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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.08.2006
Aktenzeichen: 19 B 1036/06
Rechtsgebiete: VwGO, AG VwGO NRW


Vorschriften:

VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 2
AG VwGO NRW § 5 Abs. 2
Eilanträge auf Zulassung zur Abschlussprüfung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin sind entsprechend § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m § 5 Abs. 2 AG VwGO NRW gegen die Bezirksregierung zu richten. Weder der Prüfungsausschuss in der Altenpflege noch deren Vorsitzende sind Behörden im Sinne dieser Vorschriften.
Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die vorläufige Zulassung zur Abschlussprüfung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin. Das VG lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die Beschwerde der Antragstellerin blieb erfolglos.

Gründe:

Der Senat hat von Amts wegen den Beiladungsbeschluss des VG aufgehoben, vgl. zu dieser Befugnis des Rechtsmittelgerichts: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 65 Rdn. 40, m. w. N., und das Rubrum dahin berichtigt, dass Antragsgegnerin die Bezirksregierung ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ist gegen die Bezirksregierung zu richten, weil die Vorsitzende des Prüfungsausschusses für die staatliche Prüfung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern bei der Altenpflegeschule nicht Behörde im Sinne der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren entsprechend anwendbaren Regelungen in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m § 5 Abs. 2 AGVwGO NRW ist. Sie ist organisatorisch ein unselbstständiger Teil der Bezirksregierung mit der Folge, dass ihre Entscheidung über die Nichtzulassung der Antragstellerin zur Abschlussprüfung zur staatlich anerkannten Altenpflegerin ebenso wie die Entscheidungen des Prüfungsausschusses der Bezirksregierung zuzurechnen ist.

Behörden sind Stellen der öffentlichen Verwaltung, die durch organisationsrechtliche Rechtssätze gebildet, vom Wechsel der Amtsinhaber unabhängig und nach der einschlägigen Zuständigkeitsregelung berufen sind, unter eigenem Namen nach außen eigenständig für den Staat oder einen sonstigen Träger öffentlicher Verwaltung durch Verwaltungsakt zu handeln.

OVG NRW, Urteil vom 13. 3. 1991 - 22 A 871/90 -, NJW 1991, 2586 (2587), Beschluss vom 14. 5. 1985 - 3 A 135/85 -, KStZ 1986, 178 (178), Urteile vom 9. 8. 1974 - XV A 543/73 -, OVGE 30, 20 (21), und vom 8. 9. 1966 - V A 1639/64 -, OVGE 22, 267 (268); VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31. 1. 1989 - 9 S 961/88 -, SPE n. F., 596 (Prüfungsunfähigkeit), Nr. 35, S. 69 (72); vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20. 7. 1984 - 7 C 28.83 -, SPE n. F., 548 (Prüfungsausschüsse), Nr. 4, S. 1 (3).

Das setzt unter anderem eine organisatorische Verselbstständigung voraus.

BVerwG, Urteile vom 24. 1. 1991 - 2 C 16.88 -, NJW 1991, 2980 (2980), und vom 20. 7. 1984 - 7 C 28.83 -, BVerwGE 70, 5 (13); OVG NRW Beschluss vom 14. 5. 1985 - 3 A 135/85 -, a. a. O., und Urteil vom 14. 12. 1962 - V A 834/62 -, OVGE 18, 194 (194 f.).

Eine solche organisatorische Selbstständigkeit besitzt die Vorsitzende des Prüfungsausschusses nicht. Das ergibt sich schon daraus, dass sie ihre Funktion als Vorsitzende gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 APO-Altenpflege NRW (und auch gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers des Bundes vom 26. 11. 2002, BGBl I S. 4418 - AltPflAPrV) als "Vertreterin der Bezirksregierung" ausübt. Diese Formulierung in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 APO-Altenpflege NRW macht deutlich, dass sie (auch) bei der Ausübung ihrer Tätigkeit als Vorsitzende des Prüfungsausschusses als in die Bezirksregierung eingebundene Beamtin tätig wird. Die fehlende organisatorische Selbstständigkeit der Vorsitzenden verdeutlicht auch, dass sie nach ihren Angaben über Widersprüche gegen die Nichtzulassung zur Abschlussprüfung und gegen Entscheidungen des Prüfungsausschusses entscheidet und deshalb auch den Widerspruchsbescheid unterzeichnet hat. Das wäre organisationsrechtlich unzulässig, wenn sie als Vorsitzende eine selbstständige Behörde wäre und damit ihre Funktion nicht als Beamtin der Bezirksregierung ausüben würde. Denn gemäß § 21 Abs. 1 APO-Altenpflege NRW entscheidet nicht die Vorsitzende des Prüfungsausschusses, sondern die Bezirksregierung über Widersprüche gegen Entscheidungen im Rahmen der Abschlussprüfung. Die fehlende organisatorische Selbstständigkeit der Vorsitzenden verdeutlicht außerdem, dass sie nicht über eigene personelle und sächliche Verwaltungsmittel verfügt. Nach ihren Angaben sind ihr für die Ausübung ihrer Tätigkeit als Vorsitzende des Prüfungsausschusses keine eigenen personellen und sächlichen Verwaltungsmittel zugewiesen. Bei ihrer Tätigkeit als Vorsitzende greift sie auf die personellen und sächlichen Verwaltungsmittel der Bezirksregierung, bei der sie als Beamtin angestellt ist, zurück.

