § 37 Abs. 3 HRG enthaltene Benachteiligungsverbot wird nicht dadurch verletzt, dass nach § 5 Nr. 2 StKFG insgesamt nur drei Bonus-Semester für die Mitwirkung in Organen der Hochschule anerkannt werden können. Dabei kann der Senat offen lassen, ob die Pflicht zur Zahlung von Studiengebühren, die für alle und damit auch für die in der Selbstverwaltung tätigen Studenten besteht, wenn sie über kein Studienguthaben mehr verfügen, überhaupt eine i.S. von § 37 Abs. 3 HRG beachtliche Benachteiligung darstellen kann. Jedenfalls ist die Anerkennung von drei Bonus-Semestern für die Tätigkeit in Organen der Hochschule durch § 5 Nr. 2 StKFG ausreichend, um etwaige rechtsrelevante Nachteile von vornherein auszuschließen.

§ 5 Nr. 2 StKFG verstößt nicht gegen § 37 Abs. 3 HRG. Das in § 37 Abs. 3 HRG enthaltene Benachteiligungsverbot erschöpft sich nicht in einem Verbot zielgerichteter Diskriminierungen. Es soll daneben auch den Eintritt rechtlicher oder tatsächlicher Nachteile verhindern, die wegen der Tätigkeit in einem der genannten Gremien entstehen können. Soweit es - wie hier - um die Frage geht, inwieweit das Engagement in der Selbstverwaltung im Hinblick auf die Langzeitstudiengebührenpflicht zu berücksichtigen ist, eröffnet § 37 Abs. 3 HRG als Rahmenvorschrift dem Landesgesetzgeber einen Konkretisierungsspielraum, der durch § 5 Nr. 2 StKFG nicht überschritten wird.

Der Wortlaut des § 37 Abs. 3 HRG "dürfen ... nicht benachteiligt werden" spricht zunächst eher für ein restriktives Normverständnis als reines Unterlassungsgebot im Sinne der Unzulässigkeit einer zielgerichteten Diskriminierung. Insoweit würde § 37 Abs. 3 HRG allerdings mehr oder weniger Selbstverständliches regeln, nämlich, dass etwa bei Prüfungen, Beförderungen, Promotionen und Berufungen niemand benachteiligt werden darf, weil er sich an den Aufgaben der Selbstverwaltung beteiligt hat. Der gesetzessystematische Zusammenhang zwischen dem dritten und dem ersten Absatz des § 37 HRG (Pflicht zur Mitwirkung an der Selbstverwaltung) deutet allerdings einen weitergehenden - über ein reines Diskriminierungsverbot hinausreichen - Norminhalt an. Werden die Hochschulmitglieder durch § 37 Abs. 1 HRG zur Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule verpflichtet, so soll durch § 37 Abs. 3 HRG sicher gestellt werden, dass ihnen keine Nachteile aus dieser Tätigkeit entstehen. Ein Rückgriff auf die Entstehungsgeschichte des § 37 Abs. 3 Satz 3 HRG bestätigt dieses Normverständnis. Im ersten Gesetzentwurf der damaligen Bundesregierung war eine § 37 Abs. 3 HRG entsprechende Regelung in § 40 Abs. 3 Satz 1 HRG-E vorgesehen.

BT-Drs. 7/1328, 11.

Diese Bestimmung lautete: "Den Hochschulmitgliedern darf aus ihrer Tätigkeit in der Selbstverwaltung kein Nachteil entstehen." In der Begründung des Gesetzentwurfes,

BT-Drs. 7/1328, 63,

heißt es dazu: "Satz 1 legt fest, dass ihnen (d.h. den Hochschulmitgliedern) aus der Selbstverwaltungstätigkeit kein Nachteil entstehen darf. Die Bestimmung soll den in der Selbstverwaltung tätigen Hochschulmitgliedern keine Vorteile verschaffen, sondern verhindern, dass sie durch ihre Selbstverwaltungstätigkeit rechtlich oder tatsächlich schlechter gestellt werden, als sie ohne diese Tätigkeit gestellt wären. Für Studenten konkretisiert § 18 Absatz 2 diesen Grundsatz im Zusammenhang mit den Regelstudienzeiten: die Tätigkeit in den Organen der Hochschule und der Studentenschaft wird als besonderer Grund für die Gewährung einer über 6 Monate hinausgehenden Nachfrist für die Meldung zur Prüfung anerkannt. Nach § 40 Absatz 3 Satz 1 ist die Tätigkeit von Studenten in der Selbstverwaltung aber auch bei weiteren Angelegenheiten zu berücksichtigen, insbesondere im Rahmen der Ausbildungsförderung." § 40 Abs. 3 Satz 1 HRG-E ist anschließend auf einen lediglich mit dem Interesse an Klarstellung begründeten Änderungsvorschlag des damaligen Ausschusses für Bildung und Wissenschaft gleichlautend mit der aktuellen Gesetzesfassung formuliert worden.

