Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.05.2009
Aktenzeichen: 18 E 1230/08
Rechtsgebiete: AufenthG, EMRK


Vorschriften:

AufenthG § 53
EMRK Art. 8
Auch eine zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG bedarf grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung am Maßstab des Art. 8 EMRK.
Tatbestand:

Der 1978 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahre 2002 in das Bundesgebiet ein und beantragte erfolglos seine Asylanerkennung. Im Jahre 2006 wurde er durch rechtskräftiges Urteil zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Mit Bescheid vom 15.5.2007 wurde der Kläger ausgewiesen. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das hiergegen gerichtete Klageverfahren lehnte das VG ab. Die Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Die Klage gegen die Ausweisungsverfügung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Der Kläger wurde rechtkräftig zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Damit erfüllt er den Tatbestand für eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 1 1. Alternative AufenthG.

Anders als der Beschwerdeführer meint, liegen in seiner Person keine Gründe vor, die die Ausweisung wegen Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Insoweit bleibt die Beschwerde allerdings nicht schon deshalb erfolglos, weil die gesetzlichen Regelungen zur zwingenden Ausweisung den Vorgaben des Art. 8 EMRK in einer Weise Rechnung trügen, die jede Art einer weiteren Verhältnismäßigkeitskontrolle erübrigte. Wie der Senat schon in früheren Entscheidungen zu erkennen gegeben hat, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3.12.2007 - 18 B 1603/07 -, juris, und vom 14.8.2007 - 18 E 686/07 -, NVwZ 2008, 450, nimmt er die Rechtsprechung des EGMR, vgl. EGMR, Urteile vom 23.6.2008 - 1638/03 - (Maslov II), InfAuslR 2008, 333, vom 6.12.2007 - 69735/01 - (Chair), InfAuslR 2008, 111, und vom 9.10.2003 - 48321/99 -, (Slivenko), EuGRZ 2006, 560, und des BVerfG, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007, 1300, und vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 -, InfAuslR 2007, 275, zum Anlass, seine zum AuslG 1990 entwickelte Rechtsprechung, nach der in Fällen einer Ist-Ausweisung von Ausweisungsschutzregeln nicht erfasste Härten nur durch ein Duldung oder Befristung der Ausweisungswirkung gemildert werden können und der Schutz von Art. 8 EMRK nicht weiter geht als der des Art. 6 GG wie er im Ausländergesetz seinen Niederschlag gefunden hat, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20.9.1994 - 18 A 2945/92 -, InfAuslR 1995, 89, in der Weise weiter zu fassen, dass auch eine zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Zwar entspricht das System der Abstufung von zwingender Ausweisung, Regel- und Ermessensausweisung sowie des besonderen Ausweisungsschutzes für bestimmte Ausländer (vgl. § 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG) grundsätzlich den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit von Ausweisungen. Wie jedoch die vorstehend zitierten Entscheidungen des EGMR und des BVerfG verdeutlichen, entbindet die Anwendung des Stufensystems der §§ 53 ff. AufenthG aber nicht davon, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auch die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, da nur diese Prüfung sicherstellen kann, dass die Verhältnismäßigkeit bezogen auf die Lebenssituation des betroffenen Ausländers gewahrt bleibt. Die Maßstäbe, die für die Prüfung der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 8 Abs. 1 EMRK gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK gelten, sind auch hier heranzuziehen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere die konkreten Umstände, welche von typisierenden Bestimmungen - wie es die gesetzlich ausgeformten Ausweisungstatbestände zwangsläufig sein müssen - nicht oder nur unzureichend erfasst werden, zu würdigen.

Vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 -, und vom 10.5.2007 - 2 BvR 304/07 -, jeweils a. a. O.; BVerwG, Urteile vom 13.1.2009 - 1 C 2.08 -, juris, und vom 23.10.2007 - BVerwG 1 C 10.07 - , ZAR 2008, 140.

Der vorliegende Fall weist indes keine Besonderheiten auf, die mit Blick auf Art. 8 EMRK Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung aufwerfen. (Wird ausgeführt)

Der Verweis des Klägers auf die fehlende Möglichkeit des Beklagten, ihn in den Irak abzuschieben, verhilft die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg. Dem Erlass der Ausweisungsverfügung steht das Vorliegen (zeitweiser) Abschiebungshindernisse in die Heimat nicht entgegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 31.8.2004 - 1 C 25.03 -, NVwZ 2005, 229 = InfAuslR 2005, 49; OVG NRW, Beschluss vom 17.3.2005 - 18 E 278/05 -.

Der Ausweisungsverfügung kommt, auch wenn eine Abschiebung des Antragstellers in den Irak tatsächlich unmöglich sein sollte, eine selbstständige Bedeutung zu. Dies zeigt etwa das in § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG enthaltene Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Ende der Entscheidung

Zurück