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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 19 A 158/08
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 5 Abs. 2 Satz 1
Nutzt ein Selbstständiger sein Kraftfahrzeug ausschließlich für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte, begründet dies keine Nutzung zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV in der bis zum 31.3.2005 oder zu anderen als privaten Zwecken in der ab dem 1.4.2005 geltenden Fassung.
Tatbestand:

Die Klägerin nutzte ihren mit einem Autoradio ausgestatteten Pkw für Fahrten von ihrer Wohnung zu ihrer Arztpraxis. Der Beklagte erhob hierfür Rundfunkgebühren. Auf ihre Klage hob das VG den Gebührenbescheid auf. Das OVG wies die Berufung des Beklagten zurück.

Gründe:

I. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV hat jeder Rundfunkteilnehmer vorbehaltlich der Regelung des § 5 für jedes von ihm zum Empfang bereitgehaltene Rundfunkempfangsgerät eine Grundgebühr zu entrichten. Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 1999 bis Juni 2005 ein Rundfunkgerät zum Empfang bereit gehalten, nämlich das Autoradio in dem auf sie zugelassenen Pkw. Sie war für das Autoradio jedoch von der Rundfunkgebührenpflicht befreit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV. Nach dieser Vorschrift ist eine Rundfunkgebühr nicht zu leisten für weitere Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte), die von einer natürlichen Person oder ihrem Ehegatten in ihrer Wohnung oder ihrem Kraftfahrzeug zum Empfang bereit gehalten werden. Das Autoradio ist ein weiteres Rundfunkempfangsgerät im Sinne der genannten Vorschrift, weil die Klägerin bereits Radio- und Fernsehgeräte in ihrer Wohnung bereit hielt, für die sie auch Rundfunkgebühren entrichtete, und wurde von der Klägerin in ihrem Kraftfahrzeug bereit gehalten. Von der Zweitgerätebefreiung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV war das Autoradio der Klägerin weder nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 (GV. NRW. S. 408) ausgenommen, der für den Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich März 2005 galt (1.), noch nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, der seit April 2005 gilt (2.).

1. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 galt die Gebührenfreiheit nach Absatz 1 Satz 1 nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit des Rundfunkteilnehmers oder eines Dritten genutzt wurden. Eine solche Nutzung lag hinsichtlich des Kraftfahrzeugs der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat insoweit bereits im erstinstanzlichen Verfahren überzeugend dargelegt, sie mache keine Hausbesuche und leiste keinen Notdienst. Sämtliche Materialien für den Betrieb der Praxis würden angeliefert. Hiervon geht auch der Beklagte aus. Die alleinige Nutzung des Fahrzeugs für Fahrten von der Wohnung der Klägerin zu ihrer Praxis stellte keine Nutzung des Fahrzeugs zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 dar.

Der Senat kann offenlassen, ob sich dies bereits aus dem Wortlaut, den Motiven der vertragschließenden Länder, der Systematik, dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ihrer Entstehungsgeschichte ergibt. Hierfür sprechen insbesondere die Motive der vertragschließenden Länder bei der Schaffung der wortgleichen Vorgängerregelung des Artikels 6 Abs. 2 RGebStV 1974 (GV. NRW. 1975 S. 278). Danach sollte Artikel 6 Abs. 2 klarstellen, dass Zweitgeräte in Kraftfahrzeugen und Räumen, die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit genutzt wurden (z. B. in Ausübung des Arztberufes), nicht von der Mehrfachzahlung ausgenommen sind.

LT-Drs. 7/4648, S. 15.

Dies spricht eher für eine engere Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Nutzung zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit". "In Ausübung des Arztberufes" nutzt der Arzt sein Kraftfahrzeug erst dann, wenn die Fahrt zum Berufsbild eines Arztes gehört, also wenn er hiermit zum Beispiel Hausbesuche durchführt, und nicht schon dann, wenn er mit dem Fahrzeug lediglich von seiner Wohnung in seine Praxis fährt.

Jedenfalls ergibt eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991, dass Fahrten Selbstständiger von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz keine Nutzung zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit begründen. Denn anderenfalls würden die Fahrten Selbstständiger von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz entgegen Art. 3 Abs. 1 GG ohne sachlichen Grund anders behandelt als die Fahrten abhängig Beschäftigter.

Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Die Vorschrift verbietet es, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.

BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 -, BVerfGE 55, 72 (88).

Im vorliegenden Fall würden durch eine Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991, nach der ein Kraftfahrzeug schon dann zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit genutzt wird, wenn es von einem Selbstständigen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz genutzt wird, die Fahrten Selbstständiger und abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz ungleich behandelt. Denn die Fahrten abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz wurden von § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 eindeutig nicht erfasst. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der nur eine Nutzung zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit erfasst, also nicht die Nutzung zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit.