BT-Drs. 7/2932, S.16.

§ 37 Abs. 3 HRG soll danach - neben einem Diskriminierungsverbot - aus der Selbstverwaltungstätigkeit entstehende rechtliche oder tatsächliche Nachteile verhindern.

Vgl. Dallinger, in: Dallinger, HRG, § 37 Rn. 6; Reich, HRG, 8. Aufl. 2002, § 37 Rn. 9.

Insoweit stellt die Gesetzesformulierung "wegen ihrer Tätigkeit" und nicht etwa "durch ihre Tätigkeit" (Hervorhebungen durch den Senat) allerdings klar, dass die betroffenen Mitglieder die mit der Tätigkeit in der Selbstverwaltung typischerweise verbundenen zeitlichen, physischen und gegebenenfalls auch psychischen Belastungen zu tragen haben. Die daraus resultierende Beschwer mutet ihnen das Gesetz im Interesse der Hochschule grundsätzlich ohne eine Kompensation zu. Das Benachteiligungsverbot kann daher nur für Nachteile gelten, die über die vorgenannten Beschwernisse hinausgehen.

Vgl. Haase, in: Leuze/Epping, HG NRW (Stand: Juni 2005), § 12 Rn. 12 m.w.N.

Danach erfasst § 37 Abs. 3 HRG mit der Tätigkeit in der Selbstverwaltung verbundene Belastungen nur dann, wenn sie sich unvermeidbar nachteilig auf den Fortgang des Studiums auswirken und zu dessen Verlängerung führen. Auch insoweit kann jedoch nur eine der jeweiligen Benachteiligung angemessene Kompensation geboten sein, denn § 37 Abs. 3 HRG berechtigt Hochschulmitglieder nicht, sich aus der Tätigkeit in der Selbstverwaltung Vorteile zu verschaffen.

Vgl. Reich, HRG, 8. Aufl. 2002, § 37 Rn. 9

Deshalb kann § 37 Abs. 3 HRG von vornherein allenfalls zu einer Kompensation der im Einzelfall tatsächlich eingetretenen Studienverlängerung verpflichten. Im Regelfall wird es Studierenden nämlich möglich sein, neben einer Tätigkeit in einem Gremium der Selbstverwaltung auch noch ihr Studium - sei es in vollem oder eingeschränktem Umfang - vorantreiben zu können. Deshalb darf Studierenden nicht ohne Weiteres für jedes Semester, in dem sie einem Gremium der Hochschulselbstverwaltung angehören, ein "Bonussemester" im Hinblick auf den Eintritt der Langzeitstudiengebührenpflicht eingeräumt werden. Eine dementsprechende Praxis würde sie jedenfalls in unzulässiger Weise besser stellen als Studierende, die ihr Studium ohne eine entsprechende Tätigkeit absolvieren.

A.A. Nagel, in: Denninger, Hochschulrahmengesetz, § 37 Rn. 25

Im Übrigen schreibt § 37 Abs. 3 HRG nicht zwingend vor, dass Studierenden eine vollständige Kompensation für den auf Grund der Gremientätigkeit erlittenen Zeitverlust zu gewähren ist. Mit der weitgehend kostenlosen zur Verfügung Stellung der für das Studium erforderlichen personellen und sachlichen Mittel ist im Interesse eines effektiven Mitteleinsatzes und wegen des Ziels, möglichst vielen Bewerbern ein Studium zu ermöglichen, die berechtigte Erwartung verbunden, dass die Studierenden ihr Studium umsichtig planen und zielstrebig durchführen. Diese Erwartung spiegelt sich in den durch §§ 10, 11 HRG vorgegebenen Regelstudienzeiten wieder. Deren Funktion liegt zwar in erster Linie in einer curricularen Zeitvorgabe für die Auswahl und Begrenzung der Lerninhalte. Daneben verfolgen sie aber auch das Ziel der optimalen Nutzung der kostspieligen Hochschuleinrichtungen.

