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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.02.2002
Aktenzeichen: 16 A 376/01
Rechtsgebiete: UVG, BGB


Vorschriften:

UVG § 1 Abs. 1 Nr. 2
UVG § 1 Abs. 2
UVG § 5 Abs. 1
UVG § 6
BGB § 1567
BGB § 1567 Abs. 1 Satz 1
1. Bei der Bestimmung des Begriffs des "Getrenntlebens" i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG kann nicht unbesehen auf die Legaldefinition des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB mit ihren subjektiven Begriffskomponenten (Trennungswille; Ablehnung der ehelichen Gemeinschaft) zurückgegriffen werden.

2. Entscheidend ist vielmehr auf die faktische Situation des Kindes abzustellen, so dass jedenfalls dann von einem Getrenntleben auszugehen ist, wenn die räumliche Trennung (voraussichtlich) wenigstens sechs Monate andauert und über den Ausfall des Ehepartners als zumindest ersatzweiser Betreuungsperson des Kindes hinaus auch die finanzielle Ausstattung der zurückbleibenden Teilfamilie weitgehende Einbußen erleidet.

3. Neben den Fällen einer im Sinne einer vis absoluta schlechterdings unumgänglichen Trennung, etwa bei einer Anstaltsunterbringung (vgl. § 1 Abs. 2 UVG), sind auch solche Trennungsfälle einzubeziehen, in denen die Möglichkeit des Zusammenlebens, obwohl theoretisch nicht ausgeschlossen, doch mit erheblichen Erschwernissen verbunden ist und dem einvernehmlich gefassten Lebensplan der Ehepartner in grundlegender Weise widerspricht (hier: Einreiseverbot des Ehemannes nach Eheschließung im Ausland).


Tatbestand:

Die Klägerin, italienische Staatsangehörige mit Aufenthaltserlaubnis, bezog für ihren 1992 geborenen Sohn B. seit November 1994 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Im Oktober 1996 schloss sie in Italien die Ehe mit dem aus Nigeria stammenden Herrn E. Nachfolgend waren die Klägerin und ihr Ehemann unter Beanspruchung anwaltlicher Hilfe ohne Erfolg darum bemüht, Herrn E. die Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen.

Mit Bescheid vom 29.12.1998 forderte der Beklagte die im Zeitraum vom 1.11.1996 bis zum 31.12.1998 gewährten Unterhaltsvorschussleistungen wegen der Wiederverheiratung von der Klägerin zurück. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage hiergegen führte im Berufungsverfahren zur Aufhebung des Rückforderungsbescheides.

Gründe:

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der an die Klägerin geleisteten Unterhaltsvorschusszahlungen kann lediglich § 5 Abs. 1 UVG vom 19.1.1994 (BGBl. I S. 165) sein; sonstige (allgemeine) Ersatz- oder Rückforderungsregelungen sind neben dieser speziellen Vorschrift nicht anwendbar.

Vgl. Scholz, Unterhaltsvorschussgesetz, Kommentar, 3. Aufl. (1997), § 5 Rn. 2.

Danach ist der alleinerziehende Elternteil bzw. der gesetzliche Vertreter des (abstrakt) leistungsberechtigten Kindes zum Ersatz von zu Unrecht gewährten Unterhaltsvorschussleistungen verpflichtet, wenn er durch unzutreffende bzw. unvollständige Angaben oder das Unterlassen einer Anzeige nach § 6 UVG die Leistung herbeigeführt hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG) oder von der Unrechtmäßigkeit der Leistungen wusste bzw. nur infolge Fahrlässigkeit nicht wusste (Nr. 2). Die Voraussetzungen der Ersatzpflicht sind jedoch vorliegend schon deshalb nicht erfüllt, weil es sich nicht um Leistungen gehandelt hat, für welche die Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass der Sohn der Klägerin trotz der Eheschließung seiner Mutter mit Herrn E. im Oktober 1996 nachfolgend leistungsberechtigt geblieben ist.

