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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: 16 A 2822/01
Rechtsgebiete: SGB VIII, GTK NRW, VwGO


Vorschriften:

SGB VIII § 71
SGB VIII § 74
GTK NRW § 18
VwGO § 114
1. Der Ablauf des Haushaltsjahres führt nicht zur Erledigung eines auf § 74 SGB VIII gestützten Förderantrages eines Trägers der freien Jugendhilfe.

2. Zur internen Aufgabenverteilung zwischen Jugendhilfeausschuss und Rat bei der Entscheidung über Förderanträge freier Träger der Jugendhilfe.

3. Ermessen besteht in Bezug auf die ergänzende Förderung einer bereits nach § 18 GTK bezuschussten Kindertageseinrichtung sowohl hinsichtlich der Entscheidung, ob der Träger eine solche Förderung überhaupt erhält (§ 74 Abs. 1 SGB VIII), als auch hinsichtlich der Entscheidung über Art und Höhe der Förderung (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Dem Rechtsanspruch auf Förderung, der dem Träger der freien Jugendhilfe durch die Soll-Bestimmung in § 74 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Regelfall eingeräumt ist, trägt bereits das nordrhein-westfälische Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder Rechnung.

4. Eine Ergänzung der Ermessensbegründung gemäß § 114 Satz 2 VwGO kommt nur hinsichtlich solcher Erwägungen in Betracht, die Gegenstand der Befassung des nach dem Fachrecht zuständigen Entscheidungsträgers mit dem Antrag waren.


Tatbestand:

Der klagende Elternverein begehrte von dem beklagten Bürgermeister die Übernahme des nach § 18 GTK für das Jahr 2000 von ihm zu tragenden Anteils von 4 % an den Betriebskosten seiner Kindertageseinrichtung. Der mit diesem Antrag befasste Jugendhilfeausschuss beschloss, die Angelegenheit bis zu den allgemeinen Haushaltsberatungen zu vertagen; falls im Haushaltsplan 2000 Mittel für den beantragten Zuschuss bereitgestellt würden, solle die Verwaltung entsprechende Zahlungen leisten. Der sodann beschlossene Haushaltsplan wies neben freiwilligen Zuschüssen an sonstige Träger der freien Jugendhilfe vertragliche Betriebskostenzuschüsse für zwei andere Träger von Kindertageseinrichtungen (A. und B.) aus. Freiwillige Betriebskostenzuschüsse für Kindertageseinrichtungen sah der Haushalt darüber hinaus nicht vor, ebensowenig sonstige Mittel zur Verfügung des Jugendhilfeausschusses. Nach erstinstanzlicher Abweisung der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung aus, der Rat habe sich im Rahmen der allgemeinen Haushaltsberatungen mit dem Antrag befasst, sich wegen der angespannten Haushaltslage aber nicht in der Lage gesehen, Mittel für eine über die gesetzliche Förderung hinausgehende Bezuschussung bereitzustellen. Auf die Berufung des Klägers verpflichtete der Senat den Beklagten, über den Förderantrag erneut zu entscheiden.

Gründe:

