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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: 19 B 1400/09
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Versäumt es der Antragsteller schuldhaft, nach Eintritt der Hauptsacheerledigung rechtzeitig vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt zu erklären, gibt er diese Erklärung vielmehr erst mit der Beschwerde gegen den seinen Antrag mangels Rechtsschutzinteresses ablehnenden Beschluss ab, trägt er nach billigem Ermessen die dadurch verursachten Kosten des Beschwerdeverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens.
Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrte beim VG nach Nichtversetzung im Wege der einstweiligen Anordnung ihre vorläufige Teilnahme am Unterricht der Klasse 3. Die Versetzungskonferenz der Antragsgegnerin beschloss darauf nach erneuer Prüfung der Leistungen und der Leistungsentwicklung, die Antragstellerin in die Klasse 3 zu versetzen. Eine Erledigungserklärung gab die Antragstellerin gegenüber dem VG nicht ab. Dieses lehnte den Antrag mangels Rechtsschutzinteresses ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Beschwerde, mit der sie den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärte und beantragte, die Kosten des Rechtsstreits der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Das OVG hat der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens und von den Gerichtskosten erster Instanz 1,0 der Verfahrensgebühr und der Antragsgegnerin die übrigen Kosten erster Instanz auferlegt.

Gründe:

Die Erledigungserklärungen sind wirksam. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin die Beschwerde allein zu dem Zweck eingelegt hat, den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt zu erklären. Die Beschwerde kann nämlich grundsätzlich - zulässigerweise - auch allein zu diesem Zweck eingelegt werden, um zu erreichen, dass das Beschwerdegericht die angefochtene erstinstanzliche Sachentscheidung für wirkungslos erklärt und eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers trifft. Weil die Beschwerde sich nicht allein gegen die Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts richtet, hindert auch § 158 Abs. 1 VwGO diese Beschwerdeeinlegung nicht.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 26.3.2003 - 8 B 82/03 -, NVwZ-RR 2003, 701 = juris, m. w. N. (zur Erledigung "zwischen den Instanzen"); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 161 Rdnr. 53; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 161 Rdnr. 19 f.; a. A. OVG NRW, Beschlüsse vom 24.4.2006 - 18 B 595/06 - und vom 31.5.2002 - 21 B 931/02 -, NVwZ-RR 2002, 895.

Auch ist es unschädlich, dass die Erledigung der Hauptsache - hier die Entscheidung der Versetzungskonferenz, die Antragstellerin in die Klasse 3 zu versetzen - bereits vor Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung eingetreten ist, der Beschwerdeführer es aber unterlassen hat, rechtzeitig eine Erledigungserklärung abzugeben.

Vgl. Bay.VGH, Beschlüsse vom 8.4.1987 - 7 CS 87.00281 -, BayVBl. 1987, 636, und vom 20.4.1978 - Nr. 16 II 78 -, BayVBl. 1979, 618 f.

Denn das Prozessrecht begründet grundsätzlich keine Pflicht zur unverzüglichen Reaktion auf den Eintritt des erledigenden Ereignisses; es überlässt es unabhängig davon, in welchem Stadium des Prozesses das erledigende Ereignis eingetreten ist, grundsätzlich dem Beteiligten, eine Erledigungserklärung erst dann abzugeben, wenn er dies für angezeigt hält.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.1993 - 8 C 40.91 -, NVwZ 1993, 979 f = juris, Rdn. 15.

Wie sich die verzögerte Abgabe der Erledigungserklärung auf die Kostentragung auswirkt, ist unabhängig davon bei der Ausübung billigen Ermessens für die zu treffende Kostenentscheidung zu berücksichtigen.

Gemäß § 161 Abs. 2 VwGO ist über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens wie tenoriert zu verteilen.

