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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 15 B 354/09
Rechtsgebiete: GG, GO NRW, LWG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
GO NRW § 8 Abs. 1
LWG § 53 Abs. 1
1. Eine Gemeinde darf in ihrer Entwässerungssatzung den Anschlussnehmern auferlegen, für die von ihnen vorzunehmenden Arbeiten an Grundstücksanschlussleitungen nur von der Gemeinde zugelassene Unternehmer zu beauftragen.

2. Das Rechtsverhältnis zu diesen Unternehmern (Benutzungsinteressenten) darf durch Satzung geregelt werden.

3. Die Grenzen der Regelungsbefugnis ergeben sich aus dem Zweck der Ermächtigung, den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung im Rahmen des Widmungszwecks sicherzustellen, sowie aus dem Gleichbehandlungsgebot und dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.


Tatbestand:

Die Antragsgegnerin, eine Gemeinde, betreibt eine öffentliche Entwässerungsanlage. Nach der Entwässerungssatzung obliegt die Herstellung, Unterhaltung und Erneuerung der Grundstücksanschlussleitungen den Anschlussnehmern, die für die baulichen Arbeiten an diesen Leitungen nur von der Antragsgegnerin zugelassene Unternehmer beauftragen dürfen. Die Antragstellerin wollte in die Liste der zugelassenen Unternehmer aufgenommen werden, wurde aber von der Antragsgegnerin dahin beschieden, dass sie sich zuerst mit einigen kraft angebotener Einzelzulassung vorgenommener Arbeiten an Grundstücksanschlussleitungen bewähren müsse. Die Antragstellerin bestand aber auf sofortiger genereller Zulassung und begehrte im Wege einer einstweiligen Anordnung die Aufnahme in die Liste der zugelassenen Unternehmer, hilfsweise die Feststellung, dass sie auch ohne Zulassung zu Arbeiten an Grundstücksanschlussleitungen berechtigt sei. Das VG lehnte die sich auf die Aufnahme in die Liste beziehenden Anträge ab und gab dem Hilfsantrag statt, da die satzungsrechtliche Bestimmung, dass die Anschlussnehmer nur von der Antragsgegnerin zugelassene Unternehmer beauftragen dürften, nichtig sei. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin lehnte das OVG auch den Hilfsantrag ab.

Gründe:

Der allein beschwerdebefangene erstinstanzliche Rechtsschutzantrag, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig festzustellen, dass die Antragstellerin berechtigt ist, Anschlussarbeiten an der öffentlichen Abwasseranlage der Antragsgegnerin durchzuführen, ist unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen im Hauptsacheverfahren zu verfolgenden Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) darauf, festgestellt zu wissen, dass sie Arbeiten an Anschlussleitungen zur Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin ohne deren Genehmigung durchführen darf.

Entgegen der Meinung des VG ergibt sich ein solcher Anspruch nicht daraus, dass § 9 Abs. 5 Satz 2 der Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin (EWS), der die baulichen Arbeiten an Anschlussleitungen den von der Stadt zugelassenen Unternehmern vorbehält, nichtig wäre. Die Regelung stellt keinen Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin, hier die Berufsfreiheit gemäß Art. 19 Abs. 3, 12 Abs. 1 GG, dar und bedarf daher keiner grundrechtlichen Rechtfertigung. § 9 Abs. 5 Satz 2 EWS begründet mit dem Merkmal, dass Arbeiten an Anschlussleitungen nur durch einen "zugelassenen" Unternehmer durchgeführt werden dürfen, keine Pflichten für die Unternehmer und damit auch nicht für die Antragstellerin. Die Vorschrift richtet sich vielmehr alleine an die Anschlussberechtigten als Benutzer der Einrichtung, denen nach Satz 1 der Vorschrift die Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Beseitigung und laufende Unterhaltung von Anschlussleitungen obliegt und die bei der Auswahl der von ihnen zu beauftragenden Unternehmer auf die von der Stadt zugelassenen beschränkt sind. Daher liegt also allenfalls ein mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmer vor.

Um mittelbare Auswirkungen von Hoheitsakten auf die Berufsfreiheit als grundrechtsrelevante Eingriffe in die Berufsfreiheit qualifizieren zu können, müssen sie eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben, vgl. BVerfG, Urteil vom 17.2.1998 - 1 BvF 1/91 -, BVerfGE 97, 228 (253 f.), oder ihre tatsächlichen Auswirkungen müssen zu einer Beeinträchtigung der freien Berufsausübung führen, vgl. BVerfG, Urteil vom 30.3.2004 - 2 BvR 1520, 1521/01 -, BVerfGE 110, 226 (254).