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG beschränkt den Anspruch auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz auf solche Kinder, deren alleinerziehende Elternteile ledig, verwitwet oder geschieden sind oder von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben. Dabei steht - vom Sonderfall des Getrenntlebens abgesehen - auch die Ehe mit einer anderen Person als dem anderen Elternteil des Kindes dem Leistungsanspruch entgegen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.9.1999 - 16 A 1491/99 -, FamRZ 2000, 775 = NWVBl. 2000, 101, bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 7.12.2000 - 5 C 42.99 -, BVerwGE 112, 259 = NJW 2001, 3205 = FEVS 52, 529 = FamRZ 2001, 1452; ferner OVG Bbg., Urteil vom 22.8.1996 - 4 A 196/95 -, FEVS 47, 416.

Dieser Leistungsausschluss ist auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.12.2000 - 5 C 42.99 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 23.9.1999 - 16 A 1491/99 -, a.a.O.; OVG Bbg., Urteil vom 22.8.1996 - 4 A 196/95 -, a.a.O.; a.A. VG Göttingen, Beschluss vom 29.9.2000 - 2 A 2045/96 -, FamRZ 2001, 56.

Trotz der während des gesamten streitigen Leistungszeitraums bestehenden Ehe zwischen der Klägerin und Herrn E. fehlt es nicht an der Anspruchsvoraussetzung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, weil es sich bei den Genannten um getrennt lebende Eheleute handelt. Dabei geht der Senat davon aus, dass zur Bestimmung des Begriffs des Getrenntlebens nicht unbesehen auf die in § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene Legaldefinition zurückgegriffen werden kann.

So aber im Ausgangspunkt Nds. OVG, Urteil vom 10.3.1999 - 4 L 5154/98 -, FEVS 51, 526 = NVwZ-RR 1999, 764 = NDV-RD 1999, 114; ebenso Scholz, a.a.O., § 1 Rn. 13.

Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB leben Eheleute getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und (mindestens) einer der Ehegatten sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt.

Schon im familienrechtlichen Schrifttum wird hervorgehoben, dass die genannte Begriffsbestimmung speziell auf das Scheidungsrecht zugeschnitten ist.

Vgl. Graßhof in: RGRK-BGB, Band IV, 2. Teil, 12. Aufl. (1999), § 1567 Rn. 2; Rauscher in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. (1996), § 1567 Rn. 4 f.; Wolf in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 7, 3. Aufl. (1993), § 1567 Rn. 2.

Das so verstandene Getrenntleben ist nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Fristen das wesentliche Merkmal für die Zerrüttung der Ehe und damit auch die wichtigste Voraussetzung für die Ehescheidung. Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, wenn das Gesetz - vormalige Tendenzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgreifend - nicht allein die objektive räumliche Trennung der Ehepartner genügen lässt, sondern zusätzlich subjektive Merkmale fordert, nämlich den Trennungswillen und das Motiv der Ablehnung der ehelichen Gemeinschaft. Daher wird in der Kommentierung zu § 1567 BGB die Übertragung der dargestellten Legaldefinition allein schon auf andere familienrechtliche Vorschriften in Frage gestellt bzw. abgelehnt.

Vgl. Graßhof, a.a.O., § 1567 Rn. 2 und 56; Rauscher, a.a.O., § 1567 Rn. 8; Wolf, a.a.O., § 1567 Rn. 2 und 67.

Erst recht besteht Anlass zur näheren Prüfung der Anwendbarkeit von § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn es um die Feststellung des Getrenntlebens in gänzlich anderen Regelungszusammenhängen wie etwa dem Steuerrecht oder eben dem Sozialrecht geht.

Vgl. Dieckmann in: Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Aufl. (1989), § 1567 Rn. 5; Rauscher, a.a.O., § 1567 Rn. 9.

