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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 16 A 1847/04
Rechtsgebiete: AG-BSHG NRW, BSHG, 2. ZuständigkeitslockerungsG


Vorschriften:

AG-BSHG NRW § 6 Abs. 1
BSHG § 96 Abs. 1
2. ZuständigkeitslockerungsG Art. 19
§ 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW in der Fassung des Zweiten Modernisierungsgesetzes vom 9.5.2000 (GV NRW 462, 470), nach dessen Satz 1 die kreisangehörigen Gemeinden die Hälfte der Sozialhilfeaufwendungen zu tragen hatten, soweit sie von dem jeweiligen Kreis durch Satzung zur Durchführung der Aufgaben nach dem BSHG herangezogen worden sind, verstieß nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen § 96 Abs. 1 BSHG in der Fassung des Art. 19 des 2. Zuständigkeitslockerungsgesetzes vom 3.5.2000 (BGBl. I 632).
Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Große kreisangehörige Stadt im Kreisgebiet des Beklagten. Sie begehrt vom Beklagten die Rückerstattung des gemeindlichen Eigenanteils an den Sozialhilfekosten in Höhe eines Teilbetrags von 4.000,-- Euro, den sie im Jahre 2001 auf der Grundlage des § 96 Abs. 1 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) i.V.m. § 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (AG-BSHG NRW) i.V.m. der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im N.-Kreis vom 20.11.2000 geleistet hat.

Durch Art. 12 des Zweiten Gesetzes zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern (2. Zuständigkeitslockerungsgesetz) vom 3.5.2000 (BGBl I 632, 633) erhielt § 96 Abs. 1 BSHG folgende Fassung:

"Örtliche Träger der Sozialhilfe sind die kreisfreien Städte und die Landkreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird; bei der Bestimmung durch Landesrecht ist zu gewährleisten, dass die zukünftigen örtlichen Träger mit der Übertragung dieser Aufgaben einverstanden sind, nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz geeignet sind und dass die Erfüllung dieser Aufgaben in dem gesamten Kreisgebiet sichergestellt ist. Die Länder können bestimmen, dass und inwieweit die Landkreise ihnen zugehörige Gemeinden oder Gemeindeverbände zur Durchführung von Aufgaben nach diesem Gesetz heranziehen und ihnen dabei Weisungen erteilen können; in diesen Fällen erlassen die Landkreise den Widerspruchsbescheid nach der Verwaltungsgerichtsordnung."

Nahezu gleichzeitig erhielt § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW durch Art. 19 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (Zweites Modernisierungsgesetz - 2. ModernG -) vom 9.5.2000 (GV NRW 462, 470) mit Wirkung vom 1.1.2001 folgende Fassung:

"Soweit die Kreise gem. § 3 kreisangehörige Gemeinden zur Durchführung der Aufgaben durch Satzung heranziehen, tragen die Gemeinden 50 v.H. der Aufwendungen. Die Kreise legen durch Satzung einen Härteausgleich fest, wenn infolge erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet die Beteiligung kreisangehöriger Gemeinden an den Aufwendungen für diese zu einer erheblichen Härte führt."

Diese Vorschrift trat zum 1.1.2005 ersatzlos außer Kraft (Art. 11 Nr. 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe vom 16.12.2004, GV NRW S. 816).

Mit Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im N.-Kreis vom 20.11.2000 übertrug der Beklagte den kreisangehörigen Städten und Gemeinden vorbehaltlich im Einzelnen anders lautender Regelungen widerruflich die Durchführung der ihm als örtlichem Träger der Sozialhilfe obliegenden Aufgaben (§ 1 Abs. 1 der Satzung). Nach § 1 Abs. 2 der Satzung ist der Kreis berechtigt, Verwaltungsvorschriften und allgemeine sowie Weisungen im Einzelfall zu erlassen.

