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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 15 A 2611/06
Rechtsgebiete: GG, GO NRW


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
GO NRW § 48
GO NRW § 56
1. Der Wegfall der 5%-Sperrklausel im nordrhein-westfälischen Kommunalwahlrecht begründet keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW über die personelle Mindeststärke von Ratsfraktionen.

2. Eine Gemeinde ist nicht verpflichtet, eine geschäftsordnungsrechtlich einmal gewährte, über die in der Gemeindeordnung geregelten Mindestanforderungen hinausgehende Erweiterung von Minderheitenrechten aufrechtzuerhalten.


Tatbestand:

Die Klägerin ist eine aus zwei Personen bestehende Gruppe im 74-köpfigen Rat der Stadt, dem Beklagten. Auf Vorschlag der Klägerin setze der Oberbürgermeister einen Punkt auf die Tagesordnung. Nach dessen Aufruf in der Ratssitzung beantragte ein Ratsmitglied im Wege des Geschäftsordnungsantrags den Übergang zur Tagesordnung (Nichtbefassung). Nach geschäftsordnungsmäßiger Gegenrede eines Mitglieds der Klägerin beschloss der Rat antragsgemäß. Die Klägerin sieht sich dadurch in ihrem Recht verletzt, einen Initiativantrag zu begründen. Die entsprechende kommunalverfassungsrechtliche Feststellungsklage, mit der u.a. geltend gemacht wurde, der Klägerin müssten unabhängig von § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW über die Fraktionsmindeststärke Fraktionsrechte und damit das Initiativrecht eingeräumt werden, wies das VG ab, den Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG ab.

Gründe:

An der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 56 Abs. 1 Satz 2 GO NRW, wonach bei einem Rat mit - wie hier - mehr als 57 Mitgliedern eine Fraktion aus mindestens drei Personen bestehen muss, so dass die Klägerin mit ihrer Stärke von zwei Personen keinen Fraktionsstatus genießt, bestehen keine Zweifel.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht dies nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des VerfGH NRW, der die sogenannte 5%-Sperrklausel für Kommunalwahlen nicht mehr ohne erneute Überprüfung ihrer Erforderlichkeit für zulässig hält.

Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 6.7.1999 - 14, 15/98 -, DVBl. 1999, 1271.

Der Wegfall der Sperrklausel für die Kommunalwahl hat zur Folge, dass Gruppierungen kleiner bis kleinster Stärke leichter im Rat vertreten sein können. Daraus folgt, dass es im Interesse der Funktionsfähigkeit der Ratsarbeit nunmehr sogar eher gerechtfertigt sein kann, Minderheitenrechte wie hier das Initiativrecht und das damit einhergehende Recht der Begründung der Initiative auf Gruppierungen mit einer Stärke von mehr als zwei Personen zu beschränken. Denn das Recht einer Gruppierung, nach den Grundsätzen der Wahlgleichheit entsprechend dem Wahlergebnis im Rat vertreten zu sein, deckt sich nicht mit einem Recht, bereits mit einer Stärke von zwei Personen Fraktionsrechte genießen zu dürfen. Fraktionen dienen einer effektiven Ratsarbeit, indem sie die unterschiedlichen Meinungen der in der Fraktion zusammengeschlossenen Mitglieder auf mehrheitlich für richtig befundene Standpunkte zusammenführen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, NVwZ-RR 2003, 59 (60), m.w.N.

Es kann daher dem Gesetzgeber auch nach dem Wegfall der 5%-Sperrklausel für das Wahlrecht nicht verwehrt werden, die Fraktionsrechte innerhalb des Rates erst Gruppierungen ab einer bestimmten, zwei übersteigenden Personenzahl zuzugestehen.

Es kommt nicht darauf an, dass - wie die Klägerin meint - die Funktionsfähigkeit schon deshalb nicht gefährdet sein könne, weil sie nur einen früher geltenden Zustand wiedererlangen möchte. Die genannte gesetzliche Regelung zur Fraktionsstärke besteht bereits seit 1994 (Bekanntmachung der Gemeindeordnung vom 14.7.1994, GV NRW S. 666). Ob die Stadt früher von der auch nach der gesetzlichen Regelung gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, das Initiativrecht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 GO NRW kraft ihrer Geschäftsordnung auch auf Gruppierungen unterhalb der Fraktionsstärke auszuweiten, vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 30.3.2004 - 15 A 2360/02 -, NVwZ-RR 2004, 674, und davon nunmehr abgerückt ist, ist unerheblich, da die Gemeinde nicht verpflichtet ist, eine einmal gewährte, über die in der Gemeindeordnung geregelten Mindestanforderungen hinausgehende Erweiterung von Minderheitenrechten aufrechtzuerhalten.

Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip des Art 20 Abs. 3 GG vor, weil über den von der Klägerin gestellten Antrag nicht ohne Antragsbegründung habe entschieden werden können. Es liegt nämlich ausschließlich in der Entscheidung des Rates, wie intensiv er sich mit einem Antrag befassen will. Auf ein aus dem Initiativrecht folgendes Recht der Begründung der Initiative, vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 21.12.1988 - 15 A 951/87 -, DöV 1989, 595, kann sich die Klägerin nicht stützen, da ihr ein Initiativrecht nicht zustand.

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