Ob zwischen den Fahrten Selbstständiger und abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, ist am Willkürmaßstab zu messen. Bei der Gewährung von Befreiungen von der Rundfunkgebührenpflicht hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der erst an der Willkürgrenze endet.

BVerwG, Beschlüsse vom 6.2.1996 - 6 B 72.95 -, NJW 1996, 1163 (1164), und vom 9.3.1984 - 7 B 23.83 -, Buchholz 401.84, Benutzungsgebühren, Nr. 50.

Die bloße Anwendung des Willkürmaßstabs ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Rundfunkgebühr für ein Autoradio den einzelnen Selbstständigen nur unwesentlich belastet. Sie betrug in der Zeit bis zum 31.12.2000 lediglich 9,45 DM, im Jahre 2001 10,40 DM und ab dem 1.1.2002 5,32 € monatlich (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991, § 8 Nr. 1 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrags vom 26.11.1996, GV. NRW. S. 484, in der jeweils geltenden Fassung, GV. NRW. 2000 S. 706, 708 f.).

Eine Regelung oder ihre Auslegung ist dann willkürlich, wenn sich ein sachgerechter Grund für sie nicht finden lässt; dabei genügt Willkür im objektiven Sinn, d. h. die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand. Diese Kriterien gelten auch und gerade für die Beurteilung gesetzlicher Differenzierungen bei der Regelung von Sachverhalten; hier endet der Spielraum des Gesetzgebers erst dort, wo die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Darüber hinaus muss die Unsachlichkeit der Regelung evident sein.

BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980 - 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79 -, a. a. O., 90.

Gemessen an diesem Maßstab wäre eine rundfunkgebührenrechtliche Ungleichbehandlung der Fahrten Selbstständiger und unselbstständig Beschäftigter von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz willkürlich. Ein sachlicher Grund für eine derartige Differenzierung ist nicht auffindbar. Soweit der Beklagte meint, ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit liege darin, dass der Gesetzgeber den Rundfunkanstalten damit klare Abgrenzungskriterien an die Hand gebe, um das Gebühreneinzugsverfahren so einfach wie möglich zu gestalten, vermag dies eine Differenzierung zwischen den Fahrten Selbstständiger und unselbstständig Beschäftigter zum Arbeitsplatz nicht zu tragen. Allerdings können verwaltungstechnische Gründe - hier die Klarheit des Abgrenzungskriteriums "zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit" für den Normanwender - die Verschiedenbehandlung an sich vergleichbarer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sachverhalte rechtfertigen. Dies setzt jedoch voraus, dass bei einer Gleichbehandlung erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten entstünden, die nicht durch einfachere, die Betroffenen weniger belastende Regelungen behoben werden könnten.

BVerfG, Beschluss vom 8.10.1991 - 1 BvL 50/86 -, BVerfGE 84, 348 (364).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die rundfunkgebührenrechtliche Gleichbehandlung der Fahrten Selbstständiger und unselbstständig Beschäftigter zum Arbeitsplatz erhebliche verwaltungstechnische Schwierigkeiten entstünden. Die Klarheit des Abgrenzungskriteriums "zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit" leidet nicht darunter, wenn die Fahrten zur Arbeitsstätte einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dem privaten Bereich zugeordnet werden. Im Gegenteil erhöht sich die Klarheit der Norm, wenn aus ihrem Anwendungsbereich alle Arten der Nutzung ausgeschieden werden, die abhängig Beschäftigte aus Anlass ihrer unselbstständigen Erwerbstätigkeit ebenfalls vornehmen. Denn in diesem Fall muss der Normanwender nur vergleichen, ob die Nutzung, die die Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 begründen soll, ebenso von einem abhängig Beschäftigten vorgenommen würde. Ist dies der Fall, liegt keine Nutzung "zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit" vor.

Aus diesem Grunde rechtfertigt auch der vom Beklagten geltend gemachte Grund des erhöhten Ermittlungsaufwands die Ungleichbehandlung nicht. Es mag sein, dass durch die Herausnahme der Fahrten Selbstständiger von der Wohnung zum Arbeitsplatz aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV 1991 ein höherer Ermittlungsaufwand für den Beklagten entsteht, um festzustellen, ob eine Nutzung zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit vorliegt. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass hierdurch ein erheblich höherer Ermittlungsaufwand entsteht. Ob und ggf. seit wann in dem Fahrzeug des Selbstständigen ein Autoradio vorhanden ist, muss der Beklagte zur Geltendmachung des Gebührenanspruchs ohnehin ermitteln. Ferner müsste er - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung - zumindest ermitteln, dass das Fahrzeug für Fahrten von der Wohnung zum Arbeitsplatz genutzt wird. Die weitere Ermittlung, ob der Selbstständige das Fahrzeug darüber hinaus auch für geschäftliche Fahrten nutzt, stellt keinen erheblichen Mehraufwand dar.

