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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 09.05.2006
Aktenzeichen: 15 A 4247/03
Rechtsgebiete: GG, GO NRW


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
GO NRW § 7
GO NRW § 8
GO NRW § 9
1. Privates Regelwerk kann durch satzungsrechtliche Inbezugnahme allenfalls dann zum Inhalt des Satzungsrechts erhoben werden, wenn es in einer Weise veröffentlicht ist, die hinsichtlich Zugänglichkeit und Verlässlichkeit der Veröffentlichung in amtlichen Publikationsorganen entspricht. Das ist für DIN-Regelungen allgemein nicht sichergestellt.

2. In jedem Fall muss für so zum Satzungsrecht erhobenes privates Regelwerk in der Satzung eine Fundstelle oder Bezugsquelle angegeben werden.

3. Der DIN 1986 kann nicht entnommen werden, dass jedes an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossene Grundstück über einen im Freien befindlichen Kontrollschacht verfügen muss.


Tatbestand:

Die Kläger sind Eigentümer eines Wohnhausgrundstücks, für das der beklagte Bürgermeister hinsichtlich des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage anordnete, im etwa 3 m breiten Vorgarten für die Abwasserleitung zum in der Straße befindlichen Mischwasserkanal einen Kontrollschacht anzulegen. Dabei ging er davon aus, dass sich die Notwendigkeit eines solchen Kontrollschachts aus der Entwässerungssatzung (EWS) unmittelbar (insoweit sind die Gründe nicht abgedruckt) oder aus den in dieser Satzung in Bezug genommenen DIN-Vorschriften ergebe. In der Berufungsinstanz hatte die Klage Erfolg.

Gründe:

Nach § 12 Abs. 12 EWS darf die Stadt jederzeit fordern, dass auf den Grundstücken befindliche Entwässerungsanlagen in den Zustand gebracht werden, der den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie dieser Satzung entspricht. Nach dieser Vorschrift kann der Einbau des Kontrollschachtes nicht gefordert werden, da weder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung noch die Entwässerungssatzung dies verlangen. (wird ausgeführt)

Nach der Entwässerungssatzung sind die DIN-Vorschriften maßgeblich, weil § 12 Abs. 6 Satz 2 EWS anordnet, dass die Arbeiten unter Beachtung der einschlägigen DIN-Vorschriften ausgeführt werden müssen. Damit kann der Entwässerungssatzung entnommen werden, dass sie den Einbau eines Kontrollschachtes verlangt, wenn dies nach den DIN-Vorschriften erforderlich ist.

Diese Einbeziehung außerrechtlicher Regelungen in die Satzungsnorm durch Verweisung ist unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Publizität von Normen unwirksam. DIN-Vorschriften, deren Inhalt durch die Bezugnahme zum geltenden Satzungsrecht erhoben werden soll, werden weder nach dem für Satzungen geltenden Recht (vgl. § 4 der BekanntmVO) noch in sonst für amtliche Bekanntmachungen des Landes oder des Bundes vorgesehenen Amtsblättern veröffentlicht. Selbst wenn man mit der herrschenden Meinung annimmt, dass das in Bezug genommene private Regelwerk lediglich in einer Weise veröffentlicht sein muss, die hinsichtlich Zugänglichkeit und Verlässlichkeit der Veröffentlichung in amtlichen Publikationsorganen entspricht, vgl. zu der Publizitätsproblematik Lücke, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 82 Rn. 9; Brenner, in: Starck (Hrsg.), Das Bonner Grundgesetz, 3. Bd. 4. Aufl., Art. 82 Rn. 32; Maurer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2005), Art. 82 Rn. 108, reicht die hier in Rede stehende Verweisung auf die DIN 1986 nicht aus. Das gilt schon für die Zugänglichkeit zu dem privaten Regelwerk, das der Vermarktung zu erheblichen Preisen durch einen Verlag unterliegt, dessen Verlagsprodukte nicht in gleicher Weise in öffentlichen Bibliotheken zugänglich sind, wie es für amtliche Publikationsorgane der Fall ist. Es fehlt aber auch daran, dass in der verweisenden Satzungsnorm weder eine Fundstelle noch eine Bezugsquelle genannt ist. Zumindest letzteres ist für nur über private Veröffentlichungen zugängliche Regelwerke erforderlich.

Maurer, a.a.O, Art. 82 Rn. 109.

