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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: 19 A 2524/01
Rechtsgebiete: VwGO, PO-NSch-S I NRW, ASchO NRW


Vorschriften:

VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
PO-NSch-S I NRW § 2
PO-NSch-S I NRW § 17
PO-NSch-S I NRW § 18
ASchO NRW § 25 Abs. 1
1. Ob der Kläger sein Klageziel erreicht hat und damit der Übergang von einer Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, richtet sich danach, ob zwischen dem Erstrebten und dem Erreichten Identität besteht.

2. Eine auf Neubewertung bzw. Wiederholung der Prüfung gerichtete Verpflichtungsklage erledigt sich mit dem Bestehen der Nachprüfung nicht, wenn in der Nachprüfung lediglich eine Verbesserung auf "ausreichend" möglich ist und die ursprüngliche Verpflichtungsklage darauf abzielte, eine bessere Note als "ausreichend" erreichen zu können.


Tatbestand:

Der Kläger, der die Nichtschülerprüfung im ersten Anlauf nicht bestand, beantragte mit seiner ursprünglichen Klage die Verpflichtung des Beklagten, ihm ein neues Zeugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen. Nachdem er sich erfolgreich einer Nachprüfung unterzogen hatte, beantragte der Kläger nunmehr festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten über das Nichtbestehen der Nichtschülerprüfung rechtswidrig war. Das VG wies die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Ernstliche Zweifel an der (Ergebnis-) Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor. Das VG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) mit dem auch im Zulassungsverfahren weiter verfolgten Begehren des Klägers festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 19.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.3.1999 rechtswidrig war, ist nicht statthaft. Die ursprüngliche Verpflichtungsklage mit dem wörtlich formulierten Antrag, den Beklagten unter Aufhebung der genannten Bescheide zu verpflichten, dem Kläger ein neues Zeugnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen, hat sich nicht erledigt.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht im Falle der Erledigung des Verwaltungsaktes auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Vorschrift ist bei erledigten Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar.

Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 15.8.1988 - 4 B 89/88 -, NVwZ 1989, 48; Kopp, VwGO, 12. Auflage, 2000, § 113 Rdn. 107, m. w. N.

Die nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog vorausgesetzte Erledigung der Verpflichtungsklage liegt vor, wenn diese unzulässig oder unbegründet geworden ist. Eine Änderung der Verpflichtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist deshalb statthaft, wenn das Rechtsschutzbedürfnis entfallen ist, weil das Interesse des Klägers an der begehrten Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes objektiv erloschen ist oder das Klageziel auf andere Weise als durch die beantragte gerichtliche Entscheidung bereits erreicht wurde. Letzteres ist allerdings nur dann der Fall, wenn zwischen dem Erstrebten und dem Erreichten Identität besteht.

Vgl. zum Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage im Falle der Unzulässigkeit der Verpflichtungsklage: BVerwG, Urteile vom 25.8.1988 - 2 C 62/85 -, NVwZ 1989, 158, 17.10.1985 - 2 C 42/83 -, NVwZ 1986, 468, und 15.11.1984 - 2 C 56/81 -, NVwZ 1985, 265; Bay.VGH, Beschluss vom 12.9.1990 - 3 B 90.00061 -, NVwZ 1991, 499 (500); OVG NRW, Urteil vom 24.10.1979 - X A 295/79 -, NJW 1980, 1069 (1069 f.); Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2001, § 113 Rdn. 100; Eyermann/Fröhler, VwGO, 11. Auflage, 2000, § 113 Rdn. 1000.

Eine Erledigung im Rechtssinne liegt darüber hinaus vor, wenn die Verpflichtungsklage auf Grund (nachträglicher) objektiver Unmöglichkeit des Erlasses des begehrten Verwaltungsaktes unbegründet geworden ist oder der Verwaltungsakt zwar noch erlassen werden kann, der Kläger aber infolge einer Rechtsänderung hierauf keinen Anspruch mehr hat.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20.4.1994 - 11 C 60/92 -, NVwZ-RR 1995, 172 (173), Beschluss vom 15.8.1988 - 4 B 89/88 -, a. a. O., und Urteil vom 24.10.1980 - 4 C 3/78 -, BVerwGE 61, 128 (135); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 8.6.1993 - 10 S 110/92 -, NVwZ 1994, 709 (711 f.); OVG NRW, Urteil vom 24.10.1979 - X A 295/75 -, a. a. O., 1070; Schoch/Schmidt-Aßmann, Pietzner, a. a. O., § 113 Rdn. 101.

