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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 15.09.2004
Aktenzeichen: 15 A 4544/02
Rechtsgebiete: KrO NRW


Vorschriften:

KrO NRW § 41 Abs. 3 Satz 11
KrO NRW §§ 50 ff.
1. Der historische Wille des Gesetzgebers hat nur dann für die Auslegung Bedeutung, wenn der Gesetzestext von seinem Wortlaut, seinem systematischen Zusammenhang oder seinem objektiv erkennbaren Zweck her Anlass gibt, ihn entsprechend zu verstehen.

2. Dies gilt auch bei Redaktionsversehen für die Frage, ob eine ungewollte Lücke in der gesetzlichen Regelung vorliegt.

3. Nicht in einem Ausschuss vertretene Kreistagsmitglieder haben keinen Anspruch entsprechend § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW auf beratende Mitgliedschaft im Kreisausschuss.

4. Eine solche Mitgliedschaft darf auch nicht freiwillig vom Kreistag aus Gründen des Minderheitenschutzes gewährt werden.


Tatbestand:

Das klagende Kreistagsmitglied, das keiner Kreistagsfraktion und keinem Ausschuss des Kreistages angehörte, verlangte erfolglos vom Kreistag, zum beratenden Mitglied in den Kreisausschuss gewählt zu werden. Die daraufhin erhobene Klage wurde abgewiesen, das Urteil in der Berufungsinstanz bestätigt.

Gründe:

Zwar hat der Kläger gemäß § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW das Recht, mindestens einem der Ausschüsse als Mitglied mit beratender Stimme anzugehören. Diese als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren allein in Betracht kommende Vorschrift ist jedoch nach § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW auf den Kreisausschuss nicht entsprechend anwendbar. Dieses aus dem Wortlaut der Normen und ihrem systematischen Verhältnis zueinander zu entnehmende Ergebnis ist nicht mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW zu korrigieren, auch wenn sich aus ihr der Wille von an dem Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen ergibt, den Kreisausschuss in den Kreis der nach dieser Vorschrift zu besetzenden Ausschüsse aufzunehmen.

Die hier relevante Einfügung des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW erfolgte durch das Gesetz zur weiteren Stärkung der Bürgerbeteiligung in den Kommunen vom 28.3.2000 (GV NRW S. 245) und beruht auf einem Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen (LT-Drs. 12/4597). Dieser Entwurf sah ursprünglich noch die Fassung vor: "Ein Kreistagsmitglied, das keiner Fraktion angehört, hat das Recht, einem der Ausschüsse mit Ausnahme des in § 50 genannten als Mitglied mit beratender Stimme anzugehören." Durch diese Fassung war also klargestellt, dass sich das Mitgliedschaftsrecht nicht auf den Kreisausschuss, dessen Rechtsverhältnisse in den §§ 50 - 52 KrO NRW geregelt sind, bezieht. Im Rahmen der Beratungen des Gesetzentwurfs im Ausschuss für Kommunalpolitik beantragten die Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Gesetz gewordene Fassung, zu deren Begründung u.a. ausgeführt wurde: "Die Einschränkung hinsichtlich der Pflichtausschüsse (§ 50 KrO NRW) entfällt."

Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, LT-Drs. 12/4778, Anl. 1.

Eine entsprechend geänderte Fassung wurde mit entsprechender Begründung für die Ausschussbesetzung nach § 58 Abs. 1 Satz 11 GO NRW beantragt, wonach die ursprünglich vorgesehenen Ausnahme für die Pflichtausschüsse nach § 59 GO NRW (Hauptausschuss, Finanzausschuss, Rechnungsprüfungsausschuss) ebenfalls beseitigt werden sollte. Auch dies ist so Gesetz geworden. Bei diesen Gesetzgebungsarbeiten ist jedoch unberücksichtigt geblieben, dass § 41 KrO NRW für den Kreisausschuss nicht unmittelbar gilt, sondern nur insoweit, als § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW die entsprechende Anwendung vorschreibt. Da insoweit - offensichtlich irrtümlich - keine Änderung vorgenommen wurde, schreibt § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW nach wie vor nur die entsprechende Anwendung des § 41 Abs. 3 Satz 4 - 10 KrO NRW vor, also nicht des hier maßgeblichen neu eingeführten Satzes 11.

