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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.09.2008
Aktenzeichen: 16 A 2260/08.PVL
Rechtsgebiete: LPVG


Vorschriften:

LPVG § 29
LPVG § 42 Abs. 3 Satz 2
Nach dem seit Ende 2007 novellierten nordrhein-westfälischen Personalvertretungsrecht haben Personalräte mit elf oder mehr Mitgliedern (erweiterte Personalräte) bei der Freistellung zunächst die von den Vertretern der Gruppe gewählten Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen.
Tatbestand:

Der Antragsteller wollte als in den Personalratsvorstand gewählter Gruppenvertreter zur Freistellung vorgeschlagen werden. Statt dessen beschloss der Personalrat die Freistellung eines aus seiner Mitte in den Vorstand gewählten Mitglieds. Auf das vom Antragsteller eingeleitete landespersonalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren hin hat das VG den Personalrat verpflichtet, den Antragsteller der Dienststelle für eine Freistellung vorzuschlagen. Das OVG hat die Beschwerde des Personalrats zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das VG hat den Personalrat zu Recht verpflichtet, den Antragsteller der Dienststelle zur Freistellung vorzuschlagen. Der Freistellungsbeschluss des Personalrats vom 8.5.2008 - zugunsten des als weiteres Mitglied in den Vorstand des Personalrats gewählten Herrn K. ist rechtswidrig. Nach dem seit Ende 2007 novellierten nordrhein-westfälischen Personalvertretungsrecht haben Personalräte mit elf oder mehr Mitgliedern (erweiterte Personalräte) bei der Freistellung zunächst die von den Vertretern der Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen. Der Personalrat hat keine andere Wahl, als den Antragsteller für eine Freistellung vorzuschlagen.

Der Beschluss des Personalrats vom 8.5.2008 steht nicht im Einklang mit den Regelungen des Landespersonalvertretungsgesetzes vom 9.10.2007 (LPVG 2007, GV. NRW. S. 394), weil der Personalrat mit Rücksicht auf das Gruppenprinzip den Antragsteller nicht - wie geschehen - ohne sachlichen Grund übergehen durfte. Die Freistellung von Personalratsmitgliedern richtet sich nach § 42 LPVG 2007: Zunächst sind die gewählten Vorstandsmitglieder zu berücksichtigen; die übrigen Freistellungen richten sich nach der Gruppenstärke (§ 42 Abs. 3 Satz 2 bis 4 LPVG 2007). Anders als bei § 46 Abs. 3 Satz 2 BPersVG geht aus dem Wortlaut des § 42 Abs. 3 Satz 2 LPVG 2007 nicht hervor, dass die von den Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder den vom Plenum des Personalrats hinzugewählten Vorstandsmitgliedern vorgehen. Die darauf gründende Annahme des Personalrats (sowie ausweislich der einschlägigen Handlungsempfehlungen auch des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen), alle Vorstandsmitglieder stünden für eine Freistellung gleichberechtigt nebeneinander und es gebe keine Rangfolge wie im Bundesrecht, ist unzutreffend. Ein solches Verständnis widerspricht der Zielsetzung des LPVG 2007. Im Lichte der sonstigen Regelungen, insbesondere des § 29 LPVG 2007 ist § 42 Abs. 3 Satz 2 LPVG 2007 einschränkend dahin auszulegen, dass bei der Freistellung die von den Vertretern der Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder vor den vom Plenum hinzugewählten Vorstandsmitgliedern zu berücksichtigen sind. Der Senat folgt für das Landespersonalvertretungsgesetz 2007 der Rechtsprechung des BVerwG für das Bundespersonalvertretungsgesetz 1955 und 1974, wonach für die Freistellung in erster Linie die von den Vertretern der Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder vorzuschlagen sind, wenn das Gruppenprinzip gebietet, grundsätzlich diese gruppengewählten Vorstandsmitglieder zum Vorsitzenden und zu dessen Stellvertretern zu bestimmen.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10.10.1957 - II CO 1.57 -, BVerwGE 5, 263, 266, und vom 26.10.1977 - VII P 19.76 -, juris Rdnrn. 22 ff. (= BVerwGE 55, 17 ff.).

Das Landespersonalvertretungsgesetz 2007 ist vom Gruppenprinzip beherrscht. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Fachkammer bei dem VG. Demgemäß werden grundsätzlich die nach § 29 Abs. 1 LPVG 2007 von den Vertretern der Gruppen gewählten Vorstandsmitglieder zum Vorsitzenden des Personalratsvorstands und zu dessen Stellvertreter bestimmt. Sind - wie hier - nur zwei Gruppen vertreten, ist das nicht zum Vorsitzenden bestimmte Gruppenvorstandsmitglied automatisch erster Stellvertreter.

