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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.03.2004
Aktenzeichen: 19 A 546/02
Rechtsgebiete: BestG NRW


Vorschriften:

BestG NRW § 2
Der Nachbar eines Friedhofs kann Abwehrrechte nicht aus dem Erfordernis der Genehmigung zur Errichtung und Erweiterung von Friedhöfen gemäß § 2 BestG NRW herleiten.
Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer von Grundstücken, die teilweise mit Wohnhäusern bebaut sind und an den örtlichen katholischen Friedhof angrenzen. Friedhofsträger ist die Beklagte. Sie hat damit begonnen, das Flurstück 1296 mit Grabstätten zu belegen. Eine Urkunde über die Genehmigung, das Flurstück 1296 mit Grabstätten zu belegen, ist nicht vorhanden. Auf die Klage des Klägers verpflichtete das VG die Beklagte, die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten zu unterlassen. Das OVG gab der zugelassenen Berufung der Beklagten statt.

Gründe:

Es spricht aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils Vieles dafür, dass der Beklagten für die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten (bislang) keine Genehmigung erteilt worden ist. Der Kläger kann den geltend gemachten Unterlassungsanspruch hierauf jedoch nicht stützen, weil er aus dem auch für kirchliche Friedhöfe bestehenden Genehmigungserfordernis allein keine subjektiven Rechte herleiten kann. Er wird durch die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten auch nicht in materiellen subjektiven Rechten, die geeignet wären, den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu begründen, verletzt.

Der Kläger kann subjektive Rechte aus dem vom VG angeführten Genehmigungserfordernis gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24.7.1924, PrGS S. 585, und auch aus § 764 des Zweyten Theils, Eilfter Titel, des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten vom 5.2.1794,

abgedruckt bei Hattenhauer, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794, Textausgabe, 1970, S. 568,

nicht herleiten. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 24.7.1924 bedurften Beschlüsse des Kirchenvorstandes einer katholischen Gemeinde der Genehmigung der Staatsbehörde bei der Anlegung oder Veränderung der Benutzung von Begräbnisplätzen. Nach der Vorschrift des § 764 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach in Nordrhein-Westfalen fortgalt,

vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 19.6.1967 - V A 333/67 -, DVBl 1968, 120 (120 f.),

sollte die Anlegung neuer Begräbnisplätze nur aus erheblichen Ursachen und nur unter Einwilligung der geistlichen Obern sowie der Polizeivorgesetzten des Ortes stattfinden. Die genannten Vorschriften sind jedoch durch § 20 Abs. 2 Nr. 4 BestG NRW aufgehoben worden. Eine Übergangsvorschrift, aus der die Fortgeltung des § 15 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes vom 24.7.1924 und des § 764 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten mit Relevanz für das vorliegende Verfahren hervorginge, enthält das Bestattungsgesetz nicht.

Das Genehmigungserfordernis für die Erweiterung des Friedhofs der Beklagten um das Flurstück 1296 ergibt sich nunmehr aus § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW. Nach dieser Vorschrift bedürfen der Genehmigung die Errichtung und die Erweiterung der Friedhöfe der kreisangehörigen Gemeinden und der Religionsgemeinschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 BestG NRW, die, wie die Beklagte als (örtliche) katholische Kirchengemeinde, Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

Vgl. zum Körperschaftsstatus der (örtlichen) katholischen Kirchengemeinden: von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., 1996, S. 152; Friesenhahn, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Erster Band, 1974, S. 567.

Genehmigungsbehörde ist für Friedhöfe der Religionsgemeinschaften die Bezirksregierung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BestG NRW).

Der Kläger kann aber aus dem Fehlen einer Genehmigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht herleiten. Der - hinsichtlich des Flurstücks 1296 unterstellte - Verstoß gegen das Genehmigungserfordernis verletzt keine subjektiven Rechte des Klägers.

Eine Verletzung subjektiver Rechte des Klägers ist erforderlich, weil die objektive - formelle oder auch materiell-rechtliche - Rechtswidrigkeit der Errichtung oder Erweiterung eines Friedhofs für sich allein keine Unterlassungsansprüche begründet.