Das Verpflichtungsbegehren ist ebenso wie das von diesem umfasste Bescheidungsbegehren nicht deshalb unzulässig, weil der Beklagte tatsächlich oder rechtlich gehindert wäre, dem auf den Trägeranteil für das Jahr 2000 bezogenen Zuschussbegehren jetzt noch zu entsprechen. Das BVerwG geht in derartigen Fällen ohne weiteres von der Zulässigkeit des auf Verpflichtung bzw. Neubescheidung gerichteten Begehrens aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25.4.2002 - 5 C 18.01 -, BVerwGE 116, 226, und - 5 C 23.01 -, FEVS 54, 97). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 5.12.1995 - 16 A 5462/94 -, OVGE 45, 158 = NWVBl. 1996, 310, und vom 15.1.1997 - 16 A 2389/96 -, FEVS 47, 394, 395). Hieran ist festzuhalten. Anders als sonstige Zuwendungen (Subventionen), deren Vergabe häufig allein auf der Bereitstellung von Fördermitteln in einem Bundes- oder Landeshaushalt und auf hierzu erlassenen Förderrichtlinien beruht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.7.2002 - 3 C 54.01 -, DVBl. 2003, 139, 140), so dass ein Förderbegehren gegenstandslos werden kann, wenn die im Haushaltsplan für die betreffende Maßnahme vorgesehenen Mittel aufgebraucht sind, hat die in Rede stehende Förderung in § 74 SGB VIII eine gesetzliche Grundlage. Der Ablauf des Haushaltsjahres führt nicht zur Erledigung eines hierauf gerichteten Antrages; im Falle einer rechtswidrigen Nichtleistung ist der Jugendhilfeträger vielmehr verpflichtet, in einem Folgejahr die erforderlichen Mittel in den Haushalt einzustellen. Soweit - wie mit dem Verpflichtungsbegehren geltend gemacht - ein gesetzlicher Anspruch auf die begehrten Leistungen besteht, liegt dies auf der Hand; denn der Bestand eines Anspruchs wird durch das Fehlen entsprechender Haushaltsmittel nicht berührt (vgl. auch § 78 Abs. 3 Satz 3 GO NRW). Entsprechendes muss aber auch gelten, soweit die Entscheidung über die Förderung im Ermessen der Behörde steht. Das schließt nämlich nicht aus, dass die Förderung hinsichtlich eines Bedarfs bewilligt wird, der in einem anderen als dem laufenden Haushaltsjahr entstanden ist. Wenngleich die Möglichkeit zur Änderung des Haushaltsplans mit Ablauf des betreffenden Kalenderjahres endet (vgl. §§ 80 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 4 GO NRW), ist der Jugendhilfeträger in jedem Jahr erneut gehalten, zur Förderung der freien Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII die Mittel in den jeweiligen Haushalt einzustellen, die erforderlich sind, um seiner jugendhilferechtlichen Gesamtverantwortung (§ 79 SGB VIII) gerecht zu werden. Weder aus den Regelungen des SGB VIII noch aus den Regelungen über das gemeindliche Haushaltswesen folgt, dass Zuwendungen nur für solche Aufwendungen gewährt werden dürften, die dem Zuwendungsempfänger im selben Jahr entstanden sind. Wortlaut und Sinn der insoweit maßgeblichen Bestimmungen geben keinen Anlass zu einem derartigen Verständnis. § 74 SGB VIII soll dem Jugendhilfeträger ein möglichst weites Spektrum von Förderungsmöglichkeiten eröffnen, um so einzelfallbezogen sachgerechte Entscheidungen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, insbesondere des konkreten Jugendhilfebedarfs und -angebots, zu gewährleisten. Zu den nach § 74 SGB VIII anerkanntermaßen in Betracht kommenden Formen der finanziellen Förderung zählt neben der Festbetrags- und Anteilsförderung auch die Fehlbetragsfinanzierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - 5 C 23.01 -, FEVS 54, 97, 98; Wiesner, SGB VIII, 2. Aufl., 2000, § 74 Rn. 10 ff.; Steffan, in: LPK-SGB VIII, § 74 Rn. 3). Bei einem Verständnis, das eine Konnexität zwischen Bedarfsentstehung und Haushaltsjahr voraussetzt, wäre eine Fehlbetragsfinanzierung bei ganzjährig betriebenen Jugendhilfeeinrichtungen aber praktisch nahezu ausgeschlossen, weil die exakte rechnerische Ermittlung eines etwaigen Fehlbetrages regelmäßig erst nach Erstellung der jährlichen Betriebskosten-abrechnung möglich ist. Gegen die Annahme der Erledigung eines auf § 74 SGB VIII gestützten Förderungsbegehrens mit Ablauf des Haushaltsjahres spricht schließlich auch, dass der beklagte Träger der öffentlichen Jugendhilfe sowohl für die Bereitstellung der Mittel als auch für deren Verteilung zuständig ist. Wenn ein Rechtsfehler - wie hier vom Kläger geltend gemacht - bereits in der fehlenden Bereitstellung von Haushaltsmitteln durch den Rat, nicht erst in der fehlerhaften Verteilung dieser Mittel besteht, hat der Rat es selbst in der Hand, den Rechtsfehler notfalls durch Umschichtung oder Aufstockung der in einem späteren Jahr anzusetzenden Mittel zu beheben.