Maßgebend für die Auslegung des Begriffes "dauernd getrennt leben" in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG sind vor allem die Gesetzessystematik und der Sinn und Zweck, der objektiv bzw. nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen bzw. mit der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG enthaltenen Anspruchsvoraussetzung verfolgt wird. Bei einer systematischen Betrachtung fällt ins Auge, dass es sich bei den anderen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG genannten Begriffen ("ledig, verwitwet oder geschieden") um solche handelt, deren Vorliegen objektiv festgestellt werden kann. Hiervon würde es abweichen, wenn das Vorliegen des Merkmals "dauernd getrennt leben" im Sinne dieser Vorschrift von Absichten und inneren Beweggründen der beteiligten Personen abhängig gemacht würde.

Auch der objektive Sinn und Zweck bzw. der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommene Regelungszweck sprechen gegen eine Anreicherung des Begriffes des Getrenntlebens mit subjektiven Tatbestandselementen. Hierzu heißt es im Zusammenhang mit dem Anspruchswegfall bei Wiederverheiratung des bislang alleinerziehenden Elternteils im Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und FDP im Deutschen Bundestag, der die Grundlage der gesetzlichen Regelung bildete:

"Es erscheint nicht erforderlich, die neue Unterhaltsleistung zu zahlen, wenn der alleinerziehende Elternteil einen anderen als den anderen leiblichen Elternteil heiratet. Wenn der alleinerziehende Elternteil heiratet und das Kind einen Stiefelternteil erhält, ändert sich zwar nicht die unterhaltsrechtliche, wohl aber die faktische Gesamtlage. Das Kind ist nunmehr in eine vollständige Familie eingebettet und nimmt im allgemeinen auch an deren sozialem Stand teil. Der Stiefelternteil kann Kindergeld und Steuervergünstigungen sowie gegebenenfalls Sachleistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung oder entsprechende Beihilfen für das Kind erhalten. Der bisher alleinerziehende Elternteil ist insgesamt freier gestellt, was auch dem Kind zugute kommt. Daher ist hier in aller Regel nicht die prekäre Lage wie bei alleinstehenden Elternteilen und somit kein hinreichender Grund gegeben, für diesen Fall Unterhaltsleistungen vorzusehen" (BT-Drucks. 8/1952, S. 6 f.)

Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass dem Gesetzgeber für den Anspruchswegfall die Frage wesentlich erschien, wie sich - als Folge einer Wiederverheiratung - die tatsächliche Lage des unterhaltsbedürftigen Kindes verändert. Dabei wird zutreffend davon ausgegangen, dass sich zum einen durch eine Wiederverheiratung typischerweise die finanzielle Situation des Kindes verbessert und dass zum anderen durch die gleichzeitige materielle Besserstellung auch des bislang alleinerziehenden Elternteils diesem die Möglichkeit gegeben wird, sich mehr als zuvor dem Kind zu widmen; hinzukommen wird vielfach, dass der neue Ehepartner bei der Kindesbetreuung und -erziehung mitwirkt und dadurch eine weitere Annäherung an die Verhältnisse bei intakten "Normalfamilien" erreicht wird. Entscheidend wird mithin auf die Veränderung der faktischen Situation des Kindes abgestellt, nicht hingegen auf rechtliche Änderungen, etwa das Entstehen von (eigenen) Unterhaltsansprüchen des Kindes. Nichts Anderes kann gelten, wenn es um die Frage des Getrenntlebens bei bestehender Ehe geht.

Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10.3.1999 - 4 L 5154/98 -, a.a.O.

Falls durch eine Trennung äußere Gegebenheiten eintreten, die denen entsprechen, wie sie regelmäßig bei Kindern unverheirateter alleinerziehender Elternteile anzutreffen sind, besteht kein überzeugender Grund dafür, bei bloß formalem (Fort-)Bestehen des ehelichen Bandes nach den subjektiven Vorstellungen der Eheleute zu differenzieren und im Ergebnis auf die (beginnende) Zerrüttung der Ehe abzustellen, wie dies bei einer undifferenzierten Anwendung der Begriffsbestimmung des § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB der Fall wäre.

