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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: 15 A 3137/06
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
Zu den Maßstäben für den Gemeindeanteil im Straßenbaubeitragsrecht.
Tatbestand:

Der Kläger wehrte sich gegen einen Straßenbaubeitragsbescheid mit den Einwänden, die Beitragssatzung sehe für die abgerechnete Fahrbahn einer Haupterschließungsstraße einen zu niedrigen Gemeindeanteil vor und die Straßenabnutzung durch den Omnibusverkehr werde nicht berücksichtigt. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Die Straßenbaubeitragssatzung (SBS) ist entgegen der Auffassung des Klägers in Bezug auf die Festlegung des Gemeindeanteils für die Fahrbahn einer Haupterschließungsstraße von 40 % des beitragsfähigen Aufwandes (von früher 60 % nach der vorhergehenden Beitragssatzung) wirksam. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW bleibt dann, wenn die Anlage erfahrungsgemäß auch von der Allgemeinheit oder von der Gemeinde selbst in Anspruch genommen wird, bei der Ermittlung des Aufwandes ein dem wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit oder der Gemeinde entsprechender Betrag außer Ansatz. Auch für die Bemessung des Beitrags der Anlieger ist deren durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage gebotener wirtschaftlicher Vorteil maßgeblich (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 6 Satz 1 KAG NRW). Der wirtschaftliche Vorteil der Anlieger liegt darin, dass der ihnen durch den Ausbau gewährte Gebrauchsvorteil hinsichtlich der Straße den Gebrauchswert der Grundstücke erhöht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.12.2007 - 15 B 1837/07 -, S. 6 des amtlichen Umdrucks; Urteil vom 23.9.2003 - 15 A 4700/01 -, NWVBl. 2004, 106 (107).

Demgegenüber ist der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit, der sich im Gemeindeanteil niederzuschlagen hat, nicht allein grundstücksbezogener Art. Die Allgemeinheit, der außer den Eigentümern der durch die Straße erschlossenen Grundstücke durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Anlage wirtschaftliche Vorteile geboten werden, besteht im Allgemeinen aus einer unbestimmten Zahl von Personen, welche die Straße lediglich als Durchgangsstraße und nicht als Anlage, die anliegende Grundstücke erschließt, benutzen. Der nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW zu berücksichtigende wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit besteht in der maßnahmebedingten besseren Ausnutzbarkeit der Möglichkeiten, die der Durchgangsverkehr durch die Straße eröffnet. Dabei muss es sich - anders als bei wirtschaftlichen Vorteilen der Grundstückeigentümer - nicht um die Steigerung des Gebrauchswertes von Grundstücken handeln, wenngleich auch die Erreichbarkeit von anderweitig erschlossenen Grundstücken über die Durchgangsstraße zu diesen Möglichkeiten gehört.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.10.1982 - 2 A 1817/80 -, OVGE 36, 172 (175 f.).

Die Festsetzung des Gemeindeanteils ist ein Akt gemeindlicher Rechtssetzung. Dabei steht dem Satzungsgeber ein weites Ermessen für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen zu, die nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren überprüft werden können.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.3.2005 - 15 A 636/03 -, NWVBl. 2005, 317; Urteil vom 7.12.1976 - II A 1563/74 -, S. 15 f. des amtlichen Umdrucks.

Bei der Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit einerseits und dem der Anlieger andererseits hat der Satzungsgeber hier von seinem so eröffneten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht.

Ausdruck des Ausmaßes des wirtschaftlichen Vorteils ist zum einen der Umfang der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Anlage durch die Allgemeinheit. Je stärker die Anlage vom Durchgangsverkehr in Anspruch genommen wird, desto höher muss der Gemeindeanteil sein. Dem wird die hier in Rede stehende Beitragssatzung gerecht, da sie den Gemeindeanteil für die Fahrbahn nach Straßentypen in Abhängigkeit vom Umfang des Durchgangsverkehrs staffelt (Anliegerstraßen 20 %, Haupterschließungsstraßen 40 %, Hauptverkehrsstraße 60 % des beitragsfähigen Aufwands).

