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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 18 A 1489/08
Rechtsgebiete: AufenthG, AsylVfG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 7
AsylVfG § 42
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bleibt für die Prüfung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG zuständig, wenn es oder das Verwaltungsgericht von dessen Prüfung wegen eines Abschiebestopp-Erlasses abgesehen hat.
Gründe:

Der im Irak geborene und von dort eingereiste Kläger ist arabischer Volkszugehöriger moslemischen Glaubens. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seine zuvor nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 festgestellte Flüchtlingseigenschaft bestandskräftig widerrufen und festgestellt, dass bei ihm Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. In dem zugehörigen erfolglosen Klageverfahren hat es das VG wegen eines Abschiebestopp-Erlasses offen gelassen, ob eine Extremgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt. Daraufhin lehnte es der Beklagte ab, die dem Kläger wegen seiner Flüchtlingseigenschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern. Hiergegen machte der Kläger mit seiner nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage geltend, die Aufenthaltserlaubnis sei zu verlängern, weil ihm wegen der derzeitigen Verhältnisse im Irak Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG zustünde. Nach Klageabweisung beantragte der anwaltlich nicht vertretene Kläger, ihm für den beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Antrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO iVm § 114 ZPO ).

Es kann offen bleiben, ob im Falle des Antrags einer anwaltlich nicht vertretenen Partei, ihr für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, die Erfolgsaussichten des beabsichtigten Zulassungsantrags und damit etwa vorliegende Zulassungsgründe von Amts wegen zu prüfen sind, oder ob die anwaltlich nicht vertretene Partei zumindest in laienhafter Weise und in groben Zügen bzw. in Umrissen deutlich machen muss, was gegen die angegriffene Entscheidung eingewendet wird.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 7.8.2000 - 18 B 874/00 - m.w.N.

Es ist selbst bei einer von Amts wegen erfolgenden, von jeglichen Darlegungsanforderungen absehenden Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht zu erkennen, dass in Bezug auf das angefochtene Urteil ein Zulassungsgrund i. S. d. § 124 Abs. 2 VwGO vorliegen könnte.

Die entscheidungstragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, unterliegen keinen - hier nur in Betracht kommenden - ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies gilt insbesondere auch, soweit sich der Kläger zur Begründung seines Antrags auf Verlängerung der ihm infolge der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 51 Abs. 1 AuslG 1990, jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) erteilten Aufenthaltserlaubnis wegen der derzeitigen Verhältnisse im Irak auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG beruft.

Wie schon das VG zutreffend ausgeführt hat, ist es dem Beklagten im Falle des Klägers verwehrt, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zu prüfen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.5.2006, mit dem die Flüchtlingseigenschaft des Klägers widerrufen wurde, festgestellt, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Für einen derartigen Fall ist es in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass aufgrund der in § 24 Abs. 2 und § 42 AsylVfG vorgegebenen strikten Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Bundesamt und der Ausländerbehörde Rechtsschutz grundsätzlich ausschließlich gegenüber dem Bundesamt in Betracht kommt und demzufolge insoweit aus gesetzessystematischen Gründen prinzipiell zugleich die Befugnis der Ausländerbehörde zu Entscheidungen entfällt.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15.5.2001 - 18 B 667/01 - und vom 14.9.2005 - 18 B 1424/05 - jeweils m.w.N.

Daran hat für Fälle der vorliegenden Art nichts geändert, dass das BVerwG ausgeführt hat, eine Prüfungskompetenz der Ausländerbehörden könne bei ehemaligen Asylbewerbern (einschließlich anerkannter Asylberechtigter und Flüchtlinge, deren Anerkennung widerrufen worden ist) in Betracht kommen, wenn der Ausländer geltend macht, ihm drohe im Herkunftsland infolge einer allgemeinen Gefahrenlage eine extreme Gefahr für Leib und Leben, die in verfassungskonformer Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach dieser Vorschrift führen müsste, das Bundesamt aber eine solche Feststellung wegen Bestehens eines vergleichbaren Schutzes durch einen Abschiebestopp-Erlass, eine sonstige Erlasslage oder eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung nicht treffen kann und darf.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.6.2006 - 1 C 14.05 -, BVerwGE 126, 192 = InfAuslR 2007, 4. Ein solcher Sachverhalt liegt hier zwar vor. Insofern ist es unerheblich, dass das Bundesamt in dem vorgenannten Bescheid das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG geprüft und verneint hat. Von der hierauf bezogenen Entscheidung gehen nämlich keine Rechtswirkungen mehr aus. Denn eine auf Verpflichtungsklage hin erfolgende gerichtlich bestätigte negative Feststellung zu § 60 Abs. 7 AufenthG kann nur mit dem Inhalt bestandskräftig werden, den die letzte verwaltungsgerichtliche Entscheidung zugrunde gelegt hat, - vgl. BVerwG, Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379 = InfAuslR 2002, 48 in der hier - was im vorliegend angefochtenen Urteil übersehen worden ist - wegen eines Abschiebestopp-Erlasses aus Rechtsgründen auf eine Prüfung einer Extremgefahr verzichtet worden ist.

