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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: 15 A 2667/02
Rechtsgebiete: KAG NRW, BBahnG, AEG, LWG


Vorschriften:

KAG NRW § 8
BBahnG § 36
AEG § 18
LWG § 51a
1. Für eisenbahnrechtlich gewidmete Grundstücke entsteht die Kanalanschlussbeitragspflicht nicht mit der bloßen Möglichkeit des Anschlusses, sondern frühestens mit dem tatsächlichen Anschluss.

2. Wird in einem Beitragsbescheid die niedrigere Festsetzung des Beitrags aus Billigkeitsgründen nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 163 Satz 1 und 3 AO verfügt, darf im auf den Widerspruch gegen die Beitragsfestsetzung ergehenden Widerspruchsbescheid nur dann ein davon abweichender höherer Beitrag festgesetzt werden, wenn die begünstigende Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 130 Abs. 2 oder § 131 Abs. 2 AO aufgehoben worden ist.

3. Einzelfall eines Hindernisses für die Entstehung der Teilbeitragspflicht für Niederschlagswasser auf Grund einer Verpflichtung des Grundstückseigentümers zu ortsnaher Niederschlagswasserbeseitigung nach § 51a LWG.


Tatbestand:

Der Kläger erwarb 1996 von der Bundesrepublik Deutschland - Bundeseisenbahnvermögen - ein Grundstück, das mit einem seit Jahren nicht mehr für Eisenbahnzwecke genutzten Lokschuppen und zu ihm führenden Gleisen bebaut war. Der Lokschuppen war zwischenzeitlich an eine Gerüstbaufirma vermietet, die auch einen Bürotrakt an den Lokschuppen anbaute. An dem Grundstück führt der Z.-Weg vorbei, in dem seit 1988 ein Mischwasserkanal lag. 1997 setzte der beklagte Bürgermeister gegen den Kläger einen Kanalanschlussbeitrag für die Möglichkeit der Einleitung von Schmutz- und Niederschlagswasser fest, legte aber eine um 1.500 qm verminderte Fläche, die er für baulich nicht nutzbar hielt, zu Grunde. Sodann wurde das Grundstück hinsichtlich des Schmutzwassers an die Kanalisation angeschlossen, während das Niederschlagswasser versickert wurde. Den Widerspruch gegen den Beitragsbescheid wies der Beklagte zurück und setzte zugleich einen höheren Beitrag fest, indem er nunmehr der Berechnung auch die zuvor unberücksichtigt gelassenen 1.500 qm in die Beitragsberechnung einbezog. Das VG gab der Klage statt, weil Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Beitragspflicht sei wegen der schon seit 1988 bestehenden Anschlussmöglichkeit entstanden. Im Berufungsverfahren entwidmete das Eisenbahnbundesamt das Grundstück. Das OVG änderte das erstinstanzliche Urteil dahin, dass es den Bescheid nur hinsichtlich der Festsetzung eines Schmutzwasserteilbeitrags auf der Basis einer um 1.500 qm verminderten Fläche aufrecht erhielt, im Übrigen aber die Aufhebung des Bescheides bestätigte.

Gründe:

Das VG hat die zulässige Klage zu Unrecht abgewiesen, soweit ein Teilbeitrag für den Anschluss bezüglich des Schmutzwassers in Höhe von 26.005,59 DM in Rede steht. Der angefochtene Beitragsbescheid ist insoweit rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet in diesem Umfange seine Rechtfertigung in § 8 KAG NRW in Verbindung mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Stadt (KABS).

Nach § 1 KABS erhebt die Stadt zum Ersatz ihres durchschnittlichen jährlichen Aufwandes für die Herstellung und Erweiterung der öffentlichen Abwasseranlage und als Gegenleistung für die durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme gebotenen wirtschaftlichen Vorteile einen Anschlussbeitrag. Gemäß § 2 Abs. 2 KABS unterliegt ein Grundstück, das an die Abwasseranlage angeschlossen wird, unabhängig von der bei einer nur gewährten Anschlussmöglichkeit erforderlichen und nach § 2 Abs. 1 KABS zu beurteilenden Baulandqualität der Beitragspflicht.

Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Regelung OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 1833/01 -, NVwZ-RR 2003, 383.

Das hier in Rede stehende Grundstück ist 1997 hinsichtlich des Schmutzwassers an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen worden. In diesem Zeitpunkt ist nach § 4 Abs. 2 KABS die Beitragspflicht in Gestalt einer Teilbeitragspflicht nach § 3 Abs. 10 für einen Schmutzwasseranschluss entstanden.

Entgegen der Auffassung des VG ist eine Beitragspflicht zuvor nicht entstanden, sodass auch keine Festsetzungsverjährung (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. §§ 169, 170 Abs. 1 AO) hat eintreten können. Voraussetzung für das Entstehen einer Beitragspflicht vor einem tatsächlichen Anschluss für die bloße Möglichkeit eines Anschlusses war nach § 2 Abs. 1 KABS, dass entweder für das Grundstück eine bauliche oder gewerbliche Nutzung (Buchst. a der Vorschrift) oder eine Nutzung zu Lager- oder Parkplatzflächen (Buchst. c der Vorschrift) festgesetzt war oder dass das Grundstück bebaut oder nach der Verkehrsauffassung Bauland war und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinde zur Bebauung anstand (Buchst. b der Vorschrift). Diese rechtlichen Voraussetzungen galten, seit im Z.-Weg 1988 ein Mischwasserkanal verlegt war. Die Voraussetzungen der Buchstaben a und c waren vor dem tatsächlichen Anschluss nicht gegeben, die Voraussetzung "bebaut" in Buchstabe b lag zwar vor, jedoch handelt es sich insoweit nicht um eine wirksame beitragsrechtliche Vorschrift, die alternativen Voraussetzungen der Vorschrift lagen nicht vor.

Für das Grundstück gab es weder eine kanalanschlussbeitragsrechtlich relevante Nutzungsfestsetzung, noch handelte es sich um Bauland. Der Beitrag wird als Gegenleistung dafür erhoben, dass dem Grundstückseigentümern durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden (§ 8 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW). Bei Baulandcharakter aufweisenden Grundstücken besteht der wirtschaftliche Vorteil in der Erhöhung des Gebrauchswertes des Grundstücks dahin, dass erst durch die zur Inanspruchnahme gebotene Entwässerungsanlage eine bauliche Nutzung möglich wird bzw. - bei schon bebauten Grundstücken -, dass eine nur provisorische Entwässerung durch eine endgültige und ordnungsgemäße Erschließung ersetzt wird.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.3.2004 - 15 A 1151/02 -, NVwZ-RR 2004, 679 (681).

Erst die durch den Baulandcharakter gesicherte Bebaubarkeit des Grundstücks gewährleistet die erforderliche dauerhaft gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 1833/01 -, NVwZ-RR 2003, 383.

Deshalb fehlt etwa der durch die bloße Möglichkeit des Anschlusses gewährte wirtschaftliche Vorteil bei - auch bebauten - Außenbereichsgrundstücken, die im Allgemeinen baulich nicht genutzt werden können (§ 35 BauGB). Für solche Grundstücke kann ein beitragsrechtlich relevanter Vorteil erst dann bejaht werden, wenn das Grundstück tatsächlich angeschlossen wird und sich damit der Vorteil einer bloßen Inanspruchnahmemöglichkeit zu einer aktualisierten Inanspruchnahme verdichtet hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.3.2001 - 15 A 399/01 -, S. 3 f. des amtl. Umdrucks; Urteil vom 15.2.2000 - 15 A 5328/96 -, S. 15 f. des amtl. Umdrucks.

Hier handelte es sich um Gelände, das bis zum Außerkrafttreten der Vorschrift der bundesbahnrechtlichen Fachplanung nach § 36 BBahnG vom 13.12.1951 (BGBl. I S. 955) unterlag. Es konnte daher weder als Grundstück, für das eine Nutzung i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchst. a und c KABS festgesetzt war, noch als Bauland i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchst. b KABS eingestuft werden.

Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BBahnG durften neue Anlagen der Deutschen Bundesbahn nur dann gebaut oder bestehende Anlagen nur dann geändert werden, wenn der Plan zuvor festgestellt worden war. Dieser fachplanungsspezifische Vorbehalt bedeutete nicht nur, dass für die Errichtung von Vorhaben und Anlagen der Bahn kein bauaufsichtliches Verfahren stattfand, in dem die §§ 29 ff. BauGB anzuwenden waren (vgl. § 38 Satz 1 BauGB). Vielmehr folgte aus dem Vorbehalt zu Gunsten der bahnrechtlichen Planfeststellung auch, dass "bundesbahnfremde" bauliche Anlagen nicht zugelassen werden durften, wenn und soweit sie sich mit der besonderen Zweckbestimmung einer planfestgestellten Anlage der Bahn nicht in Einklang bringen ließen. Dieser Fachplanungsvorbehalt galt auch für alte Bahnanlagen, die nicht durch einen förmlichen Planfeststellungsbeschluss gewidmet worden waren, sondern bei denen die Feststellung der Pläne bereits vorher unter Geltung der Reichsbahngesetze erfolgt war, sowie für diejenigen Anlagen, die als vorhandene - entweder planfestgestellte oder in anderer Weise dem Betrieb der Bahn gewidmete - Anlagen auf das Sondervermögen "Deutsche Bundesbahn" (§ 1 BBahnG) übergegangen waren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, DVBl. 1989, 458 (459).

Infolge dieses Fachplanungsvorbehalts war die kanalanschlussbeitragsrechtlich relevante Nutzung so stark von einer Einzelentscheidung in Planfeststellungsverfahren oder von der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der fachplanerischen Zweckbindung abhängig, dass eine dauerhaft gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit, wie sie bei - im Geltungsbereich von Bebauungsplänen oder im unbeplanten Innenbereich gelegenem - Bauland geboten wird, nicht bestand. Der beitragsrelevante wirtschaftliche Vorteil wird hier - nicht anders wie bei im Außenbereich gelegenen Grundstücken - erst dann geboten, wenn sich der Vorteil einer bloßen Inanspruchnahmemöglichkeit zu einer aktualisierten Inanspruchnahme durch tatsächlichen Anschluss verdichtet hat.

Die Beitragspflicht konnte durch eine bloße Anschlussmöglichkeit auch nicht deshalb entstehen, weil das Grundstück i.S.d. § 2 Abs. 1 Buchst. b KABS bebaut war, ohne schon den Charakter von Bauland im oben beschriebenen Sinne zu haben. Die Kanalanschlussbeitragspflicht ist grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn die beitragsauslösende Inanspruchnahmemöglichkeit auf Dauer gesichert ist, weil erst dies den die Beitragserhebung rechtfertigenden wirtschaftlichen Vorteil vermittelt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 1833/01 -, NVwZ-RR 2003, 383.

Bei Bauland im oben beschriebenen Sinne ist dies der Fall, weil die einen Entwässerungsbedarf auslösende Bebauung jederzeit, auch nach Beseitigung einer vorhandenen Bebauung, möglich ist.

Vgl. dazu, dass erst der Baulandcharakter des Grundstücks den anschlussbeitragsrechtlichen wirtschaftlichen Vorteil vermittelt, OVG NRW, Urteil vom 14.6.1988 - 2 A 1980/85 -, S. 12 f. des amtlichen Umdrucks; Beschluss vom 17.11.1987 - 2 B 1389/87 -, AgrarR 1988, 295; Urteil vom 27.7.1976 - II A 805/75 -, VerwRspr. 28, Nr. 106, S. 466; ebenso nach dem Anschlussbeitragsrecht Mecklenburg-Vorpommerns OVG M.-V., Beschluss vom 23.7.2003 - 1 M 87/03 -, juris, R. 21.

