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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 19 B 1473/05
Rechtsgebiete: SchulG NRW, SchVG, VwGO
Vorschriften:
SchulG NRW § 59 Abs. 2 Satz 3 | |
SchVG § 20 Abs. 2 | |
VwGO § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 | |
VwGO § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 |
2. Die Schulleiterin oder der Schulleiter übt das Hausrecht nach § 59 Abs. 2 Satz 3 SchulG NRW eigenverantwortlich aus und handelt insoweit nicht im Auftrag oder in Vertretung des Schulträgers.
3. Das Hausrecht des Schulträgers bleibt unberührt, soweit sich dieses auf nicht zu den schulischen Aufgaben gehörende Veranstaltungen auf dem Schulgrundstück erstreckt.
Tatbestand:
Der Antragsteller ist Vater zweier Schüler, die eine Grundschule in S. besuchen. Die Antragsgegnerin ist Leiterin dieser Grundschule. Sie sprach gegenüber dem Antragsteller wegen abfälliger Äußerungen über eine Lehrerin am Elternsprechtag vor Eltern und Schülern ein Hausverbot aus. Den Widerspruch des Antragstellers wies der Bürgermeister der Gemeinde S. zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Hausverbots an. Den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage lehnte das VG ab, seine Beschwerde wies das OVG zurück.
Gründe:
Gegenstand der rechtlichen Prüfung durch den Senat ist das Hausverbot in derjenigen Fassung, die es durch den Widerspruchsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S. erhalten hat. In dieser Fassung erstreckt es sich auf das Betreten des Schulgeländes "während des Schulbetriebs sowie sonstiger schulischer Veranstaltungen". Es erfasst damit auch vorher vereinbarte Besprechungstermine mit Lehrern in der Schule am Nachmittag. Denn auch solche Besprechungstermine gehören zum Schulbetrieb oder sind schulische Veranstaltungen, auch wenn sie außerhalb des Unterrichts und ohne Anwesenheit von Schülern stattfinden (§ 44 Abs. 4 SchulG NRW).
Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das so verstandene Hausverbot offensichtlich rechtswidrig ist.
Das Hausverbot der Antragsgegnerin ist eine Maßnahme aufgrund des Hausrechts, das der Schulleiterin oder dem Schulleiter (im Folgenden Schulleiterin) zur Erfüllung der schulischen Aufgaben durch Gesetz zur Wahrnehmung zugewiesen ist. Gemäß § 20 Abs. 2 des bis zum 31. 7. 2005 geltenden Schulverwaltungsgesetzes (SchVG) ebenso wie nunmehr ab 1. 8. 2005 gemäß § 59 Abs. 2 SchulG NRW leitet die Schulleiterin die Schule, trägt sie die Verantwortung für die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und nimmt sie das Hausrecht wahr. Wie allgemein das öffentliche Hausrecht, also die Befugnis, über den Zutritt und den Aufenthalt von Personen in dem räumlich abgegrenzten Verwaltungsbereich zu entscheiden, unbeschadet zivilrechtlicher Rechtspositionen der Sicherung des geordneten Amtsbetriebs und der ordnungsgemäßen Abläufe und damit der Erfüllung der dem Funktionsträger zugewiesenen Verwaltungsaufgabe dient, vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31. 8. 1992 - 15 A 693/90 -, jurisweb, sowie Urteile vom 26. 4. 1990 - 15 A 460/88 -, DVBl. 1991, 495 ff. = NWVBl. 1990, 344 ff., und 14. 10. 1988 - 15 A 188/86 -, NWVBl. 1989, 31; Bay.VGH, Beschluss vom 23. 6. 2003 - 7 CE 03.1294 -, NVwZ-RR 2004, 185 f.; ferner Zeiler, DVBl. 1981, 1000 ff., und Knemeyer, BayVBl. 1981, 152, dient das Hausrecht der Schulleiterin der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des sicheren und geordneten Schulbetriebs als zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgabe der Schule, Schüler zu erziehen und zu bilden (§§ 1, 2 SchulG NRW). Es verdrängt insofern das Hausrecht des Schulträgers als des Eigentümers oder Besitzers des Schulgeländes, das im Übrigen unberührt bleibt, soweit es sich auf nicht zu den schulischen Aufgaben gehörende Veranstaltungen auf dem Schulgrundstück erstreckt. Dieser enge funktionelle Zusammenhang mit dem Schulbetrieb hat, wie der Senat ergänzend bemerkt, zur Folge, dass die Schulleiterin das Hausrecht nicht im Auftrag oder in Vertretung des