Vgl. Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, BPersVG, 5. Auflage 2004, § 32 Rdnr. 25, m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 1.8.1958 - VII P 21.57 -, juris (= BVerwGE 7, 197 ff.), wonach die von den Gruppenvertretern gewählten Vorstandsmitglieder des Personalrats die geborenen Stellvertreter des Vorsitzenden sind, die von der Stellvertretung nicht ausgeschlossen werden können.

Auf diese Weise ist sichergestellt, dass jede Gruppe durch ein Vorstandsmitglied ihres Vertrauens an der Geschäftsführung beteiligt ist. Der (in der Regel gruppengewählte) Vorsitzende und sein (ebenfalls grundsätzlich gruppengewählter) Stellvertreter nehmen damit eine besondere Stellung innerhalb des Vorstands ein, die es erfordert, diese Vorstandsmitglieder auch in der praktischen Möglichkeit, ihre Aufgaben wahrzunehmen, besonders zu unterstützen. Dem trägt ihre vorrangige Berücksichtigung bei der Freistellung Rechnung.

Die Freistellung von Mitgliedern des Personalrats dient dazu, dass die außerhalb von Sitzungen der Personalvertretung anfallenden Geschäfte ordnungs- und sachgemäß wahrgenommen werden und dadurch eine wirksame Erfüllung der dem Personalrat übertragenen Aufgaben und Befugnisse sichergestellt wird. Bei diesem Arbeitsanfall handelt es sich um die - vom Vorstand geführten - laufenden Geschäfte, die sich auf die Vorbereitung und Durchführung der vom Personalrat zu fassenden oder gefassten Beschlüsse beziehen. In diesem Rahmen sind die notwendigen Verhandlungen zu führen und die für die Beschlussfassung erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen sowie notwendige Unterlagen beizuziehen.

Vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/Klein, LPVG, Kommentar, Stand Juni 2008, § 42 a. F. Rdnr. 39, m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 17.1.1969 - VII P 6.67 -, juris, Rdnrn. 22 f. (= BVerwGE 31, 192 ff.).

Die Freistellung versetzt die Vorstandsmitglieder in die Lage, diese Geschäftsführung besonders effektiv wahrzunehmen und dadurch entsprechenden Einfluss auf die Arbeit des Personalrats selbst zu gewinnen. Der Kernbereich des Gruppenschutzes wäre berührt, wenn einer Gruppe mit einer grundlosen Versagung der Freistellung des von ihr gewählten Vorstandsmitglieds der Einfluss auf die Geschäftsführung des Personalrats weitgehend entzogen würde. Die einschränkende Auslegung von § 42 Abs. 3 Satz 2 LPVG 2007 beugt der Gefahr vor, dass Gruppen im Wege der Geschäftsführung majorisiert werden. Die freigestellten Vorstandsmitglieder könnten andernfalls selbst bei Herkunft aus verschiedenen Gruppen allein von der Liste getragen werden, die im gesamten Personalrat die Mehrheit hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.6.1988 - CL 57/87 -, juris, Rdnrn. 59 - 62 (= Städte- und Gemeinderat 1989, 88 ff.).

Als das von den Vertretern der Gruppe der Beamten gewählte Vorstandsmitglied ist der Antragsteller für die Freistellung vorzuschlagen. Wegen der gesetzlichen Vorgaben begegnet es keinen Bedenken, dass die vom VG zugunsten des Antragstellers ausgesprochene Verpflichtung das Ermessen des Personalrats bei der Auswahl der freizustellenden Mitglieder einschränkt. Mit seinem pauschalen Vortrag, der Antragsteller habe als Gruppenvertreter nicht das Vertrauen des gesamten Personalrats gefunden, hat der Personalrat stichhaltige Gründe, den Antragsteller in Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs gruppengewählter Vorstandsmitglieder bei den Freistellungsvorschlägen unberücksichtigt zu lassen, nicht vorgetragen. Denn der Gruppenschutz dient gerade der zahlenmäßig unterlegenen Minderheit. Solche Gründe, die im Übrigen mit allen Personalratsmitgliedern vor der Beschlussfassung hätten erörtert werden müssen und über die nachweislich abzustimmen gewesen wäre, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.6.1988 - CL 57/87 -, juris, Rdnr. 63 (= Städte- und Gemeinderat 1989, 88 ff.), sind auch noch sonst nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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