BT-Drs. 7/1328, S. 42; vgl. auch Epping, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 10 Rn. 14.

Der Sache nach bezweckt die Regelstudienzeit daher auch eine Studienzeitbegrenzung nach oben, die ihren Sinn durch das hochschulpolitische Ziel erhält, die Dauer der Studien zu begrenzen, um die Hochschulstudiengänge zu entlasten.

Vgl. Epping, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 10 Rn. 14.

Dieser Zielsetzung entspricht die Obliegenheit auch der in der Hochschulselbstverwaltung tätigen Studierenden, die möglichst zügige Absolvierung des Studiums gegebenenfalls durch die Investition zusätzlichen zeitlichen Aufwandes in zumutbarem Umfang sicherzustellen. Es liegt nicht mehr innerhalb des Zwecks der Ausbildung, wenn Studierende eine Tätigkeit in der Selbstverwaltung entfalten, die ihnen ein noch sinnvolles Studium in absehbarer Zeit nicht mehr ermöglicht. Studierende sind deshalb gehalten, ein vertretbares Maß an Gremientätigkeit zu wahren. Die Gremientätigkeit darf danach im Vergleich zum Studium nur von untergeordneter Bedeutung sein.

BVerwG, Beschlüsse vom 1.6.1979 - BVerwG 5 B 75.78 - und vom 18.7.1986 - 5 B 21/85 -.

Diese Grundsätze gelten auch in Ansehung der Pflicht zur Mitwirkung an der Selbstverwaltung der Hochschule. Diese Pflicht entsteht von vornherein nur dann, wenn sich nicht genügend andere Bewerber freiwillig finden.

Dallinger, in: Dallinger, HRG, § 37 Rn. 3.

Im Übrigen kann die Übernahme einer Funktion in der Selbstverwaltung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 HG aus wichtigem Grund abgelehnt werden. Die inhaltsgleiche Bestimmung in § 37 Abs. 1 Satz 2 HRG a.F. ist durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes vom 20.8.1998 (BGBl. I, 2190) aufgehoben worden, weil der Bundesgesetzgeber eine dementsprechende rahmenrechtliche Vorgabe für entbehrlich angesehen hat.

BT-Drs. 13/8796, S.25.

§ 12 Abs. 1 Satz 2 HG eröffnet die Möglichkeit, eine Funktionsübernahme in Fällen individueller Unzumutbarkeit abzulehnen. Eine länger dauernde oder gar ständige Belastung mit Aufgaben der Selbstverwaltung kann einem einzelnen Mitglied nicht abverlangt werden.

Haase, in : Leuze/Epping, § 12 Rn. 7 m.w.N.

Ein wichtiger Grund für die Ablehnung einer Funktion in der Selbstverwaltung der Hochschule liegt deshalb jedenfalls vor, wenn die Übernahme der Selbstverwaltungstätigkeit die Beendigung des Studiums wesentlich verzögern würde. Zur Übernahme von Selbstverwaltungstätigkeiten in einem Umfang, der das eigentliche Studium in den Hintergrund treten lässt, kann ein Studierender nicht verpflichtet werden.

Die Beachtlichkeit der zeitlichen Inanspruchnahme durch Gremientätigkeit im Rahmen des § 37 Abs. 3 HRG ist danach in tatsächlicher Hinsicht abhängig von der Ermittlung des Zeitaufwandes im Einzelfall. In rechtlicher Hinsicht wird die Beachtlichkeit des so ermittelten Aufwandes begrenzt durch die Verpflichtung der Studierenden zu zusätzlichen zeitlichen Investitionen in zumutbarem Umfang und durch die Verpflichtung, ein zumutbares Maß an Gremientätigkeit zu wahren. Inwieweit Gremientätigkeit gemäß § 37 Abs. 3 HRG im Rahmen der Langzeitstudiengebührenpflicht zu berücksichtigen ist, lässt sich deshalb nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der vorgenannten Umstände beurteilen. Im Hinblick auf diese auf Konkretisierung angelegten Rechtsfindung im jeweiligen Einzelfall eröffnet § 37 Abs. 3 HRG als Rahmenvorschrift gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz1 Nr. 1a) GG dem Landesgesetzgeber einen Regelungsfreiraum, der durch § 5 Nr. 2 StKFG nicht überschritten wird.