Mit Satzung vom 1.12.2000 über den Härteausgleich im Rahmen des § 6 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes regelte der Beklagte den Härteausgleich. In § 1 der Satzung stellte er fest, dass die kreisangehörigen Gemeinden gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW 50 v.H. der Nettoaufwendungen für die ihnen nach der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im N.-Kreis übertragenen Aufgaben (Eigenanteil) zu tragen haben; zum Ausgleich werde die Kreisumlage um die Gesamtsumme dieser von den Gemeinden übernommenen Nettoaufwendungen gesenkt. Sofern der 50%ige Eigenanteil höher als die Einsparung bei der Kreisumlage sei, werde die Mehrbelastung als Härte angesehen; der Härteausgleich beträgt nach § 3 der Satzung für das Jahr 2001 50% der Mehrbelastung. Die Satzung sieht ferner vor, dass die Gemeinden, deren Eigenanteil niedriger als die "Einsparung" bei der Kreisumlage ist, für das Jahr 2001 in Höhe von 50 % dieser Minderbelastung zur Finanzierung des Härteausgleichs herangezogen werden.

Die Kreisumlage betrug im Jahr 2000 39,9582 Prozentpunkte, insgesamt brachten alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Jahr 2000 336.960.160,68 DM an Kreisumlage auf. Zum Jahre 2001 senkte der Beklagte die Kreisumlage auf 35,5 Prozentpunkte mit der Folge, dass die kreisangehörigen Städte und Gemeinden insgesamt 299.364.979,01 DM an Kreisumlage aufbrachten. Der 50%ige Eigenanteil an den Sozialhilfekosten belief sich im Jahr 2001 auf insgesamt 37.595.113,15 DM.

Mit Schreiben vom 4.3.2002 rechnete der Beklagte die Aufwendungen der Klägerin im Bereich der delegierten Sozialhilfeaufgaben gemäß § 6 Abs. 1 AG-BSHG NRW ab. Er ermittelte einen Nettosozialhilfeaufwand für das Jahr 2001 in Höhe von 25.341.309,62 DM. Der 50%ige Eigenanteil der Klägerin hieran betrug 12.670.654,81 DM. Die Einsparungen der Klägerin an der Kreisumlage betrugen 8.341.490,77 DM, womit sich eine Mehrbelastung der Klägerin in Höhe von 4.329.164,05 DM ergab. Mit Bescheid vom 12.3.2002 setzte der Landrat des N.-Kreises 50% hiervon, also 2.164.582,03 DM, als Härteausgleich fest.

Nachdem die Klägerin die Nichtigkeit der ihrer Leistungspflicht zugrundeliegenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW erfolglos vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen geltend gemacht hatte (VerfGH 10/01), der die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verwarf, beantragte sie mit Schreiben vom 31.1.2003 beim Beklagten die Erstattung der für das Jahr 2001 geleisteten "bereinigten Eigenbeteiligung" in Höhe von 2.164.582,03 DM und führte zur Begründung aus, dass die Leistungen infolge der Nichtigkeit des § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW ohne rechtlichen Grund erbracht worden seien, weshalb dem Beklagten ein Anspruch auf diese Leistungen nicht zustehe.

Der Beklagte lehnte das Erstattungsbegehren mit Schreiben vom 13.2.2003 ab. Die von der Klägerin auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützte Klage auf teilweise Erstattung der "bereinigten Eigenbeteiligung" hatte in beiden Rechtszügen keinen Erfolg.

Gründe:

Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, dessen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind (vgl. etwa § 12 BBesG), denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen. Ausnahmen davon hat das Bundesverwaltungsgericht lediglich dann anerkannt, wenn und soweit den §§ 812 ff. BGB eine Interessenwertung zugrunde liegt, die in das öffentliche Recht nicht übertragbar ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.11.2007 - 9 B 36.07 -, NJW 2008, 601 m.w.N. der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch beinhaltet, dass ohne Rechtsgrund erbrachte Leistungen oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen im Wege wiederherstellender Gerechtigkeit rückgängig gemacht werden müssen.

Vgl. Senatsurteil vom 22.8.2007 - 16 A 2203/05 -, Gemeindehaushalt 2008, 21.

Er betrifft nicht allein rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen im Verhältnis von Staat und Bürger, sondern kommt vielmehr grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn sich derartige Verschiebungen zwischen zwei Leistungsträgern der öffentlichen Verwaltung - ggf. auch in sonstiger Weise als durch Erbringung von Leistungen unmittelbar zwischen ihnen - ergeben haben.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 12.5.2006 - 1 A 3106/04 -, NWVBl. 2007, 16.