Zum anderen muss der wirtschaftliche Vorteil der Allgemeinheit in ein angemessenes Verhältnis zum wirtschaftlichen Vorteil der Anlieger gesetzt werden. Dabei darf berücksichtigt werden, dass ein Verkehrsvorgang, der dem Durchgangsverkehr zuzurechnen ist, regelmäßig eine geringere Wertigkeit im Sinne des wirtschaftlichen Vorteils aufweist als ein Anliegerverkehrsvorgang. Während letzterer unmittelbar den Gebrauch eines Grundstücks betrifft und somit den dem Anlieger durch den Ausbau zukommenden Vorteil manifestiert, ist der wirtschaftliche Vorteil für einen Durchgangsverkehrsvorgang bezogen auf sein Endziel, also das mit dem Verkehrsvorgang angefahrene Grundstück, mediatisiert. Nicht die unmittelbare Grundstückserschließung steht in Rede, sondern die bloß mittelbar den Gebrauch eines Grundstücks betreffende und damit auch vom wirtschaftlichen Vorteil her geringer einzustufende Netzeinbindung. Bei typisierender Betrachtung bewirkt sie außerdem regelmäßig, dass die Erreichung des Endziels des Verkehrsvorgangs über verschiedene Netzstränge möglich ist, so dass auch wegen dieser Alternativität der wirtschaftliche Vorteil des einzelnen Durchgangsverkehrsvorgangs nicht mit der Grundstückserschließung eines Anliegerverkehrsvorgangs gleichgesetzt werden kann. Daher kommt es für die Abwägung zwischen dem wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit einerseits und dem der Anlieger andererseits nicht auf eine schematische Gegenüberstellung der absoluten Zahlen der jeweiligen Verkehrsvorgänge an.

In diese Richtung aber Nds. OVG, Beschluss vom 6.6.2001 - 9 LA 907/01 -, NVwZ-RR 2002, 294 (296); Beschluss vom 11.6.1999 - 9 M 2210/99 -, juris, Rn. 5; Urteil vom 10.3.1998 - 9 L 2841/96 -, OVGE 47, 417 (421 ff.); OVG S.-A., Beschluss vom 22.6.2004 - 2 L 517/02 -, juris, Rn. 14; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 34 Rn. 9; ähnlich, aber zum Teil auf abweichender gesetzlicher Grundlage, die etwa auf das Verkehrsaufkommen abstellt, OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16.1.2007 - 6 A 11315/06.OVG -, AS 34, 99; OVG Schl.-H., Urteil vom 26.4.2006 - 2 KN 7/05 -, Juris Rn. 142 ff.; Hess. VGH, Urteil vom 12.1.1983 - V OE 1/79 -, HSGZ 1983, 295 (299); Bay. VGH, Urteil vom 29.10.1984 - Nr. 6 B 82 A.2893 -, BayVBl. 1985, 117.

Vielmehr bedarf es einer Gewichtung der Verkehrsvorgänge des Durchgangsverkehrs einerseits und der Anliegerverkehrsvorgänge andererseits zueinander. Bei der hier in Rede stehenden Haupterschließungsstraße, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem Verkehr innerhalb von Baugebieten oder innerhalb von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen dient (§ 3 Abs. 3 Buchst. b SBS), hält sich die Vorteilsabwägung dahin, dass sich der wirtschaftliche Vorteil der Anlieger mit 60 % des beitragsfähigen Aufwands bemisst, im Rahmen des dem Satzungsgeber zustehenden Ermessens. Darin kommt einerseits die besondere Gewichtigkeit des Anliegerverkehrsvorgangs, andererseits die nur beschränkte, aber vorhandene Verkehrsbündelungsfunktion im Straßennetz der Stadt nicht unangemessen zum Ausdruck.