Ob rahmenrechtliche Bestimmungen abschließende Vollregelungen enthalten oder dem Landesgesetzgeber Raum für eine inhaltliche Konkretisierung geben, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der besondere Charakter rahmenrechtlicher Vorschriften zu berücksichtigen. Nach Art. 75 Nr. 1a GG hat der Bund das Recht, unter den Voraussetzungen des Art. 72 GG Rahmenvorschriften über die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens zu erlassen. Der Gesetzgebung des Bundes im Bereich des Hochschulwesens sind damit mehrfache Grenzen gesetzt. Sie kann nur einen Rahmen darstellen, soweit ein Bedürfnis im Sinn des Art. 72 GG besteht. Gemäß Art. 75 Abs. 2 GG dürfen Rahmenvorschriften zudem nur in Ausnahmefällen in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. Schließlich darf ein Rahmengesetz nur die Grundsätze für das Hochschulwesen regeln, die wiederum nur allgemeiner Natur sein dürfen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2004 - 2BvF 2/02 -, BVerfGE 111,226, 246 ff.

Zwar darf der Bundesgesetzgeber beim Erlass von Rahmenvorschriften für einzelne Teile einer Gesetzgebungsmaterie auch eine Vollregelung mit unmittelbarer Wirkung namentlich dann treffen, wenn an der einheitlichen Regelung dieser Frage ein besonders starkes und legitimes Interesse besteht, sofern die Einzelregelung im Zusammenhang eines Gesetzeswerkes steht, das - als Ganzes gesehen - dem Landesgesetzgeber noch Spielraum lässt und darauf angelegt ist, von ihm aufgrund eigener Entschließung ausgefüllt zu werden.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.7.2004, a.a.O., 250 m.w.N.

Bei der Auslegung jeder rahmengesetzlichen Vorschrift ist die beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu berücksichtigen, die im Zweifel dafür spricht, dass eine Vorschrift auf eine Ausfüllung durch den Landesgesetzgeber hin angelegt ist.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 28.3.1984 - 2 BvL 2/82 -, BVerfGE 66, 270,

Ein dementsprechender Konkretisierungsspielraum kommt deshalb nicht nur dann in Betracht, wenn der Bundesgesetzgeber dies durch besondere Formulierungen wie "kann bestimmt werden" zum Ausdruck gebracht hat. Vielmehr muss die Frage der Ausfüllungsbedürftigkeit der Norm auch aus dem Sinn der einzelnen Vorschrift, aus ihrer Stellung im Zusammenhang des Gesetzes und aus der Entstehungsgeschichte der Norm beantwortet werden.

BVerfG, Beschluss vom 21.1.1969 - 2 BvL 11/64 -, BVerfGE 25, 142, 152.

Der Wortlaut des § 37 Abs. 3 HRG gibt noch keinen Aufschluss darüber, ob der Bundesgesetzgeber den Ländern hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots einen Regelungsfreiraum eingeräumt hat. Der oben dargelegte Sinn der Vorschrift und deren Entstehungsgeschichte sprechen aber für dieses Verständnis.

BT-Drs. 7/2932, 16, 49.