Diese Sichtweise wird dadurch unterstrichen, dass nach § 1 Abs. 2 UVG auch ein verheirateter Elternteil als dauernd getrennt lebend gilt, wenn sein Ehegatte wegen Krankheit oder Behinderung oder aufgrund gerichtlicher Anordnung für voraussichtlich wenigstens sechs Monate in einer Anstalt untergebracht ist. Damit bezieht das Unterhaltsvorschussgesetz im Rahmen der Anspruchsvoraussetzung des Getrenntlebens Fallgestaltungen ein, in denen scheidungsrechtlich zumindest in Ermangelung der subjektiven Merkmale (erkennbarer Trennungswille und Motiv der Ablehnung der ehelichen Gemeinschaft) nicht von einem Getrenntleben i.S.v. § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgegangen werden könnte; je nach der zu erwartenden Dauer der erzwungenen Abwesenheit des Ehegatten und dem Umfang fortbestehender räumlicher Bindungen kommt in derartigen Fällen sogar in Betracht, schon objektiv eine Trennung im Sinne des Auseinanderfallens des dauerhaften Lebensmittelpunktes der Eheleute zu verneinen.

Vgl. Brudermüller in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 61. Aufl. (2002), § 1567 Rn. 2; Dieckmann, a.a.O., § 1567 Rn. 12; Graßhof, a.a.O., § 1567 Rn. 12; Roth-Stielow, in: Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Band 6, 11. Aufl. (1981), § 1567 Rn. 6 und 9, m.w.N.; Wolf, a.a.O., § 1567 Rn. 20 f.; a.A. Rauscher, a.a.O., § 1567 Rn. 34.

Daher ist es geboten, auch in anderen Trennungsfällen - ohne Differenzierung nach Absichten und Motiven der Ehepartner - jedenfalls dann von einem Getrenntleben auszugehen, wenn dieses die in § 1 Abs. 2 UVG vorgegebene Dauer von (voraussichtlich) wenigstens sechs Monaten aufweist und über den Ausfall des Ehegatten als zumindest ersatzweiser Betreuungsperson des Kindes hinaus auch die finanzielle Ausstattung der zurückbleibenden Teilfamilie weitgehende Einbußen erleidet.

So im Ergebnis auch Nds. OVG, Urteil vom 10.3.1999 - 4 L 5154/98 -, a.a.O.

Durch die zuletzt genannten Einschränkungen wird auch erreicht, dass Trennungsfälle, die sich wie etwa Urlaubs- und Kuraufenthalte oder beruflich bedingte Abwesenheitszeiten schon aus dem regelmäßigen Verlauf der Dinge erklären und auch im Ehescheidungsrecht von vornherein außer Betracht bleiben, vgl. Graßhof, a.a.O., § 1567 Rn. 12; Roth-Stielow, a.a.O., § 1567 Rn. 6, 9 und 15; Wolf, a.a.O., § 1567 Rn. 20, auch im Unterhaltsvorschussrecht nicht als Getrenntleben zu werten sind und keine (kurzfristigen) Ansprüche auf Vorschussleistungen zur Entstehung bringen können. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf die Frage, ob neben den in § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Fällen in Anlehnung an die in § 1 Abs. 2 UVG genannten Beispiele lediglich durch äußere Umstände erzwungene Trennungen i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG (Anstaltsunterbringung) relevant sein sollen oder ob auch (zumindest einseitig) freiwillige - aber nicht zugleich unter § 1567 Abs. 1 Satz 1 BGB fallende - Trennungen einzubeziehen sind. Selbst wenn lediglich (beidseitig) unfreiwillige Fälle des Getrenntseins erfasst werden sollen, spricht alles dafür, neben den Fällen einer im Sinne einer vis absoluta schlechterdings unumgänglichen Trennung, etwa infolge der Verhängung einer Freiheitsstrafe, auch solche Trennungen einzubeziehen, in denen die Möglichkeit des Zusammenlebens, obwohl theoretisch nicht ausgeschlossen, doch mit erheblichen Erschwernissen verbunden ist und dem einvernehmlich gefassten Lebensplan der Ehepartner in grundlegender Weise widerspricht.