Hiervon ausgehend kann die Klägerin vom Beklagten nicht die teilweise Rückerstattung von ihr aufgebrachter Sozialhilfeaufwendungen beanspruchen, weil sie diese Leistung nicht rechtsgrundlos erbracht hat. Vielmehr beruht die Zahlung der Klägerin auf § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW in der Fassung des Zweiten Modernisierungsgesetzes vom 9.5.2000 (GV NRW S. 462) i.V.m. § 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im N.-Kreis vom 20.11.2000. Danach tragen die kreisangehörigen Gemeinden 50 Prozent der Sozialaufwendungen, sofern sie - wie hier durch die vorbezeichnete Satzung geschehen - vom Kreis zur Durchführung von Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen worden sind.

Diese Rechtsgrundlage ist gültig. § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere steht diese landesrechtliche Vorschrift nicht in Widerspruch zur bundesrechtlichen Regelung des § 96 Abs. 1 BSHG in der Fassung des Art. 19 des Zweiten Gesetzes zur Erleichterung der Verwaltungsreform in den Ländern - 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz - vom 3.5.2000 (BGBl I 632, 633), die bis zum Außer-Kraft-Treten der Vorschrift am 31.12.2004 galt (und seither inhaltlich unverändert in § 3 Abs. 2 sowie § 99 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) fortgeführt wird).

Mit der Regelung des § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BSHG hat der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG die kreisfreien Städte und Landkreise zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe bestimmt. Grundsätzliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung haben die Beteiligten nicht geäußert, der Senat hegt insoweit ebenfalls keine Bedenken.

Vgl. hierzu eingehend Oestreicher, in: Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker, Bundessozialhilfegesetz, Stand Juni 2003, § 96 Rz. 6 ff; a.A. Schoch/Wieland, JZ 1995, 982, 987; zur derzeit geltenden Regelung des § 3 Abs. 2 SGB XII vgl. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl. 2008, § 3 Rz. 10.

Darüber hinaus hat der Bund mit der Neuregelung durch das 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz in § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BSHG den Ländern die Befugnis eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen, von der vorhergehenden Regelung abweichend, auch die kreisangehörigen Gemeinden zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe zu bestimmen. Von dieser Möglichkeit hat Nordrhein-Westfalen jedoch keinen Gebrauch gemacht, so dass es bei der bundesrechtlichen Regelung verbleibt, dass ausschließlich die kreisfreien Städte und Landkreise örtliche Träger der Sozialhilfe sind. Für andere als unter den Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BSHG ergangene landesrechtliche Regelungen, die die kreisangehörigen Gemeinden zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe werden lassen, ist kein Raum (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG).

Gemessen hieran, ist die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW nicht zu beanstanden. Denn der in § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG verwendete Begriff des örtlichen Trägers der Sozialhilfe beinhaltet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auch eine Aussage darüber, wer für die Kosten der Sozialhilfe aufkommen muss und entfaltet deshalb auch keine Sperrwirkung (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG) gegenüber hierzu erlassenen landesrechtlichen Vorschriften. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Wortlaut "Träger der Sozialhilfe" gibt keinen sicheren Aufschluss darüber, ob mit der Stellung als Träger auch zugleich verbunden ist, dieser habe die entstehenden Sozialhilfekosten zu tragen. Mit dem Begriff ist zunächst der Leistungsträger gemeint, also derjenige Träger öffentlicher Verwaltung, der gegenüber dem anspruchsberechtigten Personenkreis die sich aus dem Gesetz ergebenden Leistungen zu erbringen hat (vgl. § 12 SGB I). Dies ist zwischen den Beteiligten unstrittig und bedarf keiner Vertiefung. Ihre These, der Trägerbegriff beinhalte nach allgemeinem Rechtsverständnis darüber hinaus auch die Kostenträgerschaft, hat die Klägerin nicht belegt. Stattdessen finden sich im Schrifttum Stimmen, die darauf hinweisen, dass Leistungsträgerschaft und Kostenträgerschaft nicht zwangsläufig miteinander verbunden sein müssen.

Vgl. Kretschmer, in: Kretschmer/von Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (GK-SGB I), 3. Aufl. 1996, § 12 Rz. 4; Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, SGB I, Stand Februar 2008, K § 12 Rz. 6.