Vgl. auch zum Baurecht: BVerwG, Beschluss vom 28.7.1994 - 4 B 94.94 -, BRS 56, Nr. 163, S. 413 (414), und Urteil vom 19.9.1986 - 4 C 8.84 -, BRS 46, Nr. 173, S. 397 (399); Hahn/Schulte, Öffentlich-rechtliches Baunachbarrecht, 1998, Rdn 5 (S. 3), m. w. N.

Subjektive Rechte des Klägers werden durch das Fehlen der Genehmigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW verletzt, wenn das Genehmigungserfordernis nicht nur der Durchsetzung öffentlicher Interessen, sondern gerade auch dem Schutz individueller Interessen, hier den Interessen des Klägers, dient. Eine solche Schutzfunktion allein des Genehmigungserfordernisses ergibt sich nicht schon daraus, dass die Erteilung der Genehmigung der Errichtung oder Erweiterung eines Friedhofs materiell-rechtlich unter anderem die hinreichende Berücksichtigung der Gesundheit und des Eigentums der Grundstücksnachbarn voraussetzt.

A. A. zu § 1 Abs. 3 des BestG Rh.-Pf.: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 5.2.1985 - 7 A 28/84 -, unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 3 BestG Rh.-Pf.; vgl. ferner: Spranger, Bestattungsgesetz NRW, 2003, § 2 Anm. I (S. 40).

Erforderlich ist vielmehr, dass das Genehmigungserfordernis gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW nach seinem Schutzzweck nicht nur auf die Ordnung des Verfahrens und die vollständige Unterrichtung der Genehmigungsbehörde und zu beteiligender öffentlicher Stellen über die Errichtung oder Erweiterung eines Friedhofs, die davon betroffenen öffentlichen Belange, insbesondere die mit der Friedhofserrichtung oder -erweiterung einhergehenden Gefahren für die öffentliche Gesundheit, sowie die Gesundheit und die schutzwürdigen Eigentumsrechte der Grundstücksnachbarn abzielt, sondern weitergehend gerade auch den von der Errichtung und Erweiterung des Friedhofs betroffenen Dritten, etwa den Grundstücksnachbarn, in spezifischer Weise und unabhängig von materiellen Rechten der Drittbetroffenen eine eigene selbstständig durchsetzbare Rechtsposition gewährt. Das ist nur der Fall, wenn die Norm erkennen lässt, dass der von der Friedhofserrichtung oder -erweiterung Betroffene unter Hinweis allein auf das Fehlen der Genehmigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW, d. h. ohne Rücksicht auf die Verletzung eigener materieller Rechte, die Unterlassung der Errichtung oder Erweiterung durchsetzen kann.

Vgl. zum Baurecht BVerwG, Beschluss vom 3.8.1982 - 4 B 145.82 -, BRS 39, Nr. 193, S. 392 (392), Urteile vom 15.7.1987 - 4 C 56.83 -, BVerwGE 78, 40 (41), 29.5.1981 - 4 C 97.77 -, BVerwGE 62, 243 (246), 14.12.1973 - IV C 50.71 -, BVerwGE 44, 235 (239 f.), 20.10.1972 - IV C 107.67 -, BVerwGE 41, 39 (63 ff.); OVG NRW, Beschluss vom 1.7.2002 - 10 B 788/02 -, NWVBl 2003, 54 (55) - jeweils zum Bau- oder Wasserrecht -, und OVG NRW, Urteil vom 17.1.1997 - 19 A 429/96 -, NVwZ-RR 1998, 431; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2003, § 42 Abs. 2 Rdn 77, m. w. N.

Eine solche Schutzfunktion hat § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW für den Friedhofsnachbarn nicht. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat den von der Errichtung oder Erweiterung eines Friedhofs Betroffenen keine durchsetzbaren subjektiv-rechtlichen Rechtspositionen innerhalb des Genehmigungsverfahrens nach dem Bestattungsgesetz eingeräumt. Schon deshalb ist ungeachtet der Frage, ob sich ein etwaiger Verfahrensverstoß auch auf materiell-rechtliche Rechtspositionen des Drittbetroffenen ausgewirkt haben muss,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.7.1993 - 7 B 114.92 -, DVBl 1992, 1149 (1150),

nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW oder sonstigen Vorschriften des Bestattungsgesetzes bezweckte, einem durch die Friedhofserrichtung oder -erweiterung möglicherweise betroffenen Dritten, etwa den Grundstücksnachbarn, ein subjektives Recht auf Durchführung des Genehmigungsverfahrens zu geben, wenn der Friedhofsträger die Genehmigung nicht von sich aus beantragt oder die Genehmigungsbehörde ein Genehmigungsverfahren nicht durchführt. Das Genehmigungserfordernis zielt vielmehr darauf ab, in einem einheitlichen Verfahren über die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit einer beabsichtigten Friedhofserrichtung oder -erweiterung unter Beteiligung der in § 2 BestG NRW genannten Stellen und Berücksichtigung aller rechtlich geschützten öffentlichen und individuellen Interessen zu entscheiden. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 3 BestG NRW. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn der Friedhof den Erfordernissen des Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entspricht und ihr sonstige Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht entgegenstehen. Gerade weil das Genehmigungsverfahren nach dem gesetzlich vorgegebenen Entscheidungsprogramm auf eine sachlich umfassende Entscheidung der Genehmigungsbehörde ausgerichtet ist, zielt das Genehmigungserfordernis nicht auf die Gewährleistung einer spezifischen Verfahrenssicherung Dritter ab, sondern allein auf ein im öffentlichen Interesse gelegenes (rationelles) Verwaltungsverfahren.

Vgl. auch zum Verfahren nach § 31 WHG: BVerwG, Urteil vom 14.12.1973 - IV C 50.71 -, a. a. O., S. 240.

Hinzu kommt, dass sich weder aus dem Genehmigungserfordernis gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW noch aus den übrigen Vorschriften des Bestattungsgesetzes entnehmen lässt, gegenüber wem und auf welche Weise ein Anspruch etwa eines Grundstücksnachbarn auf Durchführung des Genehmigungsverfahrens sollte durchgesetzt werden können. Solche - ausdrücklichen oder durch Auslegung herleitbaren - Regelungen sind aber für die Verwirklichung eines verfahrensrechtlichen Drittschutzes ebenso unerlässlich wie seine grundsätzliche Anerkennung selbst. Der gesetzlichen Regelung muss sich insoweit zumindest entnehmen lassen, ob sich etwaige Ansprüche des Dritten gegen den Friedhofsträger richten sollen, oder ob der Dritte Ansprüche unmittelbar gegen die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde soll geltend machen können, oder ob ihm diese Möglichkeiten kumulativ oder alternativ zur Verfügung stehen sollen.

BVerwG, Urteil vom 29.5.1981 - 4 C 97.77 -, a. a. O., S. 247, m. w. N.

Auf diese Fragen gibt das Bestattungsgesetz keine Antwort. Es lässt sich den Vorschriften des Bestattungsgesetzes auch nicht durch Auslegung entnehmen, ob der Kläger etwaige (öffentlich-rechtliche) Unterlassungsansprüche auf Grund der Verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW gegen den - regelmäßig öffentlich-rechtlichen - Friedhofsträger und/oder die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde geltend machen soll.

Die Auslegung des § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW dahin, dass diese Vorschrift einem Dritten keine vom materiellen Recht selbstständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewährt, steht nicht im Widerspruch zu den vom VG angeführten Ausführungen des BVerfG über den Schutz von Grundrechten auch durch verfahrensrechtliche Vorschriften in dem Beschluss vom 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 -, BVerfGE, 53, 30 ff. Dort wird den Auslegungs- und Anhörungsvorschriften des Atomgesetzes grundrechtsschützende Wirkung im Wesentlichen mit der Begründung zuerkannt, das Atomgesetz "bezweckt ausdrücklich - und zwar ... vorrangig vor einer Förderung der Atomenergienutzung ... - Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen" (BVerfG, a. a. O., S. 58). Von diesem Ansatz her kommt nach Auffassung des BVerfG im Atomrecht eine Grundrechtsverletzung auch dann in Betracht, wenn die Genehmigungsbehörde solche atomrechtlichen Verfahrensvorschriften außer acht lässt, die der Staat in Erfüllung seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG erlassen hat. Eine solche Zielrichtung hat das Genehmigungserfordernis gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW jedoch nicht. Es dient in erster Linie dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Bestattung der Toten.

Vgl. auch zur eingeschränkten Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG außerhalb des Atomrechts: BVerwG, Beschluss vom 3.8.1982 - 4 B 145.82 -, a. a. O., S. 392 f.

Der Kläger wird durch die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten auch nicht in materiellen subjektiven Rechten verletzt.

