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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.11.2002
Aktenzeichen: 15 B 2248/02
Rechtsgebiete: Verf NRW, LadSchlG, GO NRW, OBG NRW


Vorschriften:

Verf NRW Art. 78
LadSchlG § 3
LadSchlG § 16
GO NRW § 116
GO NRW § 119
OBG NRW § 12
§ 3 Abs. 1 Nr. 4 LadSchlG entfaltet keine Sperrwirkung für fakultative Verlängerungen der Ladenöffnungszeit nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG an anderen Samstagen des Jahres als den vier aufeinanderfolgenden vor dem 24.12.aus Anlass weihnachtlicher Veranstaltungen.
Tatbestand:

Der Rat der Stadt hatte durch eine Rechtsverordnung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG aus Anlass von Weihnachtsmärkten für den fünften und sechsten Samstag vor dem 24.12.die Ladenschlusszeit in näher bezeichneten Stadtgebieten bis 18 Uhr freigegeben. Die Bezirksregierung hob als Kommunalaufsichtsbehörde den Ratsbeschluss unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, weil sie der Auffassung war, das Bedürfnis zur Ladenschlusszeitverlängerung zum Zwecke des Weihnachtseinkaufs werde abschließend durch § 3 Abs. 1 Nr. 4 LadSchlG geregelt, der für die vier aufeinanderfolgenden Samstage vor dem 24.12.die Ladenschlusszeit allgemein bis 18 Uhr statt sonst 16 Uhr freigibt. Der von der Stadt verfolgte Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hatte vor dem VG Erfolg, die von der Bezirksregierung dagegen erhobene Beschwerde wies das OVG zurück.

Gründe:

Die Aufhebungsverfügung erweist sich bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die Aufhebung eines Ratsbeschlusses nach § 119 Abs. 1 GO NRW nicht vorliegen. Der teilweise aufgehobene Ratsbeschluss verletzt nämlich nicht, wie es eine kommunalaufsichtsrechtliche Aufhebung voraussetzt, geltendes Recht. Vielmehr rechtfertigt sich der Beschluss in dem hier relevanten Teil aus § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG. Danach dürfen Verkaufsstellen abweichend von der allgemeinen Ladenschlusszeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LadSchlG, der das Offenhalten von Verkaufsstellen samstags nur zwischen 6 und 16 Uhr zulässt, aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens sechs durch Rechtsverordnung festzusetzenden Werktagen bis spätestens 21 Uhr geöffnet sein.

Bereits der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG sieht eine thematische Begrenzung der Veranstaltungen, aus Anlass derer eine Verlängerung der Öffnungszeiten zulässig ist, nicht vor, sodass es nicht zu beanstanden ist, dass der Rat der Antragstellerin die Verlängerung der Ladenöffnungszeit an den beiden genannten Tagen mit Weihnachtsmärkten begründet. Auch aus dem Sinn und Zweck des § 16 LadSchlG folgt nichts Anderes. Die Vorschrift bezweckt nämlich, die Ladenöffnung an einer bestimmten Zahl von Werktagen über den allgemeinen Ladenschluss des § 3 Abs. 1 Nr. 3 LadSchlG hinaus nach Ermessen der zuständigen Behörde freizugeben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1998 - 1 CN 1.98 -, Buchholz 451.25 LadSchlG Nr. 29, S. 5, 7.

Dabei ist diese Möglichkeit alleine an die Existenz von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen geknüpft, aus deren Anlass die Verlängerung der Ladenöffnungszeit erlaubt werden kann, ohne dass das Gesetz weihnachtsbezogene Veranstaltungen vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausnimmt.

Auch der systematische Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 LadSchlG zwingt nicht zu einer solchen Beschränkung. Zwar trägt schon diese Regelung, die die allgemeine Ladenschlusszeit für die vier aufeinanderfolgenden Samstage vor dem 24.12.auf 18 Uhr festsetzt und damit in Abweichung zu den sonstigen Samstagen um zwei Stunden verlängert, dem besonderen weihnachtlichen Kaufinteresse der Bevölkerung Rechnung. Damit wird aber nicht ausgeschlossen, die Ladenschlusszeiten an anderen Samstagen aus Anlass weihnachtlicher Veranstaltungen im Rahmen des § 16 LadSchlG zu verlängern. Eine gegenteilige Auslegung würde angesichts des Wortlauts der Vorschriften einen gewichtigen Anhaltspunkt für einen entsprechenden Regelungswillen des Gesetzgebers erfordern. Ein solcher kann auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin zur Gesetzgebungsgeschichte jedenfalls im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht festgestellt werden. § 3 Abs. 1 Nr. 4 LadSchlG beinhaltet danach eine obligatorische Verlängerung der Ladenöffnungszeit aus Gründen des Weihnachtsgeschäfts an den vier aufeinanderfolgenden Samstagen vor dem 24. Dezember. Dagegen entfaltet die Vorschrift keine Sperrwirkung für fakultative Verlängerungen der Ladenöffnungszeit auf Grund weihnachtlicher Veranstaltungen an anderen Samstagen des Jahres nach § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG. Entgegen der Auffassung wird also die von der Antragsgegnerin so genannte "Verkaufssituation Weihnachten" durch § 3 Abs. 1 Nr. 4 LadSchlG nicht abschließend für alle Samstage geregelt.