Auch für das Sozialhilferecht lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ohne weiteres entnehmen, dass die Stellung als örtlicher Träger der Sozialhilfe kraft Bundesrechts auch die Verpflichtung zur Kostentragung beinhalte.

So Anger, VSSR 2003, 363, 370.

Die unter Hinweis auf eine "unmissverständliche gesetzliche Begrifflichkeit" vertretene Auffassung, von einem Träger der Sozialhilfe werde erwartet, dass er insbesondere die finanziellen Lasten der Sozialhilfeaufwendungen trage, und die Verantwortlichkeit für die umfassende Finanzierung der Sozialhilfekosten sei "prägendes Merkmal" der Trägerstellung im Sozialhilfesystem, vgl Wimmer, NWVBl. 2001, 8, 9 m.w.N. ("einhellige Meinung"), ist ohne nähere Erläuterungen, warum der Wortlaut "unmissverständlich" und die Kostentragung "prägendes Merkmal" der sozialhilferechtlichen Trägerstellung sein soll, nicht überzeugend, zumal - wie dargestellt - es keineswegs einhelliger Meinung entspricht, dass Leistungs- und Kostenträgerschaft in einer Hand liegen müssen.

Auch die Gesetzessystematik, auf die die Klägerin verweist, gibt keinen zwingenden Aufschluss über den Regelungsgehalt des Begriffs "Träger der Sozialhilfe". Aus § 9 BSHG ergibt sich nur, dass die Sozialhilfe von örtlichen und überörtlichen Trägern gewährt wird, womit die Vorschrift die Leistungsträgerschaft in Bezug nimmt. Darüber, wer die Kosten der Sozialhilfe zu bestreiten hat, sagt sie nichts. Gleiches gilt im Übrigen für §§ 12, 28 Abs. 2 SGB I. Auch aus den sozialhilferechtlichen Kostenerstattungsregeln der §§ 103 ff BSHG folgt nichts anderes. Sie enthalten keine direkte Aussage zur Frage, ob der örtliche Sozialhilfeträger die Kosten der Sozialhilfegewährung selbst zu tragen hat. Vielmehr knüpfen sie die Erstattung an die von den Sozialhilfeträgern rechtmäßig aufgewendeten Kosten (vgl. § 111 BSHG), was Raum dafür lässt, dass die Ausgabenlast nicht diese, sondern andere Stellen der öffentlichen Verwaltung zu tragen haben.

Schließlich nötigt die neu durch das 2. Zuständigkeitslockerungsgesetz eingeführte Öffnungsklausel in § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz BSHG nicht zu einer anderen Betrachtung. Danach dürfen die kreisangehörigen Gemeinden durch Landesrecht u.a. nur dann zu örtlichen Sozialhilfeträgern bestimmt werden, wenn sie nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Aufgabenerfüllung in der Lage sind. Ihrem Wortlaut nach besagt die Regelung nichts zu der Frage, ob die kreisangehörigen Gemeinden durch Landesgesetz unterhalb der Ebene der Sozialhilfeträgerschaft zu den Kosten der Sozialhilfe herangezogen werden können. Sie enthält ebenso wenig eine direkte Aussage über die Kostenträgerschaft der örtlichen Sozialhilfeträger. Auch im Weg der Auslegung lässt sich eine solche nicht ermitteln. Der Begriff der Leistungsfähigkeit ist vielschichtig. Er lässt sich sowohl auf die Finanzkraft einer Gemeinde als auch (nur) auf ihre Verwaltungskraft beziehen und gibt daher für die Frage der Kostenträgerschaft nichts her. Dies gilt auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Öffnungsklausel, wie er sich aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt, die nur heranzuziehen ist, soweit sie die Richtigkeit einer nach den anderen herkömmlichen Auslegungsmethoden gewonnenen Auslegung unterstützt oder bestehende Zweifel behebt.

Vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 17.5.1960 - 2 BvL 11/59, 11/60 -, BVerfGE 11, 126, 130.

Danach dient die Öffnungsklausel dem gesetzgeberischen Ziel, die infolge der Regelung des § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG i.V.m. mit entsprechendem Landesrecht sowie Satzungen der Landkreise häufig bei den kreisangehörigen Gemeinden liegende Ausführungsverantwortung und die bei den örtlichen Sozialhilfeträgern angesiedelte Kostenträgerschaft zusammenzuführen.

