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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.07.2006
Aktenzeichen: 18 A 3138/05
Rechtsgebiete: AuslG, AufenthG
Vorschriften:
AuslG § 43 Abs. 1 Nr. 4 | |
AufenthG § 25 Abs. 5 | |
AufenthG § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 |
2. Zur Frage des Beurteilungszeitpunkts beim Widerruf einer Aufenthaltsgenehmigung (jetzt Aufenthaltstitel).
3. Zur Bedeutung eines Aufenthaltsrechts, das unabhängig von einer entfallenen Asylberechtigung besteht, beim Widerruf einer asylbezogenen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Tatbestand:
Die Kläger erhielten Familienasyl, nachdem ihr Ehemann bzw. Vater als Asylberechtigter anerkannt worden war. Auf die Klage des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten wurde die Anerkennung des Ehemannes/Vaters aufgehoben, während die Klage gegen die Kläger als unzulässig abgewiesen wurde. In einem anschließenden Widerrufsverfahren wurde die Asylanerkennung der Kläger - bestandskräftig seit dem 6.9.2002 - widerrufen. Bereits im November 2001 waren den Klägern unbefristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden. Diese widerrief der Beklagte mit Bescheid vom 30.3.2003 mit Wirkung zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Widerrufs der Asylberechtigung. Nach erfolglosem Widerspruch wies das VG die Klage ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machten die Kläger geltend: Der Widerruf hätte nicht auf § 43 AuslG gestützt werden dürfen, sondern auf den im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltenden § 52 AufenthG. Rechtswidrig sei der Widerruf ferner deshalb, weil er auch für die Vergangenheit erfolgt sei und sie zudem einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG hätten. Der Zulassungsantrag hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Hinsichtlich des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bedarf es einer auf schlüssige Gegenargumente gestützten Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des VG. Dabei ist in substanziierter Weise darzustellen, dass und warum das vom VG gefundene Entscheidungsergebnis ernstlich zweifelhaft sein soll. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn das Gericht schon allein auf Grund des Antragsvorbringens in die Lage versetzt wird zu beurteilen, ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses bestehen.
Vgl. hierzu nur OVG NRW, Beschlüsse vom 15.3.2002 - 18 B 906/01 - und vom 17.5.2002 - 18 A 781/01 -, jeweils m.w.N.
Davon ausgehend haben die Kläger mit ihrem Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel aufzuzeigen vermocht. Ihnen ist zunächst einmal nicht darin zu folgen, dass die Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung vom 30.6.2003 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 19.11.2003 nicht nach § 43 AuslG, sondern - wie von ihnen sinngemäß geltend gemacht - nach der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltenden Rechtslage, hier also nach § 52 des mit dem Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) zum 1.1.2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zu beurteilen ist. Bei - wie hier -rechtsgestaltenden Verwaltungsakten ist grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung abzustellen. Das Zuwanderungsgesetz steht der Anwendung dieses Grundsatzes nicht entgegen, sondern bestätigt ihn. Es enthält in § 102 Abs. 1 AufenthG eine Bestimmung über die Fortgeltung ausländerrechtlicher Maßnahmen. Danach bleiben die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes getroffenen ausländerrechtlichen Maßnahmen, zu denen auch der hier streitige Widerruf einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zählt, wirksam. Unerheblich ist danach, wann in einem sich etwa anschließenden Verwaltungsstreitverfahren eine Entscheidung getroffen wird.
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 28.5.1991 - 1 C 20.89 -, InfAuslR 1991, 268; OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2004 - 18 B 2303/03 -, AuAS 2004, 242 = NWVBl. 2005, 109.
