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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 15 B 2378/06
Rechtsgebiete: GO NRW


Vorschriften:

GO NRW § 48 Abs. 2 Satz 1
GO NRW § 58 Abs. 2 Satz 1
GO NRW §§ 101 ff.
Eine Geschäftsordnung des Rates kann die Öffentlichkeit für Sitzungen des Rechnungsprüfungsausschusses in Angelegenheiten der Rechnungsprüfung generell ausschließen.
Tatbestand:

Der Antragsteller beabsichtigte, als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses des Rates einer Gemeinde an einer Sitzung dieses Ausschusses teilzunehmen, in der über Empfehlungen der Gemeindeprüfungsanstalt in ihrem Prüfungsbericht beraten werden sollte. Entsprechend der einschlägigen Geschäftsordnung sollte die Sitzung nichtöffentlich durchgeführt werden. Der Antragsteller begehrte, dem Ausschuss im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, öffentlich zu beraten. Der Antrag hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anspruch darauf hat, dass der Rechnungsprüfungsausschuss in seiner Sitzung zur Beratung der Nummern Fi-9, Fi-25 und Fi-28 des Prüfberichtes der Gemeindeprüfungsanstalt öffentlich verhandelt.

Allerdings gilt grundsätzlich, dass die Ausschüsse des Rates öffentlich verhandeln (§§ 48 Abs. 2 Satz 1, 58 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Jedoch kann durch Geschäftsordnung die Öffentlichkeit für Angelegenheiten einer bestimmten Art ausgeschlossen werden (§§ 48 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 GO NRW). Das ist hier dadurch geschehen, dass nach § 6 Abs. 2 Buchst. f der Geschäftsordnung für den Rat und die Ausschüsse die Öffentlichkeit in Sitzungen des Rates ausgeschlossen ist in Angelegenheiten der Rechnungsprüfung mit Ausnahme der Beratung des Prüfergebnisses (heute § 96 Abs. 1 GO NRW). Diese Vorschrift der Geschäftsordnung gilt nach § 26 auch für die Ausschüsse.

Die hier in Rede stehende Erörterung des Prüfungsberichtes der Gemeindeprüfungsanstalt zu den drei Punkten ist eine Angelegenheit der Rechnungsprüfung: Nach § 105 Abs. 5 GO NRW legt der Bürgermeister den Prüfungsbericht dem Rechnungsprüfungsausschuss zur Beratung vor. Dieser Ausschuss unterrichtet den Rat über den wesentlichen Inhalt des Prüfungsberichts sowie über das Ergebnis seiner Beratung. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die Zugehörigkeit der vorgesehenen Beratung zur Rechnungsprüfung nicht deshalb verneint werden, weil Gegenstand auch die Empfehlungen der Gemeindeprüfungsanstalt zu wirtschaftlicherer Verwaltungsführung sind. Spätestens seit der Reform des überörtlichen Gemeindeprüfungsrechts mit der Einführung des Prüfungspunktes der sachgerechten und wirtschaftlichen Verwaltungsführung (§ 105 Abs. 3 Nr. 3 GO NRW) gehören Empfehlungen dieser Art zum herausgehobenen Gegenstand der überörtlichen Prüfung.

Vgl. zu dieser Reform: Schneider/Hamacher, Reform der überörtlichen Gemeindeprüfung in NRW, StuGR 2002, Heft 9, S. 6 - 10.

Insofern ist die überörtliche Gemeindeprüfung zukunfts- und nicht bloß vergangenheitsbezogen.