Drittschützende wasserhaushaltsrechtliche Vorschriften, die im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sind (§ 2 Abs. 3 BestG NRW), werden durch die Erweiterung des Friedhofs nicht verletzt. Der Kläger kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich auf dem Flurstück 98 ein Brunnen befindet, der der Wasserversorgung der Gebäude auf den ihm gehörenden Flurstücken 98, 392 und 1299 dient und etwa 35 m vom Flurstück 1296 entfernt liegt. Der Kläger hat insofern eine schutzwürdige Rechtsposition, die ein Abwehrrecht begründet, nicht inne. Durch rechtskräftiges Urteil des 20. Senats des OVG NRW vom 14.11.2002 ist geklärt, dass die bislang erfolgte Grundwasserförderung und -nutzung in dem Brunnen nicht erlaubnisfrei (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1 Satz, § 33 Abs. 1 Nr. 1 WHG) ist und die Voraussetzungen für die erforderliche Genehmigung der Grundwasserförderung (§ 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG) nicht erfüllt sind. Die Genehmigung zur Grundwasserförderung in dem beantragten Umfang sei gemäß § 6 WHG zu versagen, weil die Beschaffenheit des in dem Brunnen geförderten Wassers wegen des angrenzenden Friedhofs der Beklagten eine Gefahr für die Gesundheit der Wasserverbraucher darstelle. Der Kläger ist deshalb mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt T. vom 23.7.2003 verpflichtet worden, die Flurstücke 98, 392 und 1299 sowie die darauf errichteten Gebäude aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage zu versorgen. Soweit in dem Bescheid vom 23.7.2003 davon ausgegangen wird, dass der Kläger den Brunnen noch zur Gartenbewässerung nutzen dürfe, ist diese Auffassung bezogen auf die bisherige Art und Weise der Grundwasserförderung und -nutzung angesichts der Ausführungen in dem Urteil des 20. Senats vom 14.11.2002 unzutreffend. Hinzu kommt, dass der Bürgermeister der Stadt T. nicht Wasserbehörde ist (§ 136 LWG NRW) und deshalb keine Befugnis zur Entscheidung über die wasserrechtliche Zulässigkeit der Grundwasserförderung treffen kann. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das in dem Brunnen geförderte Grundwasser derzeit in anderer als vom 20. Senat angenommenen Art und Weise nutzt und die geänderte Nutzung nach den wasserrechtlichen Vorschriften erlaubnisfrei oder genehmigungsfähig wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen macht der Kläger nicht geltend und es ist auch sonst nichts dafür dargetan, dass die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten sein eventuell bestehendes Recht auf Nutzung des Brunnens zur Gartenbewässerung beeinträchtigt.

Der Kläger kann auch keine materiellen subjektiven Rechte aus den Hygiene-Richtlinien für die Anlage und Erweiterung von Begräbnisplätzen, Runderlass des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.8.1979, MBl. NRW S. 1724, zuletzt geändert durch Erlass vom 7.2.2001, MBl. NRW S. 402, herleiten. Dabei kann offen bleiben, ob die Hygiene-Richtlinien als Verwaltungsvorschriften überhaupt Rechte Dritter begründen und ob etwaige Rechte Dritter allein gegenüber der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde, nicht aber gegenüber der Beklagten als Friedhofsträger geltend gemacht werden können.

Eventuell noch bestehende und nach Nr. 1.1, 1.2, 3.2 und 3.3 der Hygiene-Richtlinien zu schützende wasserhaushaltsrechtliche Befugnisse des Klägers in Bezug auf den Brunnen auf dem Flurstück 98 werden, wie ausgeführt, durch die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten nicht beeinträchtigt.

Der nach Nr. 1.4 vorgesehene Sichtschutz der Grundstücke des Klägers durch Bäume, wintergrüne Hecken, Sträucher oder Mauern wird nach dem Vortrag der Beklagten beachtet. Sie hat mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.8.1999 und 25.9.2001 vorgetragen, dass der erforderliche Sichtschutz durch eine dichte und über 4 m hohe Baumhecke gewährleistet ist. Dem hat der Kläger nicht substantiiert widersprochen. (Wird ausgeführt).