Die Verpflichtungsklage ist teilweise begründet. Die Versagung der Förderung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Mangels Spruchreife kann der Beklagte aber nicht zur Bewilligung des beantragten Förderbetrages, sondern lediglich zur Neubescheidung verpflichtet werden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Als Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kommt nur § 74 SGB VIII in Betracht. Das Begehren des Klägers zielt nicht auf die Gewährung eines Betriebskostenzuschusses nach § 18 GTK ab; der darauf gerichtete Anspruch, auf den der Beklagte bereits Vorauszahlungen geleistet hat, ist Gegenstand eines eigenständigen Bewilligungsverfahrens. Hinsichtlich der hier streitbefangenen, über den landesgesetzlich normierten Anspruch hinausgehenden Förderung findet § 74 SGB VIII Anwendung. Dem steht nicht entgegen, dass nach § 18 Abs. 1 und 4 Satz 1 GTK die Betriebskosten einer von einer Elterninitiative betriebenen Tageseinrichtung durch Zuschüsse des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe in Höhe von 96 % und im Übrigen, also in Höhe von 4 %, durch Eigenleistungen gedeckt werden. Ungeachtet der Frage, ob der Landesgesetzgeber die Kompetenz besitzt, einen bundesrechtlich geregelten Anspruch zu begrenzen, ist § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK nicht zu entnehmen, dass hierdurch ein auf jeden Fall von dem Träger neben den Verwaltungskosten aufzubringender Eigenanteil von 4 % der Betriebskosten festgeschrieben und eine weiter gehende Förderung ausgeschlossen werden sollte. Derartiges folgt nicht daraus, dass statt des in § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK a.F. vorgesehenen Zuschusses in Höhe von "mindestens 95 %" im maßgeblichen Streitjahr gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 GTK in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 16.12.1998 (GV NRW S. 704) ein auf (exakt) 96 % fixierter Zuschuss zu gewähren war. Denn aus § 18a Abs. 2 GTK, der zeitgleich mit der Änderung des § 18 GTK eingefügt wurde und eine stufenweise Erhöhung der Zuschüsse vorsieht, wird deutlich, dass der Landesgesetzgeber eine höhere prozentuale Förderung für wünschenswert, aber nicht sofort realisierbar hielt. Diese Auslegung wird durch die Begründung des Gesetzentwurfs bestätigt; danach diente die Änderung des § 18 GTK nur der Klarstellung, dass eine weiter gehende Förderung ihre Grundlage nicht im Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder hat und demzufolge eine Refinanzierung durch das Land insoweit nicht erfolgt (Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 12/3271, S. 19).

Die Entscheidung des Beklagten, die vom Kläger begehrte Förderung zu versagen, steht mit § 74 SGB VIII nicht in Einklang. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die freiwillige Tätigkeit auf dem Gebiet der Jugendhilfe fördern, wenn die in Nr. 1 bis 5 genannten Voraussetzungen vorliegen. Als Träger einer seit vielen Jahren existierenden, nach § 18 GTK geförderten und in den Jugendhilfeplan des Beklagten aufgenommenen Tageseinrichtung für Kinder erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen. Über Art und Höhe der Förderung entscheidet der Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII); bei der Ausübung des Ermessens sind die besonderen jugendhilferechtlichen Vorgaben, namentlich das jugendhilferechtliche Gleichbehandlungsgebot (§ 74 Abs. 5 SGB VIII), die Orientierung an den Interessen der Betroffenen (§ 74 Abs. 4 SGB VIII) und der Grundsatz der Trägervielfalt (§ 3 Abs. 1 SGB VIII), zu beachten.

