Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 28.09.2005
Aktenzeichen: 15 E 1132/05
Rechtsgebiete: StKFG NRW


Vorschriften:

StKFG NRW § 1
Zur Studiengebührenpflicht für ein Zweitstudium nach einem zuvor im Ausland erworbenen, allein dort berufsqualifizierenden Abschluss.
Tatbestand:

Die Klägerin, eine ausländerrechtlichen Abschiebungsschutz genießende russische Staatsangehörige, die in Russland ein juristisches Diplom erworben hatte, nahm in Deutschland ein rechtswissenschaftliches Magisterstudium für Ausländer mit juristischer Vorbildung auf. Die beklagte Universität verlangte eine Studiengebühr unter dem Gesichtspunkt eines Zweitstudiums. Die Klägerin begehrte erfolglos den Erlass der Gebühr und verfolgte dieses Begehren im Klagewege weiter, wofür sie Prozesskostenhilfe beantragte. Auf die Beschwerde gegen den dies ablehnenden Beschluss des VG gewährte das OVG NRW die beantragte Prozesskostenhilfe.

Gründe:

Die Klage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

Allerdings erscheint die Klage mit ihrem ursprünglichen Klageantrag (positive Bescheidung des Antrags auf Erlass der Studiengebühr), wie das VG zutreffend unter Hinweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides ausgeführt hat, als unbegründet. Jedoch wird der Vorsitzende auf einen sachdienlichen Antrag hinwirken müssen (§ 86 Abs. 3 VwGO). Dieser besteht hier darin, die Klage auf eine Feststellung umzustellen, dass für das beabsichtigte Studium zurzeit keine Studiengebühr anfällt. Mangels eines bestandskräftigen Gebührenbescheides ist dies auch noch möglich. Es erscheint nämlich zweifelhaft, ob die dem Erlass der Gebühr vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Gebühr anfällt, zu bejahen ist, wie der Beklagte geltend macht. Nach § 1 des Gesetzes zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren - StKFG NRW - werden Studiengebühren für ein Studium bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss nicht erhoben. Es erscheint zweifelhaft, ob das in Russland erworbene Diplom im Fachbereich Rechtswissenschaft ein berufsqualifizierender Abschluss im Sinne der genannten Vorschrift ist. Denn in Deutschland befähigt dieser Abschluss nicht zu einer Berufsausübung. Mit dem von der Klägerin erstrebten Studiums soll gerade eine solche Qualifikation - aufbauend auf dem erworbenen Diplom - erreicht werden.

Zwar heißt es in der - für das Gericht unverbindlichen - Verwaltungsvorschrift zum StKFG und zur RVO-StKFG (Runderlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung vom 1.10.2003, MBl. NRW 2003, S. 1155) unter B.III.: "Ein im Ausland außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union erworbener Studienabschluss gilt als berufsqualifizierend im Sinne des StKFG und dieser Rechtsverordnung." Wörtlich genommen ist dies schon deshalb unrichtig, weil im juristischen Sprachgebrauch mit "gilt als" ausgedrückt wird, dass etwas nicht Tatbestandsmäßiges als tatbestandsmäßig fingiert wird. Das Ministerium ist aber nicht befugt, den Tatbestand einer Norm durch Fiktion zu erweitern. Aber selbst wenn es sich nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handeln sollte, stehen dieser Auslegung Bedenken entgegen.

Der Begriff des berufsqualifizierenden Abschlusses findet sich auch in § 7 Abs. 1 Satz 1 BAföG. Nach Satz 2 der Vorschrift ist ein Ausbildungsabschluss auch dann berufsqualifizierend, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt. Selbst unter der Voraussetzung, dass dieser bundesausbildungsförderungsrechtliche Begriff der Berufsqualifizierung auch dem gleichen Begriff im nordrhein-westfälischen Studiengebührenrecht zugrunde liegt, wäre es zweifelhaft, ob das in Rede stehende Diplom berufsqualifizierend ist. So hat das BVerwG entschieden, dass ein von einem Vertriebenen erworbener Ausbildungsabschluss im Herkunftsland nicht berufsqualifizierend i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG ist, weil die Regelung nur für die gilt, die sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine berufsbildende Ausbildung im Ausland "entschieden haben".

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.10.1996 - 5 C 21.95 -, BVerwGE 102, 200 (202 f.).

Das beschließende Gericht hat zu einer Ausbildung eines Asylberechtigten entschieden, dass ein in einem ausländischen Staat erworbener Abschluss nicht berufsqualifizierend ist, wenn dem Ausländer die Rückkehr in diesen Staat nicht zumutbar ist, weil der Ausländer dann nämlich nicht als "dort zur Berufsausbildung befähigt" anzusehen ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.9.1996 - 16 A 4098/96 -, juris.

Ob für das nordrhein-westfälische Studiengebührenrecht der Begriff berufsqualifizierend dahin zu verstehen ist, dass auch ein nur im Ausland zur Berufsausübung befähigender Abschluss dieses Merkmal erfüllt, und ob - dies unterstellt - entsprechend der oben genannten Rechtsprechung es an dem Merkmal fehlt, wenn dem Studenten nicht zugemutet werden kann, in das Land zurückzukehren, für das er einen berufsqualifizierenden Abschluss besitzt - die Klägerin genießt Abschiebungsschutz in Bezug auf Russland -, kann nicht im Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantwortet werden.

Ende der Entscheidung

Zurück