Die Inanspruchnahme der Straße durch die Busse des öffentlichen Personennahverkehrs bedarf keiner zusätzlichen Berücksichtigung bei der Festsetzung des Gemeindeanteils einer Haupterschließungsstraße. Zu dem durch den Gemeindeanteil abgegoltenen wirtschaftlichen Vorteil der Allgemeinheit gehört zwar auch die Inanspruchnahme einer Straße für den öffentlichen Personennahverkehr. Jedoch steht diese Verkehrsfunktion so deutlich hinter der den erhöhten Gemeindeanteil vor allem tragenden Verkehrsbündelungsfunktion einer Haupterschließungsstraße, dass die gesonderte Berücksichtigung dieses Aspektes nicht erforderlich ist. Die herausgehobene Inanspruchnahme bestimmter Straßen zu spezifischen Verkehrszwecken (hier des öffentlicher Personennahverkehrs) ist Teil der Inanspruchnahme durch das allgemeine Verkehrsaufkommen, das angesichts der im Abgabenrecht erforderlichen Typisierung und Pauschalierung nicht im einzelnen aufgeschlüsselt werden muss. Der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Normgebung.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2005 - 15 A 809/03 -, Gemhlt. 2005, 165 (167).

Die Ausbaumaßnahme erweist sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Erneuerung als auch der Verbesserung als beitragsfähig. Eine Erneuerung liegt vor, wenn eine Straße, die in Folge bestimmungsgemäßer Nutzung nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit trotz ordnungsgemäßer Unterhaltung und Instandsetzung verschlissen ist, erneuert wird.

Vgl. zu dem Begriff der beitragsfähigen Erneuerung OVG NRW, Urteil vom 20.8.2002 - 15 A 583/01 -, NWVBl. 2003, 58 f.

Angesichts des Alters der Straße im Zeitpunkt des Ausbaus von 40 Jahren und der Verschleißerscheinungen, die durch die bei den Akten befindlichen Lichtbilder dokumentiert sind, handelte es sich um eine nach der üblichen Nutzungszeit abgenutzte Straße. Ob die Abnutzung maßgeblich durch die Nutzung der Straße im Rahmen des Omnibusverkehres herbeigeführt wurde, kann dahinstehen. Auch ein solcher Verkehr zählt nämlich zur bestimmungsgemäßen Nutzung einer Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs.

Vgl. Grote, in: Kodal, Straßenrecht, 6. Aufl., Kap. 24 Rn. 75.1.

Dem Gesichtspunkt der Eignung der in Anspruch zu nehmenden Straße unter dem Gesichtspunkt des Bauzustands wird bei der Erteilung der Personenbeförderungsgenehmigung Rechnung getragen (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes). Der Verschleiß einer Straße, der durch bestimmungsgemäße Nutzung herbeigeführt wird, lässt die Beitragspflicht unberührt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 7.12.2007 - 15 B 1837/07 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks (für Schwerlastverkehr); Beschluss vom 21.8.2007 - 15 B 870/07 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks (für Baufahrzeuge).

Schließlich ist auch das Beitragsmerkmal der Verbesserung gegeben. Eine Verbesserung liegt vor, wenn durch die Ausbaumaßnahme die Ausstattung der Anlage entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen Konzeption, hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung (Erweiterung), hinsichtlich der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder hinsichtlich der Art der Befestigung vorteilhaft verändert wird. Diese vorteilhafte Veränderung ist unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist also, ob der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Konzeption (Trennsystem, Mischfläche, Fußgängerstraße) auf der neu gestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt werden kann als vorher.

Vgl. zu dem Begriff der beitragsfähigen Verbesserung OVG NRW, Urteil vom 20.8.2002 - 15 A 583/01 -, NWVBl. 2003, 58 (60).

Der Oberbau wurde deutlich von 26 bis 46 cm auf einheitlich 53 cm verstärkt und hat dadurch eine höhere Tragfähigkeit erhalten. Einer durchgehenden Ermittlung der Tragfähigkeit der Straße, die der Kläger vermisst, bedurfte es nicht. Die fünf vorgenommenen Schürfe erlauben eine hinreichende Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung.

Ende der Entscheidung

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