Eine satzungsrechtliche Vorschrift, die ein Grundstück, das nicht als Bauland eingestuft werden kann, alleine wegen des Umstandes vorhandener Bebauung der Kanalanschlussbeitragspflicht unterwirft, wie es die hier in Rede stehende Beitragssatzung tut, ist daher nur dann anwendbar, wenn eine Wiederbebauung nach Beseitigung der vorhandenen Baulichkeiten ohne Weiteres möglich ist. Diese Voraussetzung fehlt für ein eisenbahnrechtlich gewidmetes Grundstück wegen der oben dargestellten Abhängigkeit zulässiger Bebauung von einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung oder von der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit der fachplanerischen Zweckbindung. Für ein solches Grundstück wird erst mit der Herstellung seines tatsächlichen Anschlusses aus dem beitragsrechtlich noch irrelevanten Vorteil einer bloßen Inanspruchnahmemöglichkeit der durch Inanspruchnahme begründete volle wirtschaftliche Vorteil.

Die veranlagten Flächen unterlagen dem Fachplanungsvorbehalt des § 36 BBahnG. Zwar hat sich die genaue Entstehungsgeschichte des Lokschuppens und seiner Nebenanlagen nicht klären lassen. Angesichts der objektiven Funktion des Gebäudes und seiner Gleisanbindung hat der Senat jedoch keinen Zweifel, dass das Gelände Bundesbahnzwecken gewidmet war. Diese Wirkung ist durch die bloße Nutzungsaufgabe, die schon vor der Vermietung des Lokschuppens an die Gerüstbau GmbH und den damit einhergehenden baulichen Veränderungen im Jahre 1984 erfolgte, nicht entfallen. Die Entlassung einer Fläche aus der bundesbahnrechtlichen Planungshoheit kann vielmehr nur durch Funktionsloswerden einer bestehenden Fachplanung einer Fläche als Bahnanlage oder durch Entwidmung mittels hoheitlichen Akts mit einem Mindestmaß an Publizität erfolgen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.1988 - 4 C 48.86 -, DVBl. 1989, 458 (460 f.).

Selbst eine baurechtlich genehmigte jahrzehntelange bahnfremde Nutzung macht nicht notwendig eine förmliche Entwidmung entbehrlich.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.2.1990 - 4 B 1.90 -, DÖV 1990, 475.

Eine solche förmliche Entwidmungserklärung ist jedoch erst durch Verfügung vom 18.4.2002 ausgesprochen worden.

Der so festgestellte bundesbahnrechtliche Fachplanungsvorbehalt ist auch nicht funktionslos geworden. Dabei kommt es nicht - wie bei einem Bebauungsplan - darauf an, ob konkrete bundesbahnrechtliche Zweckbestimmungen (hier: Lokschuppen) funktionslos geworden sind. Dies beträfe alleine die Festsetzungen eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, ließe aber den hier maßgeblichen Fachplanungsvorbehalt des § 36 BBahnG unberührt. Im Gegenteil begründete das Funktionsloswerden konkreter festgesetzter bundesbahnrechtlicher Nutzungen gerade eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Ausübung der Fachplanung, um die Flurstücke einer anderen bundesbahnrechtlichen Nutzung zuzuführen, wenn nicht die Entwidmung ausgesprochen werden soll. Entscheidend für den Wegfall des Fachplanungsvorbehalts durch Funktionslosigkeit ist vielmehr, dass die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der die Ausübung einer bundesbahnrechtlichen Fachplanung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung des Fachplanungsvorbehalts gesetzten Vertrauens die Schutzwürdigkeit nähme.

Vgl. zur Funktionslosigkeit der Festsetzung eines Bebauungsplans: BVerwG, Beschluss vom 29.5.2001 - 4 B 33.01 -, NVwZ 2001, 1055 (1056); Urteil vom 29.4.1977 - IV C 39.75 -, BVerwGE 54, 5 (11).

