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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.01.2009
Aktenzeichen: 15 B 1609/08
Rechtsgebiete: KAG NRW


Vorschriften:

KAG NRW § 8
Die Antragstellerin ist Eigentümerin von fünf Flurstücken, von denen die Flurstücke 123, 124 und 125 gewerblich und die Flurstücke 122 und 119 landwirtschaftlich genutzt werden. Allein das Flurstück 119 grenzt an die A.-Straße, die der antragsgegnerische Bürgermeister auszubauen begonnen hat. Für alle fünf Flurstücke gemeinsam erließ der Antragsgegner einen Vorausleistungsbescheid auf den künftigen Straßenbaubeitrag. Das Flurstück 119 veräußerte die Antragstellerin. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Vorausleistungsbescheid anzuordnen, hatte in beiden Rechtszügen Erfolg.

Zum bürgerlich-rechtlichen (grundbuchrechtlichen) Grundstücksbegriff.

Zum ausbaubeitragsrechtlichen Grundstücksbegriff im Sinne der wirtschaftlichen Einheit.

Zum ausbaubeitragsrechtlichen Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks.


Gründe:

Allerdings kann die Entscheidung nicht darauf gestützt werden, dass die Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr Eigentümerin des erschlossenen Grundstücks und deshalb auch nicht vorausleistungspflichtig sei. Eigentümerin des Flurstücks 119 war die Antragstellerin bis zum 31.10.2007, dem Tag der Eintragung des Eigentums der X-GmbH, die auf Grund der Auflassung vom 13.9.2007 erfolgte. Erst damit ging das Eigentum über (§ 873 Abs. 1 BGB). Die Vorausleistungspflicht entstand jedoch bereits mit der Bekanntgabe des Vorausleistungsbescheides.

Vgl. Dietzel in: Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Straßenbaubeitragsrecht, G Rn. 165; Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl., Rn. 233; ebenso für das Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 31.1.1968 - IV C 29.67 -, DVBl. 1968, 521; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitrage, 8. Aufl., § 21 Rdnr. 32; ebenso für das rheinland-pfälzische Entwässerungsbeitragsrecht OVG Rh.-Pf., Urteil vom 26.10.1989 - 12 A 48/89 -, NVwZ 1990, 1091 f.

Beitragspflichtig war diejenige Person, die in diesem Zeitpunkt Eigentümerin war, also die Antragsstellerin. Spätere Veränderungen in der Eigentümerstellung berühren die einmal in dieser Person entstandene Vorausleistungspflicht ebenso wenig wie bei der einmal entstandenen endgültigen Beitragspflicht.

Jedoch setzt der Bescheid eine Vorausleistung für das falsche Grundstück fest. Entgegen der im Bescheid niedergelegten Annahme ist nicht die aus den Flurstücken 119, 122, 123, 124 teilweise und 125 teilweise gebildete Fläche das der zukünftigen Beitragspflicht unterworfene Grundstück. Bei diesen Flurstücken handelt es sich im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides um je eigene Buchgrundstücke, da sie im Bestandsverzeichnis des Grundbuches von D., Bl. 762, unter je eigener laufender Nummer geführt wurden.

Vgl. zu dieser Definition des Grundstücks im bürgerlich rechtlichen (grundbuchrechtlichen) Sinne Demharter, GBO, 26. Aufl., § 2 Rn. 15; Ellenberger, in: Palandt, BGB, 68. Aufl., Überbl v § 90 Rdnr. 3; Wacke, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6, 4. Aufl., Vor § 873 Rn. 3; Tussaint, in: Juris Praxiskommentar BGB, Bd. 3, 2. Aufl., § 890 Rn. 7.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist unerheblich, dass die Flurstücke alle im Bestandsverzeichnis eines einzigen Grundbuchblattes aufgeführt sind. Zwar ist dann, wenn ein Realfolium geführt wird, für jedes Grundstück ein Grundbuchblatt zu führen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GBO).

Demharter, GBO, 26. Aufl., § 3 Rn. 2.

Wenn jedoch - wie hier - ein Personalfolium angelegt ist, kann über mehrere Grundstücke desselben Eigentümers ein gemeinschaftliches Grundbuchblatt geführt werden (§ 4 Abs. 1 GBO).

