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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: 15 A 3734/03
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
Zur Wasseranschlussbeitragspflicht eines mit Schweineställen bebauten und an die Wasserversorgung angeschlossenen Grundstücks, das durch weitere, aber nicht angeschlossene Bebauung (hier Maschinenhalle) vergrößert wird.
Tatbestand:

Der Kläger, ein Landwirt, betreibt auf einem Teilbereich seines am B.-Weg im Außenbereich gelegenen, über 100.000 m² großen Flurstückes zwei Schweineställe, die an die gemeindliche Wasserversorgung angeschlossen sind. Später erweiterte er die bebaute Fläche nach Westen hin parallel zum B.-Weg um eine Maschinenhalle, die nicht an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen ist. Der beklagte Bürgermeister setzte daraufhin einen Wasserversorgungsbeitrag für die hinzugekommene Fläche fest. Die dagegen angestrengte Anfechtungsklage blieb in beiden Instanzen erfolglos.

Gründe:

Nach § 2 Abs. 2 der Beitrags- und Gebührensatzung (BGS) unterliegt ein Grundstück unabhängig von der Frage seiner Baulandqualität der Beitragspflicht, wenn es tatsächlich an die öffentliche Wasserversorgungsanlage angeschlossen wird. Nach § 4 Abs. 2 BGS entsteht bei Grundstücken, die nach § 2 Abs. 2 BGS der Beitragspflicht unterliegen, die Beitragspflicht mit dem Anschluss, frühestens jedoch mit dessen Genehmigung. Die Beitragspflicht ist mit der Fertigstellung der Maschinenhalle auf dem Flurstück für die so baulich neu genutzte Fläche entstanden. Mit der Erweiterung der baulich genutzten Fläche ist ein neues Grundstück entstanden, bestehend aus dem bereits vorhandenen, mit den Schweineställen bebauten Grundstück und dem neuen, mit der Maschinenhalle bebauten Grundstücksteil. Grundstück im Sinne des Beitragsrechts nach § 8 KAG NRW ist nämlich die wirtschaftliche Einheit, also jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden darf und selbständig an die Anlage angeschlossen werden kann. Ausgangspunkt ist aber das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.3.2005 - 15 A 300/05 -, NWVBl. 2005, 437.

Hier ist nicht das gesamte übergroße Flurstück die wirtschaftliche Einheit, sondern nur ein Teil davon. Dabei ist hier Anhaltspunkt zur Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit der vorhandene bauliche Bestand, vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 4. 12.2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (189), und hinsichtlich der hinzugekommenen Fläche das, was aufgrund und in Übereinstimmung mit der erteilten Baugenehmigung an Bausubstanz verwirklicht worden ist.

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 21.8.1995 - 15 A 4136/92 -, NWVBl. 1996, 64 (65).

Nach diesen Grundsätzen ist wirtschaftliche Einheit die gesamte bislang mit den Schweineställen und den zugehörigen Nebenanlagen und die mit der Maschinenhalle bebaute Fläche einschließlich des befestigten Zwischenraums zwischen dieser und dem Schweinestallbereich.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Aufteilung der so ermittelten Fläche in zwei wirtschaftliche Einheiten, nämlich eine mit den Schweineställen und Nebenanlagen bebaute und eine mit der Maschinenhalle bebaute, nicht angezeigt. Das wäre nur dann der Fall, wenn sich von der genehmigten und verwirklichten Bausubstanz her der Eindruck zweier selbständiger Grundstücke aufdrängte. Das ist nicht der Fall: Die beiden Flächenteile sind nicht physisch getrennt, sondern hängen zusammen. Die Fläche zwischen der Maschinenhalle und dem nördlichen Schweinestall ist durchgehend befestigt und kann damit nicht eindeutig einer Seite zugeordnet werden. An der nordöstlichen Ecke dieser befestigten Fläche befindet sich die Ausfahrt zum B.-Weg. Die Hauptaus- und -einfahrtsseite der Maschinenhalle befindet sich auf der zu dieser befestigten Fläche ausgerichteten Seite. Damit existiert eine gemeinsam genutzte befestigte Fläche und Ausfahrt zum B.-Weg für beide Teile der wirtschaftlichen Einheit.

Darüber hinaus hängen beide bebauten Flächenteile funktional zusammen. Dafür ist nicht entscheidend, dass eine baulich genutzte Fläche auf die andere angewiesen ist. Vielmehr reicht es aus, wenn die genehmigte Nutzung der beiden bebauten Teilflächen sachlich zusammenhängt. Das ist der Fall: Beide Teile dienen einem landwirtschaftlichen Betrieb. Dabei ist es unerheblich, ob die Maschinenhalle tatsächlich überwiegend oder gar ausschließlich dem pflanzenerzeugenden Teil des Betriebes dient. Denn zum einen besteht die genehmigte Nutzung der Maschinenhalle darin, Maschinen, Geräte und Fahrzeuge unterzustellen, sodass auch solche für die Schweinemast dort untergestellt werden können. Zum anderen können bei einem landwirtschaftlichen Betrieb der Zuchtteil des Betriebes und der landwirtschaftliche Teil als Futtergrundlage zusammen hängen.

Somit besteht seit der Fertigstellung der Maschinenhalle eine aus beiden bebauten Grundstücksteilen bestehende neue wirtschaftliche Einheit, für die mit ihrer Entstehung in Folge des tatsächlichen Anschlusses des bislang selbständigen Grundstücksteils eine Beitragspflicht entsteht. Wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit des Anschlussbeitrages beschränkt sich die Beitragspflicht auf den neu geschaffenen Grundstücksteil.