A.A. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 16.8.2000 - 11 C 10880/00.OVG -, GewArch 2000, 495 (497).

Schließlich handelt es sich bei den in Rede stehenden Weihnachtsmärkten auch zumindest um "sonstige Veranstaltungen" im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG. Im Gegensatz zur Auffassung der Antragsgegnerin ist zur Bejahung dieses Merkmals nicht erforderlich, dass ein dringendes Bedürfnis zur Versorgung der Besucher besteht, das zu anderen Zeiten nicht erfüllt werden kann (so aber Nr. III.4 des RdErl. d. Ministeriums für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport v. 9.8. 1999, MBl. NRW. S. 1052). Das ergibt schon die Gesetzesformulierung des § 16 Abs. 1 Satz 1 LadSchlG, die nur davon spricht, dass "aus Anlass" von Märkten, Messen und ähnlichen Veranstaltungen die Ladenöffnungszeiten verlängert werden könne. Damit ist ein nur lockerer Bezug zwischen der Entscheidung, die Ladenöffnungszeit zu verlängern, und der Veranstaltung erforderlich, nämlich der, dass die Veranstaltung und nicht nur die verlängerte Ladenöffnungszeit als solche einen beträchtlichen Besucherstrom anziehen muss, der ein die Verlängerung der Ladenöffnungszeit rechtfertigendes Kaufinteresse mit sich bringt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1989 - 1 B 153.89 -, Buchholz 451.25 LadSchlG Nr. 27 S. 7.

Allerdings könnte der genannte Runderlass, auf den sich die Beschwerde zur Begründung des Rechtsmittels beruft, auch dahin verstanden werden, dass er nicht eine - so unzutreffende - Interpretation des Ladenschlussgesetzes darstellt, sondern eine Weisung nach § 9 Abs. 2 Buchst. a OBG NRW dahin, von dem nach § 16 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG eingeräumten Ermessen, die genannten Veranstaltungen zum Anlass für eine Ladenöffnungszeitverlängerung zu nehmen, in einem bestimmten, hier für die in Rede stehenden Weihnachtsmärkte negativen Sinne Gebrauch zu machen. Zu dieser Erwägung besteht Anlass, weil die Zuständigkeit nach 16 Abs. 1 Satz 2 LadSchlG in Nr. 4.6.4, 2. Spiegelstrich, des III. Teils der Anlage zur Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arbeits- und technischen Gefahrenschutzes (ZustVO ArbtG) vom 25.1.2000 (SGV. NRW. 281) auf die örtlichen Ordnungsbehörden übertragen wurde. Für den Fall, dass auf Grund dieser Zuweisung die zuständige Behörde Sonderordnungsbehörde nach § 12 OBG NRW wäre mit der Folge, dass diese einem Weisungsrecht nach § 9 OBG NRW unterläge, könnte der aufgehobene Beschluss des Rates geltendes Recht verletzen, falls er sich als weisungswidrig und damit als Verstoß gegen § 116 Abs. 2 GO NRW i.V.m. § 9 OBG NRW erweisen würde. Jedoch können diese Erwägungen und insbesondere auch die dem vorgelagerte Frage, ob unter Geltung des Art. 78 Abs. 3 und 4 Satz 2 Verf NRW durch Ausübung einer bundesrechtlichen Delegationsverordnungsermächtigung Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung geschaffen werden können, auf sich beruhen. Die angegriffene und in das Ermessen der Antragsgegnerin gestellte Aufhebungsverfügung stützt nämlich die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Beschlusses nicht auf eine etwaige Weisungswidrigkeit, sondern - zu Unrecht - auf einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz.

Ende der Entscheidung

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