Beides liegt nicht vor. Weder regelt die Norm die Berufstätigkeit von Tiefbauunternehmern, noch beeinträchtigt sie die freie Berufsausübung, vielmehr setzt sie allgemeine Rahmenbedingungen für Arbeiten im Zusammenhang mit der öffentlichen Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin. Auch ist sie von ihren tatsächlichen Auswirkungen derart geringfügig, dass sie nicht als eine Beeinträchtigung der freien Berufsausübung angesehen werden kann.

Somit bemisst sich die Regelung im Verhältnis zur Antragstellerin nicht nach freiheitsgrundrechtlichen Vorschriften, sondern danach, ob ihr nach Art. 3 Abs. 1 GG gleicher Zugang zu den Arbeiten an den Anschlussleitungen gewährt wird und ob die drittschützenden einfachrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses in Bezug auf die öffentliche Entwässerungsanlage eingehalten wurden.

Einfachrechtlich gibt es gegen die Satzungsregelung, die Arbeiten an Anschlussleitungen nur zugelassenen Unternehmern vorzubehalten, nichts zu erinnern. Die einfachrechtlichen Einschränkungen der Regelungsbefugnis der Antragsgegnerin ergeben sich aus der Ermächtigung zur Regelung der Rechtsverhältnisse in Bezug auf die öffentliche Entwässerungsanlage. Nach § 8 Abs. 1 GO NRW schaffen die Gemeinden innerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Betreuung erforderlichen öffentlichen Einrichtungen. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die öffentliche Entwässerungsanlage. Wasserrechtlich ist die Gemeinde nicht nur dazu berechtigt, sondern nach § 53 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LWG sogar zur Errichtung und zum Betrieb verpflichtet. Die Ermächtigung zur Schaffung der öffentlichen Einrichtung umfasst die Befugnis, im Rahmen der so eingeräumten Anstaltsgewalt das Benutzungsverhältnis durch Satzung zu regeln.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.10.2002 - 15 B 1355/02 -, NWVBl. 2003, 104 (105).

Die Antragstellerin ist zwar keine Benutzerin der Einrichtung, denn Benutzer zeichnen sich dadurch aus, dass sie die durch die Entwässerungsanlage gebotene Leistung, also die Entwässerung von Grundstücken, in Anspruch nehmen. Demgegenüber will die Antragstellerin lediglich im Rahmen eines solchen Benutzungsverhältnisses eines Dritten tätig werden, indem sie für Anschlussnehmer Arbeiten an Anschlussleitungen vornimmt. Sie ist damit als Benutzungsinteressentin anzusehen, die - obgleich nicht Benutzerin - dennoch von den Regelungen des Benutzungsverhältnisses erfasst wird, weil sie in einem spezifischen Näheverhältnis zur Benutzung der öffentlichen Einentwässerungsanlage steht.

Vgl. zur Unterscheidung von Benutzern und bloßen Benutzungsinteressenten: BVerwG, Urteil vom 7.1.1972 - IV C 49.68 -, BVerwGE 39, 235 (237 f.); OVG NRW, Urteil vom 24.11.1975 - II A 1309/73 -, KStZ 1976, 112 (113).

Die Ermächtigung zur satzungsrechtlichen Regelung des Benutzungsverhältnisses umfasst auch die Befugnis, das Rechtsverhältnis der Benutzungsinteressenten zu regeln, denn es handelt sich um einen notwendigen Annex zum Benutzungsverhältnis. Da die Benutzungsinteressenten in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise von der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse in Bezug auf die öffentliche Entwässerungsanlage betroffen sind, sind auch die sie betreffenden Satzungsregelungen für sie drittschützend, wenn sich die Normen nicht unmittelbar an die Benutzungsinteressenten selbst richten, sondern - wie hier - nur mittelbar, indem sie den Benutzern Verpflichtungen im Hinblick auf Benutzungsinteressenten auferlegen.

Das satzungsrechtliche Erfordernis, dass Arbeiten an Anschlussleitungen der öffentlichen Entwässerungsanlage nur durch von der Antragsgegnerin zugelassene Unternehmen vorgenommen werden dürfen, ist rechtmäßig. Die Grenzen der Regelungsbefugnis ergeben sich aus dem Zweck der Ermächtigung, den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung im Rahmen des Widmungszwecks sicherzustellen, vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.11.1994 - 22 A 2478/93 -, NWVBl. 1995, 313; Urteil vom 2.2.1966 - III A 1213/62 -, DÖV 1967, 170 (171), sowie - abgesehen vom Gleichbehandlungsgebot - aus dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit diesen Vorgaben ist die beanstandete Satzungsregelung zu vereinbaren.