In der Plenardebatte ist hinsichtlich des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW und des entsprechenden § 58 Abs. 1 Satz 11 GO NRW im Wesentlichen nur der Änderungsantrag der Fraktion der CDU (LT-Drs. 12/4814) zur Sprache gekommen, der die beratende Mitgliedschaft als Minimum nicht jedem Kreistags- bzw. Ratsmitglied, sondern nur fraktionslosen Mitgliedern zukommen lassen wollte. Lediglich im Redebeitrag des Innenministers hieß es: "Künftig soll deshalb jedes Rats- oder Kreistagsmitglied die Möglichkeit haben, mindestens einem Ausschuss als Mitglied mit beratender Stimme anzugehören. Das gilt auch für die sog. Pflichtausschüsse."

Vgl. Plenarprotokoll 12/142, S. 11762 A.

Danach kann der Entstehungsgeschichte deutlich entnommen werden, dass die maßgeblich daran Beteiligten die beratende Mitgliedschaft auch auf den Kreisausschuss ausgedehnt wissen wollten.

Das Gericht ist bei seiner Entscheidung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG "an Gesetz und Recht" gebunden, auch wenn damit keine bestimmte Auslegungsmethode oder gar eine reine Wortinterpretation vorgeschrieben ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.3.1993 - 1 BvR 720/90 -, BVerfGE 88, 144 (166) f.

Für den Inhalt einer als Gesetz das Gericht bindenden Norm kommt es auf den in ihr zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers an, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.5.1978 - 2 BvR 952/75 -, BVerfGE 48, 246 (256).

Gesetzesmaterialien sollen mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 16.2.1983 - 2 BvE 1 - 4/83 -, BVerfGE 62, 1 (45).

Der Vorrang des im Gesetzestext objektivierten Willens des Gesetzgebers vor dem historisch vorhandenen realen Willen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten bei der Bestimmung des Inhalts eines Gesetzes begründet sich aus dem Umstand, dass der Rechtsunterworfene an den in Sprachform niedergelegten Willen des Gesetzgebers, das Gesetz, gebunden ist. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet eine hinreichende Bestimmtheit der Gesetze. Unbeschadet unvermeidlicher Auslegungsschwierigkeiten muss der von der Norm Betroffene in zumutbarer Weise die Rechtslage erkennen und sein Verhalten danach einrichten können.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.5.2001 - 2 BvK 1/00 -, BVerfGE 103, 332 (384).

Deshalb kann der historisch vorhandene reale Willen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten nur dann für den Inhalt des Gesetzes Bedeutung erlangen, wenn der Gesetzestext von seinem Wortlaut, seinem systematischen Zusammenhang oder seinem objektiv erkennbaren Zweck her Anlass gibt, ihn so, wie der historische Gesetzgeber es gewollt hat, zu verstehen. Das gilt auch bei Redaktionsversehen für die Frage, ob eine ungewollte Lücke in der gesetzlichen Regelung vorliegt. Wo der Gesetzestext für den verständigen Rechtsunterworfenen keinen Anlass zur Auslegung oder Rechtsfortbildung bietet, ist der Wille des historischen Gesetzgebers nicht - im Wege der Auslegung oder Rechtsfortbildung korrigierbar - nur unvollständig, sondern überhaupt nicht Gesetz geworden.

Ausgehend von diesen Auslegungsgrundsätzen kann die vom Kläger gewünschte Auslegung des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW, wonach die dort gewährte beratende Ausschussmitgliedschaft sich auch auf den Kreisausschuss erstrecken soll, nicht erfolgen. Ein solcher Norminhalt hat nicht nur keinen Niederschlag im Text gefunden, vielmehr steht das Schweigen des § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW, der jene Vorschrift nicht als auf den Kreisausschuss entsprechend anwendbar benennt, entgegen. Auch Sinn und Zweck der vorgenommenen Änderung geben keinen Anlass, die Frage in Erwägung zu ziehen, ob der Gesetzgeber etwa - wie tatsächlich geschehen - nur vergessen hat, die Erstreckung der Minderheitenschutzregelung des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW auf den Kreisausschuss anzuordnen: Die Erstreckung der Regelung für Kreistagsausschüsse auf ein weiteres Kreisorgan, nämlich den Kreisausschuss, ist eine bloße Frage rechtspolitischer Dezision, die vom Zweck des Minderheitenschutzes einzelner Kreistagsmitglieder für Kreistagsausschüsse weder in dem einen noch in dem anderen Sinne vorgeprägt ist, wie sich im Übrigen schon aus der Geschichte der Norm ergibt, die nach dem ursprünglichen Gesetzgebungsvorschlag gerade nicht auf den Kreisausschuss angewandt werden sollte.