Eine solche Konstellation lag hier nicht vor: Die bloße Aufgabe der Bahnnutzung an dem Lokschuppen führte von vornherein nicht zur Funktionslosigkeit des Fachplanungsvorbehalts, da mit einer Wiederaufnahme der Bahnnutzung durch Ausübung der Fachplanung gerechnet werden musste. Auch die Vermietung des Lokschuppens an die Gerüstbau GmbH mit Errichtung eines Bürovorbaus hat den Fachplanungsvorbehalt nicht funktionslos werden lassen. Eine bahnfremde Nutzung kann allenfalls dann zur Funktionslosigkeit des Fachplanungsvorbehalts führen, wenn das in Rede stehende Gelände vollständig aus dem Zusammenhang der Bahnnutzung herausgelöst und in einer Weise bebaut wird, die eine Bahnnutzung praktisch ausschließt, und wenn mit einer Beseitigung der Bebauung zum Zwecke der Wiederaufnahme der Bahnnutzung wegen der damit verbundenen Wertevernichtung nicht ernsthaft gerechnet werden kann. Die hier in Rede stehende bloße Nutzungsänderung in Bezug auf den Lokschuppen und der Anbau eines Bürotraktes standen aber der Wiederaufnahme einer Bahnnutzung nicht im Wege. Im Gegenteil vermittelt die nur geringfügige und nutzungsneutrale bauliche Veränderung eher den Eindruck, dass eine Zwischennutzung gesucht wurde, bevor eine endgültige Entscheidung über die weitere Nutzung des Geländes oder über seine Entwidmung getroffen wurde.

An dieser Lage, nämlich der Existenz eines Fachplanungsvorbehalts bei bahnfremder Nutzung, hat sich durch das Außerkrafttreten des Bundesbahngesetzes am 1.1.1994 (vgl. Art. 8 § 1 Nr. 2, Art. 11 ENeuOG vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378) nichts geändert. Ab diesem Zeitpunkt unterlag das Gelände der Planfeststellung nach § 18 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG).

Vgl. zur Reichweite des Fachplanungsvorbehalts des § 18 AEG auch in der ursprünglichen Fassung nach Art. 5 § 18 Abs. 1 Satz 1 ENeuOG Kramer, Erläuterungen zum Allgemeinen Eisenbahngesetz, in: Das Deutsche Bundesrecht, Loseblattsammlung (Stand: März 2005), Nr. VI B 10, S. 63; vgl. zur Notwendigkeit einer Entwidmung auch nach Inkrafttreten des Eisenbahnneuordnungsgesetzes BVerwG, Beschluss vom 27.4.1998 - 4 B 33.98 -, BRS 60, Nr. 155, S. 552 (554).

Konnte somit die Teilbeitragspflicht für die Einleitung von Schmutzwasser erst mit dem tatsächlichen Anschluss am 18.6.1997 entstanden, war der Beitragsanspruch im Zeitpunkt der Festsetzung durch Bescheid vom 10.3.1997, zugestellt am 14.3.1997, nicht nur festsetzungsverjährungsrechtlich nicht zu spät, sondern sogar zu früh, sodass der ursprünglich rechtswidrige Beitragsbescheid mit dem tatsächlichen Anschluss hinsichtlich der Festsetzung des Schmutzwasserteilbetrages geheilt wurde.

Vgl. zur Heilung von Beitragsbescheiden ex nunc OVG NRW, Beschluss vom 29.6.2000 - 15 A 3227/00 -, S. 3 des amtl. Umdrucks; Beschluss vom 13.7.1998 - 15 A 3798/95 -, S. 2 f. des amtl. Umdrucks.

Allerdings ist der Teilbeitrag zu hoch festgesetzt worden. Nach der Beitragssatzung wäre für das aus den Flurstücken 71, 264 und 267 bestehende Grundstück mit einer Gesamtfläche von 7.212 m² unter Zugrundelegung einer Geschossfläche von 0,4 (§ 3 Abs. 6 Buchst. a KABS) und einer Erhöhung um 0,4 wegen überwiegend gewerblicher Nutzung (§ 3 Abs. 7 KABS) bei einem Teilbeitragssatz für Schmutzwasser von 70 % des Vollbeitrags (8,13 DM je Verteilungsanteil, § 3 Abs. 10 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a KABS) ein Teilbeitrag von 32.834,79 DM entstanden. Dies ist jedoch nur in einer Höhe von 26.005,59 DM geschehen. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Betrages ist die Teilbeitragsforderung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. §§ 47, 163 Satz 1 und 3 AO gleichzeitig mit der Entstehung sofort wieder erloschen.

Nach diesen Vorschriften erlischt eine Abgabenforderung u.a. durch Erlass. Hier ist die Forderung in der genannten Höhe erloschen, weil sie der Beklagte im Bescheid vom 10.3.1997 in dieser Höhe erlassen hat.