Vgl. BT-Drs. 14/640, S. 10.

Die Gesetzesbegründung lässt aber nicht erkennen, ob die Öffnungsklausel an eine bundesrechtlichen Regelung der Kostenträgerschaft anknüpft, indem sie eine solche als gegeben voraussetzt, oder ob sie lediglich entsprechende, vielfältig vorhandene landesrechtliche Regelungen aufgreift, die die örtlichen Sozialhilfeträger auch zu Kostenträgern bestimmen.

Ferner kann auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Bestimmung der kreisfreien Städte und Landkreise zu örtlichen Trägern der Sozialhilfe keine verlässliche Aussage darüber getroffen werden, ob die Stellung als Sozialhilfeträger kraft Bundesrechts auch die Verpflichtung zur Kostentragung einschließt. Zweifellos dient diese Regelung dazu, für den Hilfesuchenden erkennbar zu machen, von welcher Stelle öffentlicher Verwaltung er die für erforderlich gehaltene Unterstützung erwarten darf und wohin er sich mit seinem Hilfebegehren wenden sollte, um möglichst bald und im gebotenen Umfang umfassend Unterstützung zu erhalten. Überdies gewährleistet sie eine ortsnahe Hilfeleistung. Etwaige darüber hinausgehende Zwecke, z.B. festzulegen, wer die Kosten der Sozialhilfegewährung zu tragen hat, lassen sich jedenfalls nicht hinreichend sicher belegen.

Dies gilt auch mit Blick auf die Gesetzesbegründung zum Bundessozialhilfegesetz in seiner Ursprungsfassung. Dort heißt es zwar, die örtlichen Sozialhilfeträger müssten die Gewähr dafür bieten, nach ihrer "wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und ihrer Verwaltungskraft" in der Lage zu sein, das Gesetz durchzuführen, vgl. BT-Drs. 3/1799, S. 56, was mit Blick auf die angesprochene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ggf. auch im Sinne einer Kostenträgerschaft verstanden werden könnte. Für das vorliegende Verfahren lässt sich aus dieser Aussage jedoch nichts Entscheidendes herleiten, weil der Gesetzentwurf der Bundesregierung und die weitere Entstehungsgeschichte Raum für die Annahme lassen, dass das Bundessozialhilfegesetz die Frage der Kostenträgerschaft nicht selbst geregelt hat. Nach § 95 des Gesetzentwurfs sollten nämlich die Länder bestimmen, "wie der Aufwand der Träger der Sozialhilfe zu decken ist." Zur Begründung wird auf die zwischen Bund und Ländern bestehende Aufgabenverteilung verwiesen, derzufolge es Sache der Länder sei, Bestimmungen darüber zu treffen, wie die Mittel für die Durchführung des Gesetzes aufzubringen sind. Die Bundesregierung verzichtete auf diese Regelung, nachdem sie der Bundesrat unter Hinweis darauf abgelehnt hatte, dass die Länder für den kommunalen Finanzausgleich die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit besäßen und eine bundesrechtliche Rahmenregelung daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre; sollte die Regelung lediglich deklaratorischen Charakter haben, sei sie entbehrlich.

Vgl. BT-Drs. 3/1799, S. 20, 36, 58, 76 und 86.

Bund und Länder gingen demnach übereinstimmend davon aus, dass es Sache der Länder sei, die Aufbringung der Kosten zu regeln. Für die Annahme der Klägerin, die Länder hätten sich nicht dagegen gewandt, dass begriffsnotwendiger Teil der kommunalen Aufgabenträgerschaft auch die Finanzierungsträgerschaft sei, bieten die Gesetzesmaterialien keinen Anhalt.

Die in der Gesetzesbegründung angesprochene Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern führt im Wege verfassungskonformer Gesetzesauslegung, vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 15.10.1996 - 1 BvL 44, 48/92 -, BVerfGE 95, 64, 93, vielmehr zu der Überzeugung des Senats, dass der Begriff "Träger der Sozialhilfe" nicht auch zugleich die Aussage enthält, der Aufgabenträger habe auch für die Kosten der Sozialhilfe originär aufzukommen.

