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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.08.2007
Aktenzeichen: 16 A 2203/05
Rechtsgebiete: BGB, SGB X, SGB I, SGB XI, PfG NRW


Vorschriften:

BGB § 812
SGB X § 105
SGB I § 11
SGB I § 21 a
SGB I § 37
SGB XI § 9
PfG NRW § 14
1. Das Pflegewohngeld nach dem Pflegegesetz NRW enthält eine starke soziale Komponente, ist aber keine Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuchs.

2. Die Anwendbarkeit des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in der Gestalt des Abwälzungsanspruchs wird im Bereich des Pflegewohngeldrechts daher nicht durch die Regelungen der §§ 102 - 114 SGB X ausgeschlossen.

3. Der Anspruch wird aber durch den in § 105 Abs. 1 SGB X kodifizierten Rechtsgedanken speziell ausgeformt. Auf eine Kenntnis des zuständigen Sozialleistungsträgers vom Vorliegen der Voraussetzungen für seine Leistungspflicht im Sinne von § 105 Abs. 3 SGB X kommt es nicht an.


Tatbestand:

Die Beteiligten stritten über die Erstattung von Kosten, die der Kläger im Zeitraum vom 1.1.2001 bis zum 31.3.2002 durch die Erbringung von Pflegewohngeldleistungen an das Altenheim F. für den Pflegeplatz der Heimbewohnerin E. aufgewandt hat.

Nach der Aufnahme von Frau E. am 15.7.1999 beantragte das Altenheim F. am 30.7.1999 beim Kläger die Bewilligung von Pflegewohngeld. In dem Aufnahmeantrag wie auch bei nachfolgenden Änderungsanträgen blieb das im Antragsformular vorgesehene Feld "KOF-Fall" jeweils unangekreuzt. Auch aus den vorgelegten Rentenbescheiden der Frau E. ging nicht hervor, dass sie nach dem Kriegsopferfürsorgerecht versorgungsberechtigt war. Mit Bewilligungsbescheid vom 6.1.2000 gewährte der Kläger dem Altenheim F. rückwirkend ab dem 15.7.1999 Pflegewohngeld für den Pflegeplatz von Frau E. in monatlicher Höhe von 696,31 DM. Die Auszahlung des Pflegewohngeldes, dessen Höhe nachfolgend auf entsprechende Anträge und Nachweise hin mehrmals angepasst wurde, erfolgte bis zum 31.12.2000 durch den Beklagten und ab dem 1.1.2001 aufgrund der geänderten Zuständigkeit für die Gewährung von Pflegewohngeld durch den Kläger. Am 19.2.2002 beantragte Frau E. beim Bürgermeister der Stadt L. die Gewährung ergänzender Hilfe zur Pflege. Dieser leitete den Antrag mitsamt einer Mitteilung des Versorgungsamtes E. an den Kläger weiter; die an Frau E. gerichtete Mitteilung des Versorgungsamtes betraf die Umstellung von Versorgungsbezügen der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz auf Eurobeträge. Der Kläger stellte daraufhin mit Wirkung ab dem 1.4.2002 unter Hinweis auf seine fehlende Zuständigkeit die Gewährung von Pflegewohngeld ein.

Mit Schreiben vom 6.3.2002 begehrte der Kläger vom Beklagten die Erstattung des im Zeitraum vom 1.1.2001 bis zum 31.3.2002 außerhalb seiner Zuständigkeit an das Altenheim F. geleisteten Pflegewohngeldes in Höhe von 5.536,31 Euro, da er erst durch den an ihn weitergereichten Sozialhilfeantrag und die diesem beigefügte Mitteilung des Versorgungsamtes E. von dem Rentenbezug der Heimbewohnerin nach dem Bundesversorgungsgesetz und damit von der von Anfang an gegebenen Leistungszuständigkeit des Beklagten erfahren habe. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 7.5.2002 die Kostenerstattung ab, weil gemäß § 105 Abs. 3 SGB X eine Erstattungspflicht erst ab dem Zeitpunkt seiner Kenntnisnahme, also ab März 2002, eingetreten sein könne.