Allerdings ist dies nicht ausdrücklich geschehen. Vielmehr wird in der Begründung des Bescheides lediglich ausgeführt, dass das Grundstück 7.212 m² groß sei, jedoch von dieser Grundstücksgröße 1.500 m² (westlicher Teil) in Abzug gebracht würden, da dieser Teil für eine Bebauung nicht geeignet sei. Sodann wird auf dieser Basis der Vollbeitrag errechnet und festgesetzt. Es kommt jedoch weder darauf an, dass keine ausdrückliche Billigkeitsmaßnahme getroffen wurde, noch darauf, ob der Beklagte überhaupt eine solche hat treffen wollen. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 163 Satz 1 und 3 AO können einzelne Beitragserhebungsgrundlagen, die den Beitrag erhöhen, bei der Festsetzung des Beitrags unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung des Beitrags nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, wobei diese Entscheidung über die abweichende Festsetzung mit der Beitragsfestsetzung verbunden werden kann. Beitragserhebungsgrundlagen sind einzelne Tatsachen, die für sich alleine oder zusammen mit anderen Tatsachen den konkreten Sachverhalt bilden, den die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Beitragsvorschrift beschreiben.

Vgl. Kruse/Loose, in: Tipke/Kruse, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2004), § 163 AO Rn. 13; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, FGO, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2004), § 163 AO Rn. 98.

Eine solche Beitragserhebungsgrundlage ist hier die Grundstücksfläche als Berechnungselement der beitragsrechtlich relevanten Geschossfläche. Der Bescheid vom 10.3.1997 hat im Wege des Billigkeitserlasses nach § 163 Satz 1 AO entschieden, dass von der Grundstücksfläche bei der Festsetzung des Beitrags 1.500 m² unberücksichtigt zu bleiben hätten, und diese Entscheidung mit der Beitragsfestsetzung verbunden. Eine Billigkeitsmaßnahme muss nicht ausdrücklich getroffen werden, maßgeblich ist nur, dass im Wege der Auslegung dem Bescheid entnommen werden kann, ob und in welchem Umfange von der an sich gesetzlich vorgesehenen Festsetzung abgewichen worden ist.

Vgl. Kruse/Loose, a.a.O., § 163 AO Rn. 25.

Dabei ist für den Inhalt des Bescheides nicht das vom Beklagten Gewollte, sondern der Erklärungsinhalt maßgeblich, wie ihn der Adressat bei objektiver Würdigung verstehen durfte, wobei Unklarheiten zu Lasten der Verwaltung gehen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.6.2004 - 15 B 577/04 -, S. 2 des amtl. Umdrucks; Urteil vom 14.12.1998 - 15 A 3212/94 -, Gemhlt. 2000, 142.

Ausgangspunkt ist dabei der Wortlaut der Erklärung, jedoch können auch außerhalb des Erklärungsaktes liegende Begleitumstände in die Auslegung einbezogen werden, soweit sie für den Erklärungsempfänger einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.3.2002 - 15 A 4043/00 -, NVwZ-RR 2003, 147 (148).

Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen hat der Beklagte im Bescheid vom 10.3.1997 einen Billigkeitserlass gewährt. Rechtlich könnte es sich bei dem vorgenommenen "Abzug" von 1.500 m² von der in die Beitragsberechnung eingestellten Grundstücksfläche um die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit handeln. Das ist jedoch zu verneinen. Grundsätzlich führt der Umstand, dass ein Teil des der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücks nicht überbaut werden kann, nicht dazu, dass diese Fläche aus der Veranlagung herauszunehmen ist. Satzungsrechtliches Erfordernis für die Veranlagung eines Grundstücks zu einem Kanalanschlussbeitrag ist zwar regelmäßig, dass es Bauland ist, nicht jedoch, dass es in seiner vollen Gänze bebaut werden kann.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22.5.2001 - 15 A 5608/98 -, NVwZ-RR 2002, 303.

Beschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit, die zu einer wesentlich geringeren als der nach den allgemeinen baulichen Vorschriften zulässigen Ausnutzbarkeit der Grundfläche führen, können zwar die Bildung einer wirtschaftlichen Einheit, soweit das Grundstück baulich nutzbar ist, und eines nicht zu berücksichtigenden Grundstücksteil gebieten.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2005 - 15 A 300/05 -, S. 3 des amtl. Umdrucks; Urteil vom 25.9.2001 - 15 A 3850/99 -, Gemhlt. 2004, 92 (94).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Die bauliche Ausnutzbarkeit des klägerischen Grundstücks war nicht in Teilflächen beschränkt, vielmehr war und ist sie im westlichen Bereich lediglich tatsächlich dadurch erschwert, dass das Grundstück dort äußert spitzwinklig zuläuft. Daher spricht der Sache nach nichts für die Bildung einer auf den östlichen Grundstücksteil beschränkten wirtschaftlichen Einheit, die im Westen zu dem besagten spitzwinkligen Dreieck hin kaum abgrenzbar wäre. Näher liegt es, dass dieser Umstand im Rahmen eines Billigkeitserlasses berücksichtigt werden sollte. Gestützt wird dies durch die dem Bescheid vorausgegangenen Korrespondenz zwischen den Parteien. Im Schreiben vom 15.11.1996 hat der Beklagte den Flächenabzug von 1.500 m² ausdrücklich als Billigkeitsmaßnahme bezeichnet.

Vgl. dazu, dass der Billigkeitserlass im Rahmen einer Abgabenfestsetzung sich auch aus der bloßen Mitteilung unberücksichtigt gebliebener Veranlagungsgrundlagen ergeben kann, wenn vor der Veranlagung über einen Billigkeitserlass verhandelt wurde, Kruse/Loose, a.a.O., § 163 AO Rn. 25.

Diesen so ausgesprochenen Billigkeitserlass im Ausgangsbescheid hat der Beklagte zwar im Widerspruchsbescheid dadurch konkludent aufgehoben, dass er nunmehr das Grundstück in seiner vollen Fläche in die Veranlagung einbezog. Diese Aufhebung der Billigkeitsentscheidung ist jedoch rechtswidrig und unterliegt damit ihrerseits der Aufhebung im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage.

Auch wenn die Billigkeitsmaßnahme mit der Festsetzung der Abgabe nach § 163 Satz 3 AO verbunden wird, handelt es sich rechtlich um zwei verschiedene Maßnahmen, nämlich die Billigkeitsentscheidung einerseits und die darauf als Grundlagenentscheidung fußende Beitragsfestsetzung andererseits.

Vgl. Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 163 Rn. 2; Kruse/Loose, a.a.O., § 163 AO Rn. 21, 25; von Groll, a.a.O., § 163 AO Rn. 30, 142.

Zwar kann der Beitrag auch im Widerspruchsverfahren zum Nachteil des Widerspruchsführers im Wege der Nacherhebung höher festgesetzt werden, wenn mit der bisherigen Heranziehung der entstandene Beitrag bewusst oder unbewusst nicht vollständig ausgeschöpft wurde.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.3.1998 - 15 A 3421/94 -, NVwZ-RR 1999, 786 (787).

Darum ging es aber bei der Erhöhung der Beitragsfestsetzung im Widerspruchsbescheid vom 17.9.1997 nicht. Denn in Folge der Erlassentscheidung ist der Teilbeitrag für Schmutzwasser in der erlassenen Höhe mit seiner Entstehung am 18.6.1997 durch tatsächlichen Anschluss sofort wieder erloschen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 47 AO). Eine Nacherhebung ist daher nur zulässig, wenn die Erlassentscheidung rückwirkend beseitigt wird. Die konkludent im Widerspruchsbescheid verfügte Aufhebung des Erlasses ist jedoch rechtswidrig, weil weder die Voraussetzungen der Rücknahme noch die des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsaktes vorliegen und auch von dem Beklagten nicht geltend gemacht werden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG NRW i.V.m. §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 AO). Die Aufhebung der Erlassentscheidung ist daher ihrerseits auf die Anfechtungsklage hin aufzuheben. Damit entfällt die Voraussetzung für die Nacherhebung eines Beitrags im Widerspruchsbescheid, sodass auch diese Erhöhung der Beitragsfestsetzung aufzuheben ist.