Die o.g. Begründung des Gesetzentwurfes verdeutlicht, dass der Gesetzgeber in den jeweils in Betracht kommenden Konstellationen für das allgemeine Benachteiligungsverbot die Möglichkeit eines gesetzlichen Konkretisierungsbedarfs gesehen hat. Ein dementsprechender Konkretisierungsbedarf besteht zwar nicht in Fällen unmittelbarer, insbesondere finaler Benachteilung, weil sich der insoweit erfasste Anwendungsbereich ohne weiteres aus der Vorschrift selbst erschließt. Auslegungsbedürftig und damit für den Landesgesetzgeber in unterschiedlicher Weise konkretisierbar sind aber die nach der Entstehungsgeschichte ebenfalls von der Norm erfassten Situationen möglicher mittelbarer Benachteiligungen (z.B. Meldung zur Prüfung/Ausbildungsförderung/Studiengebühren). Dieser Auslegungsbedarf besteht insoweit schon im Hinblick auf die Frage, ob überhaupt eine erhebliche Benachteiligung vorliegt, und sodann hinsichtlich der Überlegung, in welcher Weise diese Benachteiligung - soweit möglich - unterlassen bzw. ausgeglichen werden kann. Die insoweit gegebene Offenheit des Rahmengesetzes gibt dem Landesgesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Er kann die rahmenrechtliche Vorgabe unverändert übernehmen und ihre Konkretisierung im Einzelfall der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überlassen. Er kann aber auch das Vorliegen und die Modalitäten der Vermeidung mittelbarer Nachteile durch bereichsspezifische Bestimmungen regeln, auf diese Weise den in § 37 Abs. 3 HRG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen konkretere Konturen geben und dadurch die Rechtsanwendung von dieser Aufgabe entlasten.

Vgl. für das Nebentätigkeitsrecht: BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 2 C 32/04 -, BVerwGE 124, 347 ff.

Der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber hat von dem ihm durch § 37 Abs. 3 HRG eingeräumten Gestaltungsspielraum in differenzierter Weise Gebrauch gemacht. Im Grundsatz hat er die Regelung des § 37 Abs. 3 HRG durch § 12 Abs. 2 Satz 1 HG im Wesentlichen wortgleich in das Landesrecht übernommen und ihre Konkretisierung im Einzelfall der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überlassen. Mit der Einführung von allgemeinen Studiengebühren durch das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz vom 28.1.2003 hat er den durch § 37 Abs. 3 HRG gesteckten Rahmen im Hinblick auf die Erhebung von Studiengebühren durch § 5 Nr. 2 StKFG in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgefüllt.

Im Hinblick auf die gemäß § 11 HRG vorgegebene Regelstudienzeit sowie die Verpflichtung der Studierenden, die zeitlichen Belastungen durch Gremientätigkeit durch Mehrarbeit in zumutbarem Umfang auszugleichen und ein zumutbares Maß an Gremientätigkeit zu wahren, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Anzahl der sog. Bonussemester für eine Tätigkeit in der Selbstverwaltung der Hochschule auf 3 beschränkt wird. Diese Regelung ermöglicht es den Studierenden, sich in erheblichem Umfang, nämlich etwa für ein Drittel der üblichen Regelstudienzeit, ausschließlich in der universitären Selbstverwaltung zu engagieren, ohne dadurch eintretende Nachteile im Hinblick auf die Studiengebührenpflicht befürchten zu müssen. Nimmt eine Tätigkeit in der Selbstverwaltung die Arbeitskraft von Studierenden nur zu einem Teil in Anspruch, so kann die Gremientätigkeit ohne negative Auswirkungen auf die Langzeitstudiengebührenpflicht sogar über einen noch längeren Zeitraum erstreckt werden.

Die lediglich begrenzte Gewährung von Bonusguthaben verstößt auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgende Vertrauensschutzprinzip. Allerdings kommt den Regelungen des am 1.2.2003 in Kraft getretenen Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes (unechte) Rückwirkung zu,

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.12.2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518, egen die insoweit aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.6.2006 - 1 BvR 1938/05 -; vgl. auch Beschluss vom 31.3.2006 - 1 BvR 1750/01 - (Langzeitstudiengebühr nach dem baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz); BVerwG, Beschluss vom 12.7.2005 - 6 B 22/05 -; OVG NRW, Urteil vom 1.12.2004, a.a.O.