Die Versagung der beantragten Mittel begegnet schon in formeller Hinsicht Bedenken. Nach § 71 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1 SGB VIII hat der Jugendhilfeausschuss im Rahmen der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel über Förderanträge freier Jugendhilfeträger zu entscheiden. Es erscheint zweifelhaft, ob die vorliegend gewählte Verfahrensweise hiermit in Einklang steht. Der Jugendhilfeausschuss des Beklagten hat die Angelegenheit durch Beschluss vom 19.8.1999 bis zu den allgemeinen Haushaltsberatungen vertagt und es dem Rat überlassen, ob Mittel für eine Förderung des Klägers in Bezug auf den Trägeranteil zur Verfügung gestellt werden sollten; er hat damit keine eigene Entscheidung über den Antrag des Klägers getroffen. Mit Rücksicht auf die Ausgestaltung des Haushaltsplans hätte er eine solche Entscheidung auch gar nicht treffen können. Nach der vom Beklagten in beiden mündlichen Verhandlungen geschilderten und für das Jahr 2000 durch den Haushaltsplan belegten Vorgehensweise trifft der Rat die Entscheidungen über Förderanträge durch Aufnahme einrichtungs- bzw. trägerbezogener Haushaltstitel in den Haushaltsplan jeweils selbst, ohne dem Jugendhilfeausschuss in diesem Bereich eine Entscheidungsbefugnis zu belassen. Der Senat hat Bedenken, ob diese Praxis mit der in § 71 SGB VIII geregelten internen Aufgabenverteilung zwischen Jugendhilfeausschuss und Rat zu vereinbaren ist. Danach hat der Jugendhilfeausschuss in Fragen der Jugendhilfe nicht nur ein Anhörungs- und Antragsrecht (§ 71 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII), das hier durch die Vorlage des Entwurfs der Haushaltssatzung in der Ausschusssitzung am 3.2.2000 gewahrt wurde, sondern im Rahmen der von der Vertretungskörperschaft bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung und der von ihr gefassten Beschlüsse ein eigenes Beschlussrecht (§ 71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII), das insbesondere die Verteilung der vom Rat für Zwecke der Förderung der freien Jugendhilfe bereitgestellten Haushaltsmittel betrifft (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII). Da die von der politischen Vertretungskörperschaft gefassten Beschlüsse in Fragen der Jugendhilfe, seien sie haushaltsrechtlicher, sonstiger normativer oder schlicht jugendpolitischer Natur, im Grundsatz dem Beschlussrecht des Ausschusses vorgehen, gewinnt dieses seine konkrete Gestalt und Reichweite allerdings erst im Zusammenspiel mit dem Kommunalverfassungsrecht der Länder und der dort konstituierten Haushalts-, Beschluss- und Satzungsgewalt der politischen Vertretungskörperschaft. Letztere ist befugt, bestimmte jugendpolitische Schwerpunkte zu setzen und dem Ausschuss diesbezügliche Vorgaben zu machen, etwa Mittel für bestimmte Zwecke zu binden (vgl. Schellhorn, SGB VIII, KJHG, § 74 Rn. 27 und § 71 Rn. 18). Dem Jugendhilfeausschuss muss in Fragen der Jugendhilfe aber ein Entscheidungsbereich von "substantiellem Gewicht" verbleiben (so BVerwG, Urteil vom 15.12.1994 - 5 C 30.91 -, BVerwGE 97, 223, 229 f.). Daran fehlt es, wenn der Rat durch entsprechende Bestimmungen in der Haushaltssatzung eine Entscheidung des Jugendhilfeausschusses über die Verteilung der Mittel zur Förderung der freien Jugendhilfe insgesamt vorwegnimmt oder vereitelt (vgl. Wiesner, a.a.O., Rn. 39; Steffan, a.a.O., § 74 Rn. 28).