Die daraufhin erhobene Klage hatte im Berufungsverfahren Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat für die vom 1.1.2001 bis zum 31.3.2002 an das Altenheim F. den Heimplatz der Frau E. Pflegewohngeldzahlungen gegen den Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5.536,51 Euro. Der Anspruch ergibt sich aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der im Ausgangspunkt dem für das bürgerliche Recht in den §§ 812 ff. BGB entwickelten Grundsatz entspricht, dass Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen im Wege wiederherstellender Gerechtigkeit rückgängig gemacht werden müssen, vgl. allgemein BVerwG, Urteil vom 12.3.1985 - 7 C 48.82 -, BVerwGE 71, 85 = NJW 1985, 2436, m.w.N., vorliegend aber, den Besonderheiten und Erfordernissen des - im weitesten Sinne - sozialen Leistungsrechts Rechnung tragend, in der Ausgestaltung anzuwenden ist, die er in § 105 Abs. 1 SGB X gefunden hat.

Die Anwendbarkeit des gewohnheitsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil für das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten spezielle, den Rückgriff auf allgemeine Rechtsinstitute verwehrende Vorschriften für die Rückabwicklung fehlerbehafteter Sozialleistungen anwendbar wären. Insbesondere sind die im 3. Kapitel des SGB X enthaltenen Regelungen der §§ 102 bis 114 und speziell § 105 SGB X nicht direkt anwendbar. Der unmittelbare Anwendungsbereich der allgemeinen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs, das heißt des SGB I (Allgemeiner Teil) und des SGB X (Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten), wird in § 37 SGB I geregelt. Danach gelten das Erste und Zehnte Buch des SGB für alle Sozialleistungsbereiche "dieses Gesetzbuchs", soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Was darunter zu verstehen ist, wird in § 11 Satz 1 SGB I näher umschrieben. Danach sind Gegenstand der sozialen Rechte die in "diesem Gesetzbuch" vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen (Sozialleistungen). Damit nimmt § 11 Satz 1 SGB I unmittelbar Bezug auf den Katalog der einzelnen Sozialleistungen und der für deren Erbringung zuständigen Sozialleistungsträger in den §§ 18 bis 29 SGB I. In diesem Katalog, insbesondere in § 21a SGB I, ist das auf landesrechtlicher Grundlage gewährte Pflegewohngeld nicht enthalten. Es wird auch an anderer Stelle nicht als Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuches angesprochen. Dieses ergibt sich auch nicht aus § 9 SGB XI. Danach sind die Länder für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur zuständig, wobei das Nähere zur Planung und zur Förderung der Pflegeeinrichtungen durch Landesrecht bestimmt wird und zur finanziellen Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen Einsparungen eingesetzt werden sollen, die den Sozialhilfeträgern durch die Einführung der Pflegeversicherung entstehen. § 9 SGB XI gibt den Ländern jedoch nicht vor, die Investitionskostenförderung (zumindest zum Teil) als personenbezogene und mit einer sozialen Komponente versehene Leistung auszugestalten, wie dies mit der Einführung des Anspruchs auf Pflegewohngeld bzw. Aufwendungszuschuss im Land Nordrhein-Westfalen und einigen anderen Bundesländern geschehen ist.

Vgl. dazu Krahmer, in: Klie/Krahmer (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar SGB XI, 2. Auflage, § 9 Rn. 6.

Derartige Vorgaben wären auch schwerlich damit zu vereinbaren, dass den Ländern für Angelegenheiten der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet der Pflege eine originäre Gesetzgebungskompetenz zukommt (Art. 30 und 70 Abs. 1 GG), während sich die Bundeskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG allein auf die Einrichtung und Ausgestaltung der Pflegeversicherung als (neuem) Zweig der Sozialversicherung erstreckt.

Vgl. dazu BSG, Urteile vom 28.6.2001 - B 3 P 9/00 R -, BSGE 88, 215, und vom 26.1.2006 - B 3 P 6/04 R -, BSGE 96, 28; BVerwG, Urteil vom 13.5.2004 - 3 C 2.04 -, NDV-RD 2004, 120, und Beschluss vom 5.9.2003 - 5 B 60.03 -, Juris.