Einer teilweisen Aufhebung des Zahlungsgebots bedarf es wegen des Umstandes der verfrühten Beitragsfestsetzung vor tatsächlichem Anschluss nicht. Das Zahlungsgebot ist im Widerspruchsbescheid, also als der Teilbeitrag bereits entstanden war, neu festgesetzt worden.

Der Teilbeitrag für die Möglichkeit der Einleitung von Niederschlagswasser ist bis heute nicht entstanden. Für den Zeitraum vor der Entwidmung des Grundstücks durch Verfügung des Eisenbahnbundesamtes vom 18.4.2002 gilt dies schon deshalb, weil dem Eigentümer des Grundstücks wegen des bis dahin bestehenden eisenbahnrechtlichen Fachplanungsvorbehalts durch die bloße Möglichkeit des Anschlusses keine dauerhaft gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit und damit nicht der erforderliche wirtschaftliche Vorteil geboten wurde, wie oben bereits im Zusammenhang mit dem Schmutzwasserteilbeitrag ausgeführt worden ist.

Auch nach diesem Zeitpunkt ist ein Niederschlagswasserteilbeitrag nicht entstanden. Zwar entfiel der eisenbahnrechtliche Fachplanungsvorbehalt, sodass sich der Charakter des Grundstücks nunmehr nach § 34 BauGB beurteilen und es sich somit ab diesem Zeitpunkt auch um Bauland handeln könnte. Jedoch steht der Entstehung der Teilbeitragspflicht für Niederschlagswasser § 51a Abs. 1 LWG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist Niederschlagswasser von Grundstücken, die nach dem 1.1.1996 erstmals bebaut, befestigt oder an die öffentliche Kanalisation angeschlossen werden, vor Ort zu versickern, zu verrieseln oder ortsnah in ein Gewässer einzuleiten, sofern dies ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, sodass mangels Gewährung eines wirtschaftlichen Vorteils keine Beitragspflicht entsteht.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.2.2000 - 15 A 772/97 -, NVwZ-RR 2000, 719.

Zwar war das Grundstück schon vor dem Stichtag bebaut und möglicherweise befestigt. Es wurde jedoch erst nach dem Stichtag an die öffentliche Kanalisation (mit dem Schmutzwasser) angeschlossen, sodass - entgegen der erstinstanzlich geäußerten Auffassung der Unteren Wasserbehörde - der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist. Die ortsnahe Beseitigung des Niederschlagswassers ist auch ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit möglich. Das ergibt sich aus den Ausführungen der Vertreter der Unteren Wasserbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem VG, der die Beteiligten nicht entgegen getreten sind. Die Vorschrift des § 51a Abs. 4 Satz 2 LWG, die eine Ausnahme von der Pflicht zur ortsnahen Niederschlagswasserbeseitigung nach Abs. 1 in den Fällen einer Mischwasserkanalisation vorsieht, liegt nicht vor. Danach ist Niederschlagswasser, dass auf Grund einer nach bisherigem Recht genehmigten Kanalisationsnetzplanung gemischt mit Schmutzwasser einer öffentlichen Abwasserbehandlung zugeführt wird oder werden soll, von der Verpflichtung nach Abs. 1 ausgenommen, wenn der technische oder wirtschaftliche Aufwand unverhältnismäßig ist. Es bedarf hier keiner Entscheidung, wie die genannte Voraussetzung eines unverhältnismäßigen technischen oder wirtschaftlichen Aufwandes zu verstehen ist, insbesondere ob auf eine Unverhältnismäßigkeit in Bezug auf den Aufwand des Anschlusspflichtigen oder den der Gemeinde abzustellen ist. Keine der Parteien macht nämlich geltend, dass ein solcher Ausnahmefall vorliege. Ein solcher Fall ist auch für den Senat angesichts der Tatsache der Errichtung einer Verrieselungsanlage auf dem Grundstück durch den Kläger und der Hinnahme dieser Lösung durch den Beklagten nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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