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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 19 A 5437/99
Rechtsgebiete: RgebSTV, BefrVO NRW
Vorschriften:
RgebSTV § 1 | |
RgebSTV § 6 | |
BefrVO NRW § 3 Abs. 1 Nr. 1 |
Tatbestand:
Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses. In den Mehrbettzimmern des Krankenhauses befinden sich jeweils ein Fernseher und - je nach Anzahl der Betten - Hörschläuche, mit denen der Fernsehton und Hörfunk empfangen werden kann. Der Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für das Bereithalten von 294 Hörschläuchen in Patientenzimmern weitgehend ab. Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren erhob die Klägerin Klage, der das VG teilweise stattgab. Die zugelassene Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg.
Gründe:
Der Bescheid des Beklagten vom 29.9.1997 und der Widerspruchsbescheid vom 12.2.1998 sind, soweit der Beklagte die beantragte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht abgelehnt hat, rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat für das Bereithalten von 294 Hörschläuchen in Patientenzimmern ihres Krankenhauses einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht auch für die noch streitgegenständliche Zeit von April bis Mai 1996 und von Juli 1996 bis März 1999 (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vom 31.8.1991, GV. NRW. S. 423, zuletzt geändert durch den Vierten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, GV. NRW. 2000 S. 116, (RgebSTV) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30.11.1993, GV. NRW. S. 970, (BefrVO).
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 RgebSTV können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht oder für eine Ermäßigung der Rundfunkgebühr u. a. für das Bereithalten von Rundfunkempfangsgeräten in Unternehmen, Betrieben und Anstalten, insbesondere Krankenhäusern und Heimen, bestimmen. Von dieser Ermächtigung hat die Landesregierung NRW mit dem Erlass der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht Gebrauch gemacht. Nach dem im vorliegenden Verfahren allein in Betracht kommenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO wird Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht u. a. für Rundfunkempfangsgeräte gewährt, die für den jeweils betreuten Personenkreis ohne besonderes Entgelt in Krankenhäusern bereitgehalten werden.
Danach hat die Klägerin einen Anspruch auf Gebührenbefreiung, soweit sie in Patientenzimmern 294 Hörschläuche - ohne besonderes Entgelt - zum Empfang von Hörfunk bereithält. Die Hörschläuche in den Patientenzimmern sind zwar in ihrer Funktion als Hörfunkempfangsgeräte (selbstständige) Rundfunkempfangsgeräte, weil sie insbesondere nicht einander zugeordnet sind. Denn jeder Patient kann selbst darüber entscheiden, ob und wann er Hörfunkdarbietungen in den angebotenen drei Programmen hören möchte. Der Anspruch auf Gebührenbefreiung folgt aber daraus, dass die Klägerin für das Empfangen von Hörfunk kein Entgelt erhebt und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO erfüllt sind. Darüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit, so dass der Senat insoweit von einer weiteren Erörterung absieht.
Der Rundfunkgebührenbefreiung für die 294 Hörschläuche steht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, dass über sie nicht nur Hörfunk, sondern - gegen Entgelt - auch Fernsehton empfangen werden kann. Soweit über die Hörschläuche Fernsehton übertragen wird, handelt es sich bei ihnen nicht um (selbstständige) Rundfunkempfangsgeräte. Das hat zur Folge, dass es für die 294 Hörschläuche, soweit mit ihnen der Fernsehton empfangen werden kann, keiner Gebührenbefreiung bedarf, weil gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO nur für Rundfunkempfangsgeräte eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen und erforderlich ist, und deshalb die durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten erfolgte Ablehnung der beantragten Gebührenbefreiung für das Bereithalten der 294 Hörschläuche zum Empfang von Hörfunk rechtswidrig ist.
Der Begriff Rundfunkempfangsgerät ist in § 1 Abs. 1 RgebSTV definiert. Danach sind Rundfunkempfangsgeräte technische Einrichtungen, die zur drahtlosen oder drahtgebundenen, nicht zeitversetzten Hör- und Sichtbarmachung oder Aufzeichnung von Rundfunkdarbietungen (Hörfunk und Fernsehen) geeignet sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV sind Rundfunkempfangsgeräte auch Lautsprecher, Bildwiedergabegeräte und ähnliche technische Einrichtungen als gesonderte Hör- oder Sehstellen. Mehrere Geräte gelten dann als ein einziges Rundfunkempfangsgerät, wenn sie zur Verbesserung oder Verstärkung des Empfangs einander zugeordnet sind und damit eine einheitliche Hör- oder Sehstelle bilden (§ 1 Abs. 1 Satz 3 RgebSTV).
Die Hörschläuche in den Patientenzimmern des Krankenhauses der Klägerin erfüllen weder die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 noch des § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV. Damit ist auch § 1 Abs. 1 Satz 3 RgebSTV nicht anwendbar. Diese Vorschrift setzt nämlich das Vorliegen mehrerer Rundfunkempfangsgeräte voraus und beantwortet für diesen Fall die Frage, ob die Rundfunkempfangsgeräte als ein Rundfunkempfangsgerät gelten und damit für sie lediglich eine Rundfunkgebühr anfällt.
Vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.10.1992 - 14 S 776/91 -, juris; VG Münster, Urteil vom 18.10.2001 - 7 K 1260/98 -.
Nach dem bloßen Wortlaut könnte die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV entsprechend der Auffassung des Beklagten dahin verstanden werden, dass begrifflich ein Rundfunkempfangsgerät auch dann vorliegt, wenn mit dem betreffenden Gerät nur das Fernsehbild ohne Ton oder - wie bei den Hörschläuchen in dem Krankenhaus der Klägerin - nur der Ton, nicht aber das Fernsehbild empfangen werden kann. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV wird nämlich, soweit es um den Empfang von Fernsehen geht, nicht danach unterschieden, ob das Gerät nur für die Hör- oder nur für die Sichtbarmachung geeignet ist oder ob das Gerät in der Lage sein muss, gleichzeitig Hören und Sehen zu ermöglichen.
Mit dem Klammerzusatz in § 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV, durch den Rundfunkdarbietungen als Hörfunk und Fernsehen definiert werden, ist jedoch klargestellt, dass es für das Vorliegen eines Rundfunkempfangsgerätes nicht auf den bloßen Empfang von Ton oder Bild, sondern entscheidend darauf ankommt, ob mit dem Gerät Hörfunk und/oder Fernsehen empfangen werden kann. Sowohl für Hörfunk als auch Fernsehen ist kennzeichnend, dass dem Rundfunkteilnehmer hierdurch Programminhalte vermittelt werden. Damit erfordert das Vorliegen eines Rundfunkempfangsgerätes, dass das Gerät dem Rundfunkteilnehmer die Möglichkeit des selbstständigen Empfangs von Programminhalten eröffnet.
Vgl. Begründung der Landesregierung NRW zum Entwurf eines Gesetzes betreffend den Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens, LT-Drs. 7/4648, S. 12; vgl. ferner VGH Bad.-Württ., Urteil vom 2.10.1992 - 14 S 776/91 -, a. a. O., und Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, 1983, S. 175.
Für diese Auslegung spricht auch das Äquivalenzprinzip. Danach darf die Gebühr nicht in einem groben Missverhältnis zu der vom Träger der öffentlichen Verwaltung erbrachten Leistung stehen.
Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 19.1.2000 - 11 C 5.99 -, NVwZ-RR 2000, 533 (535), und vom 6.5.1977 - VII C 67.75 -, DÖV, 676 (677); Grupp, a. a. O., S. 46 f.
Ein solches Missverhältnis bestünde aber, wenn das Gerät, für das eine Rundfunkgebühr erhoben wird, die Programminhalte von Hörfunk und Fernsehen nicht oder nicht vollständig zu übermitteln geeignet ist. Das ist in Bezug auf die Hörschläuche in den Patientenzimmern des Krankenhauses der Klägerin der Fall, soweit durch sie der Fernsehton empfangen werden kann.
Soweit die Hörschläuche in dieser Funktion genutzt werden, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass mit den Hörschläuchen kein Hörfunk übertragen wird. Es erfolgt durch sie aber auch keine vollständige Übertragung von Fernsehen, weil sich dem Rundfunkteilnehmer der Programminhalt von Fernsehsendungen erst dann vollständig erschließt, wenn er Bild und Ton gleichzeitig wahrnehmen kann. Beides lässt sich nämlich prinzipiell in Bezug auf den vollständigen Empfang von Fernsehen nicht trennen. Hörschläuche, soweit sie Fernsehton übermitteln, sind deshalb den jeweiligen Bildwiedergabegeräten in den Patientenzimmern zugeordnet und keine (selbstständigen) Rundfunkempfangsgeräte i.S.d. § 1 Abs. 1 RgebSTV, weil sie nur gemeinsam einen vollständigen Fernsehempfang ermöglichen.
Ebenso Bay.VGH, Urteil vom 29.5.1996 - 7 B 94.894 -, NJW 1996, 3098 (3099); VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.5.1995 - 2 S 1034/94 -, und 2.10.1992 - 14 S 776/91 -, a. a. O.
Die 294 Hörschläuche in den Patientenzimmern des Krankenhauses der Klägerin sind, soweit mit ihnen der Fernsehton empfangen werden kann, auch keine gesonderten Hörstellen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV.
Gesonderte Hörstellen - für gesonderte Sehstellen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV gilt dasselbe - sind nur solche (Zusatz-) Geräte, die neben einer bereits vorhandenen, den vollständigen Empfang von Hör- und/oder Fernsehen ermöglichenden Empfangsanlage betrieben werden und zum selbstständigen Empfang von Rundfunkdarbietungen geeignet sind. Denn nach dem Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV soll eine weitere Rundfunkgebühr nur für solche Geräte anfallen, die neben der eigentlichen Empfangsanlage, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV erfüllt, den selbstständigen und vollständigen Empfang von Programminhalten ermöglichen.