Damit ist schon von der Gesetzgebungszuständigkeit her deutlich zwischen den im SGB XI, insbesondere dessen §§ 28 bis 45c, vorgesehenen Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, auf die auch und ausschließlich § 21a SGB I abstellt, und den (investitionsbezogenen) Förderleistungen der Länder zur Sicherstellung einer leistungsfähigen (ambulanten wie stationären) Pflegestruktur zu unterscheiden, wobei die nähere Ausgestaltung dieser Förderung - reine Objektförderung und/oder personenbezogene Förderung - nichts an der landesrechtlichen Zuordnung des Pflegewohngeldes, dem Sicherstellungsauftrag gemäß § 9 SGB XI folgend, ändert.

Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt der Charakter des Pflegewohngeldes als Sozialleistung i.S.d. §§ 11 und 37 SGB I auch nicht daraus, dass durch § 14 PfG NRW 1996/2000 mit den Sozialhilfeträgern bzw. dem Träger der Kriegsopferfürsorge Behörden für zuständig erklärt worden sind, deren originäre Zuständigkeit in der Wahrnehmung von Aufgaben besteht, die unzweifelhaft Sozialleistungen i.S.d. §§ 11 und 37 SGB I sind. Der Rechtscharakter der übertragenen Aufgaben wird durch die Zuständigkeitsnorm nicht verändert. Die Übertragung der Aufgaben ist vielmehr an sachlichen Gesichtspunkten ausgerichtet, denn die Pflegewohngeldgewährung ist u.a. von solchen Umständen abhängig, deren Voraussetzungen vom jeweils für zuständig erklärten Leistungsträger ohnehin - jedoch in anderem Zusammenhang - zu prüfen sind.

Fehlt es damit an einer unmittelbaren Anwendbarkeit der §§ 102 ff. SGB X, ergibt sich auch aus § 18 PfG NRW 1996/2000 nichts Anderes. In dieser Bestimmung wird angeordnet, dass für Verwaltungsverfahren nach diesem Gesetz und nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie hinsichtlich des Datenschutzes die Vorschriften des Sozialgesetzbuches gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Damit nimmt § 18 PfG NRW 1996/2000 Bezug auf das Erste ("Verwaltungsverfahren") und Zweite Kapitel ("Schutz der Sozialdaten") des SGB X, während das Dritte Kapitel ("Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten") inhaltlich nicht angesprochen wird. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber mit den Worten "für Verwaltungsverfahren" umfassend auf das SGB X verweisen wollte. Denn dann wäre unverständlich, warum in § 18 PfG NRW 1996/2000 der im weitesten Sinne auch zum Verwaltungsverfahren zu rechnende Schutz der Sozialdaten eigens genannt worden ist.

Der somit nicht durch spezielle Regelungen ausgeschlossene, gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt in der hier anzuwendenden Ausprägung als Abwälzungsanspruch eine alternative Zuständigkeit der beiden öffentlich-rechtlichen Leistungsträger sowie einen die Leistungspflicht begründenden einheitlichen Vorgang voraus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.7.1969 - V C 88.68 -, BVerwGE 32, 279, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.1.1962 - 2 RU 219/59 -, BSGE 16, 151; vgl. ferner OVG NRW, Urteil vom 12.5.2006 - 1 A 3106/04 -, NWVBl. 2007, 16.

Weitere Voraussetzungen hat der Abwälzungsanspruch im hier zu betrachtenden Bereich des Pflegewohngeldrechts nicht, insbesondere ist er nicht davon abhängig, dass ihm eine Ersatzfunktion für die ansonsten innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen vorzunehmende Rückabwicklung zukommt, m.a.W. eine solche Rückabwicklung überhaupt rechtlich möglich sein muss.

Anders für das Beihilferecht OVG NRW, Urteil vom 12.5.2006 - 1 A 3106/04 -, a.a.O.

Dies ergibt sich aus Folgendem: Im Bereich der Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzgesetzbuch ist der gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch durch die §§ 102 ff SGB X umfassend kodifiziert worden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.1992 - 5 C 33.90 -, BVerwGE 91, 177.