Hiernach könnte die Behandlung des Förderantrags des Klägers durch Rat und Jugendhilfeausschuss allenfalls dann zu rechtfertigen sein, wenn die Ausgestaltung der Haushaltsansätze für die Kindertageseinrichtungen nicht als Auswahlentscheidung zwischen den einzelnen um eine Förderung nachsuchenden Trägern solcher Einrichtungen, sondern lediglich als Ausdruck einer finanziellen bzw. jugendhilferechtlichen Schwerpunktsetzung anzusehen sein sollte. Dafür mag sprechen, dass der Haushaltsplan für keine andere Kindertageseinrichtung freiwillige, sondern ausschließlich gesetzliche und vertragliche Betriebskostenzuschüsse vorsieht. Letztlich kann die Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben für die Zuständigkeitsverteilung eingehalten worden sind, aber dahingestellt bleiben, weil es hierauf nicht entscheidend ankommt.

Die Versagung der beantragten Förderung hält nämlich deshalb einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil der Beklagte das ihm als Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.

Ermessen besteht in Bezug auf die ergänzende Förderung einer bereits nach § 18 GTK bezuschussten Kindertageseinrichtung sowohl hinsichtlich der Entscheidung, ob der Träger eine solche Förderung überhaupt erhält (§ 74 Abs. 1 SGB VIII), als auch hinsichtlich der Entscheidung über Art und Höhe der Förderung (§ 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII). Das Ermessen ist nicht in der Weise gebunden, dass dem Förderantrag dem Grunde nach entsprochen werden müsste. Dem durch die Soll-Bestimmung in § 74 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz SGB VIII dem Träger der freien Jugendhilfe bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Regelfall eingeräumten Rechtsanspruch auf Förderung (vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.1.1997 - 16 A 2389/96 -, FEVS 47, 394, 395; Preis/Steffan, Anspruchsrechte, Planungspflichten und Fördergrundsätze im Kinder- und Jugendhilferecht, FuR 1993, 185, 188; a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 14.10.1998 - 6 S 94.98 -, FEVS 49, 368, 372) trägt bereits das nordrhein-westfälische Landesrecht Rechnung. Das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder gewährleistet, dass Träger von Tageseinrichtungen durch gesetzlich festgelegte Zuschüsse zu den Betriebskosten finanziell gefördert werden; die Höhe der Förderung berücksichtigt - wenngleich notwendigerweise in generalisierender Form - die rechtlichen Vorgaben des SGB VIII. So wird etwa bei der Bemessung der Eigenleistungen nach der unterschiedlichen Finanzkraft verschiedener Arten von Trägern differenziert, und Selbsthilfeinitiativen, bei denen regelmäßig eine besondere Orientierung an den Interessen der Betroffenen anzunehmen ist, werden in höherem Maße unterstützt (vgl. § 74 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 und § 4 Abs. 3 SGB VIII sowie § 18 Abs. 2 und 4 GTK). Einen Anspruch auf eine finanzielle Vollförderung sieht das Landesrecht nicht vor. Eine solche ist auch bundesrechtlich nicht geboten (hiervon geht auch das BVerwG aus, vgl. Urteil vom 25.4.2002 - 5 C 18.01 -, a.a.O., S. 233; vgl. auch Stähr, Führt der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zu einem Rechtsanspruch der freien Träger auf Finanzierung?, ZfJ 1998, 24 ff.; im Ergebnis ebenso: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.8.2002 - 2 S 2106/00 -, Juris, unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG vom 18.7.1967 - 2 BvF 3,4,5,6,7,8/62; 2 BvR 139,140,334,335/62 -, BVerfGE 22, 180, 207 f.). Dies folgt aus § 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VIII, wonach der Regelanspruch auf Förderung voraussetzt, dass der Träger der freien Jugendhilfe eine angemessene Eigenleistung erbringt. Eine auf Kindergärten bezogene Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das Gesetz weder in § 74 noch in den §§ 22 ff. SGB VIII vor (anders wohl Nds. OVG, Beschluss vom 16.6.1997 - 4 M 1219/97 -, FEVS 48, 213, 216 ff.).