Der Wille der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten hat nicht nur unvollkommen im Gesetzestext Ausdruck gefunden. Weil § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW als die für die Anwendbarkeit der geänderten Norm maßgebliche Regelung nicht in den Blick genommen und dementsprechend angenommen wurde, dass schon durch die Streichung der im ursprünglichen Gesetzentwurf des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW enthaltenen Ausschlussregelung die Einbeziehung des Kreisausschusses in die dortige Regelung erfolge, hat der darauf bezogene Wille der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten überhaupt keinen Niederschlag in der Fassung des Gesetzes gefunden. Ohne die Kenntnis dieses Gesetzgebungsvorgangs ist es juristisch unvertretbar, Wortlaut, Systematik und Sinn des Gesetzes dahin zu verstehen, die beratende Mitgliedschaft in § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW beziehe sich auch auf den Kreisausschuss. Es ist dem Gericht aber verwehrt, einer fehlgeschlagenen Gesetzgebung im Wege der Auslegung ohne Anhalt im Gesetzestext und im Widerspruch zur Systematik des Gesetzes nur auf Grund von - allerdings klaren - Motivanhaltspunkten aus dem Gesetzgebungsverfahren Wirksamkeit zu verleihen.

Anders mag dies allenfalls dann sein, wenn die von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten gewollte Regelung durch höherrangiges Recht, hier dem Verfassungsrecht, geboten wäre.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.6.1964 - 1 BvL 16 - 25/62 -, BVerfGE 18, 97 (111), wonach jede verfassungskonforme Auslegung erst dort ihre Grenze findet, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde.

Die vom Kläger gewünschte Regelung ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Sie ergibt sich nicht aus dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Ausschüssen und Plenum. Für Ausschüsse repräsentativer Vertretungskörperschaften gilt, dass wegen der Vorverlagerung der Arbeit vom Plenum in die Ausschüsse diese grundsätzlich ein verkleinertes Abbild des Plenums sein und in ihrer Zusammensetzung das in ihm wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssen, wobei in sachlich begründeten Fällen die Mitgliederzahl eines Ausschusses so gewählt werden darf, dass nicht jede Fraktion im Ausschuss vertreten ist.

Vgl. für Parlamentsausschüsse BVerfG, Urteile vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, BVerfGE 70, 324 (363 f.), und vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (222); für Ratsausschüsse BVerwG, Urteile vom 10.12.2003 - 8 C 18.03 -, S. 5 f. des amtl. Umdrucks, und vom 27.3.1992 - 7 C 20.91 -, BVerwGE 90, 104 (109); OVG NRW, Urteil vom 26.11.2002 - 15 A 662/02 -, NWVBl. 2003, 267 (268); Bay. VGH, Entscheidung vom 14.12.1988 - Vf. 118 - 14 - 87 -, BayVBl. 1989, 173 (174); Löwer, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 30 Rn. 20, und Menzel, ebenda, Art. 38 Rn. 27.

Hier verlangt der Kläger jedoch nicht, proportional zu seinem Stimmgewicht im Plenum auch im Kreisausschuss vertreten zu sein, da nach Verhältniswahlgesichtspunkten der Kläger keinen Anspruch auf einen Sitz dort hat.

Auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte des Minderheitenschutzes gebieten keine Auslegung der genannten Vorschrift im Sinne des Klägers. Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG, über Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Länderebene verbindlich; Art. 2, 3 Abs. 1, 31 LVerf NRW) gewährleistet neben der Herrschaft der Mehrheit auch den Schutz der Minderheit. Dieser Schutz umfasst das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition mit der Möglichkeit der Minderheit, ihren Standpunkt im Wege gleichberechtigter Mitwirkung aller Abgeordneten bzw. Rats- und Kreistagsmitglieder in den Willensbildungsprozess des Staates bzw. der Kommune einzubringen.

Vgl. BVerfG, Urteile vom 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 und 4/84 -, BVerfGE 70, 324 (363), und vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (218); VerfGH NRW, Urteile vom 15.6.1999 - VerfGH 6/97 -, NWVBl. 1999, 411 (412), und vom 4.10.1993 - VerfGH 15/92 -, OVGE 43, 274 (278), zum nordrhein-westfälischen Verfassungsrecht; Bay. VerfGH, Entscheidung vom 14.12.1988 - Vf. 118 - IV - 87 -, BayVBl. 1989, 173 (174), zum bayerischen Verfassungsrecht; zum Minderheitenschutz vgl. Klein, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Loseblattsammlung (Stand: Februar 2003), Art. 42 Rn. 93 ff.; Dicke, in: Umbach/Clemens, GG, Band II, Art. 42 Rn. 40 ff.; Löwer, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Art. 30 Rn. 13 f.