Hierzu zählt auch § 105 Abs. 1 SGB X. Danach ist der Erstattungsanspruch des unzuständigen Sozialleistungsträgers nicht von der Möglichkeit der Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Leistungsbeziehungen abhängig, sodass es nicht darauf ankommt, ob der trotz Unzuständigkeit leistende Sozialleistungsträger gegenüber dem Leistungsempfänger etwa seine Bewilligungsbescheide aufheben und die gewährte Leistung zurückfordern kann. Vielmehr gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Sozialleistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht (vgl. § 107 Abs. 1 SGB X). Dieser Rechtsgedanke ist auf den Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern im Bereich des Pflegewohngeldrechts im Falle der Unzuständigkeit eines Leistungsträgers zu übertragen. Wenngleich es sich bei der Gewährung von Pflegewohngeld - wie gezeigt - nicht um eine Sozialleistung im Sinne des Sozialgesetzbuchs handelt, enthält sie doch eine starke soziale Komponente, vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.5.2003 - 16 A 2789/02 -, NWVBl. 2003, 440, sodass trotz der über die unmittelbar am Leistungsverhältnis Beteiligten hinausgehenden Tatbestandswirkung des Bewilligungsbescheides kein rechtfertigender Grund gegeben ist, die unter - unbewusstem - Verstoß gegen gesetzliche Zuständigkeitsbestimmungen eingetretene Vermögensverschiebung zum Nachteil des für die Leistungsgewährung nicht zuständigen Leistungsträgers festzuschreiben.

Vgl. Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, SGB X, Loseblatt-Kommentar, Stand: April 2007, § 105 Rn. 6.

Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in der Gestalt des Abwälzungsanspruchs und in der speziellen Ausformung durch § 105 Abs. 1 SGB X sind erfüllt. Der Kläger hat dem Altenheim F. in der Zeit vom 1.1.2001 bis zum 31.3.2002 für den Heimplatz von Frau E. Pflegewohngeld in Höhe von 5.536,51 Euro - die Höhe dieser Leistungen ist vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden - gewährt. Eine Verpflichtung des Klägers zu dieser Leistung hat wegen fehlender Zuständigkeit nicht bestanden, und zwar weder im Verhältnis zum Leistungsempfänger noch im Verhältnis zum eigentlich leistungsverpflichteten Beklagten; vielmehr traf diese Leistungsverpflichtung den Beklagten, der durch die Leistung des Klägers jedenfalls faktisch der Notwendigkeit einer eigenen Leistungserbringung enthoben war und mithin entsprechende Aufwendungen "ersparte". Denn Frau E. gehörte zu den Berechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz, so dass für die Gewährung des Pflegewohngeldes der Träger der Kriegsopferfürsorge, also der Beklagte, zuständig war (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Pflegewohngeldverordnung). Weiterer Ausführungen bedarf es nicht, da auch der Beklagte das grundsätzliche Bestehen eines Erstattungsanspruchs nicht in Abrede stellt.

Der öffentlich-rechtlich Erstattungsanspruch in der Gestalt des Abwälzungsanspruchs und seiner Ausprägung durch § 105 Abs. 1 SGB X ist im Pflegewohngeldrecht auch nicht mit Blick auf die Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen. Nach § 105 Abs. 3 SGB X gelten die Absätze 1 und 2 gegenüber den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe nur von dem Zeitpunkt ab, von dem ihnen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. § 105 Abs. 3 SGB X bezweckt damit die Absicherung des Kenntnisgrundsatzes, wie er etwa in § 5 BSHG oder § 54 Abs. 2 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge geregelt ist, d.h. den Leistungsausschluss für Zeiten, in denen die Sozialhilfe-, Kriegsopferfürsorge- oder Jugendhilfebehörde noch keine Kenntnis von der (nicht anderweitig gedeckten) Notlage erlangt hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2.6.2005 - 5 C 30.04 -, FEVS 57, 213 = NVwZ 2005, 1196.