Allerdings ist Grundstück im Sinne des Beitragsrechts nach § 8 KAG NRW die wirtschaftliche Einheit, also der demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig - regelmäßig baulich oder gewerblich - genutzt werden kann. Ausgangspunkt ist das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke des bürgerlichen Rechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist hier festzustellen, ob das an der A.-Straße liegende, landwirtschaftlich genutzte Flurstück 119 und die dahinter liegenden, hier veranlagten weiteren Buchgrundstücke ganz oder teilweise zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst werden müssen. Für eine Zusammenlegung von Flächen ist ein Mindestmaß an rechtlicher Zusammengehörigkeit der Flächen erforderlich.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.6.2008 - 15 A 285/06 -, KStZ 2008, 171 (172); Urteil vom 15.3.2005 - 15 A 636/03 -, NWVBl. 2005, 317 (318).

Hier ist das aus dem Flurstück 119 bestehende Buchgrundstück allein von der ausgebauten A.-Straße erschlossen. Für eine Zusammenlegung dieses Flurstücks mit den wohl eine wirtschaftliche Einheit bildenden und gewerblich genutzten Flurstücken 123, 124 und 125 fehlt jeglicher Anhalt. Für das erforderliche Mindestmaß rechtlicher Zusammengehörigkeit ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Allenfalls kann erwogen werden, ob das hinter dem Flurstück 119 liegende, ebenfalls wie dieses landwirtschaftlich genutzte und nicht von der A.-Straße erschlossene Flurstück 122 mit den Gewerbegrundstücken einer wirtschaftlichen Einheit zuzurechnen ist. Der Antragsgegner behauptet, dass dafür 1968 eine Baugenehmigung für einen dem Betrieb zuzuordnenden Parkplatz erteilt worden sei. Unabhängig davon, dass diese Baugenehmigung wohl mangels Verwirklichung im Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheides erloschen gewesen sein dürfte, wäre eine so gebildete wirtschaftliche Einheit und damit das beitragsrechtliche Grundstück ebenfalls kein Anliegergrundstück der A.-Straße.

Somit kann lediglich für das Flurstück 119 als unmittelbares Anliegergrundstück eine Beitragspflicht und damit eine Vorausleistungspflicht entstehen, allenfalls für die Flurstücke 119 und 122 gemeinsam, wenn bei ihnen die Voraussetzungen für eine Zusammenlegung zu einer wirtschaftlichen Einheit im Sinne eines Mindestmaßes rechtlicher Zusammengehörigkeit vorliegen.

Die Flurstücke 123, 124 und 125 sind auch nicht als Hinterliegergrundstück beitragspflichtig.

Vgl. zum Erschlossensein eines Hinterliegergrundstücks OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2007 - 15 A 785/05 -, NVwZ-RR 2007, 808 (809); Beschluss vom 14.10.2005 - 15 A 240/04 -, KStZ 2006, 16 (17 f.).

Da nämlich das Gewerbegrundstück bereits anderweitig voll erschlossen ist, nämlich über eine Zufahrt zur B.-Straße, reicht die bloße Möglichkeit, eine Zufahrt über die Flurstücke 122 und 119 zur A.-Straße anzulegen, nicht aus, um von einem Erschlossensein des Gewerbegrundstücks zu sprechen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.01.2005 - 15 A 548/03 -, NVwZ-RR 2006, 63 (65).

Obwohl somit zwar jedenfalls für das Flurstück 119, möglicherweise auch für das Flurstück 122 als Teil des Beitragsgrundstücks oder als Hinterliegergrundstück, eine Beitragspflicht entstehen kann, war die aufschiebende Wirkung der Klage dennoch voll anzuordnen. Denn der in das Ermessen des Antragsgegners gestellte Vorausleistungsbescheid geht von der grundsätzlich unrichtigen Annahme aus, das Flurstück 119 sei als Teil eines Gewerbegrundstücks beitragspflichtig. Außerdem bedürfte es zur Beurteilung der Beitragspflicht nur des Flurstücks 119 und gegebenenfalls des Flurstücks 122 noch der Prüfung, ob diese Flurstücke überhaupt bebaubar sind, so dass die Verteilungsanteile noch zu ermitteln sind, was möglicherweise wiederum Rückwirkungen auf den zu Grunde zu legenden Beitragssatz hat. Alle diese Gesichtspunkte, die das Ob der Heranziehung und die Höhe der geforderten Vorausleistung beeinflussen können, hat der Antragsgegner gegebenenfalls im weiteren Verfahren zu berücksichtigen.

Ende der Entscheidung

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