Maßgebend dafür, die Antragstellerin mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten, ist nach dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 4 VwGO, dass diese Kosten durch ihr Verschulden entstanden sind. Denn die gesehene Notwendigkeit, mit dem angesprochenen Ziel die vorliegende Beschwerde einzulegen, beruht allein auf dem ihr zurechenbaren prozessualen Verhalten ihrer Eltern. Diese hatten bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Möglichkeit, die Erledigungserklärung abzugeben, die durch die von der Versetzungskonferenz beschlossene Versetzung ihrer Tochter in die Klasse 3 veranlasst war. Es ist kein Anhalt dafür ersichtlich, dass sie vor Ergehen des angefochtenen Beschlusses von der Versetzung ihrer Tochter keine Kenntnis erlangt haben. Denn der Senat geht nach der Lebenserfahrung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass die Antragsgegnerin die Versetzungsentscheidung entsprechend dem Recht der Antragstellerin auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle Förderung nach ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit (§ 1 SchulG NRW) und dem korrespondierenden Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule (§ 2 SchulG NRW) unverzüglich umgesetzt hat und dass die tatsächliche Teilnahme der Antragstellerin am Unterricht der Klasse 3 über mehr als eine Woche bis zum erstinstanzlichen Beschluss ihren Eltern nicht verborgen geblieben ist. Diese haben im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen, hiervon (und von der Versetzung) erstmals durch die Begründung des Beschlusses des VG Kenntnis erlangt zu haben. Ihr Versäumnis, in dem seiner Natur nach eilbedürftigen Verfahren sogleich auf die neue schulische Situation zu reagieren und von sich aus die veranlasste Prozesserklärung abzugeben, geht im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung zu ihren Lasten.

Die vorstehenden Billigkeitserwägungen rechtfertigen es auch, die Kosten erster Instanz der Antragstellerin aufzuerlegen, die sie dadurch verursacht hat, dass sie die Erledigungserklärung nicht zeitnah nach der Versetzungsentscheidung vor Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses abgegeben hat.

Vgl. hierzu Bay. VGH, Beschluss vom 12.12.1996 - 26 B 93.3844 -, juris, Rdn. 14.

Es handelt sich hierbei um Gerichtskosten in Höhe von 1,0 der Verfahrensgebühr nach Nr. 5210 des Kostenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes (Anlage 1). Bei rechtzeitiger Abgabe der Erledigungserklärung wäre nämlich der angefochtene Beschluss nicht ergangen und die Verfahrensgebühr nach Nr. 5210 des Kostenverzeichnisses voraussichtlich nicht in (voller) Höhe von 1,5, sondern nur in Höhe von 0,5 angefallen. Hierbei geht der Senat davon aus, dass das VG der Antragsgegnerin Gelegenheit gegeben hätte, nach Nr. 5211 Unterziffer 3. des Kostenverzeichnisses durch eine durch die nachträglich getroffene Versetzungsentscheidung ohnehin veranlasste Kostenübernahmeerklärung die Verfahrensgebühr auf 0,5 zu reduzieren, und dass die Antragsgegnerin diese Gelegenheit im eigenen Kosteninteresse auch genutzt hätte.

Maßgebend dafür, die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen, ist, dass diese dem Begehren der Antragstellerin auf (vorläufige) Teilnahme am Unterricht der Klasse 3 entsprochen hat, indem die Versetzungskonferenz beschlossen hat, nach neuerlicher Prüfung der Leistungen und der Leistungsentwicklung die Antragstellerin in die Klasse 3 zu versetzen. An diesem Billigkeitsgrund ändert es nichts, dass die Antragstellerin wie ausgeführt es zurechenbar versäumt hat, rechtzeitig vor Ergehen des angefochtenen Beschlusses den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt zu erklären; dieser Umstand ist zuvor hinsichtlich der ausscheidbaren erstinstanzlichen Kosten berücksichtigt. Die übrigen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hätte die Antragsgegnerin voraussichtlich auch bei rechtzeitiger Hauptsacheerledigungserklärung zu tragen gehabt, weil das VG nach § 161 Abs. 2 VwGO absehbar ebenso über die Kostentragung entschieden hätte.

Ende der Entscheidung

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