Die bei der Klägerin und ihrem Ehemann anzutreffende Situation erweist sich nach alledem auch ohne das Vorliegen eines scheidungsrechtlich relevanten Trennungswillens als ein Getrenntleben im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Dieses Getrenntsein hatte nämlich zur Folge, dass trotz der Eheschließung die vom Gesetzgeber als "prekär" bezeichnete Lage des unterhaltsbedürftigen Kindes - vgl. BT-Drucks. 8/1952, S. 7 - auch beim Sohn der Klägerin fortbestand, weil Herr E. weder dem Kind oder der Klägerin materielle Hilfe zukommen lassen noch durch das bloße Zurseitestehen die Betreuung des Kindes fördern konnte. Es war auch von Anfang an abzusehen, dass die Trennung nicht relativ kurzfristig - das heißt binnen höchstens sechs Monaten - durch eine Übersiedlung des Herrn E. in die Bundesrepublik Deutschland überwunden werden konnte. So hat die Klägerin noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat glaubhaft bekundet, dass sich zwar durch die Eheschließung und zuletzt durch die Geburt eines gemeinsamen Kindes die Aussichten für ihren Mann verbessert hätten, einen die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ermöglichenden italienischen Pass zu erhalten; gleichwohl sei ihrem Ehemann bis zum heutigen Tage erst ein einziger besuchsweiser Aufenthalt in Deutschland gestattet worden, und zwar aus Anlass der Geburt des gemeinsamen Kindes. Damit erweist sich (auch) rückschauend, dass trotz der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe während des streitbefangenen Zeitraums vom 1.11.1996 bis zum 31.12.1998 keine realistische Erwartung bestanden hat, dass Herr E. binnen sechs Monaten die eheliche Lebensgemeinschaft mit der Klägerin in Deutschland würde herstellen können. Ausländerrechtliche Regelungen (vgl. etwa § 17 Abs. 2 Nr. 3 sowie § 18 Abs. 3 AuslG bzw. § 1 Abs. 1 und § 7 Abs. 5 DVAuslG i.V.m. den Anlagen I und III) unterstreichen das. Die Trennung liegt auch - abgesehen von ihrer Dauer - nicht mehr im Rahmen üblicher ehelicher Lebensverhältnisse. Schließlich steht einem Getrenntleben i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auch nicht entgegen, dass - anders als in den Fällen des § 1 Abs. 2 UVG - ein Zusammenleben der Klägerin mit ihrem Ehemann nicht vollständig ausgeschlossen ist, sondern eine Übersiedlung der Klägerin nach Italien jedenfalls theoretisch in Betracht kommt. Denn es steht für den Senat außer Frage, dass eine Übersiedlung für die Klägerin und ihre Kinder einen beträchtlichen Einschnitt darstellen würde. Die Klägerin ist bereits in Deutschland zur Welt gekommen, ebenso auch ihre Kinder. Sie dürfte damit stark in der hiesigen Lebenswelt verwurzelt sein; für die Kinder wäre ein tiefgreifender Bruch in ihrer schulischen Entwicklung zu besorgen. Angesichts dessen spricht alles dafür, dass die Ehepartner von Anfang an ganz auf ein familiäres Zusammenleben in Deutschland ausgerichtet waren, während eine gemeinsame Zukunft in Italien (oder gar in Nigeria) in ihrer ehelichen Lebensplanung von vornherein keine Rolle gespielt haben dürfte.

Erweist sich damit, dass der Sohn der Klägerin während des gesamten Rückforderungszeitraums zu Recht Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen hat - die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen sind unstreitig -, kommt es nicht mehr darauf an, ob die speziellen Voraussetzungen der Erstattungspflicht (§ 5 Abs. 1 UVG) vorgelegen haben.

Ende der Entscheidung

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