Keiner der genannten Fälle, in denen der Übergang von der Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, liegt hier vor. Das Verpflichtungsbegehren des Klägers hat sich mit dem erfolgreichen Bestehen der Nachprüfung am 19.5.1999 und der Ausstellung des Zeugnisses vom 19.5.1999 über den Erwerb des Sekundarabschlusses I - Fachoberschulreife - nicht im Rechtssinne erledigt.

Dabei kann dahinstehen, ob entgegen der Auffassung des VG trotz der gemäß § 18 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung über die Nichtschülerprüfung zum Erwerb der Abschlüsse der Sekundarstufe I (PO-NSch-S I) vom 11.9.1989, GV NRW S. 470, erfolgten Ausstellung des "neuen" Zeugnisses vom 19.5.1999 weiterhin eine Klage gegen das erste Zeugnis über das Nichtbestehen der Prüfung vom 18.11.1998 zulässig ist. Auch wenn das Zeugnis vom 19.5.1999 nach seiner äußeren Form die Notwendigkeit einer Nachprüfung nicht erkennen lässt, könnte eine fortbestehende Beschwer des Klägers durch das Zeugnis vom 18.11.1998 und damit verbunden eine fortbestehende Rechtswirkung dieses Zeugnisses darin liegen, dass der Kläger objektiv die Nichtschülerprüfung nicht im ersten (regulären) Anlauf, sondern erst auf Grund der Nachprüfung bestanden hat. Insoweit könnte eine Vergleichbarkeit mit einem Prüfling vorliegen, der die Prüfung erst nach einer Wiederholungsprüfung (§ 17 PO-NSch-S I) bestanden hat. Auch in diesem Fall ist der Prüfling im ersten (regulären) Anlauf gescheitert. Wiederholungsprüfung und Nachprüfung sind deshalb insoweit vergleichbar, als ihnen jeweils ein erfolgloser Prüfungsversuch vorausgegangen ist. Im Falle der erfolgreichen Ablegung einer Wiederholungsprüfung ist aber anerkannt, dass sich die Klage gegen das Nichtbestehen des ersten Prüfungsversuchs nicht erledigt hat. Denn die Zahl der erforderlichen Prüfungsversuche lässt (negative) Rückschlüsse auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Prüflings zu.

Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 10.6.1996 - 6 B 81/95 -, BayVBl 1997, 600, und Urteil vom 12.4.1991 - 7 C 36/90 -, BVerwGE 88, 111 (112 ff.).

Eine Erledigung des Verpflichtungsbegehrens des Klägers ist jedenfalls deshalb nicht eingetreten, weil zwischen dem durch die Nachprüfung Erlangten und dem mit der ursprünglichen Verpflichtungsklage Erstrebten keine Identität besteht.

Die Nachprüfung dient gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PO-NSch-S I dem Zweck, dem Prüfling nachträglich den Erwerb des Abschlusses der Sekundarstufe I - Fachoberschulreife - zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist, dass er in einem einzigen Fach - hier dem Fach Physik - durch die Verbesserung der Note von mangelhaft auf ausreichend die Abschlussbedingungen erfüllt (§ 18 Abs. 1 Satz 2 PO-NSch-S I). Der Prüfling erwirbt gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 PO-NSch-S I den Abschluss, wenn er in der Nachprüfung ausreichende Leistungen erzielt. Nach § 18 Abs. 5 Satz 2 PO-NSch-S I erhält er mit dieser Note ein neues Zeugnis. Aus diesen Regelungen folgt, dass der Prüfling sich bei der Nachprüfung allenfalls in einem Fach von mangelhaft auf ausreichend verbessern kann. Eine weiter gehende Verbesserung auf befriedigend, gut oder sehr gut, die bei einer Wiederholungsprüfung gemäß § 17 PO-NSch-S I in allen Fächern möglich ist, ist ausgeschlossen. Dementsprechend sind auch die Leistungen des Klägers bei der Nachprüfung im Fach Physik ausweislich des Protokolls über die Nachprüfung nicht einer der Notenstufen des § 25 Abs. 1 ASchO NRW i.V.m. § 2 Abs. 2 PO-NSch-S I zugeordnet worden, sondern ist lediglich festgestellt worden, dass er die Nachprüfung "bestanden" habe.