Schulträgers, so aber van den Hövel/Jülich/Packwitz, SchulG § 59, Rdnr. 13; Margies/Roeser, SchVG, 3. Aufl., § 20 Rdnr. 28; Pöttgen/Jehkul/Zaun, ASchO, 16. Aufl., § 47 Rdnr. 2, vielmehr eigenverantwortlich ausübt. Seine Wahrnehmung ist daher auch nicht Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG, so dass - mit Blick auf das Widerspruchsverfahren - der Bürgermeister der Gemeinde S. nicht als Selbstverwaltungsbehörde im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO sachlich zuständig war, den Widerspruchsbescheid zu erlassen; hierzu war er auch nicht als nächsthöhere Behörde im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO zuständig, weil nächsthöhere Behörde die untere Schulaufsichtsbehörde ist.
Zur Wahrnehmung des Hausrechts gehört nach Ermessen der Schulleiterin auch der Erlass eines Hausverbots. Dieses dient entsprechend dem Zweck des Hausrechts dazu, Störungen des Schulbetriebs zu verhindern, um eine geordnete Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Schule zu gewährleisten. Es ist etwa dann ermessensgerecht, wenn aufgrund bereits eingetretener Störungen des Schulbetriebs die Gefahr besteht, dass sich derartige Störungen wiederholen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. 4. 2001 - 19 A 1303/00 -; VG Braunschweig, Urteil vom 10. 3. 2005 - 6 A 159/03 -, jurisweb.
Gemessen daran ist das Hausverbot der Antragsgegnerin nicht deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil schon bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden könnte, dass der auslösende Vorfall am Elternsprechtag sich anders als von der Antragsgegnerin zugrunde gelegt zugetragen hat. Diese geht davon aus, dass der Antragsteller in Gegenwart mehrerer Eltern und Schulkinder über eine Grundschullehrerin im Wesentlichen geäußert hat, diese sei psychisch krank und könne so nicht mehr unterrichten, die frühere Schulrätin des Kreises sei ebenfalls dieser Auffassung. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Vorfall im Kern so zugetragen hat. Danach hat der Antragsteller den Schulbetrieb erheblich gestört, indem er vor Eltern und Schulkindern die betroffene Lehrerin massiv herabgesetzt, ihr die Eignung für den Beruf, zumal unter Berufung auf die Schulaufsichtsbehörde, ohne sachlichen Grund und ehrverletzend abgesprochen und so die grundlegenden Anforderungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der Bildungs- und Erziehungsziele der Schule (nunmehr § 2 Abs. 2, § 42 Abs. 1 SchulG NRW) missachtet hat.
Die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe lassen eine andere Beurteilung nicht zu. Die abweichende Darstellung des Antragstellers hat nicht bereits deshalb, weil dieser sie eidesstattlich versichert hat, höheren Beweiswert als die schriftlichen nicht eidesstattlich versicherten Zeugenaussagen von Frau M., von Frau K. sowie der Grundschullehrerin. Die schriftlichen Einlassungen des Antragstellers sind im Zusammenhang gesehen in sich nicht stimmig; schon deshalb hat seine im gerichtlichen Verfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht die Aussagekraft für eine Glaubhaftmachung, die einer Erklärung in dieser Form sonst zukommen kann. Zudem wird bei summarischer Prüfung die Version des Antragstellers durch die genannten schriftlichen, urkundsbeweislich zu würdigenden Zeugenaussagen zusätzlich entkräftet. Daher kann aus der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers erst recht nicht geschlossen werden, seine Version sei offensichtlich zutreffend. (wird ausgeführt)
Das nach Maßgabe des Widerspruchsbescheides für 6 Monate ab Zustellung des Bescheides ausgesprochene Hausverbot ist schließlich nicht wegen seiner Dauer offensichtlich unverhältnismäßig. Aus den nachfolgenden Gründen ergibt sich, dass das Hausverbot zur Wahrung eines ungestörten Schulbetriebs für die bestimmte Dauer erforderlich ist und die damit verbundenen Einschränkungen den Antragsteller in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen als Erziehungsberechtigter seiner beiden Kinder, die die Grundschule besuchen, nicht unangemessen treffen.