Bay.VGH, Beschluss vom 14.5.1998 - 7 ZB 98.1084 -, und Urteil vom 29.5.1996 - 7 B 94.894 -, a. a. O.; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.5.1995 - 2 S 1034/94 -, und 2.10.1992 - 14 S 776/91 -, a. a. O.
Diese Voraussetzungen sind bei den Hörschläuchen, soweit sie den Fernsehton übertragen, nicht erfüllt. Sie ermöglichen keinen "gesonderten" Fernsehempfang, weil sie mangels Bildwiedergabe keinen selbstständigen und auch keinen vollständigen Empfang von Fernsehen ermöglichen. Hierzu bedarf es vielmehr der (zusätzlichen) Einschaltung des Bildwiedergabegerätes.
Gegen das Vorliegen einer gesonderten Hörstelle spricht darüber hinaus, dass jedem Patienten eine freie Wahl des Fernsehprogramms nicht möglich ist. In den Patientenzimmern des Krankenhauses der Klägerin ist nämlich jeweils nur ein Bildwiedergabegerät aufgestellt. Ist das Bildwiedergabegerät bereits von einem Patienten in Betrieb gesetzt worden, können die anderen Patienten des jeweiligen Mehrbettzimmers das von dem einen Patienten gewählte Fernsehprogramm über den Hörschlauch mithören. Entsprechendes gilt bei gemeinsamer oder mehrheitlicher Programmwahl. Dementsprechend ist das von der Klägerin von jedem Patienten erhobene Entgelt für die Nutzung des Hörschlauchs zum (vollständigen) Fernsehempfang jedenfalls für diejenigen Patienten, die das von einem anderen Patienten gewählte Fernsehprogramm mitsehen und -hören, eine Gegenleistung für die gemeinsame Nutzung der - aus den jeweiligen Hörschläuchen in dem Patientenzimmer und dem dort aufgestellten Bildwiedergabegerät bestehenden - Fernsehanlage, nicht aber eine Gegenleistung für den selbstständigen Empfang von Fernsehprogrammen. Die Entgelterhebung durch die Klägerin ist deshalb entgegen der auf das Urteil des VG Gelsenkirchen vom 24.10.1988 - 14 K 2184/87 -, NWVBl. 1989, 217 (217), gestützten Auffassung des Beklagten kein schlüssiges Indiz für das Vorliegen einer gesonderten Hörstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV.
Soweit in dem genannten Urteil des VG Gelsenkirchen außerdem davon ausgegangen wird, dass der Fernsehton über einen Hörschlauch "technisch gesondert" vermittelt wird, wird übersehen, dass das Vorliegen einer gesonderten Hörstelle i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 RgebSTV, wie ausgeführt, einen vollständigen Empfang von Rundfunkdarbietungen voraussetzt. Daran fehlt es aber bei den Hörschläuchen, soweit mit ihnen Fernsehton übertragen wird, weil sie, wie ebenfalls bereits ausgeführt, in dieser Funktion weder Hörfunk noch einen vollständigen Empfang von Fernsehsendungen ermöglichen.
Der Beklagte beruft sich auch ohne Erfolg auf das Urteil des OVG NRW vom 20.5.1986 - 4 A 1594/84 -. In dieser Entscheidung hat der früher für das Rundfunkgebührenrecht zuständige 4. Senat das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO im Hinblick auf den Antrag eines Krankenhausträgers auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für das Bereithalten von 79 bzw. 117 Bildwiedergabegeräten und 165 bzw. 260 Kopfhörern, mit denen der Fernsehton empfangen werden konnte, geprüft und im Ergebnis verneint. Ob die, wie ausgeführt, nur bei Vorliegen von Rundfunkempfangsgeräten erforderliche Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO entsprechend der Auffassung des Beklagten darauf schließen lässt, dass der 4. Senat die 165 bzw. 260 Kopfhörer als jeweils (selbstständige) Rundfunkempfangsgeräte angesehen hat, oder ob - was näher liegt - der 4. Senat davon ausgegangen ist, dass die 79 bzw. 117 Bildwiedergabegeräte und die ihnen zugeordneten Kopfhörer jeweils ein Rundfunkempfangsgerät i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 RgebSTV darstellen, lässt sich den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei entnehmen, weil dort diese Frage nicht ausdrücklich angesprochen wird. Sollte die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BefrVO durch den 4. Senat in dem vom Beklagten dargelegten Sinn zu verstehen sein, hält der beschließende und nunmehr für das Rundfunkgebührenrecht, soweit es Verfahren der vorliegenden Art betrifft, zuständige 19. Senat an dieser - möglichen - Auffassung des 4. Senats nicht fest. Zur Begründung wird auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen.
Ende der Entscheidung
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