§ 105 Abs. 3 SGB X stellt auf die Leistungsträger ab, die Sozialhilfe, Jugendhilfe bzw. Kriegsopferfürsorge nach dem Sozialgesetzbuch leisten. Ausgehend davon ist aus dem Wortlaut des § 105 Abs. 3 SGB X nicht die Schlussfolgerung zu ziehen, er erfasse auch solche Fälle, in denen die genannten Sozialleistungsträger gar keine Sozialleistungen nach dem SGB X erbringen. Vielmehr ist zu beachten, dass die vom Kläger als Kostenerstattungsgläubiger erbrachte Leistung der Sache nach weder eine Sozialhilfeleistung noch eine Leistung der Kriegsopferfürsorge gewesen ist; es ist vielmehr Pflegewohngeld geleistet worden. Für dessen Gewährung sind zwar gemäß § 14 PfG NRW 1996/2000 der Sozialhilfeträger bzw. der Träger der Kriegsopferfürsorge zuständig; allein deshalb handelt es sich aber - wie bereits oben festgestellt - nicht um Leistungen der Sozialhilfe bzw. der Kriegsopferfürsorge. Das Landespflegegesetz NRW 1996/2000 hat lediglich aus Gründen der terminologischen Klarheit bzw. der sprachlichen Vereinfachung die Funktionsbezeichnungen "Sozialhilfeträger" und "Träger der Kriegsopferfürsorge" benutzt. Für die betreffenden Sozialleistungsträger wird durch § 14 PfG NRW 1996/2000 gleichsam ein übertragener Wirkungsbereich geschaffen, wobei insbesondere ausschlaggebend gewesen sein dürfte, dass die genannten Stellen mit den sozialen Lebensumständen der betroffenen Personen, zumindest aber mit der rechtlichen Handhabung der auch im Rahmen der Pflegewohngeldbewilligung anzustellenden Bedürftigkeitsprüfung vertraut sind. Die betreffenden Behörden sind mit anderen Worten nur dem Namen nach, nicht aber in der Sache als Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge im Sinne des § 105 Abs. 3 SGB X tätig. Innerhalb des übertragenen Aufgabenkreises der Pflegewohngeldgewährung kommt der Sinn und Zweck des § 105 Abs. 3 SGB X - Absicherung des Kenntnisgrundsatzes auch bei der Kostenerstattung - ohnehin nicht zum Tragen. Das Pflegewohngeldrecht kennt, anders als das Sozialhilferecht und das Recht der Kriegsopferfürsorge, keinen Kenntnisgrundsatz, der die Leistungserbringung vor Kenntniserlangung durch die Behörde schlechterdings ausschließt, sondern die Leistungsverpflichtung wird (nur) durch eine förmliche Antragstellung begründet und kann sich u.U. auch auf einen zurückliegenden 3-Monats-Zeitraum (§ 4 Satz 2 PfWGVO) erstrecken. Setzt mithin der Kenntnisgrundsatz der primären Anspruchsverpflichtung nach § 14 PfG NRW keine strikte Grenze, kann im Hinblick auf ein Erstattungsbegehren nichts Anderes gelten.

Keiner näheren Betrachtung bedarf nach alledem die Frage, ob aufgrund der vormaligen Befassung des Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger mit dem Pflegewohngeldanspruch des Altenheims F. bzw. für den Heimpflegeplatz der Frau E. i.S.v. § 105 Abs. 3 SGB X auch eine Kenntnis des Beklagten in seiner Eigenschaft als überörtlicher Träger der Kriegsopferfürsorge vorgelegen hat.

Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist in Übereinstimmung mit dem Umstand nicht streitig, dass § 14 PfG NRW 1996/2000 hinsichtlich der Höhe des Pflegewohngeldanspruchs im Grundsatz nicht danach differenziert, ob die Leistungsverpflichtung den Sozialhilfeträger oder den Träger der Kriegsopferfürsorge trifft.

Nur ergänzend sei angefügt, dass es sich nicht auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hätte, wenn entsprechend der - im Berufungsverfahren offensichtlich auch vom Kläger geteilten - Auffassung des Beklagten doch § 105 SGB X direkt Anwendung fände. Dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 105 Abs. 1 SGB X gegeben sind, ist offenkundig und wird auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt. Demgegenüber wäre auch bei unmittelbarer Anwendbarkeit des SGB X im Wege der teleologischen Reduktion von der Anwendung des § 105 Abs. 3 SGB X abzusehen, wobei auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.

Ende der Entscheidung

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