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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 15 A 3896/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO §§ 154 ff.
Zur Kostenpflicht des Prozessbevollmächtigten beim Tod des scheinbaren Klägers vor Klageerhebung.
Tatbestand:

Der beklagte Bürgermeister erließ gegenüber Herrn A, der neben anderen im Grundbuch als Grundstückseigentümer in seiner Eigenschaft als Mitglied einer Erbengemeinschaft eingetragen war, einen Straßenbaubeitragsbescheid. A war bereits verstorben. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft, das den Bescheid in Empfang genommen hatte, legte Widerspruch mit gegen die sachliche Berechtigung der Beitragsschuld erhobener Begründung ein. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid erhoben Prozessbevollmächtigte namens des A Anfechtungsklage, auf die hin das VG den Beitragsbescheid wegen fehlender Beitragsfähigkeit der Straßenausbaumaßnahme aufhob. Im vom Bürgermeister daraufhin angestrengten Berufungszulassungsverfahren offenbarten die Prozessbevollmächtigten, dass A schon lange verstorben sei. Nach Zulassung der Berufung bestand zwischen dem Bürgermeister und den Prozessbevollmächtigten Einigkeit, dass der Bescheid wirkungslos sei, woraufhin sie die Hauptsache für erledigt erklärten. Das OVG stellte das Verfahren ein, erklärte das angegriffene Urteil für wirkungslos und legte die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge den Prozessbevollmächtigten des A auf.

Gründe:

Nachdem die Hauptbeteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren durch den Berichterstatter (§§ 125 Abs. 1, 87a Abs. 1 und 3 VwGO) entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO einzustellen und das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären sowie gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden.

Alle Kosten des Verfahrens sind nach billigem Ermessen den Prozessbevollmächtigten des verstorbenen scheinbaren Klägers A aufzuerlegen, da die Klage unzulässig gewesen ist.

Dem scheinbaren Kläger können als Verstorbenem keine Kosten auferlegt werden. Auch dessen Gesamtrechtsnachfolgern können sie nicht auferlegt werden, da diese als solche am Verfahren nicht beteiligt waren und sind. Sie sind nicht automatisch kraft der Gesamtrechtsnachfolge an die Stelle des scheinbaren Klägers getreten - auch nicht nur im Kostenpunkt -, da der scheinbare Kläger bereits bei der Klageerhebung tot war und eine Vollmacht über den Tod hinaus, kraft deren eine Verpflichtung der Gesamtrechtsnachfolger möglich gewesen wäre, nicht vorlag.

Das Rubrum kann auch nicht - im Wege einer Berichtigung oder einer Klageänderung - dahingehend umgestellt werden, dass die Gesamtrechtsnachfolger des A Kläger sein wollten oder wollen. Denn die Gesamtrechtsnachfolger konnten keine zulässige Anfechtungsklage erheben. Daher ist für eine Berichtigung kein Raum, und eine Klageänderung, so sie denn erklärt worden wäre, wäre nicht sachdienlich.

Der in Rede stehende scheinbare Verwaltungsakt gegenüber dem verstorbenen A hat nämlich mangels Bekanntgabe keine äußere Wirksamkeit erlangt (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG NRW i.V.m. §§ 122 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 1 Satz 1 AO) und ist deshalb mangels Existenz ein Nichtverwaltungsakt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1986 - 8 C 127.84 -, DVBl. 1987, 629; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 43 Rn. 49.

Das gilt auch dann, wenn die Gesamtrechtsnachfolger den Akt auf sich bezogen haben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.6.1977 - III A 1779/75 -, KStZ 1978, 18.

Gegen einen Nichtverwaltungsakt ist aber die Anfechtungsklage nicht eröffnet, allenfalls kann, wenn wegen des Scheins der Wirksamkeit ein Feststellungsinteresse besteht, die Möglichkeit einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gegeben sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1986 - 8 C 127.84 -, DVBl. 1987, 629; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 42 Rn. 4.

Ein solches Feststellungsinteresse wäre hier zu verneinen, da sich der Beklagte, wie er im Erörterungstermin deutlich gemacht hat, nach Aufdeckung des Todes des A nicht berühmt, der Akt habe Wirksamkeit erlangt.

Die Kosten der so unzulässigen Anfechtungsklage sind daher demjenigen aufzuerlegen, der im Prozess für den nicht existenten Kläger aufgetreten ist.

Vgl. Schmitz, Kostenentscheidung für oder gegen Dritte bei fehlender Vertretungsmacht und bei falscher oder nicht existenter Partei, Dissertation, Bonn 1988, S. 122 ff., auch zur Frage, ob überhaupt ein Prozess zustande gekommen ist; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 154 Rn. 59; Herget, in: Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 2.

Unerheblich ist, ob die Prozessbevollmächtigten des scheinbaren Klägers in gutem Glauben an dessen Existenz den Prozess eingeleitet haben. Wie bei der Einleitung eines Verfahrens durch einen vollmachtlosen Vertreter haftet der Vertreter für die ausgelösten Verfahrenskosten. Es ist Sache des internen Rückgriffs gegenüber der das Mandantschaftsverhältnis begründenden Person, die den Tod des scheinbaren Klägers nicht offen gelegt hat, sich schadlos zu halten.

Die Kosten können im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung in Anwendung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 4 VwGO auch nicht deshalb dem Beklagten auferlegt werden, weil er durch sein Verschulden, nämlich durch den Erlass des Aktes gegenüber einem Verstorbenen, erst den Prozess provoziert und die Kosten damit verursacht hätte. Der Beklagte konnte die Nichtexistenz des vermeintlichen Schuldners A nicht erkennen, da das Grundbuch nach dessen Tod nicht berichtigt wurde und auch im Widerspruchsverfahren der Tod nicht offen gelegt wurde.

Ende der Entscheidung

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