Die Kläger haben mit ihrem Vorbringen im Zulassungsantrag auch keinen Erfolg, soweit sie geltend machen, die angefochtene Verfügung sei rechtswidrig, weil der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen worden sei, sondern auch mit Wirkung für die Vergangenheit, und zwar auf den Zeitpunkt der durch Urteil des VG M. vom 7.8.2002 - 3 K 270/02.A - (am 6.9.2002) eingetretenen Unanfechtbarkeit des Widerrufs ihrer Asylberechtigung. Hierzu hätte es der Darlegung bedurft, welche schützenswerten Rechtsinteressen der Kläger durch die Rückwirkung der Widerrufsverfügung betroffen sind. Daran fehlt es. (Wird ausgeführt)
Darüber hinaus begegnet der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse, soweit er sich auf Vergangenheit erstreckt, auch materiell-rechtlich keinen Bedenken. § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ermöglicht ebenso wie der inzwischen an seine Stelle getretene inhaltsgleiche § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG den Widerruf einer Aufenthaltsgenehmigung (jetzt Aufenthaltstitel) auch für die Vergangenheit.
So auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 4.3.1998 - 11 S 3169/97 -, AuAS 1998, 185.
Denn aus der spezialgesetzlichen und deshalb vorrangigen (vgl. § 1 Abs. 1 VwVfG) Regelung des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ergibt sich in dieser Hinsicht keine Einschränkung. Seinem eindeutigen Wortlaut nach ist der Anwendungsbereich der Norm nicht auf das Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung nur mit Wirkung für die Zukunft beschränkt. Im Unterschied zu den generellen gesetzlichen Regelungen des Widerrufs in § 49 Abs. 2 VwVfG NRW und - für den Bundesbereich - § 49 Abs. 2 VwVfG, wonach der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes nur "mit Wirkung für die Zukunft" in Betracht kommt, enthält die (bundes-)gesetzliche Vorschrift des § 43 Abs. 1 AuslG eine derartige zeitliche Beschränkung nicht. Eine solche folgt auch nicht aus der überkommenen Terminologie des Begriffs "Widerruf". Letzterer ist lediglich insoweit inhaltlich geprägt, als er die Aufhebung eines rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes zum Gegenstand hat.
Vgl. Erichsen/Martens, Allg. VerwR, 6. Auflage, S. 224.
Dementsprechend gestatten die Bestimmungen in § 49 Abs. 3 VwVfG NRW und § 49 Abs. 3 VwVfG gerade auch den Widerruf mit Wirkung für die Vergangenheit, was wegen des insofern offenen Wortlauts des § 43 Abs. 1 AuslG dort keiner ausdrücklichen Erwähnung bedurfte.
Soweit sich die Kläger schließlich darauf berufen, ihnen sei eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden Darlegung, warum deshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sollen. Hierzu wäre konkret aufzuzeigen gewesen, welche Rechtsausführungen des VG deshalb fehlerhaft sein sollen. Zudem vermöchte ein derartiger Anspruch auf das vorliegende Verfahren keinen Einfluss zu haben. Er könnte nämlich erst seit dem 1.1.2005, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm, bestehen. Dagegen könnte sich im vorliegenden Verfahren nur die Frage stellen, ob den Klägern im Zeitpunkt des Widerrufs unabhängig von ihrer entfallenen Asylberechtigung ein Anspruch auf Erteilung eines im Vergleich mit der ihnen zuvor erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gleichwertigen oder geringerwertigen Aufenthaltsrechts zustand. Dabei stünde Ersteres wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben (Verbot des widersprüchlichen Verhaltens) bereits einem Widerruf an sich entgegen, während Letzteres im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen wäre und insoweit auf den Zeitpunkt der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung abzustellen sein dürfte.
Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.2.2003 - 1 C 13.02 -, InfAuslR 2003, 324; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22.2.2006 - 11 S 1066/05 -; zum Beurteilungszeitpunkt bei einer nachträglichen Verkürzung der Frist einer Aufenthaltserlaubnis OVG NRW, Beschluss vom 20.7.2004 - 18 B 2303/03 -, a.a.O.
Dazu verhält sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht. (Wird ausgeführt)
Ende der Entscheidung
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