Aus diesem Gesichtspunkt des Minderheitenschutzes ergibt sich allenfalls, dass der Kläger beanspruchen kann, in einen Ausschuss als beratendes Mitglied gewählt zu werden. Er kann jedoch nicht beanspruchen, in einen Ausschuss seiner Wahl gewählt zu werden.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188 (224, 226), zu fraktionslosen Bundestagsabgeordneten.

Erst recht gibt es keinen sachlichen Gesichtspunkt, dass sich im Falle des Klägers ein Anspruch auf Wahl in einen Ausschuss auf die Wahl in ein weiteres Organ des Kreises, den Kreisausschuss, verdichtet haben sollte.

Allerdings muss sich die gesetzliche Regelung am dem allgemeinen Gleichheitssatz immanenten Willkürverbot messen lassen, das als Element des objektiven Gerechtigkeitsprinzips der Rechtsstaatlichkeit inne wohnt und auch für Kreistagsmitglieder Geltung beansprucht.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 3.9.2002 - 15 A 2777/00 -, S. 8 f. des amtl. Umdrucks, vom 18.3.1997 - 15 A 166/94 -, NWVBl. 1997, 373 (375 f.), und vom 27.8.1996 - 15 A 4171/93 -, NWVBl. 1997, 75 (77).

Es ist jedoch nicht willkürlich, dass nach der oben gefundenen Gesetzeslage zwar die Mitglieder des Rates von Gemeinden, insbesondere auch kreisfreier Städte, auf Grund der Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 11 GO NRW in den Hauptausschuss gewählt werden können, aber Kreistagsmitglieder auf Grund des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW nicht in den Kreisausschuss. Das ergibt sich schon daraus, dass es dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, das Verfassungsrecht der Gemeinden und das der Kreise, auch wenn ähnliche Sachverhalte betroffen sind, unterschiedlich zu regeln. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung scheidet von vorneherein aus, weil die Ratsmitgliedschaft einerseits und die Kreistagsmitgliedschaft wesentlich andere Sachverhalte darstellen. Im Übrigen gibt es auch wesentliche Unterschiede zwischen dem Hauptausschuss einer Gemeinde und dem Kreisausschuss eines Kreises, die eine unterschiedliche Regelung rechtfertigen. Im Gegensatz zum Hauptausschuss, der lediglich ein Unterorgan des Organs Gemeinderat ist, ist der Kreisausschuss ein eigenständiges Organ des Kreises, das auch in seinen Aufgaben deutlich über die des Hauptausschusses einer Gemeinde hinausgeht (vgl. für den Hauptausschuss §§ 59 Abs. 1, 60 Abs. 1 und 61 GO NRW, für den Kreisausschuss §§ 50 und 59 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW).

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.7.1989 - 15 A 487/86 -, NWVBl. 1989, 437 f.; Erichsen: Kommunalrecht für das Land Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl., S. 145 f.; Kirchhof, in: Held u.a.: Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblattsammlung (Stand: Mai 2004), § 50 KrO NRW Anm. 1.

Ebenfalls ist es nicht willkürlich, dass gemäß § 41 Abs. 3 Satz 7 - 9 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW Fraktionen, die im Kreisausschuss nicht vertreten sind, berechtigt sind, dafür ein Kreistagsmitglied zum beratenden Mitglied bestellen zu lassen, während ein vergleichbarer Anspruch dem einzelnen Kreistagsmitglied versagt ist. Es liegen wesentliche, eine Ungleichbehandlung rechtfertigende Unterschiede zwischen einer Fraktion und einem einzelnen (insbesondere fraktionslosen) Kreistagsmitglied vor. Eine Fraktion besteht aus mindestens zwei Personen (§ 40 Abs. 1 Satz 2 KrO NRW) und bildet damit eine Gruppierung des Kreistages aus einer Mehrheit von Kreistagsmitgliedern zur Bündelung der Willensbildung. Demgegenüber steht der einzelne Abgeordnete nur für sich alleine. Diese Unterschiede in der Bedeutung für die Willensbildung des Kreistages rechtfertigen es, Fraktionen im Gegensatz zu einzelnen Kreistagsmitgliedern in der geschehenen Weise gesichert im Kreisausschuss zumindest mit beratender Stimme vertreten sein zu lassen.

Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW durch § 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW verstößt nicht gegen das Recht der Selbstverwaltung der Kreise (Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, Art 78 Abs. 1 und 2 LVerf NRW). Entgegen der Auffassung des Klägers verbietet die genannte Regelung den Kreistagen nicht, einzelne Abgeordnete als beratende Mitglieder in den Kreisausschuss zu wählen. Die Vorschrift des § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW enthält alleine eine Verpflichtung, einen bestimmten Minderheitenschutz in Ausschüssen einzuräumen. Eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der Kreise kann dadurch, dass ein solcher Schutz für den Kreisausschuss gesetzlich nicht vorgeschrieben wird, schon im Ansatz nicht vorliegen.

