Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.08.2005
Aktenzeichen: 15 E 951/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116
Wirtschaftlich Beteiligter am Gegenstand des Rechtstreits einer juristischen Person im Sinne der prozesskostenhilferechtlichen Vorschrift des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist nicht nur derjenige, auf dessen Vermögenslage sich das Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person wirtschaftlich auswirkt, sondern auch der, der ein eigenes Interesse am Streitgegenstand hat und der als sachlich Betroffener durch die juristische Person repräsentiert wird.
Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder auf kommunaler Ebene angesiedelte Wählergruppen sind. Mit der Klage begehrt der Verein, eine Reserveliste nach § 7b Abs. 5 Satz 1 LVerbO für die Wahlen zur Landschaftsversammlung des Landschaftsverbandes einreichen zu dürfen. Für diese Klage beantragte er Prozesskostenhilfe, die das VG versagte. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erhält eine juristische Person bestimmter, hier gegebener Herkunft Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwider laufen würde. Hier fehlt es bereits an der erstgenannten Voraussetzung, sodass das Vorliegen der zweiten offen bleiben kann.

Der Kläger macht nicht geltend, dass seine Mitglieder als am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligte die Kosten des Rechtsstreits nicht aufbringen können. Entgegen der Auffassung des Klägers sind seine Mitglieder wirtschaftlich Beteiligte in diesem Sinne. Unter diesen Begriff fallen zuvörderst diejenigen, auf deren Vermögenslage sich das Obsiegen oder Unterliegen der juristischen Person wirtschaftlich auswirkt.

Vgl. RG, Beschluss vom 17.5.1935 - III A 16/35 -, RGZ 148, 196 (197), zum damaligen Begriff der "an der Führung des Prozesses wirtschaftlich Beteiligten".

Der Gesetzgeber wollte verhindern, dass vermögende Personen, die sich unvermögender juristischer Personen im Rechtsverkehr bedienen oder am Ausgang des Verfahrens wirtschaftlich interessiert sind, die Kosten eines Prozesses auf die Allgemeinheit verlagern.

Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Prozesskostenhilfe, BT-Drs. 8/3068, S. 26.

Die auf die Vermögenslage des wirtschaftlich Beteiligten abstellende Auslegung verkürzt den mit der Regelung verfolgten Zweck auf den - allerdings wohl hauptsächlich anzutreffenden - Fall einer vermögensrechtlichen Streitigkeit. Über den engen Wortlaut hinaus ist deshalb auch der als am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligter anzusehen, der ein eigenes Interesse am Streitgegenstand hat und der als sachlich Betroffener durch die juristische Person repräsentiert wird. Auch hier greift der Zweck der Regelung ein, dass derjenige, der sich für seine Belange einer juristischen Person bedient, deren Vermögenslosigkeit nicht nutzen darf, um Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich seiner Belange auf Kosten der Allgemeinheit führen zu können. Deshalb ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Begriff des wirtschaftlich Beteiligten auch Mitglieder von - selbst gemeinnützigen - Idealvereinen umfasst.

Vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 4.2.2000 - 3 X 9/99 -, AS 28, 221 (gemeinnütziger Schießsportverein); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.11.1967 - 5 W 33/67 -, MDR 1968, 331 (Wassersportverein); KG, Beschluss vom 21.12.1954 - 5 U 1610/54 -, NJW 1955, 469.

Ob der Grundsatz, dass die Mitglieder eines Idealvereins wirtschaftlich Beteiligte am Gegenstand eines Rechtsstreits des Vereins sind, dann nicht gilt, wenn dieser Gegenstand nur noch einen entfernten Zusammenhang mit den von den Vereinsmitgliedern durch den Verein verfolgten Belangen aufweist, bedarf hier keiner Klärung.

Vgl. für einen solchen Fall Hans. OLG, Beschluss vom 3.2.1987 - 5 W 2/87 -, MDR 1987, 502: Schadenersatzklage eines gemeinnützigen, im Wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanzierten Jugendwohlfahrtvereins gegen untreue Vorstandsmitglieder.

Hier nämlich geht es der Sache nach unmittelbar um Belange der Vereinsmitglieder: Der Verein schließt kommunale Wählergruppen zusammen und möchte mit der Klage erreichen, dass die von ihm aufgestellte Reserveliste für die Wahl zur Landschaftsversammlung zugelassen wird. Es geht also im Kern um die Ermöglichung politischer Mitwirkung der Mitglieder des Klägers bzw. - noch genauer - der Mitglieder der Mitglieder des Klägers bei der Kreation der Landschaftsversammlung. Der Zusammenschluss der Mitglieder zum klagenden Verein hat gerade den Zweck, deren politische Tätigkeit zu bündeln und eine Teilnahme an der Wahl der Landschaftsversammlung zu ermöglichen. Daher ist es gerechtfertigt, die Mitglieder des Klägers und nicht die Allgemeinheit die Kosten eines Rechtsstreits zur Durchsetzung dieser Mitwirkungsmöglichkeit tragen zu lassen. Da es sich hier um ein mehrfach gestuftes Organisationssystem handelt, das letztlich von den Mitgliedern der kommunalen Wählergruppen getragen wird, sind sogar auch diese Mitglieder als wirtschaftlich Beteiligte am Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits anzusehen, denn es geht letztlich um deren politische Belange.

Auf den vom Kläger angeführten Umstand, dass er satzungsrechtlich von den Mitgliedern keine Kostenbeteiligung verlangen könne, kommt es nicht an. Wenn sich die Mitglieder des Klägers zur effektiveren Durchsetzung ihrer politischen Belange zu einem Verein zusammenschließen, haben sie den Verein mit entsprechenden Mitteln auszustatten, um Rechtsstreitigkeiten zur Durchsetzung dieser Belange führen zu können. Die sozialstaatlich begründete Prozesskostenhilfe ist nicht dazu da, sich einer solchen Obliegenheit entziehen zu können.

Zu Unrecht meint der Kläger, bei Zugrundelegung der vorgenannten Rechtsauffassung werde er gegenüber politischen Parteien ungleich behandelt. Eine politische Partei unterliegt hinsichtlich der Prozesskostenhilfe denselben Grundsätzen. Auch deren Mitglieder haben die Partei mit den für eine Prozessführung zur Durchsetzung ihrer politischen Belange erforderlichen Mitteln auszustatten.

Ende der Entscheidung

Zurück