Die gewinnbringende, auf einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil gerichtete Tätigkeit des selbstständigen Kraftfahrzeughalters rechtfertigt ebenfalls keine Ungleichbehandlung der Fahrt zum Arbeitsplatz. Denn auch die Fahrt des abhängig Beschäftigten zum Arbeitsplatz ist auf die Erzielung von Erwerbseinkommen gerichtet.

Schließlich ist die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit der Gebühren für das Autoradio für den Selbstständigen kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung. Die steuerliche Geltendmachung würde lediglich zu einer Reduzierung der Belastung führen, nicht aber dazu, dass die Belastung entfällt. Die steuerliche Absetzung der Rundfunkgebühren würde lediglich den zu versteuernden Gewinn schmälern und daher in Höhe des individuellen Steuersatzes des Selbstständigen zu einer Entlastung führen.

2. Für die Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, GV. NRW. 2005 S. 192, gilt im Ergebnis nichts anderes. Nach dieser Vorschrift gilt die Gebührenfreiheit nach Absatz 1 Satz 1 nicht für Zweitgeräte in solchen Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden. Die Klägerin hat ihr Fahrzeug hier zu keinen anderen als privaten Zwecken genutzt. Die Fahrten der Klägerin zwischen ihrer Wohnung und ihrer Praxis sind rundfunkgebührenrechtlich ein privater Zweck. Eine Auslegung der Vorschrift anhand ihres Wortlauts, der Motive der vertragschließenden Länder, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck und ihrer Entstehungsgeschichte führt zu keinem eindeutigen Ergebnis, so dass sie einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist (a). Diese ergibt, dass die Fahrten Selbstständiger von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz rundfunkgebührenrechtlich keine Nutzung zu anderen als privaten Zwecken sind (b).

a) Der Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV gebietet eine Einbeziehung der Fahrten Selbstständiger von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz in den Anwendungsbereich der Vorschrift nicht. Zweck der Nutzung des Kraftfahrzeugs ist es in diesem Fall, vom Wohnort zur Arbeitsstätte zu gelangen. Eine Zuordnung dieses Zwecks zum nicht-privaten Bereich ist nicht zwingend. "Privat" bedeutet einerseits "nur die eigene Person angehend, betreffend; persönlich" und "nicht für alle, nicht für die Öffentlichkeit bestimmt; der Öffentlichkeit nicht zugänglich".

Vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl. 1999, Anm. 1a und 3a.

Diese Bedeutungen verweisen auf die Privatsphäre, die mit Antritt der Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte verlassen wird. Andererseits bedeutet "privat" aber auch soviel wie "nicht offiziell, nicht amtlich, nicht geschäftlich, außerdienstlich".

Duden, a. a. O., Anm. 2.

In seiner geschäftlichen Sphäre ist der Selbstständige noch nicht angekommen, wenn er sich auf dem Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte befindet.

Die Motive der vertragschließenden Länder für die Neuregelung sind unergiebig. Demnach sollte durch die Formulierung "zu anderen als privaten Zwecken" klargestellt werden, dass es keine Gebührenfreiheit für jede Art der Nutzung gebe, die nicht ausschließlich zu privaten Zwecken erfolge.

LT-Drs. 13/6202, S. 40.

Ob Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte einen ausschließlich privaten Zweck bilden, kann nach dem oben zum Wortlaut Gesagten zweifelhaft sein. Ausgeschlossen ist dies jedoch nicht. Für die Abgrenzung, was ein ausschließlich privater und was ein schon geschäftlicher oder anderer Zweck ist, erweist sich die Begründung damit als unergiebig.

Eine systematische Auslegung des § 5 RGebStV führt ebenfalls nicht weiter. Insbesondere kann aus § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV, wonach es auf den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte, der Räume oder der Kraftfahrzeuge zu den in Satz 1 genannten Zwecken nicht ankommt, nicht geschlossen werden, dass das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu anderen als privaten Zwecken" in § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV weit zu verstehen ist. Denn § 5 Abs. 2 Satz 2 RGebStV kommt erst zur Anwendung, wenn feststeht, dass es sich bei der in Rede stehenden Nutzung um eine "zu anderen als privaten Zwecken" handelt.