Besteht demnach keine gesetzliche Pflicht, eine bereits nach den landesrechtlichen Vorschriften bezuschusste Kindertageseinrichtung zusätzlich nach § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII finanziell zu fördern, steht die Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der begehrten Förderung im Ermessen des Beklagten. Die Ausübung des Ermessens ist einer gerichtlichen Überprüfung in den Grenzen des § 114 Satz 1 VwGO zugänglich. Es handelt sich nicht um eine der gerichtlichen Kontrolle entzogene politische Entscheidung. Insbesondere die kinder- und jugendhilferechtlichen Bindungen, die der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu beachten hat, schließen eine Entscheidung nach freiem politischen Belieben aus.

Gegenstand der Prüfung, ob die Ermessensentscheidung frei von Rechtsfehlern ist, sind hier ausschließlich die in dem Bescheid vom 17.1.2002 wiedergegebenen Ermessenserwägungen. Auch unter Berücksichtigung von § 114 Satz 2 VwGO, wonach die Verwaltungsbehörde Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, sind weder die Ausführungen des Beklagten im erstinstanzlichen Klageverfahren noch die Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten in der Berufungserwiderung in den Blick zu nehmen. Der Einbeziehung des erstinstanzlichen Beklagtenvorbringens steht schon entgegen, dass § 114 Satz 2 VwGO nur den Fall der Ergänzung einer bereits vorhandenen Ermessensbegründung, nicht aber die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Ermessensentscheidung tragenden Gründe erfasst (vgl. BVerwG, Urteile vom 16.6.1997 - 3 C 22.96 -, BVerwGE 105, 55, 59, und vom 5.5.1998 - 1 C 17.97 -, BVerwGE 106, 351, 365, und Beschluss vom 14.1.1999 - 6 B 133.98 -, NJW 1999, 2912; OVG NRW, Urteil vom 18.6.2002 - 15 A 1958/01 -, NWVBl. 2002, 384, 388). Da der Beklagte zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch keinen Verwaltungsakt erlassen hatte, kam eine Ergänzung der "Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes" seinerzeit nicht in Betracht. Nachdem der Beklagte während des zweitinstanzlichen Verfahrens den Antrag des Klägers nunmehr durch Bescheid vom 17.1.2002 abgelehnt hat, scheidet ein Rückgriff auf die erstinstanzliche Klageerwiderung ebenfalls aus. Denn der Beklagte muss sich an dem Inhalt des Bescheides festhalten lassen, den er ersichtlich zu dem Zweck erlassen hat, den bis dahin vorliegenden Begründungsmangel seiner Entscheidung zu heilen. Erwägungen, die in einem solchen Bescheid, der gerade der Nachholung einer bislang fehlenden Ermessensbegründung dienen soll, nicht angesprochen werden, sind nicht als für die Ermessensausübung maßgeblich zugrundezulegen. Nichts anderes gilt im Ergebnis hinsichtlich der anwaltlichen Ausführungen im Berufungsverfahren, und zwar auch dann, wenn man entsprechend dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat annimmt, dass die Berufungserwiderungsschrift, die eher auf eine Verteidigung der angefochtenen Entscheidung zu zielen scheint, als Ergänzung der Ermessenserwägungen i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO zu verstehen sein soll. Das anwaltliche Vorbringen im Berufungsverfahren kann nicht als Ermessensergänzung gewertet werden, weil hierzu nur der nach dem jeweiligen Fachrecht zuständige Entscheidungsträger befugt ist. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, dass einer Ergänzung von Ermessenserwägungen prozessuale Hindernisse nicht entgegenstehen; die Frage, ob das Nachschieben von Gründen in der Sache zulässig ist, beantwortet sich hingegen nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.5.1998 - 1 C 17.97 -, a.a.O., S. 364). Entsprechend den obigen Ausführungen zur Zuständigkeit kommt eine Ergänzung der Ermessensbegründung daher nur hinsichtlich solcher Erwägungen in Betracht, die Gegenstand der - damaligen oder neuerlichen - Befassung des Jugendhilfeausschusses bzw. des Rates mit dem Förderantrag waren. Die auf Anforderung des Senats vom Beklagten vorgelegten diesbezüglichen Unterlagen geben indessen keinen Anhalt dafür, dass die in der Berufungserwiderungsschrift neu angesprochenen Aspekte von den genannten Gremien erwogen worden wären. Dies macht der Beklagte auch nicht geltend.