Die Einwände gegen die vom VG vorgenommene Interessenabwägung greifen nicht durch. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Störungen des Schulbetriebs durch den Antragsteller überwiegt dessen Interesse daran, das Schulgelände während des Schulbetriebs und sonstiger schulischer Veranstaltungen zu betreten. Die vom VG angenommene Wiederholungsgefahr besteht. Angesichts des vom Antragsteller bisher in der Schule an den Tag gelegten Verhaltens besteht die hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich eine vergleichbare Eskalation wiederholt. Die vorliegenden, die Zeit ab dem Schuljahr 2003/2004 erfassenden Stellungnahmen der Antragsgegnerin und von Lehrkräften ergeben ein nachvollziehbares Bild von seinen Verhaltensmustern im Kontakt mit Lehrkräften der Schule. Der Antragsteller hat sich danach - unabhängig davon, ob einzelne mitgeteilte Vorkommnisse wie Aufdrängen von Gesprächen bis zum Unterrichtsbeginn, Verbleiben im Raum nach Abbruch eines Gesprächs für sich eine ein Hausverbot rechtfertigende Störung des Schulbetriebs darstellten - gerade im Zusammenhang mit Gesprächen mit Lehrkräften zumindest wiederholt aufdringlich und belästigend, rücksichtslos und uneinsichtig gezeigt; er beharrt ohne Rücksicht auf den Gesprächspartner auf seinen Standpunkten, kommt bei Meinungsverschiedenheiten nicht zu einer sachgemäßen Auseinandersetzung, verschließt sich anderen Ansichten und Einschätzungen, versucht, in die pädagogische Kompetenz der Lehrkräfte einzugreifen, und akzeptiert in Einzelfällen den Abbruch von Gesprächen nicht. Ein hinreichender Anhalt dafür, dass in den Stellungnahmen über die Art des Umgangs des Antragstellers mit den Lehrkräften an seinem tatsächlichen Verhalten vorbei gezielt zu dessen Nachteil berichtet wird, ist nicht ersichtlich. Der Mangel des Antragstellers an Einsichtsfähigkeit und an Bereitschaft zur Rücksichtnahme lässt besorgen, dass erneut Konfliktsituationen auftreten, die aufgrund seines Verhaltens zu einer erheblichen Störung des Schulbetriebs führen.
Dem gegenüber wiegen die mit dem Hausverbot verbundenen Einschränkungen für den Antragsteller nicht schwer und sind hinzunehmen. Information und Beratung der Eltern (§ 44 SchulG) können durchgeführt werden. Neben von dem Hausverbot nicht betroffenen telefonischen und schriftlichen Kontakten kann der Antragsteller Besprechungstermine mit Lehrern, wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren hervorgehoben hat, außerhalb der Zeiten des Schulbetriebs vereinbaren. Sonstige Besprechungstermine, Elternabende und Elternsprechtage kann seine Ehefrau wahrnehmen; es ist nicht ersichtlich, dass sie solche Termine wegen ihrer Berufstätigkeit notfalls unter kurzzeitiger Freistellung oder Beurlaubung nicht einrichten kann. Mit seiner 6-jährigen Tochter kann der Antragsteller aus den angeführten Anlässen das Schulgelände außerhalb der Zeit des Schulbetriebs aufsuchen. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass er seiner Tochter die mit dem Hausverbot verbundene Situation nicht erklären kann und das Kindeswohl in Mitleidenschaft gezogen wird.
Ende der Entscheidung
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