Der so nach der Geschäftsordnung angeordnete Ausschluss der Öffentlichkeit für Beratungen des Rechnungsprüfungsausschusses in Angelegenheiten der Rechnungsprüfung erscheint nicht überwiegend wahrscheinlich rechtswidrig und damit nichtig. Die Vorschrift findet ihre Grundlage im genannten § 48 Abs. 2 Satz 2 GO NRW. Er ermächtigt den Rat mit dem Ausschluss von "Angelegenheiten einer bestimmten Art" zur Schaffung abstrakt-generell gefasster Ausschlusstatbestände, während § 48 Abs. 2 Satz 3 GO NRW den Ausschluss der Öffentlichkeit "für einzelne Angelegenheiten" auf Antrag des Bürgermeisters oder eines Ratsmitglieds betrifft. Dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 Satz 2 GO NRW sind allerdings keine inhaltlichen Kriterien dafür zu entnehmen, in Angelegenheiten welcher Art der Gemeinderat die Öffentlichkeit durch die Geschäftsordnung ausschließen darf. Wegen der großen Bedeutung des Grundsatzes der Sitzungsöffentlichkeit ist hieraus aber nicht zu schließen, dass der Gemeinderat insoweit keinen Bindungen unterläge. § 48 Abs. 2 Satz 2 GO NRW setzt vielmehr voraus, dass aus anderen Rechtsvorschriften oder Rechtsgrundsätzen herzuleiten ist, in welcher Art von Angelegenheiten in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2.5.2006 - 15 A 817/04 -, Juris, Rn. 66 bis 69.

Diese Rechtfertigung des generellen Ausschlusses der Öffentlichkeit für Angelegenheiten der Rechnungsprüfung zumindest im Rechnungsprüfungsausschuss ergibt sich aus dem Wesen der Rechnungsprüfung. Bei der Rechnungsprüfung allgemein handelt sich in erster Linie um eine gemeindeinterne verwaltungstechnische Kontrolle. Bei der überörtlichen Rechnungsprüfung in dem hier angesprochenen Bereich geht es speziell um eine Bestandsanalyse und die Feststellung von Handlungsoptionen für eine sachgerechtere und wirtschaftlicherere Verwaltungsführung, die politische Entscheidungsalternativen vom Tatsächlichen her erst erfassen, nicht aber bereits vorauswählen oder gar festlegen sollen. Es besteht ein legitimes Interesse des Gemeinwohls, dass dieser Vorgang auf einer analytisch-sachlichen Ebene verbleibt und nicht bereits in frühem Stadium in die auch interessenorientierte öffentliche Diskussion mit der Folge gelangt, dass möglicherweise Handlungsoptionen nicht hinreichend gewürdigt werden. Ein derartiges Gemeinwohlinteresse findet gesetzlich z.B. Ausdruck darin, dass das Informationsfreiheitsrecht Entscheidungsvorbereitungen unter bestimmten Voraussetzungen von dem grundsätzlich eingeräumten öffentlichen Informationszugang ausschließt (§ 7 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen und § 4 Abs. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes).

Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 17.5.2006 - 8 A 1642/05 -, NWVBl. 2006, 292 (294).

Angelegenheiten der Rechnungsprüfung werden daher in der Literatur auch als ein Standardbeispiel für "Angelegenheiten einer bestimmten Art" genannt, für die die Öffentlichkeit generell ausgeschlossen werden kann.

Vgl. Held/Plückhahn, Kommunalverfassungsrecht, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2005), § 48 Anm. 12 Buchst. g; Rehn/Cronauge/von Lennep, GO NRW, Loseblattsammlung (Stand: Oktober 2004), § 48 Anm. V.2.f); Geiger, in: Articus/ Schneider (Hrsg.), GO NRW, 2. Aufl., § 48 Anm. 7; kritisch, aber ohne das hier genannte Schutzgut zu behandeln: von Arnim, Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrollberichte als Verfassungsgebot, Gemhlt. 1981, 258 ff.

Der Antragsteller verkennt die Aufgabe des Rechnungsprüfungsausschusses, wenn er meint, es könnten auf diese Weise gewichtige politische Entscheidungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen werden. Solche Entscheidungen hat der Rechnungsprüfungsausschuss nicht zu treffen. Seine Aufgabe besteht darin, zu den Empfehlungen der Gemeindeprüfungsanstalt tatsächliche Optionen unter Herausarbeitung von Aufwand und Ertrag zu erarbeiten. Die politische Bewertung und Entscheidung zur Umsetzung einer Option obliegen den Fachausschüssen und dem Rat. Es ist nicht erkennbar, dass der hier in Rede stehende Gegenstand der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses einen anderen als diesen zulässigen Inhalt hat.

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