Dies gilt auch für § 5 Nr. 2 StKFG, der ebenfalls unechte Rückwirkung entfaltet, weil die damit vorgegebene Beschränkung des Bonusguthabens sich auch auf Tätigkeiten in der Selbstverwaltung vor dem In Kraft Treten des Gesetzes erstreckt. Die insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Schranken aus den rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit sowie der Verhältnismäßigkeit werden jedoch ebenfalls eingehalten. Diese sind überschritten, wenn der Einzelne sein Vertrauen auf den Fortbestand der bestehenden Rechtslage durch konkrete Grundrechtsbetätigung ins Werk gesetzt hat und die Enttäuschung dieses Vertrauens schwerer wiegt als die Interessen der Allgemeinheit an der Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 20.6.1978 - 2 BvR 71/76 -, BVerfGE 48, 403, 413 ff., vom 13.5.1986 - 1 BvR 99, 461/85 -, BVerfGE 72, 175, 196, vom 14.5.1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72, 200, 241 ff.; und vom 15.10.1996 - 1 BvL 44, 48/92 -, BVerfGE 95, 64, 86.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Wie das erkennende Gericht bereits entschieden hat, vgl. OVG NRW, Urteil vom 1.12.2004, a.a.O., ist eine etwaige Erwartung der Studierenden, ihr bisheriges Studienverhalten werde ohne gebührenrechtliche Auswirkungen bleiben, nicht schutzwürdig. Dies gilt auch hinsichtlich einer etwaigen Erwartung, die Tätigkeit in Gremien werde im Falle einer Gebührenerhebung unbegrenzt zu Gunsten des Gebührenpflichtigen berücksichtigt. Nach den vorstehenden Erwägungen bietet § 37 Abs. 3 HRG keine Grundlage für ein dementsprechendes schutzwürdiges Vertrauen.

§ 5 Nr. 2 StKFG ist im Hinblick auf § 37 Abs. 3 HRG auch insoweit unbedenklich, als es die Begrenzung des Bonusguthabens für die Mitwirkung in der Selbstverwaltung der Studierendenschaft betrifft. Insoweit verstößt § 5 Nr. 2 StKFG nicht gegen § 41 Abs. 3 Satz 1 HRG a.F. i.V.m. § 37 Abs. 3 HRG. Die Regelung in § 41 Abs. 3 Satz 1 HRG a.F., wonach § 37 Abs. 3 für die Mitwirkung in den Organen der Studierendenschaft entsprechend gilt, ist hier statt der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 41 Abs. 3 HRG i.d.F. des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (BGBl. I, S. 3138) heranzuziehen. Das Sechste Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes ist nämlich hinsichtlich der Änderung des § 41 HRG a.F. durch Urteil des BVerfG, BVerfG, Urteil vom 26.1.2005 - 2 BvF 1/03 -, BVerfGE 112, 226 ff., für nichtig erklärt worden. Dadurch ist allerdings im hier relevanten Zusammenhang keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Infolge der Entscheidung des BVerfG ist § 41 HRG a.F., der in Absatz 3 eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Verweisung enthielt, wieder in Geltung getreten. Wird eine Gesetz für nichtig erklärt, so lebt dadurch grundsätzlich die zuvor geltende Regelung wieder auf, es sei denn, das frühere Gesetz ist durch das - insoweit verfassungsrechtlich unbedenkliche - Änderungsgesetz ausdrücklich oder sinngemäß - in jedem Falle aufgehoben worden.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19.7.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 208, und vom 21.11.2001 - 1 BvL 19/93 u.a. -, BVerfGE 104, 126, 150; Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 6. Auflage 2004, Rn. 455 ff.

Davon kann hier nicht die Rede sein, zumal § 41 HRG die gemäß § 41 HRG a.F. noch fakultative Bildung von Studentenschaften (lediglich) obligatorisch vorgeschrieben hat. Im Hinblick darauf, dass das BVerfG in der vorgenannten Entscheidung gerade die Pflicht zur Bildung von Studierendenschaften als verfassungswidrig angesehen hatte, bestehen gegen die Heranziehung des § 41 Abs. 3 Satz 2 HRG a.F. auch insoweit keine Bedenken. Gilt damit das in § 37 Abs. 3 HRG enthaltene Benachteiligungsverbot entsprechend zwar auch für die Mitwirkung des in Organen der Studentenschaft, so wird es aber nicht dadurch verletzt, wenn nach § 5 Nr. 2 StKFG insgesamt nur drei Bonus-Semester anerkannt werden können. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden, wobei anzumerken ist, dass diese hier erst Recht gelten, weil - im Gegensatz zur Mitwirkungspflicht in Organen der Selbstverwaltung der Hochschule - eine gesetzliche Mitwirkungspflicht in Organen der Studierendenschaft nicht besteht. Eine solche Pflicht wird weder unmittelbar noch durch eine etwaige Verweisung auf § 37 Abs. 1 Satz 1 HRG begründet.

Die Anfechtungsklage ist ebenfalls unbegründet. Der angefochtene Gebührenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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