Ebenso unergiebig bleibt eine teleologische Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV. Das Argument des Beklagten, die im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Ausnahmetatbestände seien restriktiv auszulegen, um die Gebührenpflicht nicht leer laufen zu lassen, greift nicht durch. Freilich ist es Sinn und Zweck der Rückausnahme von einer Ausnahmevorschrift - hier der Ausnahme von Zweitgeräten in zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit genutzten Kraftfahrzeugen von der Gebührenbefreiung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RGebStV 1991 -, die Ausnahmevorschrift nicht - aus der Sicht des Gesetzgebers - zu weit greifen zu lassen. Dies besagt jedoch nichts darüber, wie weit im konkreten Fall der Gesetzgeber die Ausnahmevorschrift greifen lassen wollte und wo folglich die Anwendung der Rückausnahme einsetzen muss. Es kann auch keine Rede davon sein, dass bei der hier vorgenommenen Auslegung die Gebührenpflicht für Zweitgeräte in Kraftfahrzeugen leerliefe. Die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV führt ebenfalls auf kein eindeutiges Ergebnis. Zwar haben die vertragschließenden Länder die Gebührenpflicht für Autoradios mit dieser Vorschrift nochmals erweitert. Einbezogen sind nunmehr alle Nutzungen zu nicht-privaten Zwecken. Hieraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, die Länder hätten damit auch die Fahrten Selbstständiger von der Wohnung zur Arbeitsstätte in den Anwendungsbereich der Regelung einbeziehen wollen.

b) Eine verfassungskonforme Auslegung ergibt auch für den Zeitraum seit April 2005, dass die Fahrten Selbstständiger von ihrer Wohnung zu ihrem Arbeitsplatz keine Nutzung des Kraftfahrzeugs zu einem anderen als einem privaten Zweck begründen.

Im vorliegenden Fall würden durch eine Auslegung des § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV, nach der ein Kraftfahrzeug schon dann zu anderen als privaten Zwecken genutzt wird, wenn es von einem Selbstständigen für die Fahrten von seiner Wohnung zum Arbeitsplatz genutzt wird, die Fahrten Selbstständiger und abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz ungleich behandelt. Denn die Fahrten abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz werden von § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV eindeutig nicht erfasst. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie den Motiven der vertragschließenden Länder bei der Änderung der Norm im Jahre 2005. § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV betraf in seiner ursprünglichen Fassung ausschließlich Selbstständige ("die zu gewerblichen Zwecken oder zu einer anderen selbstständigen Erwerbstätigkeit ... genutzt werden"). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die vertragschließenden Länder mit der im Jahre 2005 erfolgten Änderung ("zu anderen als privaten Zwecken") auch die Fahrten abhängig Beschäftigter zum Arbeitsplatz in den Anwendungsbereich der Norm einbeziehen und damit Autoradios natürlicher Personen in weitem Umfang gebührenpflichtig machen wollten. Wenn dies die Absicht der vertragschließenden Länder gewesen wäre, wäre angesichts des Umfangs der dann eintretenden Erweiterung der Gebührenpflicht für Autoradios - viele abhängig Beschäftigte fahren mit dem Auto zur Arbeit - zu erwarten gewesen, dass die Länder dies beim Abschluss des 8. Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge zum Ausdruck gebracht hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Antrag der Landesregierung auf Zustimmung des Landtags heißt es lediglich, durch die Formulierung werde klargestellt, dass es keine Gebührenfreiheit für jede Art der Nutzung gibt, die nicht ausschließlich zu privaten Zwecken erfolgt. Von einer bedeutenden Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm ist keine Rede.

Vgl. LT-Drs. 13/6202, S. 40.

Für eine solche Ungleichbehandlung bestehen hier selbst gemessen am Willkürmaßstab - wie dargelegt - keine rechtfertigenden Gründe. Insbesondere leidet die Klarheit des Abgrenzungskriteriums "zu anderen als privaten Zwecken" nicht darunter, wenn die Fahrten zur Arbeitsstätte einer selbstständigen Erwerbstätigkeit dem privaten Bereich zugeordnet werden. Das Merkmal "zu anderen als privaten Zwecken" ist ohnehin auslegungsbedürftig, da es - wie ausgeführt - nicht eindeutig ist, ob die Fahrt von der Wohnung zur Arbeitsstätte dem privaten oder dem nicht-privaten Bereich zuzurechnen ist. Ferner steht aus den oben unter I.1. genannten Gründen nicht zu erwarten, dass dem Beklagten durch die Herausnahme der Fahrten Selbstständiger von der Wohnung zur Arbeitsstätte ein erheblich höherer Ermittlungsaufwand entstehen wird, und rechtfertigen die auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit des Selbstständigen und die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit die Ungleichbehandlung ebenfalls nicht.

Ende der Entscheidung

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