Angesichts des Fehlens einer Fundstelle kann es offen bleiben, welche Bedeutung die Veröffentlichung der DIN 1986, Teil 1, - wenngleich nur in der Ausgabe September 1978, nicht in der späteren Ausgabe Juni 1988 - als seinerzeitige allgemein anerkannte Regel der Technik nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1979, S. 2133, hat.

Unabhängig davon, dass die DIN 1986 durch die Verweisung in § 12 Abs. 5 EWS somit nicht zum Inhalt der satzungsrechtlichen Anforderungen geworden ist, ist auch die Frage, ob durch die DIN 1986 hier der Einbau eines Kontrollschachtes vorgeschrieben ist, zu verneinen.

Die DIN 1986 schreibt vor, dass in Grund- und Sammelleitungen mindestens alle 20 m eine Reinigungsöffnung vorzusehen ist und dass sie regelmäßig nahe der Grundstücksgrenze, jedoch in der Regel nicht weiter als 15 m vom öffentlichen Abwasserkanal entfernt anzuordnen ist (Abschnitte 6.5.4 und 6.5.5 der DIN 1986, Teil 1, Ausgabe Juni 1988). Der ganze Abschnitt 6.5 der DIN 1986, Teil 1, betrifft nicht die Anlage von Kontrollschächten, sondern von Reinigungsöffnungen. Eine solche ist hier vorhanden. Ob sie den technischen Anforderungen genügt, ist unerheblich, da jedenfalls, wie die Augenscheinseinnahme ergeben hat, eine womöglich technisch erforderliche Reinigungsöffnung innerhalb des Hauses angebracht werden kann. Auch aus der Vorschrift des Abschnittes 6.5.7 der DIN 1986, Teil 1, wonach Reinigungsöffnungen so eingebaut werden müssen, dass sie ständig zugänglich bleiben können, ist für die Frage, ob eine Reinigungsöffnung außerhalb des Hauses anzubringen ist, nichts zu gewinnen. Dies bedeutet lediglich, dass die Reinigungsöffnung, sei sie innerhalb, sei sie außerhalb des Hauses, nicht zugestellt oder zugebaut werden darf. Gerade letzteres hat der Abschnitt 6.5.7 im Blick, wenn er regelt, dass gegebenenfalls ein Schacht anzuordnen ist. Dies betrifft Fälle, wo die Revisionsöffnung unterirdisch, etwa auch unterhalb des Bodens eines Hauses, verlegt ist.

Vgl. auch die Kommentierung der Vorschrift bei Heinrichs/Rickmann/Sondergeld/Störlein, Gebäude- und Grundstücksentwässerung, Kommentar zu DIN 1986, 1. Aufl., S. 123, die den Abschnitt dahingehend kommentieren, dass die Reinigungsöffnungen nicht durch Möbel, Fußbodenbeläge, Maschinen, Werkbänke usw. verstellt werden dürften.

Ein Schacht stellt lediglich einen Zugang zu einer unterirdisch verlegten Reinigungsöffnung dar. Wie ein solcher Schacht auszusehen hat, regelt Abschnitt 6.6 der DIN 1986, Teil 1, ohne jedoch den von dem Beklagten angenommenen Inhalt aufzuweisen, dass jedes Grundstück über eine mittels eines Schachtes erreichbare unterirdische Reinigungsöffnung außerhalb des Hauses verfügen müsse. Die Entwässerungssatzung sieht somit den geforderten Kontrollschacht nicht vor.

Auch gebieten die öffentliche Sicherheit oder Ordnung als alternative Merkmale des § 12 Abs. 12 EWS keinen solchen Schacht. Das ergibt sich schon daraus, dass die DIN 1986 so weit nicht gehen. Die vom Beklagten als vermeintliche Vorteile von Revisionsöffnungen außerhalb des Hauses gegenüber solchen innerhalb des Hauses dargestellten Umstände spielen für die Frage, ob die öffentliche Sicherheit oder Ordnung - oder auch die Entwässerungssatzung - eine Revisionsöffnung außerhalb des Hauses mit einem den Zugang dazu sichernden Kontrollschachtes fordern, keine Rolle. Das mögen mehr oder weniger sinnvolle Zweckmäßigkeitserwägungen sein, die aber die genannten Tatbestandsmerkmale nicht begründen.

Ende der Entscheidung

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