Dem Bund kommt im Bereich der Sozialhilfe gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zu, wovon er durch den Erlass des Bundessozialhilfegesetzes Gebrauch gemacht hat. Gemäß Art. 83 GG fällt die Ausführung des Gesetzes in die Zuständigkeit der Länder, die nach Art. 84 Abs. 1 GG in der bis zum In-Kraft-Treten des Art. 1 Nr. 9 des Grundgesetzänderungsgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl. I, S. 2034) am 1.9.2006 anzuwendenden Fassung der Vorschrift die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln, soweit nicht Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen. Das Bundessozialhilfegesetz ist als Zustimmungsgesetz ergangen. Obgleich sich dem Art. 84 Abs. 1 a.F. GG kein absolutes Verbot der Aufgabenzuweisung auf die kommunale Ebene entnehmen lässt, vgl. BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 -, NVwZ 2008, 183, erlaubt die Vorschrift dem Bundesgesetzgeber nicht den unbeschränkten Durchgriff auf die kreisfreien Städte und Landkreise. Denn die Ratio des Art. 84 GG a.F. ist ganz allgemein die Gewährleistung eines wirksamen Vollzugs der Bundesgesetze.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.1967 - 2 BvF 3 - 8/62 und 2 BvR 139, 140, 334 u. 335/62 -, a.a.O., zum lediglich beschränkten Durchgriff des Bundes auf die Gemeinden.

In Bezug auf die in der urspünglichen Gesetzesfassung des § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG erfolgte bundesrechtliche Regelung, dass die örtlichen Träger der Sozialhilfe diese Aufgabe als Selbstverwaltungsaufgabe ausführen, hat das Bundesverfassungsgericht unter Hinweis darauf, dass das Kommunalrecht den Ländern zugewiesen ist, ausgeführt, dass dies bei der Auslegung des Art. 84 Abs. 1 letzter Halbsatz GG a.F. beachtet werden muss. Es könne sich also bei der Einschaltung der Gemeinden in den Vollzug eines Bundesgesetzes durch den Bundesgesetzgeber immer nur um punktuelle Annexregelungen zu einer zur Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers gehörenden materiellen Regelung handeln. Wenn die Annexregelung für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes nicht notwendig sei, so liege darin ein unzulässiger Eingriff in die Verwaltungskompetenz der Länder.

Vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.1967 - 2 BvF 3 - 8/62 und 2 BvR 139, 140, 334 u. 335/62 -; a.a.O.; vgl. zur Zulässigkeit punktueller Annexregelungen ferner BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433, 2434/04 -, a.a.O.

Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies: Das Grundgesetz weist die Materie Finanzierung beim landeseigenen Vollzug von Bundesgesetzen nicht dem Bund, sondern den Ländern zu. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG in der Fassung des Art. 1 des Finanzverfassungsgesetzes vom 23.12.1955 (BGBl. I S. 817) die Bedeutung einer allgemeinen, das Bund/Länder-Verhältnis im Ganzen bestimmenden Lastenverteilungsregel, die geltendes Verfassungsrecht ist, beigemessen, wonach Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Dieses zwischen dem Bund und den Ländern bestehende Konnexitätsprinzip, wonach die Ausgabenlast der Aufgabenlast folgt, ist mit Wirkung vom 1.1.1970 in Art. 104a Abs. 1 GG klarstellend kodifiziert worden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.7.1969 - 2 BvF 1/64 -, BVerfGE 26, 338, 389; Urteil vom 24.7.1962 - 2 BvL 15, 16/61 -, BVerfGE 14, 221, 233, und Beschluss vom 16.6.1959 - 2 BvF 5/56 -, BVerfGE 9, 305, 329.

Da nach Art. 83 GG die Länder auch das Bundessozialhilfegesetz in eigener Verantwortung ausführen, haben sie auch die insoweit anfallenden Kosten zu tragen.

Vgl. Hörster, Die Wahrnehmung der Sozialhilfeaufgaben im kreisangehörigen Raum in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 2002, S. 150 ff; Korioth, DVBl. 1993, 356 f.