Vgl. das den Kläger betreffende Urteil des VG Düsseldorf vom 19.9.2006 - 16 K 3608/06.A - im (Asyl-)Verfahren gegen den o.g. Bescheid des Bundesamtes.

Indessen ist nicht erkennbar, warum in derartigen Fällen eine Durchbrechung der durch § 24 Abs. 2 und § 42 AsylVfG gesetzlich vorgegebenen Zuständigkeitsaufteilung erforderlich ist. Sofern mit dem in Bestandskraft erwachsenen Bescheid des Bundesamtes eine in seine Zuständigkeit fallende Entscheidung bisher nicht getroffen worden ist, muss es sie - gegebenenfalls auf Antrag des Ausländers - nachholen. Vergleichbares hat der Senat bereits zur asylrechtlichen Abschiebungsandrohung in einem Fall entschieden, bei dem das Bundesamt vom Erlass einer Abschiebungsandrohung abgesehen und mit der bestandskräftigen Ablehnung eines Asylantrags nach § 26 a AsylVfG eine letztlich nicht vollstreckbare Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG erlassen hatte. Für die daraufhin von der Ausländerbehörde erlassene Abschiebungsandrohung fehlte jener die sachliche Zuständigkeit, die beim Bundesamt verblieben war.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.9.2000 - 18 B 1783/99 -, AuAS 2000, 256 = NVwZ-Beil. I 2001, 32 = EZAR 210 Nr. 15.

Es ist kein Grund ersichtlich, warum in Fällen der vorliegenden Art etwas anderes gelten soll. Auch hinsichtlich des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG im Zusammenhang mit einem Asylverfahren gilt, dass nur bei der aufgezeigten Abgrenzung der Zuständigkeit sichergestellt ist, dass grundsätzlich allein in einem Verfahren, und zwar vor dem hierfür sachlich und personell besonders ausgestatteten Bundesamt eine umfassende Prüfung zu diesem Abschiebungsverbot erfolgt. Ein solches Erfordernis ergibt sich seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1.1.2005 zudem aus den einerseits für Abschiebungsverbote und andererseits für Duldungen geltenden unterschiedlichen Rechtsfolgen und dem daran anknüpfenden Rechtsschutzinteresse des Ausländers an einer alles umfassenden Sachentscheidung des Bundesamtes im Asylverfahren. Denn während der Schutzstatus nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG regelmäßig zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führt (§ 25 Abs. 3 AufenthG), bewirken Abschiebestopp-Erlasse und Duldungen nach § 60 a Abs. 2 AufenthG nur die Aussetzung der Abschiebung.

Der Ausländer erfährt hierdurch keine Rechtsnachteile für den Fall, dass das Bundesamt die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nicht geprüft haben sollte. Namentlich hat er die Möglichkeit, beim Bundesamt ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bzw. § 51 Abs. 5 iVm § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu beantragen (sogenanntes Folgeschutzgesuch) und damit eine erneute Entscheidung des Bundesamtes nach § 60 Abs. 7 AufenthG herbeizuführen.

Vgl. erneut OVG NRW, Beschlüsse vom 15.5.2001 - 18 B 667/01 - und vom 14.9.2005 - 18 B 1424/05 -.

Dem Vorstehenden entsprechend ist inzwischen auch in der neuesten Rechtsprechung des BVerwG - vgl. Urteile vom 24.6.2008 - 10 C 42.07, 10 C 43.07, 10 C 44.07, 10 C 45.07 -, zitiert nach Pressemitteilung des BVerwG vom 8.7.2008, www.bverwg.de - geklärt, dass bei Vorliegen eines Abschiebestopp-Erlasses nicht von der Prüfung abgesehen werden darf, ob sich allgemeine Gefahren im Herkunftsland zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von Art. 15 c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie), der in § 60 Abs. 7 AufenthG umgesetzt worden ist, verdichtet haben.

Vgl. BT-Drucksache 16/5065, S 154, 186.

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