Die in dem angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ermessenserwägungen, die danach allein in den Blick zu nehmen sind, sind, wenn man sie wörtlich versteht, bereits deshalb fehlerhaft, weil sie auf der unzutreffenden Annahme beruhen, es stünden keine Mittel für freiwillige Zuwendungen an freie Jugendhilfeträger zur Verfügung. Dabei wird der Begriff der freiwilligen Zuwendungen als Gegenbegriff zu den gesetzlichen Zuschüssen verwendet. Tatsächlich weist der vom Beklagten auszugsweise vorgelegte Haushaltsplan 2000 unter den Gliederungspunkten 45 "Jugendhilfe nach dem KJHG" und 46 "Einrichtungen der Jugendhilfe" aber durchaus Haushaltsansätze auf, die keine gesetzlichen Zuschüsse, sondern im Ermessen stehende Zuwendungen zur Förderung der freien Jugendhilfe i.S.v. § 74 SGB VIII betreffen (wird ausgeführt). Insgesamt sah der Haushaltsplan 2000 demnach Mittel zur Förderung der freien Jugendhilfe in Höhe von mehr als 1.000.000 DM vor, so dass die Aussage in dem Bescheid vom 17.1.2002, Haushaltsmittel für freiwillige Zuwendungen an freie Jugendhilfeträger hätten nicht bereitgestellt werden können, unzutreffend ist.

Vor dem Hintergrund der bei Erlass dieses Bescheides im gerichtlichen Verfahren bereits ausgetauschten Argumente liegt es allerdings trotz der weit gefassten Formulierung näher, dass der Beklagte lediglich zum Ausdruck bringen wollte, es stünden keine Mittel zur Verfügung, um Kindertageseinrichtungen über gesetzliche und vertragliche Leistungspflichten hinaus zu fördern. Doch auch wenn man den Bescheid vom 17.1.2002 in diesem Sinne versteht, hält er einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Da die für die Förderung der freien Jugendhilfe insgesamt verfügbaren Haushaltsmittel den Rahmen der nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden Ermessensentscheidung vorgeben, hätte auch erwogen werden müssen, ob und in welchem Umfang durch Einsparungen im Bereich der sonstigen Jugendhilfe, für die ca. 160.000 DM vorgesehen waren, Mittel hätten freigesetzt werden können, um so eine Ungleichbehandlung zwischen vertraglich abgesicherten und nicht vertraglich abgesicherten Trägern von Kindertageseinrichtungen zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Dass derartige Überlegungen angestellt worden wären, lässt die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht erkennen.