Allerdings ergibt sich die fehlende Berechtigung des Kreistages, eine dem § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW vergleichbare Minderheitenschutzposition für einzelne Kreistagsmitglieder auf freiwilliger Basis zu gewähren, aus §§ 51 Abs. 1 und 2, 52 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW. Zwar darf der Kreistag die Zusammensetzung der Ausschüsse regeln (§ 41 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW) und sie insbesondere mit sachkundigen Bürgern als Mitglieder mit beratender Stimme bestücken (§ 41 Abs. 6 KrO NRW), woraus sich - unbeschadet der zwischenzeitlich durch § 41 Abs. 3 Satz 11 KrO NRW eingeführten Verpflichtung - schon immer das Recht ergeben hat, einzelne Kreistagsmitglieder unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots zu Mitliedern mit beratender Stimme zu wählen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.3.2004 - 15 A 2360/02 -, S. 21 ff. des amtlichen Umdrucks, für die Parallelregelung in der Gemeindeordnung.

Dies gilt jedoch nicht für den Kreisausschuss, dessen Zusammensetzung in § 51 Abs. 1 und 2 KrO NRW geregelt ist und für den weder die Vorschrift über die Befugnis zur Regelung der Ausschusszusammensetzung in § 43 Abs. 3 Satz 1 KrO NRW noch die Vorschrift über beratende sachkundige Bürger in § 41 Abs. 6 KrO NRW entsprechend anwendbar sind. Daraus ergibt sich, dass auch keine Befugnis besteht, zusätzlich aus Minderheitenschutzgründen einzelne Kreistagsmitglieder mit beratender Stimme in den Kreisausschuss zu wählen.

Dies ist jedoch unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar kann sich der Kreis im Rahmen der ihm gewährten kommunalen Selbstverwaltung auf die Organisationshoheit stützen. Hierunter wird das Recht der Gemeinden und Gemeindeverbände verstanden, ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in organisatorisch-verfahrensrechtlicher Hinsicht selbst zu regeln. Hierzu zählt namentlich das Recht zu einer eigenständigen Organisation der Verwaltungsgliederung einschließlich der Regelung der Rechtsverhältnisse innerhalb der Gemeindevertretung. Das Recht leitet sich aus der institutionellen Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 78 Abs. 1 und 2 LVerf NRW ab. Jedoch kann der Gesetzgeber nicht nur Vorhandensein und Bildung der einzelnen kommunalen Organe, sondern auch ihre Zuständigkeit sowie die Voraussetzungen und Umstände ihrer internen Willensbildung regeln und entsprechende Verfahrensbestimmungen treffen. Raum für eine eigenständige Regelung durch die kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften bleibt dann nur, solange und soweit der Gesetzgeber von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat. Insbesondere ist den Gemeinden außerhalb eines unantastbaren Kernbereichs die Befugnis zur Gestaltung ihrer Eigenverwaltung genommen, wenn der gesetzliche Regelungsgehalt den Organisationsgegenstand abdeckt

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 30.3.2004 - 15 A 2360/02 -, S. 15 des amtl. Umdrucks, und vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, NWVBl. 2002, 384 (385 f.).

Zum so verstandenen Kernbereich gehört nicht die grundsätzlich freie Bestimmung über die Organisation des Gemeindeverbandes überhaupt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2002 - 2 BvR 329/97 -, BVerfGE 107, 1 (12 f.)

Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Gesetz den Kreisen die vom Kläger gewünschte Möglichkeit der Besetzung des Kreisausschusses nicht gewährt.

Unerheblich ist, ob - wie der Kläger meint - wegen der von ihm nur begehrten beratenden Mitgliedschaft eine Störung der Kreisausschusstätigkeit auch dann nicht zu befürchten ist, wenn andere fraktionslose oder gar fraktionsgebundene, aber in keinem Ausschuss vertretene Kreistagsmitglieder ebenfalls eine solche Mitgliedschaft beanspruchen. Es steht im weiten Ermessen des Gesetzgebers, die Zahl der mit oder ohne Stimmrecht im Ausschuss vertretenen Mitglieder festzulegen, wenn nur die oben genannten Grundsätze der Repräsentation und des Minderheitenschutzes eingehalten werden. Das Verfassungsrecht schreibt nicht mehr vor.

Ende der Entscheidung

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