Anschlussleitungen haben Auswirkungen auf den Betrieb der öffentlichen Entwässerungsanlage: Sowohl durch den unsachgemäßen Anschluss selbst, etwa durch die Beschädigung des Sammlers, als auch durch fehlerhafte Verlegung der Anschlussleitungen, etwa durch fehlerhaftes Gefälle oder Undichtigkeit mit der Folge der Verstopfung der Leitung, kann der ordnungsgemäße Betrieb der Entwässerungsanlage gestört werden. Es liegt daher ein berechtigtes Interesse des Trägers der Einrichtung vor, dass nur bewährte Unternehmen eine allgemeine, nicht nur auf den Einzelfall bezogene Zulassung zu solchen Arbeiten erhalten. Es liegt im Regelungsspielraum der Antragsgegnerin, abstrakte Zertifizierungen zu solchen Arbeiten nicht ausreichen zu lassen. Die sich aus dem Widmungszweck ergebende Rechtfertigung für die Regelung liegt somit vor.

Das Zulassungserfordernis erweist sich auch als nicht unverhältnismäßig im Sinne einer unangemessenen, übermäßigen Belastung der Antragstellerin. Die Unternehmen müssen sich lediglich mit zwei bis drei zufriedenstellenden Arbeiten im Laufe eines Jahres bewähren, um in Zukunft ohne Einzelzulassung Arbeiten an den Anschlussleitungen der öffentlichen Entwässerungsanlage vornehmen zu können. Dies ist eine zumutbare Belastung, zumal für die Antragstellerin, die auf ihrem Briefkopf mit den Arbeitsbereichen "Tiefbau, Straßenbau, Hochbau, Außenanlagen" wirbt und somit nicht allein auf Arbeiten an Anschlussleitungen angewiesen ist. Im Übrigen sind Details der Zulassungspraxis hier nicht relevant, da eine unzulässige Zulassungspraxis das generelle Zulassungserfordernis, das alleine hier noch in Rede steht, nicht in Frage stellen würde.

Selbst wenn die Regelung als Eingriff in die Berufsfreiheit einzustufen wäre, hätte der Antrag keinen Erfolg.

Vgl. dazu, dass derartige Zulassungsbeschränkungen für Friedhofsgewerbetreibende als Eingriff in die Berufsfreiheit angesehen werden, VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.6.2002 - 1 S 2785/00 -, DÖV 2002, 1000; Bay. VGH, Beschluss vom 26.2.1999 - 4 N 98.1181 -, BayVBl. 2000, 21.

Bei dem Zulassungserfordernis würde es sich um eine Berufsausübungsregelung handeln. Die Berufswahl ist nicht getroffen, da es nicht um die Aufnahme der Berufstätigkeit eines "Anschlussleitungsunternehmers" geht.

Vgl. zum Gesichtspunkt subjektiver Zulassungsbeschränkungen für die Berufswahl, BVerfG, Beschluss vom 10.6.1958 - 2 BvQ 2/58 -, BVerfGE 7, 374 (406 f.).

Einen solchen Beruf gibt es nicht. Es geht vielmehr alleine um die Zulassung zu bestimmten Arbeiten aus dem Bereich eines Tiefbauunternehmers an der öffentlichen Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin und damit um ein Detail der Art und Weise der Berufsausübung. Zu einem solchen Eingriff, wenn er denn einer wäre, ermächtigt die Einräumung der Anstaltsgewalt in § 8 Abs. 1 GO NRW und § 53 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 LWG.

Vgl. dazu, dass aus der den Gemeinden allgemein eingeräumten Satzungsautonomie keine Befugnis zu Grundrechtseingriffen folgt, BVerwG, Beschluss vom 7.9.1992 - 7 NB 2.92 -, BVerwGE 90, 359.

Der Eingriff wäre auch gerechtfertigt. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, und wenn Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen, mit anderen Worten, wenn vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls den Eingriff als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95 u. a. -, BVerfG 101, 331 (347); Urteil vom 17.2.1998 - 1 BvF 1/91 -, BVerfG 97, 228 (255).

Diese Voraussetzungen decken sich mit den einfachrechtlichen Beschränkungen der Regelungsbefugnis im Rahmen der eingeräumten Anstaltsgewalt, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.

Soweit die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren Details der konkreten Zulassungspraxis bemängelt, spielen diese im vorliegenden Verfahren keine Rolle mehr. Mängel in dieser Hinsicht würden das Zulassungserfordernis als solches nicht berühren. Nur dieses ist hier aber relevant. Es geht nicht mehr darum, dass ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender Anspruch auf Eintragung in die Liste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu sichern oder zu regeln wäre. Die diesen Anordnungsanspruch betreffenden Anträge sind vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden. Diesbezüglich hat die Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt, so dass der Anspruch nicht mehr Verfahrensgegenstand ist. Beschwerdebefangen ist alleine der im Hauptsachverfahren zu verfolgende Streitgegenstand der Feststellung, dass die Antragstellerin ohne Zulassung zu Arbeiten an den Anschlussleitungen befugt ist. Im Übrigen würden auch Mängel der Zulassungspraxis nicht notwendig dazu führen, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Aufnahme in die Liste zugelassener Unternehmer hätte.

Ende der Entscheidung

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