Auch unter Zugrundelegung des Vorbringens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat kann nicht angenommen werden, dass für eine solche Abwägung kein Raum gewesen wäre. Denn nicht allen für die Förderung anderer Träger der freien Jugendhilfe vorgesehenen Haushaltsansätzen standen entsprechende rechtliche Verpflichtungen gegenüber. Soweit der Beklagte zur Förderung insbesondere nach den §§ 12, 74 Abs. 1 SGB VIII gesetzlich verpflichtet war, handelt es sich jeweils nur um dem Grunde nach bestehende Ansprüche, so dass bezüglich der Höhe der Fördermittel gleichwohl noch eine abwägende Entscheidung möglich war. Vertragliche Bindungen bestanden nach Angaben des Beklagten nur teilweise. Soweit die Leistungen auf Richtlinien beruhten, die vom Jugendhilfeausschuss beschlossen und vom Rat genehmigt worden waren, hätte wegen der Knappheit der verfügbaren Haushaltsmittel in Betracht gezogen werden müssen, die betreffenden Richtlinien zu ändern. Hierzu war der Beklagte befugt, da es sich um von ihm selbst gesetzte Richtlinien handelte.

Obgleich die danach verbleibenden Entscheidungsspielräume gering gewesen sein mögen, beruhte die Versagung der beantragten Förderung des Klägers letztlich nicht darauf, dass dem Antrag wegen fehlender Haushaltsmittel nicht entsprochen werden konnte, sondern darauf, dass der Kläger nicht berücksichtigt werden sollte. Diese Auswahlentscheidung hätte sich an den Maßstäben des Kinder- und Jugendhilferechts orientieren müssen (vgl. zu diesen Maßstäben: BVerwG, Urteil vom 25.4.2002 - 5 C 18.01 -, a.a.O., S. 231 ff.). Dass dies geschehen ist, lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Eine Auswahlentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen muss vielmehr nachgeholt werden.

Zugleich mit Blick auf diese erneute Ermessensentscheidung bleibt festzuhalten, dass die Versagung der Förderung sich nicht deshalb als ermessensfehlerhaft erweist, weil der Beklagte eine Kündigung der mit A. und B. geschlossenen Verträge nicht erwogen hat. Das jugendhilferechtliche Gleichbehandlungsgebot (§ 74 Abs. 5 SGB VIII) gebietet, bei der Entscheidung über die Verteilung von Fördermitteln auf die Träger gleichartiger Maßnahmen auch bestehende Möglichkeiten einer Kündigung von Verträgen in Erwägung zu ziehen, die mit einzelnen dieser Träger geschlossen wurden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.6.2001 - 12 A 3045/99 -, FEVS 53, 175, 177). Das hat der Beklagte - anscheinend bis heute - nicht getan. Bezogen auf das hier in Rede stehende Jahr 2000 wird dies indessen noch nicht entscheidungserheblich. (wird ausgeführt)

Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass der Beklagte schon durch den Abschluss der genannten Verträge seinen finanziellen Handlungsspielraum sachwidrig derart eingeschränkt hätte, dass jede jetzige Ermessensentscheidung, die diese vertraglichen Verpflichtungen als Differenzierungskriterium berücksichtigt, deshalb ihrerseits fehlerhaft erscheinen müsste. Allerdings setzt sich - ebenso wie eine gleichheits- und damit rechtswidrige Verteilung der Mittel im Haushaltsplan die Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Verteilungsentscheidung zur Folge hat (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.6.2001 - 12 A 3045/99 -, a.a.O.) -, auch eine in der Vergangenheit fehlerhaft getroffene Entscheidung, durch die die Ermessensausübung für spätere Haushaltsjahre in rechtswidriger Weise vorweggenommen wird, in jeder daraus folgenden Entscheidung fort. Die in der mündlichen Verhandlung ergänzend erläuterten Umstände lassen den Abschluss der Verträge jedoch als nicht sachwidrig erscheinen. (wird ausgeführt)

Der Beklagte ist nach alldem zu verpflichten, den Förderantrag neu zu bescheiden und dabei die dargelegte Rechtsauffassung des Senats zu beachten. Eine Verpflichtung zur Übernahme des Trägeranteils, wie sie der Kläger darüber hinaus erstrebt, kann hingegen nicht erfolgen. Denn das Ermessen des Beklagten ist nicht in der Weise reduziert, dass nur eine Förderung in Höhe des vom Kläger begehrten Betrages rechtmäßig wäre. Anhaltspunkte hierfür sind nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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