Richtiger Antragsgegner ist auch nicht der Prüfungsausschuss. Dem steht schon entgegen, dass ihm bei der Entscheidung über die Zulassung zur Abschlussprüfung keine Befugnisse übertragen sind. Die Entscheidung hierüber trifft gemäß § 11 Abs. 1 APO-Altenpflege NRW die Vorsitzende des Prüfungsausschusses auf Vorschlag der Leitung des Fachseminars. Abgesehen davon fehlt auch dem Prüfungsausschuss die Behördeneigenschaft. Er ist schon deshalb keine Behörde, weil er nicht vom Wechsel der Amtsinhaber unabhängig ist. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 APO-Altenpflege NRW gehören dem Prüfungsausschuss neben der Vorsitzenden/dem Vorsitzenden (Nr. 1) und der Leitung des Fachseminars oder deren Vertretung (Nr. 2) die Praxisbegleitung oder der Praxisbegleiter oder deren/dessen Vertretung (Nr. 3) und mindestens drei weitere Dozentinnen oder Dozenten des Fachseminars oder eines anderen Fachseminars für Altenpflege an (Nr. 4). Die Bestellung der Prüfungsausschussmitglieder zu Nr. 3 und Nr. 4 erfolgt wie die Bestellung der Vorsitzenden/des Vorsitzenden durch die Bezirksregierung (§ 9 Abs. 2 Satz 2 APO-Altenpflege NRW). Damit besteht der Prüfungsausschuss jeweils in einer von der Bezirksregierung konkret ad personam bestimmten Zusammensetzung (so auch nach § 6 AltPflAPrV). Abgesehen davon fehlt dem Prüfungsausschuss auch deshalb die erforderliche organisatorische Selbstständigkeit, weil er nach den Angaben der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses ebenso wie sie selbst nicht über eigene personelle und sächliche Verwaltungsmittel verfügt. Auf die - in der APO-Altenpflege NRW nicht ausdrücklich vorgesehene - Weisungsfreiheit des Prüfungsausschusses, darauf abstellend: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 3. 7. 2006 - 4 K 3867/05 -, kommt es damit nicht mehr an. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Mitglieder von Prüfungsausschüssen prinzipiell nur das Innenverhältnis zu den Errichtungs- und Aufsichtsbehörden betrifft und deshalb allein aus der Weisungsfreiheit die Behördeneigenschaft nicht hergeleitet werden kann.

OVG NRW, Urteil vom 8. 9. 1966 - V A 1639/64 -, a. a. O., 269 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31. 1. 1989 - 9 S 961/88 -, a. a. O., 73.

Richtiger Antragsgegner ist deshalb die Bezirksregierung. Ihre Stellung im gesamten Prüfungsverfahren und die ihr nach der APO-Altenpflege NRW übertragenen Befugnisse (für die Bestimmungen der AltPflAPrV gilt dasselbe) lassen erkennen, dass ihr die Gesamtverantwortung des Prüfungsverfahrens zusteht und dass die Vorsitzende des Prüfungsausschusses ebenso wie der Prüfungsausschuss, wenn sie nach außen hin (gegenüber den Prüflingen) tätig werden, lediglich als Teile einer Behörde, nämlich der Bezirksregierung handeln. Die Bezirksregierung bestellt gemäß § 9 Abs. 2 Sätze 2 und 3 APO-Altenpflege NRW nicht nur die in § 9 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 APO-Altenpflege NRW genannten Mitglieder des Prüfungsausschusses, sondern entscheidet auch über die für die Zulassung zur Abschlussprüfung wesentlichen Fragen der Anrechnung von Fehlzeiten (§ 5 Abs. 8 Satz 3 APO-Altenpflege NRW) und der Verkürzung der Ausbildungszeit (§ 6 Satz 2 APO-Altenpflege NRW). Die Berufsbezeichnungen staatlich anerkannte Altenpflegerin und staatlich anerkannter Altenpfleger dürfen auch nicht schon aufgrund des Bestehens der Abschlussprüfung vor dem Prüfungsausschuss geführt werden. Das Bestehen der Abschlussprüfung dient lediglich dem Nachweis, dass die Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AltPflG NRW erfolgreich abgeschlossen wurde. Für die Berufsausübung ist weitergehend die Erteilung der nach § 1 AltPflG NRW vorgesehenen Erlaubnis erforderlich. Zuständig für die Erteilung der Erlaubnis ist die Bezirksregierung (§ 2 Abs. 1 AltPflG NRW).

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Frage, ob die Vorsitzende/der Vorsitzende von Prüfungsausschüssen und die Prüfungsausschüsse Behörde sind, auf der Grundlage von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, die der APO-Altenpflege NRW und der AltPflAPrV vergleichbar sind, ebenfalls zu verneinen ist. Das betrifft etwa die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 10. 11. 2003, BGBl I S. 2263. Die gegenteilige Auffassung unter Nr. 1 des Erlasses des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 1. 6. 2006 - 0410.1.1/0410.1.2 - trifft nicht zu.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zurückzuweisen, weil sie teilweise den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt und im Übrigen in der Sache nicht durchgreift. (Wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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