Eine bundesrechtliche Regelung, die anstelle der Länder etwa den Kreisen und kreisfreien Städten die Kostentragung überantwortet, käme in verfassungsgemäßer Weise allenfalls als punktuelle Annexregelung und nur dann in Betracht, wenn dies zum wirksamen Vollzug der materiellen Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes notwendig wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bei der Festlegung der kreisfreien Städte und Landkreise als Leistungsträger liegt die Notwendigkeit einer bundesrechtlichen Regelung auf der Hand. Es kommt darauf an, dass sie als örtliche Sozialhilfeträger die benötigten Mittel bewilligen und zur Verfügung stellen. Die Regelung ist sachbezogen und für die Gewährleistung eines wirksamen Gesetzesvollzugs notwendig. Davon zu trennen ist die Frage, wie die kreisfreien Städte und die Landkreise zu den für die Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes erforderlichen Finanzmitteln gelangen. Es kommt in Betracht, dass sie selbst endgültig diese Kosten zu tragen haben, wie dies etwa § 5 Abs. 1 AG-BSHG NRW in der bis zur Neufassung des Gesetzes durch Art. 11 des Ersten Modernisierungsgesetzes vom 15.6.1999 (GV NRW 386) anzuwendenden Ursprungsfassung (GV NRW 1962, S. 344) ausdrücklich festlegte und wie es heute noch in zahlreichen Ausführungsgesetzen der Länder geregelt ist. Hieran anknüpfend erhebt sich sodann die (Refinanzierungs-) Frage der ausreichenden Finanzausstattung durch die Länder. Daneben sind aber auch ganz andere Formen der Kostentragung denkbar, ohne dass hierdurch der Gesetzesvollzug beeinträchtigt würde. So kommt auch eine (landesrechtliche) Regelung in Betracht, derzufolge die Sozialhilfeausgaben von vornherein und endgültig durch das jeweilige Land übernommen werden und sich für die örtlichen Sozialhilfeträger lediglich als durchlaufende Positionen darstellen.

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AG-BSHG NRW verstößt auch nicht gegen anderes höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die durch Art. 28 Abs. 2 GG sowie Art. 78 Abs. 1 LVerf NRW garantierte kommunale Selbstverwaltung. Soweit die Klägerin rügt, der Beklagte könne ihr infolge seines Weisungsrechts aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BSHG i.V.m. mit der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im N. L. vom 20.11.2000 die Verwendung ihrer finanziellen Eigenmittel für Sozialhilfezwecke vorschreiben, ergäbe sich ein etwaiger Verstoß gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gerade nicht unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, sondern erst durch die autonome Ausübung des Weisungsrechts durch den Beklagten. Schließlich kann der Senat auch keine Verletzung von Art. 78 Abs. 3 LVerf NRW feststellen. Bis zur Neuregelung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22.6.2004 (GV NRW S. 360) mit Wirkung vom 1.7.2004 und damit auch noch im Streitjahr 2001 konnte das Land die Gemeinden und Gemeindeverbände durch gesetzliche Vorschriften zur Übernahme und Durchführung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichten, wenn gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Die Vorschrift verlangt aber weder eine gesonderte noch eine vollständige Kostendeckung durch das Land; auch erfordert die Gleichzeitigkeit keine Regelung in dem Aufgaben übertragenden Gesetz selbst, sondern es reicht z.B. eine Regelung im Finanzausgleichsgesetz des Folgejahres aus.

Vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 9.7.1998 - VerfGH 16/96 und 7/97 -, NWVBl. 1998, 390, 393 f; Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 2002, Art. 78 Rz. 102 ff.

Vorliegend ergibt sich die Kostendeckung aus der Senkung der Kreisumlage einerseits und andererseits durch den in § 6 Abs. 1 Satz 2 AG-BSHG NRW vorgesehenen Härteausgleich. Beides ist auch der Klägerin zugute gekommen, allerdings ohne vollständigen Kostenausgleich, der aber von Verfassungs wegen auch nicht geboten ist. Dass der bei der Klägerin endgültig verbleibende Anteil der Sozialhilfekosten ihre finanzielle Leistungskraft derart beansprucht habe, dass sie in ihrem Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung verletzt sei, ist weder substanziiert vorgetragen noch bestehen hierfür durchgreifende Anhaltspunkte.

Ende der Entscheidung

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