Ein konkreter Abstand zwischen Grabstätten und an den Friedhof angrenzenden Wohngebäuden ist nach den geltenden Hygiene-Richtlinien, die in ihrer ursprünglichen Fassung einen Mindestabstand von 35 m vorsahen,

vgl. Nr. 1.4 Satz 1 der Hygiene-Richtlinien vom 21. August 1979, MBl NRW, S. 1724,

nicht vorgeschrieben. Auch aus sonstigen, im Rahmen des § 2 Abs. 3 BestG NRW beachtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts ergibt sich nicht das Erfordernis, bei der Belegung des Friedhofsgeländes mit Grabstätten einen Mindestabstand einzuhalten.

Vgl. auch Spranger, a. a. O., § 2 Anm. II 1 (S. 40).

Ob ein bestimmter Mindestabstand erforderlich ist, um eine Beeinträchtigung des menschlichen Wohlbefindens im Sinne der Nr. 1.1 der Hygiene-Richtlinien auszuschließen, kann dahinstehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die vorgesehene Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten das Wohlbefinden des Klägers beeinträchtigen könnte. Er selbst hält unter Verweis auf § 5 Abs. 5 des sächsischen Gesetzes über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen einen Mindestabstand von 35 m für erforderlich. Unbeschadet der Frage, ob ein solcher Abstand zum Schutz des menschlichen Wohlbefindens im Sinne der Nr. 1.1 der Hygiene-Richtlinien einzuhalten ist, trifft die Behauptung des Klägers im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 5.3.2004, "mit einer Belegung der Flurstücke 1296 und 1297 würde die Beklagte die Gräber bis auf ca. 14 m an das Wohnhaus des Klägers heranlegen", (schon) nicht zu. Nach den vorliegenden Karten beträgt der kürzeste Abstand zwischen dem Flurstück 1296 und dem Wohnhaus des Klägers mindestens 30 m, so dass unter Berücksichtigung der vorhandenen Sichtschutzbepflanzung nicht anzunehmen ist, dass der Abstand zwischen den Grabstätten auf dem Flurstück 1296 und dem Wohnhaus des Klägers auf dem Flurstück 1299 weniger als 35 m beträgt. Ob der Abstand zwischen etwaigen Grabstätten auf dem Flurstück 1297 und dem Wohnhaus des Klägers weniger als 35 m beträgt, ist nicht entscheidungserheblich. Das vorliegende Verfahren betrifft allein die Belegung des Flurstücks 1296 mit Grabstätten. Unerheblich ist auch der Vortrag des Klägers, seine Tochter beabsichtige auf dem Flurstück 97 ein Wohnhaus zu errichten. Der Kläger kann aus einer eventuellen Verletzung der Rechte seiner Tochter keine eigenen (Abwehr-) Ansprüche herleiten. Abgesehen davon ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Tochter des Klägers eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Flurstück 97 erteilt worden ist, die es ihr gestatten würde, das Wohnhaus in einer Entfernung von weniger als 35 m zu den Grabstätten auf dem Flurstück 1296 zu errichten.

Der Kläger kann sich schließlich nicht auf eine Beeinträchtigung von Grundrechten berufen. Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG beachtliche Gesundheitsgefahren bestehen, wie ausgeführt, nicht. Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) begründet selbst keine Abwehrrechte oder Unterlassungsansprüche des Klägers. Vielmehr hat der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den näheren Inhalt einer sozialgerechten Eigentumsordnung zu konkretisieren. Eigentumsrechtlicher Nachbarschutz besteht deshalb grundsätzlich - und so auch hier - nur insoweit, als ihn der Gesetzgeber normiert hat.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1998 - 4 B 45.98 -, Buchholz 406.19, Nachbarschutz, Nr. 152, S. 68 (69), sowie Urteile vom 12.3.1998 - 4 C 10.97 -, BauR 1998, 760 (762 f.), 7.11.1997 - 4 C 7.97 -, BauR 1998, 533 (534), und 23.8.1996 - 4 C 13.94 -, Buchholz 406.19, Nachbarschutz, Nr. 136, S. 26 (33 f.); OVG NRW, Urteil vom 7.5.1999 - 21 A 4405/96 -; Hahn/Schulte, a. a. O., Rdn 8 bis 11.

Abgesehen davon ist nicht geltend gemacht und nicht ersichtlich, dass sich über das vorstehend Erörterte hinaus die strittige Erweiterung des Friedhofs der Beklagten nachteilig auf eigentumsrechtlich geschützte Belange des Klägers auswirkt.



Ende der Entscheidung

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