Nach seinem gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 4 VwGO für die Prüfung der Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden kann, maßgeblichen Vortrag auf S. 5 seines Zulassungsantrags begehrte der Kläger demgegenüber mit seiner ursprünglichen Verpflichtungsklage eine "Neuprüfung" im Fach Physik - gemeint ist offenbar eine (nach § 17 PO-NSch-S I materiell-rechtlich nicht zulässige) Wiederholungsprüfung in einem einzigen Fach. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass ihm im Falle einer "Neuprüfung" im Gegensatz zu der erfolgten Nachprüfung die Möglichkeit eröffnet (gewesen) sei, etwa auch die Note gut im Fach Physik zu erhalten. Diesem Vorbringen im Zulassungsverfahren entspricht der Vortrag des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren. Dort hat er mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.7.1999 geltend gemacht, dass sich sein "Hauptanliegen" mit der erfolgreichen Nachprüfung nicht erledigt habe. Bei einer Verpflichtung des Beklagten, ihm die Möglichkeit einer "neuen" Prüfung zu eröffnen, bestehe für ihn die Chance, die durch die erfolgreiche Nachprüfung erzielte Note ausreichend zu verbessern. Damit besteht nach dem Vortrag des Klägers zwischen dem Erreichten und dem Erstrebten keine Identität. Er erstrebte mit seiner ursprünglichen Verpflichtungsklage nicht nur das - mit der Nachprüfung erlangte - Bestehen der Nichtschülerprüfung mit der Note ausreichend im Fach Physik, sondern eine "Neuprüfung" in diesem Fach, um eine bessere Note als ausreichend erzielen zu können.

Soweit in diesem ursprünglichen Verpflichtungsbegehren als Minus das Begehren auf Verpflichtung des Beklagten enthalten ist, die Nichtschülerprüfung nach einer "Neuprüfung" für bestanden zu erklären, liegt keine Teilerledigung im Rechtssinne vor. Eine Teilerledigung, die hinsichtlich des erledigten Teils den Übergang zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage rechtfertigt, kommt nur dann in Betracht, wenn und soweit das Verpflichtungsbegehren teilbar ist.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.3.1985 - 3 B 25/82 -, Buchholz 310 § 161 VwGO, Nr. 65, S. 6; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a. a. O., § 161 Rdn. 11.

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erzielung einer besseren Note als ausreichend im Fach Physik und das darin als Minus enthaltene Begehren auf Bestehen der Nichtschülerprüfung sind keine teilbaren selbstständigen Klagebegehren. Materiell-rechtlich ist es abgesehen von der vom Kläger mit seiner ursprünglichen Verpflichtungsklage nicht erstrebten Nachprüfung gemäß § 18 PO-NSch-S I unmöglich, eine allein auf Bestehen der Nichtschülerprüfung gerichtete Klage zu erheben. Dem steht entgegen, dass in der Nichtschülerprüfung nicht nur über das Bestehen oder Nichtbestehen zu entscheiden ist. Vielmehr müssen die gezeigten Leistungen einer der Notenstufen des § 25 Abs. 1 ASchO NRW i.V.m. § 2 Abs. 2 PO-NSch-S I zugeordnet werden (§§ 13 Satz 1, 14 PO-NSch-S I).

Ende der Entscheidung

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