Vgl. zur Entstehung des Beitrags für Flächen, die zu einer bereits vorhandenen wirtschaftlichen Einheit hinzutreten, OVG NRW, Beschluss vom 15.7.1997 - 15 A 1660/96 -, NWVBl. 1998, 21 f.

Schließlich steht dem Entstehen der Beitragspflicht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Maschinenhalle nicht an die Wasserversorgung angeschlossen ist. Für die Beitragspflicht ist es unerheblich, ob ein Grundstück mit allen Gebäuden an die Wasserversorgung angeschlossen ist, denn Gegenstand der Beitragspflicht sind nicht die angeschlossenen Gebäude, sondern ist das angeschlossene Grundstück als wirtschaftliche Einheit.

Die Tiefenbegrenzungsregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a BGS greift nicht ein. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, die an eine Erschließungsanlage angrenzen, die Fläche von der Erschließungsanlage bis zu einer Tiefe von höchstens 40 m. Das klägerische Grundstück grenzt an die Erschließungsanlage B.-Weg. Mit dem Begriff Erschließungsanlage in einer solchen anschlussbeitragsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung ist nicht etwa die beitragsrechtlich abzurechnende (Abwasserbeseitigungs- oder Wasserversorgungs-)Anlage gemeint, sondern die Wegefläche, die die verkehrliche Erschließung des Grundstücks vermittelt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4.12.2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (189)

Die veranlagte Teilfläche liegt innerhalb von 40 m vom B.-Weg.

Die Rechtsprechung des Senats zur anschlussbeitragsrechtlichen Bedeutung einer die Tiefenbegrenzung übergreifenden baulichen Nutzung führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Danach ist zwar für das Kanalanschlussbeitragsrecht eine die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überschreitende bauliche Nutzung, die einen Entwässerungsbedarf nicht nach sich ziehen kann, nicht geeignet, die generalisierende Annahme der Tiefenbegrenzung über die räumlich beschränkte Erschließungswirkung der Entwässerungsanlage zu widerlegen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4.12.2001 - 15 A 5566/99 -, NWVBl. 2002, 188 (190) und vom 22.5.2001 - 15 A 5608/98 -, KStZ 2001, 194.

So liegt der Fall hier nicht, da die Maschinenhalle innerhalb der Tiefenbegrenzung errichtet wurde. Es erscheint auch fraglich, ob der Gedanke - wie der Kläger anregt - entsprechend angewendet werden kann für den Anschlussbeitrag eines Grundstücks, das eine beitragsrechtlich irrelevante Nutzung nicht jenseits der Tiefenbegrenzung, sondern innerhalb der Tiefenbegrenzung, aber seitlich neben dem beitragsrechtlich relevant genutzten Teil aufweist. Denn der Tiefenbegrenzung liegt der Gedanke einer räumlichen Begrenzung der Erschließungswirkung der Anlage in der Tiefe, nicht in der Breite zu Grunde. Hier würde jedenfalls selbst bei einer Errichtung der Maschinenhalle jenseits der Tiefenbegrenzung die vorgenannte Rechtsprechung zu keinem anderen Ergebnis führen, weil die Maschinenhalle keine Bebauung ist, die einen Wasserversorgungsbedarf nicht nach sich ziehen kann. Denn die Wasserversorgung für eine Maschinenhalle kann sinnvoll für deren Nutzung sein, etwa um wasserverbrauchende Anlageteile zu versorgen oder durch den Einsatz auf dem Acker verschmutzte Gerätschaften mit Wasser abzuspritzen.

Schließlich bestehen auch keine Bedenken gegen den Beitragsmaßstab. Der Festsetzung eines eigenen Maßstabs für landwirtschaftliche Grundstücke bedarf es nicht. Der Maßstab muss sich am wirtschaftlichen Vorteil orientieren, der dem Grundstück durch den Wasseranschluss gewährt wird, (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 1 KAG NRW). Fläche und Geschossigkeit, wie sie hier von der Satzung als Maßstab festgelegt sind, sind vorteilsadäquate Maßstäbe.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 2.3.2004 - 15 A 1151/02 -, NVwZ-RR 2004, 679 (681) und vom 15.3.2005 - 15 A 636/03 -, NWVBl. 2005, 317.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG fordert, dass wesentlich Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt wird. Dem Satzungsgeber steht ein weites Ermessen für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen zu, die nur auf die Einhaltung der Grenzen des sachlich Vertretbaren überprüft werden können. Bei einer bemängelten Gleichbehandlung ist diese Grenze erst dann überschritten, wenn zwischen den beiden Gruppen gleich behandelter Fälle Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht vorliegen, dass die gleichartige Behandlung nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2005 - 15 A 809/03 -, Gemhlt. 2005, 165 (166).

Das ist für landwirtschaftliche Grundstücke im Verhältnis zu Wohngrundstücken mit Rücksicht auf den Wasserversorgungsbeitrag nicht der Fall. Die vom Kläger ins Feld geführte Übergröße landwirtschaftlicher Grundstücke betrifft die Buchgrundstücke, auf die es nicht ankommt, sondern auf die wirtschaftliche Einheit, wie sich es hier auch ausgewirkt hat. Schließlich kann hinsichtlich der Erhöhung des Gebrauchswertes eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch die Wasserversorgung als Substanz des wirtschaftlichen Vorteils nicht festgestellt werden, dass diese signifikant hinter der wohngenutzter Grundstücke zurückbleibt, da landwirtschaftliche Grundstücke sowohl dem Wohnen als auch der Schaffung der Lebensgrundlage dienen.

Ende der Entscheidung

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